Buch, Deutsch, 304 Seiten, Format (B × H): 150 mm x 222 mm, Gewicht: 540 g
Die Zukunft der Wirtschaft nach dem Atomzeitalter
Buch, Deutsch, 304 Seiten, Format (B × H): 150 mm x 222 mm, Gewicht: 540 g
ISBN: 978-3-593-39452-7
Verlag: Campus Verlag GmbH
Kanzlerin Merkel will Deutschland zum Ökostromland umbauen, doch der Ausstieg aus der Kernenergie hat seinen Preis für Bürger, Unternehmen und die Politik. Er wird die Fundamente der Gesellschaft verändern.
Schon heute entstehen Tag für Tag ganze Stadtteile, in denen eine neue Ära von Mobilität, Wohnen, Bildung und Energiegewinnung Wirklichkeit wird – und Jeremy Rifkin ist ihr Chefplaner. Er berichtet von den Begegnungen mit den Topmanagern großer Konzerne wie IBM, Siemens, EnBW, Daimler und nimmt den Leser mit in die Hinterzimmer von Spitzenpolitikern wie Angela Merkel, David Cameron oder Romano Prodi, wo er unermüdlich für eine neue Welt eintritt.
Sein Buch ist der faszinierende Werkstattbericht eines Insiders über Zukunftstechnologien, die grüne Exportschlager werden können.
Fachgebiete
- Wirtschaftswissenschaften Wirtschaftssektoren & Branchen Energie- & Versorgungswirtschaft
- Wirtschaftswissenschaften Volkswirtschaftslehre Wirtschaftspolitik, politische Ökonomie
- Wirtschaftswissenschaften Volkswirtschaftslehre Volkswirtschaftslehre Allgemein Wirtschaftsprognose
- Wirtschaftswissenschaften Wirtschaftswissenschaften Wirtschaft: Sachbuch, Ratgeber
- Sozialwissenschaften Politikwissenschaft Regierungspolitik Wirtschafts- und Finanzpolitik
- Wirtschaftswissenschaften Wirtschaftswissenschaften Literatur für Manager
- Wirtschaftswissenschaften Volkswirtschaftslehre Volkswirtschaftslehre Allgemein Industrielle Organisation
Weitere Infos & Material
Inhalt
Einführung: Washington, D.C. 9
I. Von der Zweiten zur Dritten Industriellen Revolution 15
Bislang übersehen - die eigentliche Wirtschaftskrise 17
Die Bostoner "Oil Party" von 1973 17
Die Zweite Industrielle Revolution in der Endrunde 21
Der Zusammenbruch der Wall Street 29
Die Entropie-Zeche für das Industriezeitalter 34
Ein neues Narrativ 44
Die fünf Säulen der Dritten Industriellen Revolution 48
Auf dem Weg zur grünen Energie 51
190 Millionen Kraftwerke 57
Die Sonne scheint nicht immer, der Wind steht auch mal still 63
Das Energie-Internet 66
Das Transportwesen aus der Steckdose 77
Schluss mit den Pilotprojekten 82
Der Silo-Effekt 84
Das EU-Parlament gibt grünes Licht 88
Die Checkliste 90
Von der Theorie zur Praxis 93
Wirtschaftsführer legen los 94
Die Entwicklung globaler Strategien 99
Die römische Biosphäre 104
Ein grüner Geschäftsplan für San Antonio 109
Eine Kernschmelze 113
Geschäfte wider die Intuition 119
Monaco auf der Überholspur 121
Kohlenstoffentzug für Utrecht 127
II. Laterale Macht 133
Dezentraler Kapitalismus 135
Die alte Machtelite 135
Die kollaborative Wirtschaft 145
Die Reform des Geschäftslebens 147
Soziales Unternehmertum 156
Wie ökonomische Revolutionen wirklich gemacht werden 158
Wir müssen das große Ganze sehen 164
Jenseits von Rechts und Links 167
Der große politische Umschwung 167
Wieso der Internet-Präsident nichts kapiert 177
Die alte Energielobby rüstet zum letzten Gefecht 182
Von der Globalisierung zur Kontinentalisierung 185
Rückkehr nach Pangaea 186
Das erste Kontinentalbündnis der Welt 189
Der Verband Südostasiatischer Nationen 192
Die Afrikanische Union 196
Die Union Südamerikanischer Nationen 200
Von der Geopolitik zur Biosphärenpolitik 203
III. Das Zeitalter der Zusammenarbeit 207
Aufs Altenteil mit Adam Smith 209
Die Newtonschen Gesetze und selbstregulierende Märkte 209
Warum die Energiegesetze jede Wirtschaftstätigkeit regieren 211
Der Wohlstand der Nationen 216
Wie die ökonomische Theorie ihre Relevanz verlor 222
Die neue Eigentumsvorstellung 233
Finanzkapital vs. soziales Kapital 238
Der Traum von der Lebensqualität 242
Die Neuentdeckung von Raum und Zeit 244
Auf die Schulbank mit der Schule 250
Die Schule für die Arbeitskräfte des 21. Jahrhunderts 250
Biosphärenbewusstsein 253
Das dezentralisierte und kollaborative Klassenzimmer 257
Laterales Lernen 259
Die Biosphäre wird zur Lernumgebung 263
Die Natur besteht nicht aus Pixeln 267
Vom industriellen ins kollaborative Zeitalter 271
Schafft das Angebot seine eigene Nachfrage? 272
Eine andere Arbeit 277
Dank 284
Anmerkungen 285
Register 301
Einführung
Washington, D.C.
Unsere industrielle Zivilisation steht am Scheideweg. Öl und die anderen fossilen Brennstoffe, auf denen unsere industrielle Lebensweise beruht, haben ausgedient, die durch sie entstandenen und vorangetriebenen Technologien sind antiquiert. Die gesamte auf fossilen Brennstoffen basierende industrielle Infrastruktur ist ebenso altersschwach wie baufällig. Als Folge davon steigt die Arbeitslosigkeit überall auf der Welt in gefährliche Höhen. Staaten, Firmen und Verbraucher stecken bis zum Hals in Schulden, und der Lebensstandard sinkt allenthalben rapide. Eine Milliarde Menschen hungern - fast ein Siebtel der Weltbevölkerung, ein furchtbarer Rekord.
Schlimmer noch: Am Horizont droht infolge unserer auf fossile Energien gegründeten Industrien eine Klimakatastrophe mit möglicherweise verheerenden Auswirkungen auf unsere Ökosysteme. Befürchtungen von Klimaforschern und Biologen zufolge steht uns womöglich gegen Ende des Jahrhunderts ein Massenaussterben von Tier- und Pflanzenarten ins Haus, das das Überleben unserer eigenen Spezies infrage stellt. Wie zunehmend klar wird, brauchen wir ein neues ökonomisches Narrativ, das uns in eine gerechtere und nachhaltigere Zukunft zu führen vermag.
Bereits in den 1980er Jahren häuften sich Belege dafür, dass die von fossilen Energien vorangetriebene industrielle Revolution ihren Höhepunkt erreicht hatte und ein vom Menschen herbeigeführter Klimawandel zu einer unvorstellbaren globalen Krise zu führen drohte. Seit nunmehr 30 Jahren bin ich auf der Suche nach einem neuen Paradigma, das ein kohlenstofffreies Zeitalter einleiten könnte. Bei meinen Forschungen bin ich zu der Erkenntnis gekommen, dass die großen wirtschaftlichen Revolutionen der Geschichte durch das Zusammentreffen neuer Kommunikationstechnologien und neuer Energiesysteme bedingt waren. Ein neues Energieregime ermöglicht nicht nur komplexere Wirtschaftsbeziehungen und einen erweiterten kommerziellen Austausch, es begünstigt auch dichtere und offenere soziale Beziehungen. Eine parallele Revolution im Kommunikationsbereich liefert die Mittel, die durch das neue Energiesystem bedingte neue zeitliche und räumliche Dynamik zu verwalten und zu organisieren.
Mitte der 1990er Jahre ist mir klar geworden, dass sich eine neue Konvergenz von Kommunikationstechnologie und Energie abzuzeichnen beginnt. Erneuerbare Energien werden mit dem Internet zur mächtigen neuen Infrastruktur einer Dritten Industriellen Revolutionen (DIR) fusionieren, und diese wird die ganze Welt verändern. In der neuen Ära werden Hunderte von Millionen Menschen zu Hause, in Büros und Fabriken ihre eigene grüne Energie produzieren und sie in einem "Energie-Internet" mit anderen teilen - so wie wir heute Informationen schaffen und diese online mit anderen teilen. Die Demokratisierung der Energie wird zu einer fundamentalen Neuordnung zwischenmenschlicher Beziehungen führen; sie wird sich auf unseren geschäftlichen Umgang ebenso auswirken wie auf die Erziehung unserer Kinder, unser Leben als Staatsbürger und unsere Art zu regieren.
Das also ist meine Vision, mein Paradigma für eine kohlenstofffreie Zukunft: die Dritte Industrielle Revolution. Ich habe sie erstmals im Advanced Management Program der Wharton School an der University of Pennsylvania vorgestellt, wo ich seit sechzehn Jahren als Senior Lecturer über neueste Trends in Wissenschaft, Technik, Wirtschaft und Gesellschaft doziere. Die jeweils fünfwöchigen Seminare dieses Programms konfrontieren Führungskräfte aus aller Welt mit den Problemen und Herausforderungen, denen sie sich im 21. Jahrhundert gegenübersehen werden. Das Konzept der Dritten Industriellen Revolution hielt rasch Einzug in die Chefetagen und wurde Teil des politischen Lexikons unter den Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union.
Bereits im Jahr 2000 verschrieb sich die Europäische Union dem Anspruch, ihre CO2-Bilanz erheblich zu verbessern und zu einer Ära nachhaltiger Wirtschaft überzugehen. Die Europäer setzten sich Ziele und Benchmarks, sorgten für neue Prioritäten in Forschung und Entwicklung und schufen Gesetze, Normen und Verordnungen für den neuen ökonomischen Weg. In den Vereinigten Staaten fixierte man sich dagegen auf die neuesten technischen Kinkerlitzchen wie "Killer Apps" aus dem Silicon Valley, und dem amerikanischen Hausbesitzer war schier schwindlig vor Freude über einen durch zweitklassige Hypothekenkredite haussierenden Immobilienmarkt.
Kaum ein Amerikaner interessierte sich für die ernüchternden Prognosen zum bevorstehenden Überschreiten des globalen Ölfördermaximums, für Warnungen vor drastischen Klimaveränderungen oder die zunehmenden Hinweise darauf, dass es unserer Wirtschaft unter der Oberfläche eben doch nicht so gut ging. Das Land übte sich in Zufriedenheit, ja Selbstgefälligkeit; einmal mehr sahen die Amerikaner sich in dem Glauben bestärkt, ihre Fortüne belege ihre Überlegenheit über den Rest der Welt.
So etwas wie ein Außenseiter im eigenen Land, entschloss ich mich, das alte amerikanische Motto "Go West!" zu missachten und in die entgegengesetzte Richtung zu ziehen, über den Ozean in die alte Welt, wo man sich ernsthaft Gedanken über die Zukunft der Menschheit zu machen schien. Ich weiß, viele meiner amerikanischen Leser werden jetzt die Augen verdrehen: "Europa? Nun hören Sie aber auf! Die pfeifen doch aus dem letzten Loch. Die sind doch passé! Als großes Museum mag Europa ja für einen Urlaub taugen, aber auf der Weltbühne mischt es nicht mehr mit."
Natürlich bin ich nicht naiv genug, Europas zahlreiche Probleme, Schwächen und Widersprüche zu übersehen. Aber genauso gut ließe sich über die Unzulänglichkeiten der USA oder anderer Länder vom Leder ziehen. Und bevor wir Amerikaner uns zu sehr aufplustern ob unserer eigenen Bedeutung, sollten wir uns vor Augen halten, dass die Europäische Union und nicht etwa die Vereinigten Staaten oder China der weltweit größte Wirtschaftsraum ist. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) seiner 27 Mitgliedsländer übersteigt das unserer 50 Bundesstaaten. Und mag die EU auch keine militärische Supermacht sein, als Wirtschaftsmacht ist ihre Bedeutung auf der internationalen Bühne enorm. Und was noch wichtiger ist: Die EU-Kommission stellt sich praktisch als einzige "Regierung" weltweit die großen Fragen über eine künftige Lebensfähigkeit unserer Spezies auf dieser Welt.
So machte ich mich nach Osten auf den Weg. Während der vergangenen zehn Jahre habe ich über 40 Prozent meiner Zeit in der Europäischen Union zugebracht, und manchmal überquere ich den Atlantik zweimal die Woche, um mit Regierungsmitgliedern, Wirtschaftsvertretern und Persönlichkeiten der Zivilgesellschaft die Dritte Industrielle Revolution voranzutreiben.
Dieses Buch ist der Bericht eines Insiders über die Entfaltung der Vision einer Dritten Industriellen Revolution und eines entsprechenden ökonomischen Entwicklungsmodells. Ich werfe darin einen Blick auf die beteiligten Persönlichkeiten und Akteure - Staatsoberhäupter, Konzernchefs, Social Entrepreneurs und Organisationen der Zivilgesellschaft, die sie als Wegbereiter implementieren. Beim Entwurf der Blaupause für Europas Dritte Industrielle Revolution hatte ich die Ehre, mit vielen von Europas führenden Politikern zusammenzuarbeiten, darunter Kanzlerin Angela Merkel, den Premierministern von Italien und Spanien Romano Prodi und José Luis Rodríguez Zapatero, José Manuel Barroso, dem Präsidenten der Europäischen Kommission, und fünf Präsidenten des Europäischen Rats.
Können wir Amerikaner von der Entwicklung in Europa lernen? Ich denke schon. Wir sollten schleunigst einen gründlichen Blick auf das werfen, woran unsere europäischen Freunde sich da versuchen, und auf sie hören. Wie zögernd auch immer, die Europäer machen wenigstens den Versuch, sich der Realität zu stellen, dass die Ära fossiler Brennstoffe zur Neige geht; sie arbeiten an einem Kurs in eine grüne Zukunft. Wir Amerikaner hingegen verweigern uns leider größtenteils dieser Realität, wir wollen einfach nicht einsehen, dass wir das Wirtschaftssystem, das uns all die Jahre so gut gedient hat, mittlerweile künstlich am Leben erhalten. Es ist dringend an der Zeit, dass wir - wie die Europäer - diese Tatsache anerkennen und mit dem Umsteuern beginnen.
Die Dritte Industrielle Revolution ist die letzte der großen industriellen Revolutionen; sie sorgt für die Infrastruktur des heraufziehenden Zeitalters der Zusammenarbeit. In den vierzig für den Ausbau dieser Infrastruktur veranschlagten Jahren werden Hunderttausende neuer Geschäfte und Hunderte von Millionen neuer Arbeitsplätze entstehen. Ihre Fertigstellung setzt den Schlusspunkt unter eine 200-jährige, von Fleiß, Märkten und Arbeitermassen geprägte Wirtschaftsgeschichte und markiert den Anfang einer neuen Ära der Zusammenarbeit, sozialer Netzwerke und kleiner, hoch spezialisierter und hoch technisierter Firmen. Im kommenden halben Jahrhundert verlieren die konventionellen, zentralisierten Geschäftsbetriebe der Ersten und Zweiten Industriellen Revolution gegenüber den dezentralisierten Geschäftsmodellen der Dritten zunehmend an Bedeutung; und die traditionelle hierarchische Organisation wirtschaftlicher und politischer Macht weicht einer in - über die ganze Gesellschaft verteilten - Knotenpunkten organisierten lateralen Macht.
Auf den ersten Blick scheint "laterale Macht" schon als bloße Vorstellung allem zu widersprechen, was wir an Machtbeziehungen aus der Geschichte kennen. Immerhin organisiert sich Macht seit jeher in einer Pyramide, von oben nach unten. Heute jedoch führt die auf Zusammenarbeit basierende Macht, wie sie das Zusammentreffen von Internet-Technologie und erneuerbaren Energien entfesselt, zu einer Umstrukturierung der zwischenmenschlichen Beziehungen von vertikal zu lateral. Und das mit tiefgreifenden Implikationen für die Zukunft der Gesellschaft.
Auf unserem Weg zur Jahrhundertmitte wird der Handel zunehmend von intelligenten Maschinen kontrolliert werden, was einen Großteil der Menschen freisetzt, um soziales Kapital in der gemeinnützigen Zivilgesellschaft zu schaffen, die sich damit in der zweiten Hälfte des Jahrhunderts zum dominanten Sektor entwickeln wird. Der Handel wird seine fundamentale Bedeutung für das Überleben des Menschen behalten, aber er wird menschliches Trachten nicht mehr allein definieren. Falls es uns im nächsten halben Jahrhundert gelingen sollte, die physischen Bedürfnisse unserer Spezies zu befriedigen - was alles andere als gesichert ist -, werden transzendente Belange als Triebkraft in der nächsten Periode der Menschheitsgeschichte eine immer größere Rolle spielen.
Auf den folgenden Seiten nehmen wir die Grundzüge und die Funktionsweisen sowohl der Infrastruktur als auch der Wirtschaft der Dritten Industriellen Revolution unter die Lupe; wir verfolgen den voraussichtlichen Weg ihrer Umsetzung rund um die Welt und untersuchen die Hindernisse und Chancen, die dabei entstehen.
Die Dritte Industrielle Revolution verheißt eine kohlenstofffreie Ära der Nachhaltigkeit bis zur Jahrhundertmitte und damit die Abwendung der Klimakatastrophe. Wir haben das Wissen, die Technik und den Schlachtplan dazu. Jetzt kommt es nur noch darauf an, die wirtschaftlichen Möglichkeiten zu erkennen, die vor uns liegen, und den Willen aufzubringen, rechtzeitig ans Ziel zu kommen.