Ruby Good Girls
1. Auflage 2010
ISBN: 978-3-8387-0673-3
Verlag: Baumhaus
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, 320 Seiten
ISBN: 978-3-8387-0673-3
Verlag: Baumhaus
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Ein Kuss. Ein Foto. Ein Verrat. Aktuelles Thema: Cybermobbing Brandaktuell und ganz nah dran Knallhart und witzig zugleich, herzzerreißend und authentisch Parallelveröffentlichung des Hörbuchs bei DAV >>Man könnte sagen, dass dies die Geschichte eines Fotos ist. Wie es gemacht wurde und was passiert ist, nachdem alle, aber auch wirklich alle, es gesehen haben. Aber es ist auch die Geschichte von ganz vielen anderen Dingen. Von einem Jungen, der so gut aussieht, dass einem der Atem stockt. Von besten Freundinnen - denen, die schon immer da waren und neuen, die wie aus dem Nichts heraus plötzlich da sind. Von braven Mädchen, bösen Jungs und allem dazwischen. Dies ist eine Liebesgeschichte. Also: Schau dir das Foto an, wenn du willst. Ich bin so viel mehr als das, was du siehst.<< Seit Audrey den coolen Luke auf einer Party geküsst hat, kann sie an nichts anderes mehr denken als an: Luke, Luke, Luke ... Aber dann passiert es: Am nächsten Tag in der Schule erntet sie hämische Blicke, Getuschel und Gekicher. Der Grund: Jemand hat heimlich ein Foto von Luke und ihr im Bett gemacht. Und dieses Foto wird von Handy zu Handy und von Computer zu Computer weitergeschickt. Bis alle, aber auch wirklich alle, an der Schule es gesehen haben. Auch der Direktor. Auch ihre Eltern. Audrey hat nur noch einen Gedanken: Allen zu beweisen, dass sie keine Schlampe ist ... Ein packender Roman über ein sehr aktuelles Thema: Mobbing per Handy.
Autoren/Hrsg.
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Nackt
Ash sagt, sie ist die Königin der Nacht. Ich sage, ich bin die Fürstin der Untoten. Dad wirft im Vorbeigehen einen Blick ins Badezimmer, in dem wir uns gerade zurechtmachen. Er findet, wir sehen aus wie zwei verrückte Mädchen aus Jersey. »Klappt ja bestens«, sagt Ash. Wir haben uns verkleidet. Mit schwarzen Netzhemden, hochgekrempelten Cargohosen, löchrigen Netzstrümpfen und Armeestiefeln. Unsere Gesichter sind weiß geschminkt, die Augen tiefschwarz mit Kajal umrandet. Ash hat schwarzes Haarspray mitgebracht und schon fast die ganze Dose für ihre lockigen, braunen Haare aufgebraucht. »Mal sehen, was für dich noch übrig ist, Rapunzel.« »Spar dir deine Sprüche und sprüh mir das Zeug lieber auf die Haare«, gebe ich zurück. Meine Haare sind blond und hüftlang. Ash sprüht die vorderen Strähnen komplett schwarz an. Die auf dem Rücken werden schwarz-blond gestreift. Unser Kater Cat Stevens – alias Stevie, der Schnurrminator – sitzt auf dem Toilettenspülkasten und beobachtet uns argwöhnisch. Das laute Zischen des Haarsprays behagt ihm ganz und gar nicht. Fauchend ergreift er die Flucht. »Was habt ihr denn mit Stevie angestellt?«, ruft Mom vorwurfsvoll von unten. »Armer schwarzer Kater«, tröstet sie ihn. Als Ash fertig ist, begutachten wir uns im Spiegel. »Wir sehen echt cool aus«, sagt sie. Das kann man wohl sagen! Düster, schaurig und blutleer, wie es sich für anständige Vampire gehört. Meine Begeisterung hält sich trotzdem in Grenzen. Mein schwarzer BH ist zu eng und die Träger schneiden mir in die Schultern. Die Netzstrümpfe kratzen. Mir ist schrecklich heiß und ich bin jetzt schon völlig verschwitzt. Außerdem sind meine Wimpern so dick getuscht, dass ich kaum noch aus den Augen sehe. Bei Ash ist es was anderes. Sie hat eine gepiercte Augenbraue, spitze Wangenknochen und kann auf Spanisch fluchen, weil sie eine mexikanische Großmutter hat. Deshalb ist sie sowieso ziemlich cool. Ich beuge mich vor und betrachte mich von Nahem im Spiegel. »Hätte ich mir bloß diese Kontaktlinsen gekauft, die ich vor Kurzem gesehen habe. Die waren giftgrün mit schlitzförmigen Pupillen, wie bei einer Eidechse.« Ash runzelt die Stirn. »Du hast die coolsten Augen auf dem ganzen Planeten. Bernsteinfarben.« »Genau«, sage ich. »Wie dieses gelbe Zeug, wo die Moskitos immer reinfliegen.« »Außerdem«, fährt sie ungerührt fort, »kauft man sich keine Kontaktlinsen, bloß weil man einmal auf eine Halloweenparty geht.« Ash klimpert mit den Wimpern ihrer schokobraunen Augen. »Und jetzt hör endlich auf zu jammern.« »Tschuldigung.« Ich beiße mir auf die Unterlippe. »Ich kann immer noch nicht glauben, dass das wirklich unsere letzte gemeinsame Halloweenparty ist.« Ash wirft mir einen drohenden Blick zu. »Jetzt fang bloß nicht wieder damit an. Ständig dieses ›Ich kann immer noch nicht glauben, dass das unser letztes was-weiß-ich-was ist‹. Wir haben Oktober. Bis zu den Sommerferien sind es noch acht Monate!« »Du meinst wohl sieben.« »Dann eben sieben.« »Eigentlich sechs, wenn man die Ferien nicht mitzählt«, sage ich. »Audrey, das entscheidende Wort ist Monate. Außerdem«, erklärt sie und versetzt mir einen Stoß in die Rippen, »gibt es im Moment wirklich Wichtigeres, über das du dir Gedanken machen solltest.« »Zum Beispiel?« »Zum Beispiel über einen gewissen Jungen namens Luke DeSalvio, der heute Abend bestimmt auch zu Joelles Party kommt. Ich nehme an, du weißt, wen ich meine.« »Ach so, ja«, sage ich. »Hört euch das an!«, sagt Ash. »Ach so, ja. Dabei kriegst du kaum noch Luft vor lauter Aufregung.« »Schon gut. Du sagst doch selbst immer, es wäre nichts Ernstes. Wir sind nur Freunde«, sage ich. »Und ein bisschen mehr«, fügt Ash mit gesenkter Stimme hinzu, damit es meine Eltern nicht hören können. »Noch ein bisschen Sushi mit Zungenkuss gefällig?« Ich lächle schweigend. Das ist Ash, meine Freundin, deren Namen stets in einem Atemzug mit meinem genannt wird: AshundAudrey, AudreyundAsh. Dabei habe ich ihr so vieles nicht erzählt. Und jetzt weiß ich nicht mehr, wo ich anfangen soll. Ich weiß nur eins: Luke und ich sind keine Freunde. Wir sind überhaupt nichts. Genau das will ich ihm heute Abend sagen. Das habe ich mir fest vorgenommen. Falls wir darauf zu sprechen kommen. Obwohl wir bisher nie viel miteinander geredet haben. »Zu dieser Party werden jede Menge Jungs kommen«, sage ich. »Wer weiß? Vielleicht sehe ich mich nach was Neuem um.« »Wirklich?«, fragt Ash. »Dann wirst du ja doch noch vernünftig.« Ihr Handy blökt wie ein Schaf und sie wirft einen Blick aufs Display. »MMS«, sagt sie. Sie drückt ein paar Tasten und das Foto erscheint. »Mein kleiner Bruder in seinem Spiderman-Kostüm.« Ich schaue ihr über die Schulter. »Wie süß.« »Von wegen. Dieser Giftzwerg hat letzte Woche in eine Zimmerpflanze gepinkelt.« Ash legt das Handy auf den Rand des Waschbeckens zurück und betrachtet kopfschüttelnd ihr Spiegelbild. »Bei dir sieht das Haarspray echt gut aus, was man von mir leider nicht behaupten kann. Meine Haare sehen wie japanische Nudeln aus.« Ich muss lachen. »Wie japanische Nudeln mit Tintenfischgeschmack«, sage ich. »Du musst deinen Eltern unbedingt sagen, dass sie mit dir auch mal in ein normales Restaurant gehen sollen. Zum Beispiel zum Pizzaessen.« »Machen wir doch auch. Allerdings essen wir dann Vollkornpizza mit Ziegenkäse.« »Ziege. Bäääh!«, macht Ash. Meine nicht-ganz-normalen Eltern erwarten uns im Wohnzimmer mit zwei Gläsern Wein und einer Digitalkamera in der Hand. Der Wein ist für sie, die Kamera für uns. Eigentlich kann ich dieses dämliche Fotografieren nicht ausstehen. Ich brauche niemanden, der festhält, wie aus dem süßen kleinen Mädchen ein sonderbarer Teenager wird. Dad lässt sich trotzdem nicht davon abbringen und heute Abend macht es mir ausnahmsweise nichts aus. Vielleicht weil ich nicht mehr wie ich aussehe. Wir posieren auf dem antiken Kirchenstuhl vor der gelben Wand. Dad macht ein paar Schritte rückwärts und stolpert beinahe über den Wohnzimmertisch. Mom lacht und nippt an ihrem Weinglas. Sie strahlt und sieht glücklich aus. Meine Eltern lieben diesen Moment. Wenn ich mich zum Ausgehen fertig mache und noch nicht weg bin. Ich frage mich, ob sie mich vermissen werden, wenn ich aufs College gehe und nicht mehr zu Hause wohne. Außer Cat Stevens haben sie nur mich. »Also«, sagt Dad. »Dann schaut mal wie richtige Punkmädels aus!« »Dad, das heißt Punks«, korrigiere ich ihn. »Ohne Mädels.« »Oh, Verzeihung«, sagt er. »Seid ihr bereit? Und jetzt sagt ›Spaghetti!‹« Wir rufen beide ›Spaghetti!‹, meinem Dad zuliebe. Auf dem Foto haben wir schwarze Haare, bleiche Gesichter und dunkle Lippen, aber wir grinsen wie zwei fünfjährige Mädchen. Als Ash das Foto sieht, sagt sie zu mir: »Ich glaube, wir müssen noch etwas an unserer Außenwirkung arbeiten. Wir müssen uns düstere Gedanken machen.« »So?«, fragt Mom interessiert. »Was denn für düstere Gedanken?« Sie schreibt Krimis, aber die von der liebenswerten Sorte. Mit netten alten Damen, süßen Kätzchen und vielen selbst gebackenen Plätzchen. Ach ja, und einem Mord oder zwei. Tod durch Stricknadeln. Düstere Gedanken an sonnigen Orten. Ash versucht, so dämonisch wie möglich auszusehen. »Wahnsinn«, erwidert sie. »Tod und Verderben.« Ich versuche an etwas Düsteres zu denken, aber das Einzige, was mir einfällt, sind traurige Gedankenfetzen: über Luke und mein letztes gemeinsames Halloween mit Ash. Ich sage nichts. Wenn ich schon der Schrecken der Vampire bin, muss ich nicht alles noch schlimmer machen. Nach den Fotos muss ich Mom versprechen, mein Handy mitzunehmen. Sie scheint allen Ernstes zu glauben, es könnte mich beschützen: vor Autounfällen und bösen, betrunkenen Jungs, die es auf meine Jungfräulichkeit abgesehen haben. Ja, ich nehme das Handy mit. Ja, ich rufe an, wenn irgendwas ist. Wir verabschieden uns und schlagen die Tür hinter uns zu. Ash fährt. Weil ich in der Grundschule eine Klasse übersprungen habe, bin ich die Einzige in unserer Stufe, die noch keinen Führerschein hat. Dazu kommt noch, dass man in New Jersey erst mit siebzehn seinen Führerschein machen darf und nicht schon mit sechzehn wie in den meisten anderen Bundesstaaten. Wenigstens lassen mich meine Eltern so lange ausgehen wie meine Freunde. Ich bin zwar sechzehn dreiviertel, aber Mom sagt, tief in meinem Inneren habe ich eine alte Seele. In letzter Zeit fühle ich mich auch so. Je näher wir dem Haus kommen, in dem Joelle wohnt, desto stärker wird das Kribbeln im Bauch. Ich drücke fest die Daumen und schicke ein stummes Stoßgebet zum Himmel: Bitte, lieber Gott, mach, dass ich mich heute Abend nicht blamiere. Lass mich ein bisschen Spaß haben. Es dauert eine Weile, bis wir einen Parkplatz gefunden haben. Bei Joelles Halloween-Partys ist immer die Hölle los. Seit der siebten Klasse feiert sie jedes Jahr. Nur Neulinge oder Nieten tauchen ohne Verkleidung auf. Die müssen dann eins von Joelles alten Ballettröckchen tragen, ob sie wollen oder nicht. Beim Hineingehen sehe ich einen Jungen mit einem leuchtend rosa Tutu. Er sieht absolut lächerlich aus und genau das soll er auch. Als Joelle uns entdeckt, läuft sie zu uns. Um ein Haar wäre sie über...