E-Book, Deutsch, 296 Seiten
Reihe: Die Duftakademie
Ruhe Die Duftakademie (3). Im Bann der Düfte
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-401-81087-4
Verlag: Arena Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die Bestseller-Reihe aus dem "Die Duftapotheke"-Universum
E-Book, Deutsch, 296 Seiten
Reihe: Die Duftakademie
ISBN: 978-3-401-81087-4
Verlag: Arena Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Anna Ruhe wurde in Berlin geboren. Nach einem Abstecher an die englische Küste studierte sie Kommunikationsdesign und arbeitete danach als Grafikdesignerin, bis sie Schriftstellerin wurde. Im Jahr 2015 erschien ihr erster Kinderroman. Seitdem hat sie viele weitere Bücher veröffentlicht. Ihre Werke stehen regelmäßig auf der Spiegel-Bestsellerliste und wurden in viele Sprachen übersetzt. Sie ist Mutter von zwei Kindern und lebt mit ihrer Familie in Berlin.
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Durch die Ritzen im Holz zwängte sich das Licht und drängelte mich aufzustehen. Doch die Wärme unter meiner Bettdecke hatte das bessere Argument, also blieb ich, wo ich war. Als Kompromiss beugte ich mich über die Bettkante unseres Doppelstockbetts und lugte zu Polly nach unten.
»Hey, Schnarchnase«, flüsterte ich. »Komm schon, wach auf!«
Polly brummte nur, bewegte sich aber keinen Millimeter.
»Heute startet der Unterricht mit Pflanzenkunde, hab ich im Stundenplan gelesen.« Ich beugte mich noch weiter nach unten und versuchte, mit meiner Hand an ihrer Bettdecke zu zupfen, damit Polly aufwachte. Allerdings war mein Arm nicht lang genug, um wirklich einen Zipfel zu erhaschen. Jedenfalls, wenn ich keinen Absturz aus der oberen Stockbettetage riskieren wollte.
Polly wickelte sich noch ein bisschen fester in ihre Decke und gab nur ein zweites von sich. Die aufdringlichen Lichtstrahlen in unserem Baumhaus hatten also doch gewonnen. Zumindest gegen mich. Ich setzte mich auf, warf schweren Herzens die Bettdecke zurück und kletterte nach unten. Die Morgenluft war noch kühl und bescherte mir eine Gänsehaut. Doch dafür duftete sie nach warmem Holz und feuchtem Waldboden, dem Geruch unseres Zuhauses auf Zeit. Seit gestern war ich endlich im dritten Semester und zurück in der Duftakademie. Ganz tief sog ich den Waldgeruch ein. Bevor ich ins Bad hopste, zog ich noch einmal an Pollys Decke. »Komm schon, raus aus den Federn. Unser erster Tag im Sommercamp fängt an!«
»Ich mag keine Frühaufsteher«, knurrte sie.
»Doch, du magst sie!«, sagte ich noch, bevor ich die Tür hinter mir zuzog, mir meine Zahnbürste griff und meinem Spiegelbild einen wunderschönen Guten Morgen wünschte.
Als ich mit blitzblank geputzten Zähnen wieder aus dem Bad kam, hatte Polly sich tatsächlich im Bett aufgesetzt und starrte ein Loch in die Luft. »Ich dachte, du magst keine Frühaufsteher«, sagte ich und krabbelte zu ihr aufs Bett. Meine Füße waren von den Fliesen im Bad noch kalt, also schob ich sie unter das andere Ende ihrer Decke und lehnte mich ihr gegenüber an den Bettrahmen.
»Tu ich auch nicht.« Polly hob ihren rechten Mundwinkel. »Aber bei dir mache ich eine Ausnahme.«
Ich grinste schief zurück und war einfach nur froh, wieder hier zu sein. Hier, im Baumhaus Nummer fünf. Zusammen mit Polly.
»Hast du Ben schon gesehen?«, fragte ich und rieb mir meine Zehen. Ich selbst hatte gestern auf der Hinfahrt mit Mum stundenlang im Stau gestanden und war deshalb so spät angekommen, dass ich nicht nur Ben verpasst hatte, sondern auch die Eröffnungsfeier in der Aula. Als Mum mich endlich abgesetzt hatte, waren die meisten schon in ihren Zimmern und Betten verschwunden.
»Nur kurz. Ben hat wie immer gebraucht, um aufzutauen. Aber eine Nacht in der Duftakademie und er ist heute bestimmt wieder ganz der Alte. So, wie du ihn kennst.«
Ich nickte. »Hab ich bei der Begrüßungsfeier sonst noch irgendetwas verpasst?«
»Ein paar Neuigkeiten gibt es schon.« Polly schälte sich aus dem Bett und suchte sich Jeans und Socken aus ihrem Koffer. »Aber eins nach dem anderen.« Damit verschwand auch sie im Bad.
»Mach es bloß nicht zu spannend!«, rief ich ihr noch hinterher und fing ebenfalls an, in meinem Koffer nach Socken zu kramen. Meine Zehen tauten zwar wieder auf, aber das sollte auch bitte so bleiben. Fürs Erste zog ich mich an. Ausräumen würde ich den Koffer später. Jetzt musste ich mich erst mal ausgiebig darüber freuen, wieder hier zu sein.
»Hey!«, dröhnte es hinter der Eingangstür und ein gleichzeitiges Klopfen ließ mich zusammenzucken.
»Komm rein! Du bist spät dran.« Ich kicherte, als sich die Tür mit einem Quietschen öffnete und Ben mich angrinste.
»Also, ich würde mal sagen, wenn jemand spät dran ist, dann du. Wo warst du gestern? Ich hab mir schon Sorgen gemacht.«
Ich hob die Schultern. »Spät dran halt. Aber jetzt bin ich ja hier!«
Mit ihrer Zahnbürste im Mund kam Polly aus dem Bad geschlurft und nickte Ben zu. Der ließ sich auf den Stuhl fallen, auf dem am wenigsten lag, und zog etwas aus seiner Hosentasche.
»Tada!« Ben stellte einen kleinen Gegenstand auf den Tisch und wirbelte mit seinen Händen darum herum. »Hab ein Begrüßungsgeschenk für euch vorbereitet.«
Polly hob nur die Augenbrauen, während ich mich näher beugte – was in der Enge unseres Zimmers keine große Anstrengung war. Aus einem Flakon vor mir auf dem Tisch stieg eine dunkelrote Wolke auf. Im Inneren bewegten sich Blasen auf und ab. Ich atmete einmal aus und schloss die Augen, um dann tief einzuatmen. Ich konnte gar nicht anders, als zu lächeln. Alles duftete nach Kakaobohnen, Vanille, Kardamom und … noch viel mehr. Immer weiter sog ich den köstlichen Duft in mich ein und war zu nichts anderem mehr in der Lage, als einfach nur dazustehen und mich von den Wolken umwehen zu lassen. Sie stiegen immer dichter aus dem Flakon auf, bis unser Baumhaus davon ausgefüllt war. Am liebsten hätte ich den Duft für immer in mir eingeschlossen, so wunderbar war er. Als ich mich endlich dazu durchringen konnte, die Augen wieder zu öffnen, drehte ich mich zu Polly. Auf ihr Gesicht hatte sich eine Portion Glück gelegt. Sie sah genauso aus, wie ich mich fühlte.
»Das ist der beste Geruch, den ich in meinem ganzen Leben gerochen habe«, raunte Polly und ich konnte ihr nur zustimmen. Ben hatte sich zurückgelehnt und sagte gar nichts. Eigentlich erkannte ich ihn nur unscharf durch die Schwaden, die sich schwerfällig auf und ab bewegten, und trotzdem wirkte er so zufrieden, wie ich ihn noch nie gesehen hatte. Minutenlang saßen wir einfach da und konzentrierten uns auf den Geruchsmischmasch. Fast ein bisschen traurig fühlte ich mich, als mir bewusst wurde, dass nicht nur die Schwaden heller wurden, sondern sich auch der Duft mit jedem Atemzug ein Stück mehr verabschiedete. Der Flakon hatte sich zur Hälfte geleert, als Ben ihn wieder mit einem Korken verschloss. Eine Weile ließen wir noch die letzten Wolken um uns herumziehen, bis nichts mehr von ihnen übrig war.
Ich setzte mich auf die Tischplatte neben den Flakon und hob ihn in die Höhe. , hatte Ben handschriftlich auf ein Etikett geschrieben. »Woher hast du den … und was ist das?« Ich drehte den Flakon noch zweimal hin und her, bevor ich ihn Ben zurückgab.
»Ein Duft, der die besten olfaktorischen Erinnerungen in uns weckt«, erklärte er.
»Und kannst du das noch mal so sagen, dass auch andere verstehen, was du genau meinst?« Polly lehnte an der Wand und wirkte nicht weniger neugierig.
»Also …« Ben steckte den Flakon wieder ein und stand auf. »Das ist ein Duft, der Erinnerungen an die Düfte in uns weckt, die wir irgendwann mal als besonders angenehm empfunden haben. So was in der Art. Ich hab mir im Herbstsemester ein paar Herstellungsanweisungen aus dem verstaubtesten Bibliotheksbuch notiert, das ich finden konnte. Und weil ich zu Hause ein bisschen Zeit zu füllen hatte, habe ich versucht, den einen oder anderen selbst herzustellen.«
»Den einen oder anderen?«, wiederholte ich und guckte ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Wie viele genau?«
»So … ungefähr einen Aktenkoffer hab ich voll davon.«
Polly schüttelte nur den Kopf. »Und ich dachte, niemand hält sich strenger an die Regeln der Duftakademie als du?«
Ben winkte ab. »Tu ich doch auch.«
»Wenn ich mich richtig erinnere, ist es uns verboten, Meteorpulver außerhalb der Duftakademie zu verwenden?« Polly zog sich ihren Pullover über. »Aber sag ruhig, wenn ich mich da täusche.«
»Ach, komm schon, ich hab das Meteorpulver im Grunde so gut wie gar nicht außerhalb der Akademie verwendet. Nur ein ganz kleines bisschen davon. Ich finde das unproblematisch. Aber … ihr braucht es ja trotzdem nicht gleich unserer Schulleiterin zu erzählen.« Noch im Reden stand Ben auf und öffnete die Tür. »Egal.« Er strich sich eine Haarsträhne zurück und winkte uns mit sich. »Von dem Duft bekomme ich immer einen Bärenhunger. Besser, wir beeilen uns, etwas Zeit fürs Frühstück haben wir noch. Vielleicht gibt...