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E-Book, Deutsch, Band 2180, 130 Seiten

Reihe: Beck'sche Reihe

Rosen Die Völkerwanderung

E-Book, Deutsch, Band 2180, 130 Seiten

Reihe: Beck'sche Reihe

ISBN: 978-3-406-74331-3
Verlag: C.H.Beck
Format: PDF
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Dieser Band bietet eine anregende Einführung in die Geschichte der Völkerwanderung. Es werden die Völker und ihre bedeutendsten Persönlichkeiten vorgestellt, die an dem Geschehen beteiligt waren, das zum Untergang des weströmischen Reiches führte. Auch der ideologische Missbrauch der Völkerwanderung wird beschrieben, der im National sozialismus seinen Höhepunkt erreichte.

Der Kirchenvater Hieronymus zeichnete im Jahr 396 ein bewegendes Bild aus jener Epoche, die wir Völkerwanderung nennen: "Es sind nun zwanzig und etwas mehr Jahre, dass zwischen Konstantinopel und den Julischen Alpen römisches Blut vergossen wird. Skythien, Thrakien, Makedonien, Thessalien, Dardanien, Dakien, Epirus, Dalmatien sowie alle Teile Pannoniens verwüsten, entvölkern und plündern der Gote, der Sarmate, der Quade und der Alane, die Hunnen, die Vandalen und die Markomannen. Mit wie vielen Ehegattinnen und gottgeweihten Frauen, freigeborenen und adligen Personen haben diese Untiere ihren Spott getrieben! Bischöfe wurden gefangen, Priester und Kleriker der verschiedenen Ränge getötet, Kirchen wurden zerstört, Altäre Christi zu Pferdeställen gemacht und Gebeine der Märtyrer ausgegraben. Überall Trauer, überall Seufzen, und weit und breit ein Bild des Todes." Hieronymus ahnte: "Der römische Erdkreis stürzt." Was aber waren die Ursachen solcher Völkerbewegungen, in deren Verlauf das weströmische Reich tatsächlich unterging? Welchen Gang nahmen die Ereignisse, wer waren die Protagonisten - und welcher Missbrauch sollte später einmal mit der Geschichte der Völkerwanderung getrieben werden? Vertraut mit den Quellen und in anschaulicher Darstellung behandelt der Verfasser diese und andere Fragen.
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Immer war Völkerwanderung,
meistens Gefahr auf den Wegen Durs Grünbein I. Adrianopel:
«Der Anfang des Unglücks»
Am Morgen des 9. August 378 n. Chr. verließ der römische Kaiser Valens mit 30.000 Mann das Feldlager bei Adrianopel. Tross und Kriegskasse blieben in der gutbefestigten Stadt zurück. Ziel der Römer war die riesige Wagenburg, die ein westgotisches Heer acht Wegstunden entfernt errichtet hatte. Seit zwei Jahren suchten Tausende von plündernden Goten Mösien und Thrakien heim, die römischen Provinzen südlich der Donau, und nun wollte der Kaiser endlich mit dem Spuk aufräumen. Seit 370 hatten Hunnen aus Asien und iranische Alanen den Ostgoten nördlich des Schwarzen Meeres und den Westgoten an der unteren Donau zugesetzt und viele vertrieben. Die Flüchtlinge baten 376 Valens, er möge ihnen neues Siedlungsland auf römischem Boden jenseits der Donau überlassen, und der Kaiser gab nach, weil er sich von den Neusiedlern Verstärkung für sein Heer erhoffte. Doch rasch geriet die Ansiedlung außer Kontrolle, da immer neue Scharen über den Fluss drängten. Habgierige römische Offiziere nutzten ihre Not aus, um sich rücksichtslos zu bereichern. Die Goten wehrten sich und schlossen sich mit hunnischen und alanischen Splittergruppen zusammen. Den römischen Generälen lieferten die Eindringlinge mehrere Gefechte, bei denen sich Siege und Niederlagen die Waage hielten. Auch unfreie Siedler und entlaufene Gefangene stießen zu den Goten, daneben gotische Landsleute, die in die römische Sklaverei geraten waren. Mit ihrer Ortskenntnis bildeten sie eine wertvolle Verstärkung. Kundschafter hatten Valens gemeldet, dass sich an die 10.000 Krieger in der Wagenburg verschanzten. Drei Römer auf einen Goten: Die Nachricht verbreitete Zuversicht unter den Marschierenden und half ihnen, die sengende Sonne leichter zu ertragen und mit dem schwierigen Gelände besser fertig zu werden. Noch ahnte keiner, dass vom Ende dieses Tages an eine der blutigsten und folgenreichsten Niederlagen, die Rom in seiner tausendjährigen Geschichte erlitt, mit dem Namen Adrianopel verbunden sein würde, dem heutigen Edirne im Dreiländereck Türkei-Bulgarien-Griechenland. Am frühen Nachmittag erreichten die Römer die Wagenburg. Dumpfes Kriegsgeheul scholl ihnen entgegen. Ohne Pause gingen Reiter und Fußsoldaten vom Marsch in Gefechtstellung. Der rechte Flügel entfaltete sich, während der linke noch heranrückte. Die Goten, die den eindrucksvollen Aufzug beobachteten, schienen Angst zu bekommen. Eine Kriegergesandtschaft verließ die hölzerne Festung und bat Valens um Frieden. War die Bitte ernst gemeint? Oder wollten die Goten den Angriff nur hinauszögern, bis ihre Reiter, die zusammen mit Hunnen und Alanen noch in Thrakien räuberten, zurückgekehrt waren? Spielte die gotische Führung auf Zeit, um die hungrigen und durstigen Römer vor der Schlacht möglichst lange in der Sonne warten zu lassen? Kurz zuvor hatten die Goten Schwelbrände gelegt, die die Hitze für die römischen Fußsoldaten in ihren schweren Rüstungen erst recht unerträglich machte. Doch Valens war entschlossen, sich nicht übertölpeln zu lassen, und befahl, den Aufmarsch fortzusetzen: Wenn es den Goten ernst gewesen wäre, hätten sie gewiss Unterhändler aus dem Adel statt einfache Krieger gesandt. Da traf in letzter Minute vom obersten Gotenführer Fritigern noch ein Angebot ein: Beide Seiten sollten hochrangige Geiseln stellen, um dann in ernsthafte Verhandlungen einzutreten. Stimmen im rasch einberufenen Kriegsrat drängten Valens, das Angebot anzunehmen, und schlugen vor, der Hofmarschall Equitius, ein Verwandter des Kaisers, solle sich als Geisel zur Verfügung stellen. Aber Equitius weigerte sich. Er fürchtete die unberechenbaren Goten, nachdem er im vergangenen Jahr in ihre Gefangenschaft geraten und nur mit Glück entkommen war. Darauf bot sich Richomer an, ein Franke, der in römischen Diensten bis zum Gardegeneral aufgestiegen war. Während Richomer noch auf die Wagenburg zuging, preschten plötzlich auf dem linken Flügel zwei Unterführer mit ihren berittenen Abteilungen vor. Sie wollten den Sieg nicht länger hinauszögern, wurden aber sofort für ihre Voreiligkeit bestraft und zurückgeschlagen. Doch nun ließ sich die Kriegsmaschine nicht mehr aufhalten. Richomer musste umkehren. Der Beginn der Schlacht hätte für die Römer nicht ungünstiger kommen können. Denn als sie jetzt zum Angriff vorrückten, trafen überraschend die gotischen Reiter mit ihren Verbündeten ein und fielen sofort den rechten Flügel an. Dem linken Flügel gelang es, trotz des Geschoßhagels bis zur Wagenburg vorzudringen. Zum Sturm reichte es nicht mehr, da sich die beiden unvorsichtigen Reiterabteilungen, die die Fußsoldaten beim Angriff hätten decken sollen, nach ihrer Schlappe zu keinem Verband mehr zusammenschließen konnten. Der unablässige Pfeilhagel von der Wagenburg herab riss die ersten Lücken in die dichtgedrängten Reihen der Römer. Darauf hatten die Goten gewartet. Sie stürmten zwischen den Wagen hervor, und im Kampf Mann gegen Mann zeigte sich rasch, wie viel Kraft die Strapazen des Tages das schwerbewaffnete Fußvolk gekostet hatten. Je länger die Schlacht dauerte, desto mehr zog das römische Schwert gegen die gotische Streitaxt den Kürzeren. Auch verlor die kaiserliche Führung in dem schwierigen Gelände bald die Übersicht. Die Schlachtreihe löste sich in kleine Gefechtsgruppen auf. Während sich die einen noch verzweifelt wehrten, ergriffen andere bereits die Flucht. Selbst die Eliteeinheiten um Valens gaben schließlich die Schlacht verloren und ließen ihren Herrn im Stich. Der zeitgenössische Historiker Ammianus Marcellinus, dessen «Römischer Geschichte» wir den ausführlichsten und zuverlässigsten Bericht über das Jahr 378 verdanken, gibt ein eindrucksvolles Bild vom Ausgang des Kampfes: «Und so verfolgten die Barbaren, denen die Wut aus den Augen blitzte, die Unsrigen, denen nun das Blut in den Adern gerann. Die einen wurden unversehens durchbohrt und fielen, nicht wenige wurden durch das bloße Gewicht der Nachdrängenden niedergewalzt, einige wurden sogar durch den Hieb der eigenen Leute getötet, wenn sie, was oft vorkam, denen, die sich noch widersetzten, nicht Platz machten oder man diejenigen, die wichen, nicht schonte. Darüber hinaus versperrten viele Sterbende, die ihre qualvollen Wunden nicht mehr ertragen konnten, die Wege, wozu noch Berge von Pferden kamen, die niedergestoßen wurden und deren Kadaver die Felder bedeckten. Über all dieses Elend, das sich keiner ausmalen kann und das den römischen Staat teuer zu stehen kam, senkte sich schließlich eine Nacht ohne Mondenschein» (31,13,10–?11). Zwei Drittel der römischen Armee, darunter viele Offiziere, blieben auf dem Schlachtfeld. Die Waffen der Toten wurden zur begehrten Beute der Goten und zur künftigen Gefahr für die Römer. Unter den Gefallenen befand sich auch der Kaiser. Von einem Pfeil getroffen, soll er tot vom Pferd gesunken sein. Seine Leiche wurde jedoch nie gefunden. Das gab zu allerhand Gerüchten Anlass. Ein überlebender Leibwächter erzählte später, er und einige Kameraden hätten sich mit dem verwundeten Kaiser und mehreren Hofeunuchen in ein nahegelegenes Bauernhaus geflüchtet. Goten umstellten das Haus, ohne zu wissen, wer sich im Innern befand. Als sie beim Versuch, die Haustür aufzubrechen, von einem Balkon aus beschossen wurden, legten sie Feuer. Dem Erzähler gelang es, sich durch einen Sprung aus dem Fenster zu retten, alle anderen kamen in den Flammen um. Die Goten hätten sich sehr geärgert, als sie ihn fingen und von ihm erfuhren, dass unter den Eingeschlossenen der Kaiser war und sie ihre schönste Trophäe selbst verbrannt hatten. «Größter Germanensieger, größter Alamannensieger, größter Frankensieger, größter Gotensieger» hatte sich Valens nach dem Vorbild früherer Herrscher in seiner Kaisertitulatur genannt. Als «Sieger und Triumphator» auf dem ganzen Erdkreis und immerwährender Augustus war er von seinen Untertanen gefeiert worden, auch das nach alter Tradition, die im Kaiser die Verkörperung des römischen Staates sah, eines Staates, dem die Weltherrschaft gebührte und dem an Macht kein anderer Staat auf Erden gleichkam. Dieser Kaiser war von Barbaren getötet worden, die kurz zuvor noch vor den Hunnen davongelaufen waren. Es war ein Schock, der das Römische Reich nicht weniger heftig als die Verlustzahlen traf. Man musste über ein Jahrhundert zurückgehen, bis man auf ein ähnliches Verhängnis stieß: 251 waren zwei Kaiser, Decius und sein gleichnamiger Sohn, ebenfalls gegen die Goten, auf dem Schlachtfeld geblieben, und 260 war Valerian dem Perserkönig in die Hände geraten und elend in der...


Klaus Rosen lehrte bis zu seiner Emeritierung als Professor Alte Geschichte an der Universität Bonn und ist Mitglied der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften.


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