E-Book, Deutsch, 192 Seiten
Sahler Freche Mädchen – freche Bücher!: Interview mit Herzklopfen
14001. Auflage 2014
ISBN: 978-3-522-65238-4
Verlag: Planet! in der Thienemann-Esslinger Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 192 Seiten
Reihe: Freche Mädchen – freche Bücher!
ISBN: 978-3-522-65238-4
Verlag: Planet! in der Thienemann-Esslinger Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Rasende Reporterin für eine Tageszeitung, Studium der Germanistik und Anglistik, ein Volontariat beim Verlag und mehrere Jahre als angestellte Lektorin - Martina Sahlers Leben drehte sich immer schon ums Schreiben und um Bücher. Heute arbeitet sie als freie Lektorin, Ghostwriterin und Autorin von Jugendbüchern. 'Mein Traum', wie sie sagt, 'weil das junge Mädchen in mir noch sehr lebendig ist und ich mich manchmal in einen Rausch hineinschreibe, der mich selbst überrascht.' Auf die Frage, wie sie zu ihren Stoffen kommt, antwortet Martina Sahler lachend: 'Ich komme nicht zu Stoffen - sie kommen zu mir. Ich höre sehr genau hin, wenn Leute Geschichten von sich erzählen - und spinne sie auf meine Art fort.' Fürs Schreiben selbst braucht die Autorin absolute Ruhe: 'Kein Rufen im Haus, kein Rasenmäher vor dem Fenster, keine Musik aus den Boxen. Nur das Getacker der Tastatur ist zu hören, wenn ich arbeite.' So wirft die Muse ihr einen Kuss zu, an dem dann monatelang gearbeitet, gefeilt und geschliffen wird, bis Martina Sahler mit dem Ergebnis zufrieden ist. Sie trifft genau das Lebensgefühl ihrer Leserinnen, wie ihr ein Fan bestätigte: 'Ein Mädchen wollte nicht glauben, dass ich schon über 40 bin, weil ich mich nach ihrer Meinung so unglaublich gut in Jugendliche hineinversetzen könne.'
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Ein Megaskandal?
Mark Thomsen ist der schnuckeligste Referendar auf unserem Planeten. Das ist Fakt. Aber ist das ein Grund, zu unserer ersten Redaktionssitzung zu spät zu kommen? Für mich nicht.
Für Celine schon.
Ich habe sie vor dem Lehrerzimmer gesehen, als ich über die Gänge gehetzt bin, um keine Sekunde von der Sitzung zu verpassen. Sie stand mit Thomsen zusammen und flötete ihn an wie eine Nachtigall. Dabei warf sie ihre eisblonden Elfenhaare von links nach rechts und fächerte die getuschten Wimpern auf und ab, als hätte ihr jemand eine Mehlwolke ins Gesicht gepustet. Ja, das dauert.
Unser Technik-Mann Lasse schaut aufs Handy. »Zehn nach neun. Wir sollten anfangen.«
Wir anderen schieben unsere Stühle um den Konferenztisch im Redaktionsraum, breiten Blätter und Laptops aus.
Ich bin die Chefredakteurin, ich darf die Besprechung eröffnen.
Zu Beginn des Arbeitstreffens ist alles immer hochoffiziell. Erfahrungsgemäß fliegen spätestens nach den ersten zehn Minuten die Fetzen. Dann achtet keiner mehr auf die Formalitäten.
Sobald ich mit meiner Ansprache gestartet bin, wird Celine auftauchen.
Wetten?
»Also, Leute, schön, dass ihr da seid, willkommen zu unserer ersten Redaktionssitzung für die Septemberausgabe der Insight. Wie ihr wisst, hatten wir mit der Augustausgabe die höchste Auflage ever. Angepeiltes Ziel: dieses Level halten. Die Reportage über Mobbing hat an unserer Schule eine Welle ausgelöst – wir müssten also auf jeden Fall einen Artikel darüber bringen, welche Angebote gegen Mobbing es inzwischen gibt. Die Beratungsstelle, die Schüler-Schlichtung etc. Ich schlage vor, dass einer von uns das alles zusammenfasst und übersichtlich darstellt …«
Die Tür fliegt auf. Auftritt Celine. Alle anderen drehen sich zu ihr. Großes Hallo, langes lärmendes Sorry.
»Hör mal, Celine, wenn du schon zu spät hier aufschlägst, dann schleich dich doch bitte so unauffällig rein, dass du nicht alle störst. Das wäre echt ein feiner Zug. Wir haben nur noch wenig Zeit und sollten die wesentlichen Punkte in dieser Freistunde klären.«
»Jetzt plustere dich mal nicht so auf«, gibt Celine im Flüsterton zurück. Sie lächelt dabei zuckersüß, sodass ich echt überlegen muss: War das jetzt zickig oder nicht?
Celine ist von allen Redaktionsmitgliedern am schwierigsten einzuschätzen.
Endlich sitzt sie, wendet sich mir – Kinn auf die Hände gestützt – mit Bambiaugen zu.
Wenn sie glaubt, dass ich wegen ihr noch einmal von vorne anfange: Fehlanzeige.
»Also, wer mag das übernehmen?«
Marvin hebt den Arm. Das tut er immer, auch wenn man noch gar nicht zu Ende gesprochen hat. Er überschlägt sich fast vor Eifer und Klugscheißerei. »Ich kann das machen. Wusstet ihr, dass 72 Prozent aller Schüler in Deutschland schon einmal Mobbing-Opfer waren, dass es aber nur an 15 Prozent aller Schulen …«
»Okay, Marvin, dann notieren wir das so.«
Celine beginnt mit Lasse zu tuscheln. Klar, die schnallt nicht, worum es geht, und lässt sich von ihm auf den Stand bringen.
Da platzt sie auch schon heraus: »Also noch mal das Mobbing zum Aufmacher pushen? Langweilig, wenn ihr mich fragt. Ich hab eine bessere Idee.«
»Von Aufmacher war nicht die Rede, und gute Ideen sind immer gefragt.« Ich lehne mich auf dem Stuhl zurück und verschränke die Arme vor der Brust, während ich Celine fixiere.
Vor einem Monat lagen wir uns in den Haaren, weil sie als Gegenaktion zu dem Topartikel unseres Konkurrenzblattes, die das »attraktivste Mädchen in den Gesamtschulen am Park« gesucht haben, einen Sweetest-Boy-Contest durchziehen wollte. Wenn Celine eine »bessere Idee« hat, heißt das für mich: Alarm!
»Wir könnten die fünf Referendare vorstellen, die zurzeit an unserer Schule arbeiten. Das interessiert bestimmt viele. Und wir könnten ein Ranking ermitteln: Wer ist der Beliebteste?«
Marvin klappt der Kiefer herunter und auch Lasse starrt Celine mit offenem Mund an. Fotografin Ilona hat nachdenklich die Stirn gerunzelt.
Ich beuge mich vor. »Wieso fünf Referendare? Nach meiner Rechnung sind es acht. Hast du vergessen, dass auch drei angehende Lehrerinnen dabei sind?«
Über Celines Wangen zieht sich ein rosiger Hauch. Erwischt. »Äh, nee, is’ klar. Ich dachte nur, mal im Ernst, Mädels.« Sie blickt zwischen Ilona und mir hin und her, als wären wir sisters in mind. »Wann hatten wir jemals so niedliche Referendare bei uns? Sehen die nicht alle Zucker aus? Unfassbar, dass die tatsächlich Lehrer werden wollen, und dann noch bei uns, und …«
»Stopp, stopp!«, rufe ich und schüttle den Kopf. »Mal konkret: Was hast du vor mit den Referendaren? Willst du sie von Ilona nackt am See fotografieren lassen?«
Gelächter brandet auf, nur Lasse wischt sich mit der Handfläche vor der Stirn entlang, als zweifle er an unserem Verstand. Berechtigt, aber habe ich das Thema in diese Richtung gedreht?
»Natürlich nicht«, ruft Celine heiter. »Da machen die sowieso nicht mit, obwohl …« Sie tippt sich mit dem Bleistift grübelnd gegen die Lippe, als ziehe sie die Möglichkeit in Betracht.
»Jetzt komm mal runter von dem Trip«, meldet sich da zum Glück Ilona zu Wort. Es fällt ihr nicht leicht, in einer Gruppe ihre Meinung zu vertreten. Umso mehr weiß ich es zu schätzen, wenn sie mir beispringt. »Wir machen uns zu Deppen, wenn wir die Referendare nach ihrem Aussehen beurteilen.«
Celine schielt an die Decke zu den Neonröhren. »Wie prüde ihr mal wieder seid. Aber von mir aus, dann listet doch auf, was sie studiert haben und welche Abschlussnoten sie hatten, welche Fächer sie unterrichten werden und wie sie den Unterricht gestalten wollen. Ich frage mich nur: Wer will das wissen? Dagegen interessiert es mindestens die Hälfte aller Schüler – nämlich die weiblichen –, wer von denen am süßesten und ob er Single ist.«
»Ich glaube, du täuschst dich«, erwidere ich mit frostiger Miene, während Lasse und Marvin nun miteinander flüstern und vor sich hin grinsen. »Ich gehöre auch zu dieser Hälfte, und es interessiert mich nicht die Bohne. Ich stimme dir zu, dass es eine gute Sache ist, die Referendare und Referendarinnen vorzustellen. Gerne auch mit Fotos und ein paar privaten Infos, aber alles, was darüber hinausgeht, finde ich albern und unpassend.«
Celine schiebt die Unterlippe vor, als nun die anderen zustimmend murmeln und nicken.
»Willst du das dann übernehmen, Celine? Willst du den Artikel vorbereiten?«, frage ich, um sie wieder milde zu stimmen.
Ich hasse eigentlich Konflikte, aber manchmal lassen sie sich nicht vermeiden. Dann versuche ich gerne, den Streit so schnell wie möglich beizulegen.
Mein Handy vibriert. Während die anderen nun diskutieren, ziehe ich es aus meiner hinteren Jeanstasche. SMS von meinem Lieblingsfeind.
Leon!
Na? Schon einen Knaller für die Septemberausgabe gefunden?
Geht dich das was an?
Als ich fertig bin mit Lesen und Simsen, fasst Celine für mich zusammen: »Also, ich mach das. Bis zur nächsten Sitzung lege ich euch was vor.«
In meinem Bauch setzt sich ein ungutes Gefühl wie ein wachsendes Geschwür fest, aber vielleicht täuscht es. Vielleicht hat sie aus dieser Diskussion was mitgenommen. Einfach mal abwarten, wie Celine den Artikel schreibt. Wenn sie übers Ziel hinausschießt, müssen wir eben nacharbeiten.
»Damit hätten wir zwei gute Themen für die nächste Ausgabe«, erklärt Lasse mit Blick auf seinen Laptop-Bildschirm und den Fingern über der Tastatur. »Aber ich glaube, ich habe da noch ein ganz heißes Eisen …« Er senkt verschwörerisch die Stimme. Wir rücken alle näher mit den Köpfen heran. »Eines, mit dem wir der No Limits erneut zeigen, wo der Hammer hängt. Und dass wir die besseren Reporter sind.«
»Ja?« Wir haben alle Elefantenohren.
»Es ist kein Geheimnis, dass wir mit dem benachbarten Gymnasium verfeindet sind.«
Allerdings nicht. Wer wüsste das besser als ich? Das Schlimmste ist, dass die dort drüben ebenfalls eine Schülerzeitung herausbringen, die sie auch in unserer Gesamtschule auslegen. Das war nicht immer so, erst seit Beginn des neuen Schuljahres, und das hängt mit Leon Bergazy zusammen, dessen Vater ein international arbeitender Journalist ist. Leon ist alleiniger Herausgeber der No Limits. Klar, dass wir uns nicht ausstehen können. Wie soll ich auch jemanden mögen, der versucht, mir meinen Lebenstraum zu zerstören? Ich will später Journalistin werden und die Schülerzeitung betrachte ich als mein Praktikum, mit dem ich bei der Bewerbung an der Journalistenschule punkten kann. Neben einem – hoffentlich – guten Abitur. Wenn sich Leon mit seiner Zeitung so ins Zeug legt, dass sich keiner mehr für unsere Insight interessiert, kann ich einpacken.
Leon lacht nur über meine Bedenken und Ängste. Er sieht das alles ganz gechillt und findet, die Schulen am Park könnten auch zwei Zeitschriften verkraften. Ich solle mal einen Gang runterschalten und ein Date mit ihm klarmachen.
Darauf kann er warten, bis er schwarz wird. Unter...