E-Book, Deutsch, 211 Seiten
Queri Bauernerotik und Bauernfehme in Oberbayern
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-95676-542-1
Verlag: OTB eBook publishing
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, 211 Seiten
ISBN: 978-3-95676-542-1
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Georg Queri geriet mit dieser 1911 als Privatdruck erschienenen volkskundlichen Sammlung von erotischen Volksliedern wegen »Verbreitung unzüchtiger Schriften« (§ 184 Reichsstrafgesetzbuch) ins Visier der Polizeibehörden. Heute gilt sein sachkundiges und nicht unkritisches Werk als »ein wichtiger Meilenstein in der Literatur des Haberfeldtreibens«. Das Haberfeldtreiben war bis zum Ende des 19. Jahrhunderts ein alter Volksbrauch im bayerischen Oberland, bei dem vermummte Banden in Selbstjustiz mit deftigen Liedern die sexuellen Praktiken und Verfehlungen der dörflichen Mitbewohner besangen, was aber zuletzt in Verlogenheit, Obszönität und Verbrechen entartete.
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I. Rügesitten in Altbayern
Tacitus erzählt, wie der Deutsche die Ehebrecherin strafte: Der Gatte riß ihr die Kleider vom Leibe und schnitt ihr das Haar ab, um sie dann nackt aus dem Hause zu jagen. Nicht ohne Schläge wahrscheinlich. Und um die Schmach größer zu machen, war die Sippe des Gehörnten erschienen wie zu einem Feste. Rügesitten dieser Art sind uralt. Sie entstanden in dem Momente, als der Mensch religiöse Begriffe erfand und sich in Verbindung mit diesen eine Moralanschauung schuf. Da mag das ursprünglichste Rügegericht wohl eben so primitiv gewesen sein wie die ersten religiösen Zeremonien. Primitiv, aber wohl auch hart. Als sich der Mensch abschliff, verlangte er nach mehr Zeremoniell, und durch die Häufung der Äußerlichkeiten trat die Härte zurück: es entstanden Bräuche, die geübt wurden, weil sie Unterhaltung boten, und die allein um ihrer moralischen Basis willen nicht lebenskräftig sein konnten, weil die nivellierende Zeit einen Wechsel der Anschauungen bedingt. Auch das Zeremoniell wechselt; so scheinen Bräuche, über die Berichte aus früherer Zeit vorliegen, vollständig verschwunden zu sein, während sie tatsächlich in einer anderen Form auf gleicher Basis fortleben. Diese Basis ist der Kampf gegen die Unsittlichkeit. Der Kampf um das persönliche Eigentum wurde so frühzeitig durch juristische Institute geführt, daß eine Volksjustiz zumeist unnötig oder verboten war; so entwickelten sich auch aus diesen Lebensinteressen heraus nur wenige interessante Bräuche. Aber das Sexualleben fand außerhalb der kirchlichen Bestrafung nicht zu allen Zeiten und nur unter besonderen Umständen[Fußnote: Abgesehen von den Willkürlichkeiten mittelalterlicher Justiz. Man ertränkte Kuppler und Männer, die der Notzucht überführt waren; sie wurden entweder mit gebundenen Händen oder in einem Faß oder Sack steckend, ins Wasser geworfen. Im Jahre 1444 wurde in Nürnberg ein Mann, der vier Weiber geehelicht hatte, ertränkt; die vier Weiber, deren keine von der anderen etwas gewußt, erlitten denselben Tod. Ehebrecherinnen, Kupplerinnen und feile Dirnen wurden bis zum Ende des 16. Jahrhunderts gepfählt. Juden, die sich mit Christenfrauen vergangen hatten, wurden entmannt.] eine richterliche Verurteilung; und gerade der Verkehr der Geschlechter beschäftigt die Aufmerksamkeit des Menschen am meisten: nicht sein eigener Geschlechtsverkehr, sondern der des lieben Nächsten. Aber gleichwohl geht daraus ein gesundes Gefühl für sittliche Reinheit hervor: es verlangte die Mitarbeit der Gesamtheit zur Erhaltung von Zucht und Sitte, und dieser unwillkürliche Aufpasserdienst forderte für seine Resultate irgendeine öffentliche Brandmarkung zum Zwecke heilsamer Schreckung einerseits, zum Zwecke der allgemeinen Lustbarkeit aber anderseits. Es gibt kein Volk, das solcher Bräuche bar ist. In Altbayern ist die Volksjustiz nach dieser Richtung hin am eigenartigsten entwickelt. So zwar, daß da und dort die offiziellen Gerichte bis in die neuere Zeit gezwungen waren, mit Volksbräuchen Hand in Hand zu gehen und groteske Abstrafungen vorzunehmen, die der gewohnten juristischen Formen entbehren und sich dem volkstümlichen Stile anpassen. Das bayrische Nationalmuseum zeigt in seiner Sammlung von Altertümern des bürgerlichen und Strafrechtes u. a. die folgenden Strafwerkzeuge: Das aus Roßhaaren gewebte grausame Büßerhemd für gefallene Mädchen; dann einen hölzernen faßförmigen bemalten Strafmantel, den auch die »Nachtrauber« zu tragen hatten. Ein Bursch auf der Leiter am Kammerfenster und ein spazierendes Liebespaar erklären in der Reihe der Malereien die spezielle Missetat. Häufiger waren Strafmasken und Strohkränze von unförmlicher Gestalt, besonders bei altbayrischen Landgerichten. Da ist der eiserne Saurüssel, der von seinem Träger erbauliche Dinge erzählt, und dann die Schandkronen für die liederlichen Mädchen, aus derbem Stroh geflochten, mit zwei langen Zöpfen, an denen der liebe Nächste fleißig zog, damit das Glöcklein wimmerte, das über dem Kopf hing und die Schande verkündete. Ein ganz merkwürdiges Institut, zum Teil Volksbrauch, zum Teil im Bruderschaftscharakter und zum Teil offizielles Gericht, wurde im Jahre 1480 von der Mittenwalder Bürgerschaft errichtet : Die Bubenbruderschaft. Durch neun Jahre hindurch hatten ansteckende Krankheiten namentlich unter der Jugend sehr viele Opfer gefordert und die Bruderschaft sollte die Strafe Gottes abwenden und zur »Einpflanzung größerer Zucht und Ehrbarkeit« dienen. (Möglicherweise hatte eine Lustseuche die Jugend dezimiert.) Die älteren Akten über diese Bruderschaft sind leider verloren gegangen. Ein Protokoll vom Jahre 1652 indessen, in dem der Pfleger von Werdenfels die Satzungen der Bruderschaft bestätigt und rechtsgiltig macht, gibt über die Tätigkeit der Mitglieder Auskunft. Die Hauptpunkte der Satzungen sprechen von religiösen Verpflichtungen. Den Charakter des Bundes als Gerichtshof erklären die beiden folgenden Paragraphen: »4. Wann am Ostermontag die Bruderschaft ihren Anfang genommen, werden sie sich nach dem heiligen Segen zusammen verfügen, einen Bruderschaftsrichter, sechs Beisitzer, einen Gerichtsschreiber und Amtmann erwählen, welche bis auf Nativitatis Mariae ihre Mitverwandten zur Zucht, Ehr- und Gottesfurcht, sowie zu guten Sitten und Tugenden nach dem Willen und der Meinung ihrer Voreltern anweisen und leiten, gegen die Ungehorsamen und Übertreter der Satzungen billige Strafen vornehmen, vor allem aber selbst mit gutem Beispiel vorangehen sollen. Auch sollen sie alle Unzucht und Buberei, das nächtliche Poltern auf der Gasse und in verdächtigen Winkeln, das Gotteslästern und anderen Frevel abstellen, und solche heillose Gesellen der Obrigkeit anzeigen, desgleichen die Scheit- und Raufhändel nicht verheimlichen, oder selbst abstrafen.« Die Strafgewalt der Bubenrichter war also eine beschränkte. Auch das Strafausmaß: »5. Richter, Beisitzer, Gerichtsschreiber und Amtmann, sowie alle einverleibten Brüder sollen alle Sonntage vom Anfang bis zum Ausgang der Bruderschaftszeit nach dem hl. Segen in der elterlichen Behausung des Richters zusammenkommen, und allda sollen sie am ersten Sonntag, indem Richter, Beisitzer und Gerichtsschreiber zu Tisch sitzen, der Amtmann aber neben dem Tisch steht und aufwartet, alle einverleibten Brüder neu beschreiben und auffordern, jährlich einen Kreuzer in die Bruderschaftsbüchsen zu erlegen, von den Neuaufgenommenen aber 3 Pfenninge zu erheben. Jeden Sonntag sollen sie zu Rath und Gericht sitzen, und nach Entfernung der Hausgenossen die vorkommenden Klagen anhören, über Klage und Antwort Umfrage ergehen lassen und zu Strafen verurteilen, sei es mit Geld oder mit Einlegen in das Wasser des Baches.« Dieses Einlegen in den Bach ist es, was den Bubenrichtern ein etwas volkstümlicheres Gewand gibt als die zahlreichen anderen Paragraphen ihrer Satzungen, die sorgfältigst die kirchlichen Verpflichtungen behandeln. Über das Rituell gibt ein Protokoll aus dem Jahre 1645 Auskunft: »Nach dem so kommen wir alle Sonntag den ganzen Sommer zusammen, bis auf Nativitatis Mariae. Umb 5 Uhr zu Morgens früh läutet man das Ave Maria, so weicht unser Herr Pfarrer das Wasser, alsdann steckt uns der Messner ein kleines Lichtl auf eines Finger lang. Welcher nit zu dem Licht kommt, und findet es nit brennend, der ist ein Kreuzer schuldig. Und wann das Licht verbronnen ist, gehen wir allesammt aus der Kirchen und stehen zusammen auf den Platz. Alsdann sagt der Richter zu dem Amtmann: »Biet den Buben nachher.« Sagt der Amtmann: »Ich biet euch nachher bei 10, 12, oder 20 kr«. Also geht der Richter vor in sein Behausung, und folgen ihm alle nach. Setzt sich der Richter sammt seinen Rathsherrn, an den Tisch, sammt dem Schreiber, und der Amtmann neben hinzu. Spricht der Richter: »Welcher ein Handel hat, der mag ihn fürbringen, oder etwas klagen.« So kommt einer herfür und thut den Hut ab und spricht: »Herr Richter erlaubt mir ein Redner.« Spricht der Richter: »Ich erlaub dir was du recht hast.« Traut er ihm sein Handel selbst auszuführen, mag ers thun, wo nit, mag er ein Redner nehmen in der Stuben, der ihm gefällt. Und gehen zu der Stuben hinaus, zeigt ihm sein Handel an. Alsbald er dem Redner sein Handel hat angezeigt, gehen sie beede wiederum in die Stuben und sagt: »Herr Richter, erlaubt einem guten Gesellen, sein Wort vorzubringen.« Sagt der Richter: »Ich erlaub dir, was du Recht hast.« Der und der hat ihm N. N. ein Schelm oder Dieb geheißen, oder dies und das gethan. Muß derselb von Stund an herfür, fragt ihn der Richter: »Hasts gethan?« Sagt er, ich habs gethan oder nit, muß der Klager ein Beweisung haben, daß er ihm solches gethan hat. Sagt der Richter: »Gibst dich ein?« Sagt er: »Ja, ich gib mich ein«, fragt der Richter: »Wo setzt es hin, in Rath oder in die Gemein, ich will euch darum fragen.« Sagen sie alle, sie setzen in den Rath, alsdann gehen sie wieder zur Stuben hinaus. Fragt der Richter an dem Tisch, spricht ein jeder nach seinem Verstand 1, 2, 3, 4, 5, 6 Kreuzer, ein Schelm oder Dieb 6 Kreuzer. Oder aber spricht man ihn in den Bach, muß er sich darein lassen legen, hab er ein Gewand an wie er wöll, und läßt ein nit abkaufen. Macht ihm der Amtmann im Bach vor des Richters Haus ein tiefes Geschwell, nimmt ihn der Richter bei dem Kopf und seine Rathsherrn sonst bei dem Leib, legen ihn also in den Bach.« Bezüglich der Strafanwendung sagt § 8 der Satzungen: »Tituliert einer den andern bestialisch mit Hund oder Vieh, so wird ein solcher, wenn es eingestanden und erwiesen wird, unbedingt zum Bach-Einlegen verurtheilt. Hierin ist Keiner zu verschonen und...




