Reitemeier / Tewes | Varusfluch | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 8, 336 Seiten

Reihe: Regionalkrimis aus Lippe / Jupp Schulte ermittelt

Reitemeier / Tewes Varusfluch

Jupp Schulte ermittelt
1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-86532-697-3
Verlag: Pendragon
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Jupp Schulte ermittelt

E-Book, Deutsch, Band 8, 336 Seiten

Reihe: Regionalkrimis aus Lippe / Jupp Schulte ermittelt

ISBN: 978-3-86532-697-3
Verlag: Pendragon
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Ein Förster entdeckt nach einem Frühjahrssturm im Wald am Bielstein einen Schild, einen Brustpanzer und ein Kurzschwert. Könnten das Teile einer römischen Rüstung sein? Für Politiker wie Historiker ist der Fund kurz vor dem 2000-jährigen Jubiläum der Varusschlacht eine Sensation. Doch, was hat der Tod eines Mannes im Jöllenbecker Heimathaus mit der Rüstung vom Bielstein zu tun?
Der sympathische Hauptkommissar Jupp Schulte kommt dem Varusfluch näher als ihm lieb ist.

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2 Soweit war er schon lange nicht mehr gelaufen. Seine Talente lagen woanders. Er konnte stundenlang tapfer sitzen, sei es am Schreibtisch, im Auto oder in der Kneipe. Kein Problem. Auch liegen war prima, keine Frage. Aber laufen? Doch an diesem windigen und feuchtkalten Spätnachmittag im März stellte Hauptkommissar Josef Schulte zu seiner eigenen Überraschung plötzlich fest, dass er bereits seit über einer Stunde unterwegs war. Zu Fuß! Kreuz und quer war er durch Detmold marschiert, beide Hände in den Jackentaschen, den Kopf gesenkt, den Kragen hochgeschlagen. Nicht einmal den widerwärtigen Nieselregen spürte er, obwohl dieser ihm mittlerweile aus den Haaren ins Gesicht und in den Nacken rieselte. Nein, es war kein schönes Wetter. Aber es war auch kein schöner Tag und würde es wohl auch nicht mehr werden. Den Vormittag hatte er in Warburg verbracht. In dieser Stadt hatte er vor rund fünfzig Jahren das Licht der Welt erblickt. Hier war er aufgewachsen. Und hier hatte er vor ein paar Stunden seine Mutter beerdigt. Es war keine große Beerdigung geworden. Seine Mutter hatte in den letzten Jahren sehr zurückgezogen gelebt. Schulte hatte keine Geschwister und konnte auch sonst nicht mit einer großen Familie aufwarten. Von seinem Eheversuch vor vielen Jahren waren nichts als Scherben geblieben. Danach hatte er es nie wieder versucht. Lena Wiesenthal, eine seiner beiden Töchter, lebte in Detmold und war bei der Beerdigung außer ihm selbst die einzige nahe Verwandte der Verstorbenen gewesen. Schulte war kurz darauf wieder nach Hause gefahren. Es gab zwar noch einige offene Fragen zu klären, aber das konnte warten. An diesem Tag konnte und wollte er nicht darüber nachdenken, was aus dem Haus würde, wer in den nächsten Jahren das Grab pflegen sollte und so weiter. Am liebsten wäre er am Nachmittag zur Arbeit gefahren, um auf andere Gedanken zu kommen. Aber er hatte nun mal den ganzen Tag Sonderurlaub, und außerdem fühlte er sich irgendwie verpflichtet, diesen Tag seiner Mutter zu widmen. Im Haus hatte er es jedoch nicht lange ausgehalten. Er hatte sich in seine dicke Winterlederjacke gehüllt, den Kragen hochgeklappt und seinen Hund aufgefordert, ihm nach draußen zu folgen. Der aber hatte nur einen Schritt vor die Tür gemacht und war sofort wieder umgekehrt. Monster – so hatte Schulte den großen, schwarzen, zotteligen Hund genannt, als der ihm vor sieben Jahren mehr tot als lebendig zugelaufen war. Monster war mittlerweile ein alter Herr geworden, der die warme, trockene Wohnküche Schultes viel gemütlicher fand als dieses entsetzliche Märzwetter. „Weichei!“ – Schulte hatte lächelnd den Kopf geschüttelt und war allein hinausgegangen. Da er nicht in seinem Dorf herumlaufen wollte, war er nach Detmold gefahren und dort ohne nachzudenken einfach drauflos getrabt. Die Detmolder Innenstadt war nicht groß genug, um dort lange umherzulaufen, ohne immer wieder an dieselben Stellen zu gelangen. Außerdem war das Stadtzentrum wegen einiger Baustellen zurzeit kein wirkliches Vergnügen. Schulte war es eigentlich völlig gleichgültig, durch welche Straßen er schlurfte, welche Fassaden er bereits mehrfach gesehen hatte. Nur das Unterwegssein zählte, in Bewegung bleiben, bloß nicht zuhause still sitzen. Denn das war das Schöne an diesem ziellosen Hin- und Herlaufen: Da er selbst keine Sekunde still stand, blieben auch seine Gedanken ständig in Bewegung und hatten keine Chance, sich länger als einige Sekunden festzusetzen. Schulte war es nur recht so. Ihm gefiel nicht, was da so auf ihn einstürzte. Dieses brachiale Assoziationsgewitter war leichter zu ertragen als ein einzelner, quälend bis zum Ende durchlittener Gedankengang. Es war nicht nur der Tod seiner Mutter. Der war nicht überraschend gekommen, er hatte sich lange vorher angekündigt. Dennoch hatte ihn das Ereignis stärker getroffen, als er dies erwartet hatte. Es war das Gefühl, allein gelassen worden zu sein, als sei ihm ein Stück Boden unter den Füßen weggerissen worden. Vielleicht ist man erst dann richtig erwachsen, wenn kein Elternteil mehr lebt, grübelte er. Erwachsen und allein mit allen Problemen. Völlig unabhängig davon, wie alt man ist. Zwischendurch begann sein Gewissen spürbar zu pochen. Hatte er sich genug um seine Mutter gekümmert? Warum war er nicht öfter zu ihr gefahren, um mit ihr zu reden? Was wusste er tatsächlich von ihren Sorgen und Nöten? Hatte sie Angst vor dem Sterben gehabt? Wie oft mochte sie versucht haben, mit ihrem einzigen Kind darüber zu reden? Aber hatte er den Wink nicht verstanden? Oder hatte er ihn nicht verstehen wollen? Schulte musste sich eingestehen, dass er all dies nicht wusste. Immer war alles andere wichtiger und angenehmer gewesen als dieses Gespräch über die letzten Dinge des Lebens. Zu spät! Er hatte den Zeitpunkt verpasst. Als wäre ein Deich gebrochen, stürzten nun Emotionen auf ihn ein, denen er sich nicht gewachsen fühlte. Nachdem er vor kurzem mit seinem fünfzigsten Geburtstag die Schallmauer überschritten hatte, ertappte er sich immer wieder bei der Frage: War’s das? Oder kommt noch was? Er fand jedoch keine zufrieden stellenden Antworten. War sein ganz persönliches Leben gut gelaufen – oder hatte er es verbockt? Es trug mächtig zu seiner Verwirrung bei, dass er in dieser Frage keine eindeutige Position beziehen konnte. War er vielleicht nicht ganz normal? Empfanden auch andere Männer in seinem Alter so? Das konnte er sich beim besten Willen nicht vorstellen. Und außerdem: was erwartete oder erhoffte er denn tatsächlich noch für sich? Endlich mal eine langfristig glückliche Beziehung zu einer Frau? Wurde es nicht langsam Zeit? Aus dem einsamen Wolf früherer Jahre war doch mittlerweile ein begossener Pudel geworden, wenn er ganz ehrlich zu sich war. Und seine Arbeit? Welche Perspektiven bot sie ihm noch? Sollte es für immer und ewig seine Aufgabe sein, den menschlichen Ausschuss dieser maroden, selbstsüchtigen Gesellschaft zu entsorgen? Unter Arbeitsbedingungen, die immer schlechter wurden? Kraft hatte er noch genug, das spürte er. Aber hatte er auch noch Lust? Vielleicht gab es ja irgendwo das verheißene Land, das er bloß noch nicht gesehen hatte. Was sprach dagegen, einfach mal nachzuschauen, einfach mal was Neues auszuprobieren? Zum Teufel mit den Pensionsansprüchen! Wenn alles schief ging, konnte er immer noch Fritzmeiers Hof übernehmen, Bauer werden und in der Scheune Marihuana anbauen. Oder so ähnlich. Plötzlich stellte Schulte fest, dass er zitterte. Ihm wurde klar, dass dies nicht an seinen Nerven lag, zumindest nicht nur, sondern vor allem der unbestreitbaren Tatsache geschuldet war, dass er klatschnass und völlig durchgefroren sinnlos durch die menschenleeren Straßen Detmolds lief. Er zog den Kragen noch weiter hoch, beschleunigte seinen Schritt und ging zurück zum Auto. Nach einem heißen Bad und mit einem gut gefüllten Glas Whisky in der Hand sah die Welt schon wieder etwas freundlicher aus. Was war das eben gewesen im Detmolder Regen? Eine kleine, durch plötzlich aufgetretene äußere Umstände ausgelöste Sinnkrise? Oder ein echter Nervenzusammenbruch? Brauchte er einfach nur Urlaub? Wann hatte er eigentlich seine letzten freien Tage genommen? Ja, das leuchtete ihm ein. Er brauchte einfach nur Ruhe, viel Ruhe. Dann würde sich alles wieder einrenken. Schließlich war er nun in einem Alter, in dem es nicht mehr peinlich sein muss, sein Bedürfnis nach Ruhe einzugestehen. Schön, sagte er sich. Dann will ich mal sehen, wie ich mein Leben vereinfachen und ruhiger gestalten kann. Er unterstrich seine guten Vorsätze mit einem großen Schluck. Dann setzte er sich aufs Sofa und versuchte, sich auf die schönen, ruhigen Zeiten zu konzentrieren, die nun auf ihn warteten. Nach einer Viertelstunde riss ihn das Telefon aus den warmen Gedanken. „Hallo Daddy! Hier ist Ina!“ Ina war Schultes andere Tochter. Sie war eine volle Woche jünger als ihre Halbschwester Lena. Dabei war sie von Schulte in derselben verhängnisvollen Nacht gezeugt worden. Allerdings mit einer anderen Mutter. Aber während die immer tüchtige und sehr ordentliche Lena es gar nicht abwarten konnte, auf die Welt zu kommen, hatte ihre Schwester, die in Sachen Ordnungsliebe mehr nach ihrem Vater kam und die auch sonst nur ungern den geraden und schnellen Weg ging, sich viel Zeit gelassen. Schulte hatte damals aus der Not heraus die Mutter von Ina heiraten müssen, weshalb sie auch mit Nachnamen Schulte hieß. Lenas Mutter hatte dagegen einen (wie sie sagte …) anständigeren Mann geheiratet und dadurch ihrer Tochter den Nachnamen Wiesenthal mitgegeben. So gut sich Schultes Kontakt in den letzten Jahren zu der in Detmold wohnenden Lena Wiesenthal entwickelt hatte, so wenig vertraut war ihm seine andere Tochter, die zu allem Überfluss auch noch weit weg in Greifswald wohnte. Vor diesem Spross hatte Schulte sogar ein wenig Angst, denn Ina war nicht süß und nett und lebenstüchtig. Sie war struppig, widerborstig, geriet immer wieder an die falschen Kerle und bekam ihr Leben nicht so richtig in den Griff. Ende vergangenen Jahres war sie Mutter geworden. Noch vor Beendigung des Studiums und natürlich von einem jungen Mann, der bei dieser Nachricht panikartig die Flucht ergriffen hatte. Vielleicht ganz gut, dass sie so weit weg war. Ina hielt sich nicht lange mit Höflichkeitsfloskeln auf. „Du, ich habe ein Problem!“ Und dann berichtete sie ihrem wortlos und zunehmend sorgenvoll lauschenden Vater davon, dass sie nun, nach ihrem Diplom, arbeitslos sei, kein Einkommen habe und die Belastung durch das Kind einfach zu groß geworden sei. Aushilfsweise jobben wurde wegen des Kindes auch immer schwieriger, also konnte sie sich auch ihre Wohnung nicht mehr...


Jürgen Reitemeier, geboren 1957 in Hohenwepel-Warburg/Westfalen. Nach einer handwerklichen Ausbildung zum Elektromaschinenbauer studierte er Elektrotechnik, Wirtschaft und Sozialpädagogik an den Hochschulen Paderborn und Bielefeld. Seit vielen Jahren verheiratet, lebt und arbeitet er seit mehr als zwanzig Jahren in Detmold.

Wolfram Tewes, geboren 1956 in Peckelsheim/Westfalen. Der Vater von zwei erwachsenen Töchtern lebt mit seiner Ehefrau in Horn-Bad Meinberg. Er arbeitet seit vielen Jahren für eine regionale Tageszeitung.



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