Prinz | Der Unterhändler der Hanse | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 189 Seiten

Reihe: Hansekrimi

Prinz Der Unterhändler der Hanse

E-Book, Deutsch, 189 Seiten

Reihe: Hansekrimi

ISBN: 978-3-86393-514-6
Verlag: CEP Europäische Verlagsanstalt
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Stralsund im Jahre 1370: Nach 10-jährigem Krieg einigen sich Dänemark und die Hanse, in Stralsund Friedensverhandlungen zu beginnen.
Reinekin Kelmer, Lübecker Kaufmann und Schwiegersohn des Bürgermeisters, der sich nach dem Tod seiner Frau von allen öffentlichen Ämtern zurückgezogen hat, soll als Unterhändler Lübecks die Verhandlungen führen, doch er lehnt ab. Selbst eine Serie von Anschlägen auf Ratsendboten aus Bremen, Danzig und Wismar, die ebenso wie Lübeck für einen schnellen Frieden mit Dänemark eintreten, kann ihn nicht umstimmen. Erst als der Lübecker Bürgermeister selbst Opfer eines Anschlags wird, entschließt er sich, die gefährliche Aufgabe zu übernehmen.
In Stralsund gilt es nicht nur einen gerechten Frieden auszuhandeln, sondern auch die Anschläge aufzuklären, denn der Mörder ist in der Stadt und er tötet weiter. Doch Kelmer ist ein kluger Kopf, ein geschickter Diplomat und ein hervorragender Schachspieler. Ihm zur Seite steht sein langjähriger venezianischer Freund Pietro Bottone und die junge, geheimnisvolle Frauke Tyrbach. Reinekin fühlt sich zu der außergewöhnlichen Frau hingezogen, doch sie ist schon einem anderen versprochen…
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PROLOG • STRALSUND, 25. MAI 1370
Der zierliche Mann mit dem vernarbten Gesicht, der sich Albert Puster nannte, trat in den eisernen Steigbügel, der mit Hanfseilen am Bogen der Armbrust befestigt war. Dann bückte er sich, hakte die Sehnenklauen des Spanngurts, den er mit einem ledernen Gurt um die Hüfte geschnallt hatte, in die Sehne ein und richtete sich auf. Es bedurfte einer Zugkraft von über einhundert Kilogramm, um die Sehne zu spannen und in der Nuss zu arretieren. Dann nahm er einen der vierzig Zentimeter langen Bolzen mit Metallspitze aus dem Köcher, der an seinem Gürtel hing, und legte den Bolzen in eine Kerbe der Nuss. Die Waffe war nun schussbereit. Er verschloss den Bolzenköcher und kniete hinter einem Stapel mit Fellen nieder. Einen zweiten Bolzen würde er nicht brauchen. Albert Puster war ein Meisterschütze. Es war die vierte Stunde nach Sonnenaufgang. Durch das halb geöffnete Tor im zweiten Stock des Lagerhauses konnte er den größten Teil des Stralsunder Hafenkais überblicken, ohne im Schatten des Speichers selbst gesehen zu werden. Wie immer hatte er sein Versteck sorgfältig ausgewählt. Ein optimaler Hinterhalt durfte nicht weiter als einhundert Meter vom Ziel entfernt sein und musste die Möglichkeit bieten, schnell und unerkannt zu verschwinden. Das Lagerhaus grenzte an die Stadtmauer, deren Brüstung zwei Meter unter dem Tor verlief, durch das mit Hilfe eines Seilzuges Waren vom Hafen direkt in den Speicher geladen werden konnten. Vor unangenehmen Überraschungen glaubte er sich sicher, denn die beiden Lagerarbeiter, die er seit Tagen beobachtet hatte, lagen mit durchschnittener Kehle im hinteren Teil des Lagerhauses. Vom Strelasund näherten sich Fischerboote und liefen im Fischerhafen ein. Gut siebzig Meter vor ihm plagten sich vier Männer mit dem Beladen einer Schute ab, die zwischen Kai und einer der Koggen pendelte, die draußen im Tiefwasser vor dem Hafenbecken lagen. Noch zwei Ladungen, schätzte der Mann hinter der Armbrust, würde es brauchen, um die am Kai aufgestapelten Säcke zur Kogge zu bringen. Erst danach würde der Lübecker Kaufmann erscheinen, der noch nichts von seinem bevorstehenden Ende ahnte. Er griff in die Tasche seiner Jacke, holte ein Stück harten Stockfisch heraus und biss davon ab. Danach kontrollierte er noch einmal seine Waffe. Sie wies keinerlei Verzierungen auf und hatte ihn dennoch ein kleines Vermögen gekostet. Das Wertvollste an ihr war der Bogen; gefertigt aus einer Kombination von Horn, Holz, Sehnen und Leim. Den Kern bildete ein Block aus zwanzig verleimten Hornplatten zwischen zwei Eibenholzstreifen, umgeben von einem dicken Mantel aus Tiersehnen. Dieser Bogen war wesentlich leichter und biegsamer als der Eschenholzbogen seines Vaters, mit dem er als Kind sein tödliches Handwerk gelernt hatte. Ein Bolzen, der von diesem Bogen abgeschossen wurde, konnte noch auf hundert Meter den Brustpanzer eines Ritters durchschlagen. Die Sonne stand bereits hoch am Himmel, als eine Gruppe von sieben Personen, gefolgt von vier Mann der Stadtwache, sich dem Hafenkai näherte. Albert Puster erkannte den Mann sofort, für dessen Tod er bezahlt wurde. Sein Name war Reinekin Kelmer, und er war ein reicher Lübecker Kaufmann, der auf den ersten Blick eher wie ein Handwerker aussah. Seine Kleidung ließ nahezu jeden Prunk vermissen. Er trug ein kurzes gegürtetes Wams, eine ärmellose Weste und eine enge Hose. Dennoch musste es sich um einen bedeutenden Mann handeln, da er vom Stralsunder Bürgermeister begleitet wurde. Kelmer war einen halben Kopf größer als die Personen, mit denen er zusammen war. Er mochte gut über dreißig Jahre sein, bewegte sich aber noch leichtfüßig wie ein Zwanzigjähriger. In seiner Begleitung befand sich ein mittelgroßer südländischer Mann mit schwarzem, langem Haar, das nach der neusten Mode mit einem Brenneisen gekräuselt zu sein schien. Sein Schwert baumelte vom Gürtel einer zweifarbigen Jacke, deren enge Ärmel in glockenförmigen Manschetten endeten, die bis über die Fingerspitzen herabfielen. Der Bürgermeister war an einer schweren silbernen Halskette zu erkennen, die er über einem schwarzen und mit Gold bestickten Mantel trug. An seiner Seite ging ein junger Mann, der leicht als Sohn des Bürgermeisters zu identifizieren war. Er hatte die gleiche Plattnase wie sein Vater und den gleichen kurzen Hals. Neben ihnen gingen zwei Frauen, die gekleidet waren wie adlige Damen. Die jüngere von ihnen trug den dicken Bauch einer Hochschwangeren vor sich her. Die ältere schmückte eine Schmetterlingshaube, deren Spitzen die Köpfe der Männer überragten und von denen ein Schleier über den gesamten Rücken bis fast auf den Boden fiel. Beide Frauen trugen teure Brokatmäntel, deren eingewebte Goldfäden in der Sonne schimmerten. Eine dritte Frau ging an der Seite von Reinekin Kelmer. Sie war einfacher gekleidet. Ihr Haar war unter einer weißen Haube versteckt, wie sie von einfachen Bürgersfrauen getragen wurde, und ihr Kleid war aus blauem Barchent oder einem anderen Baumwollstoff, wie man ihn in den Vierteln der Handwerker sah. Sie hatte sich bei Reinekin Kelmer untergehakt, und der Mann hinter der Armbrust fragte sich, in welcher Beziehung sie zu dem Lübecker stehen mochte. Und wo konnte der Einäugige sein, der sonst immer bei Kelmer war? Der Schütze hatte sein Ziel deutlich im Visier, aber noch war die Gruppe zu weit entfernt für einen sicheren Schuss. Kelmer war im Gespräch mit dem Bürgermeister. Beide schienen guter Dinge zu sein. Die Stimme des Bürgermeisters war bis in das Lagerhaus zu hören. Er lachte laut, und Kelmer grinste mit einem zustimmenden Kopfnicken. Er hatte ein sympathisches Gesicht, und der Schütze bedauerte, dass es nicht den Bürgermeister oder einen der beiden eitlen Gecken in seinem Gefolge treffen sollte. Aber dafür wurde er nicht bezahlt. Sein Auftrag war eindeutig: Reinekin Kelmer sollte er töten, und das war seinem Auftraggeber eine schöne Summe wert gewesen. Die Hälfte des Geldes hatte er bereits eingesteckt, und die andere sollte er nach Ausführung seines Auftrags erhalten. Das Geld würde ausreichen, um ein paar Jahre ein sorgenfreies Leben zu führen, selbst wenn er einen Teil davon an einen Priester würde bezahlen müssen, um für seine Tat die Absolution zu erhalten. Für zwanzig lübische Mark musste ein Söldner normalerweise ein ganzes Leben lang arbeiten, und selbst sein verhasster Vater, der Burgmann in Bremen gewesen war, hatte nur fünf Mark im Jahr erhalten. Er hatte immer vorgehabt, nach Bremen zurückzukehren und den Alten – bevor er ihn umbringen würde – wissen zu lassen, zu welchem Reichtum er es gebracht hatte. Das ging nicht mehr, denn der Alte war tot. Über ihn brauchte er sich den Kopf nicht mehr zu zerbrechen. Das Einzige, was ihm in den letzten Tagen Sorge bereitet hatte, war die Frage, ob er seinem Auftraggeber vertrauen konnte und tatsächlich die zweite Rate ausgezahlt bekommen würde. Bei dem zuletzt vereinbarten Treffen vor fünf Tagen war der Mann nicht erschienen, und zudem hatte er bei dem letzten Treffen darauf gedrängt, dass der Auftrag vor Christi Himmelfahrt ausgeführt werden müsse. Christi Himmelfahrt lag drei Tage zurück, aber was machte das für einen Unterschied? Er würde sein Geld erhalten, denn er hatte Erkundigungen über seinen Auftraggeber eingezogen und wusste, wo er den Mann zu finden hatte, falls die Zahlung ausblieb. Und bislang hatten noch alle gezahlt – schon aus Angst vor seiner tödlichen Kunst. Dies war sein letzter Auftrag, so hatte er sich vorgenommen. Danach wollte er ein neues Leben beginnen mit der Frau, die ihm in den letzten Wochen Liebe und Geborgenheit geschenkt hatte. Die Gruppe um Reinekin Kelmer und den Stralsunder Bürgermeister erreichte den Kai an der Stelle, an der die Schute festgemacht hatte. Albert Puster hatte den Finger am Abzug der Armbrust. Mit leichtem Druck würde er den Bügel gegen den Schaft heben. Die Nuss würde sich senken, die Sehne frei geben und den Bolzen mit ungeheurer Wucht ins Ziel schleudern. Er zielte auf die Brust des Lübeckers. Der Zeigefinger seiner rechten Hand fühlte die Spannung des Abzugs. Der Lübecker verneigte sich vor der Frau mit dem Schmetterlingshut, ging auf die jüngere mit dem dicken Bauch zu, schüttelte ihr die Hand, und dann war der Sohn des Bürgermeisters an der Reihe. Albert Puster zögerte. Der Mann mit dem Schwert war in die Flugbahn des Bolzens getreten. Auch er verabschiedete sich. Kelmer umarmte den Bürgermeister, sein Rücken hätte ein perfektes Ziel geboten, aber die Schwangere kam in die Quere, ging auf die Frau an Kelmers Seite zu und drückte ihr die Hand. Kelmer stand in der Mitte der Gruppe. In der Abschiedszeremonie war zu viel Bewegung, aber irgendwann würde er sich lösen müssen. Einen guten Schützen zeichnete genau diese Geduld aus, die es brauchte, um den sicheren Schuss zu setzen. Nur dafür wurde er bezahlt, und er hatte nur einen Schuss. Zum Nachladen würde keine Zeit bleiben. Jetzt traten die beiden reichen Frauen zurück. Der Bürgermeister und sein Sohn standen an der Kaimauer, der Bootsmann streckte eine Hand aus und half der Frau an Kelmers Seite in die Schute. Sie kehrte dem Schützen den Rücken zu. Kelmer sprang auf das andere Ende des Lastkahns, der leicht schaukelte. Albert Puster zielte über den Kopf der Frau und hatte Kelmers Brust im Visier. Der Schuss würde tödlich sein. Der Schütze hielt den Atem an. Die Armbrust lag warm in seinen Händen. Er genoss diesen Sekundenbruchteil zwischen dem Entschluss, jetzt zu schießen, dem Drücken des Metallbügels gegen den Schaft und dem satten Geräusch, wenn sich die Sehne entspannte, den Bolzen über dem Lauf aus feinstem Eibenholz beschleunigte und ihn auf seinen unaufhaltsam tödlichen Weg sandte. Er genoss diesen Augenblick der Entscheidung genauso wie beim ersten Mal, als er den Bolzen auf...


Thomas Prinz, 1959 in Wetzlar geboren, arbeitete als freier Journalist und wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bundestag. Seit 1990 beim Auswärtigen Amt tätig mit Stationen in Bonn, Bukarest, Jakarta und Berlin. Europa ist seit 15 Jahren sein Arbeitsschwerpunkt. Unter anderem veröffentlichte er die Krimis Der Unterhändler der Hanse (2005), Das Silber der Ostsee (2006).


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