E-Book, Deutsch, 328 Seiten
Reihe: Reclams Universal-Bibliothek
Schiller / Immer Maria Stuart. Studienausgabe
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-15-962307-8
Verlag: Reclam Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ein Trauerspiel - Schiller, Friedrich - Klassiker der deutschen Literatur; - 14574
E-Book, Deutsch, 328 Seiten
Reihe: Reclams Universal-Bibliothek
ISBN: 978-3-15-962307-8
Verlag: Reclam Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Friedrich Schiller (seit 1802: von; 10.11.1759 Marbach a. N. - 9.5.1805 Weimar) bildet mit Goethe den Kern der Weimarer Klassik, der bedeutendsten deutschen Literaturepoche. Schiller begann als Aufsehen erregender Sturm-und-Drang-Dichter und prägte seit 1795 als Publizist, Theoretiker, Dramatiker und Lyriker das berühmte klassische Weimarer Jahrzehnt. Schillers Dramen gehören noch heute zu den meistgespielten der deutschen Literatur, seine Gedichte, z. B. die Balladen, zählten im 19. Jahrhundert und darüber hinaus zum festen kulturellen Kanon der deutschen Literatur.
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| 62 | Zweiter Aufzug.
Erster Auftritt.
DER GRAF VON KENT SIR WILLIAM DAVISON
DAVISON.
Seid ihr’s, Milord von Kent? Schon vom Turnierplatz
Zurück, und ist die Festlichkeit zu Ende?
KENT.
Wie? Wohntet ihr dem Ritterspiel nicht bei?
DAVISON.
Mich hielt mein Amt.1080
KENT.
Ihr habt das schönste Schauspiel
Verloren, Sir, das der Geschmack ersonnen,
Und edler Anstand ausgeführt – denn wißt!
Es wurde vorgestellt die keusche Vestung
Der Schönheit, wie sie vom Verlangen
Berennt wird – Der Lord Marschall, Oberrichter,1085
| 63 | Der Seneschal nebst zehen andern Rittern
Der Königin vertheidigten die Vestung,
Und Frankreichs Kavaliere griffen an.
Voraus erschien ein Herold, der das Schloß
Aufforderte in einem Madrigale,1090
Und von dem Wall antwortete der Kanzler.
Drauf spielte das Geschütz, und Blumensträuße,
Wohlriechend köstliche Essenzen wurden
Aus niedlichen Feldstücken abgefeuert.
Umsonst! die Stürme wurden abgeschlagen,1095
Und das Verlangen mußte sich zurückziehn.
DAVISON.
Ein Zeichen böser Vorbedeutung, Graf,
Für die Französische Brautwerbung.
KENT.
Nun, nun, das war ein Scherz – Im Ernste denk’ ich,
Wird sich die Vestung endlich doch ergeben.1100
DAVISON.
Glaubt ihr? Ich glaub’ es nimmermehr.
KENT.
Die schwierigsten Artikel sind bereits
Berichtigt und von Frankreich zugestanden.
Monsieur begnügt sich, in verschlossener
Kapelle seinen Gottesdienst zu halten,1105
Und öffentlich die Reichsreligion
| 64 | Zu ehren und zu schützen – Hättet ihr den Jubel
Des Volks gesehn, als diese Zeitung sich verbreitet!
Denn dieses war des Landes ew’ge Furcht,
Sie möchte sterben ohne Leibeserben,1110
Und England wieder Pabstes Fesseln tragen,
Wenn ihr die Stuart auf dem Throne folgte.
DAVISON.
Der Furcht kann es entledigt seyn – Sie geht
Ins Brautgemach, die Stuart geht zum Tode.
KENT.
Die Königin kommt!1115
Zweiter Auftritt.
DIE VORIGEN ELISABETH LEICESTER GRAF AUBESPINE BELLIEVRE GRAF SCHREWSBURY LORD BURLEIGH
ELISABETH
Graf! Ich beklage diese edeln Herrn,
Die ihr galanter Eifer über Meer
Hieher geführt, daß sie die Herrlichkeit
Des Hofs von S. Germain bei mir vermissen.
Ich kann so prächt’ge Götterfeste nicht1120
Erfinden, als die königliche Mutter
Von Frankreich – Ein gesittet fröhlich Volk,
| 65 | Das sich, so oft ich öffentlich mich zeige,
Mit Segnungen um meine Sänfte drängt,
Dieß ist das Schauspiel, das ich fremden Augen1125
Mit ein’gem Stolze zeigen kann. Der Glanz
Der Edelfräulein, die im Schönheitsgarten
Der Katharina blühn, verbärge nur
Mich selber und mein schimmerlos Verdienst.
AUBESPINE.
Nur Eine Dame zeigt Westminsterhof1130
Dem überraschten Fremden – aber alles,
Was an dem reizenden Geschlecht entzückt,
Stellt sich versammelt dar in dieser einen.
BELLIEVRE.
Erhabne Majestät von Engelland,
Vergönne, daß wir unsern Urlaub nehmen,1135
Und Monsieur, unsern königlichen Herrn,
Mit der ersehnten Freudenpost beglücken.
Ihn hat des Herzens heiße Ungeduld
Nicht in Paris gelassen, er erwartet
Zu Amiens die Boten seines Glücks,1140
Und bis nach Kalais reichen seine Posten,
Das Jawort, das dein königlicher Mund
Aussprechen wird, mit Flügelschnelligkeit
Zu seinem trunknen Ohre hinzutragen.
| 66 | ELISABETH.
Graf Bellievre, dringt nicht weiter in mich.1145
Nicht Zeit ist’s jetzt, ich wiederhohl es euch,
Die freud’ge Hochzeitfackel anzuzünden.
Schwarz hängt der Himmel über diesem Land,
Und besser ziemte mir der Trauerflor,
Als das Gepränge bräutlicher Gewänder.1150
Denn nahe droht ein jammervoller Schlag
Mein Herz zu treffen und mein eignes Haus.
BELLIEVRE.
Nur dein Versprechen gieb uns, Königin,
In frohern Tagen folge die Erfüllung.
ELISABETH.
Die Könige sind nur Sklaven ihres Standes,1155
Dem eignen Herzen dürfen sie nicht folgen.
Mein Wunsch war’s immer, unvermählt zu sterben,
Und meinen Ruhm hätt’ ich darein gesetzt,
Daß man dereinst auf meinem Grabstein läse:
Hier ruht die jungfräuliche Königin.1160
Doch meine Unterthanen wollens nicht,
Sie denken jetzt schon fleißig an die Zeit,
Wo ich dahin sein werde – Nicht genug,
Daß jetzt der Segen dieses Land beglückt,
Auch ihrem künftgen Wohl soll ich mich opfern,1165
Auch meine jungfräuliche Freiheit soll ich,
| 67 | Mein höchstes Gut, hingeben für mein Volk,
Und der Gebieter wird mir aufgedrungen.
Es zeigt mir dadurch an, daß ich ihm nur
Ein Weib bin, und ich meinte doch, regiert1170
Zu haben, wie ein Mann, und wie ein König.
Wohl weiß ich, daß man Gott nicht dient, wenn man
Die Ordnung der Natur verläßt, und Lob
Verdienen sie, die vor mir hier gewaltet,
Daß sie die Klöster aufgethan, und tausend1175
Schlachtopfer einer falschverstandnen Andacht
Den Pflichten der Natur zurückgegeben.
Doch eine Königin, die ihre Tage
Nicht ungenützt in müßiger Beschauung
Verbringt, die unverdrossen, unermüdet,1180
Die schwerste aller Pflichten übt, die sollte
Von dem Naturzweck ausgenommen seyn,
Der Eine Hälfte des Geschlechts der Menschen
Der andern unterwürfig macht –
AUBESPINE.
Jedwede Tugend, Königin, hast du1185
Auf deinem Thron verherrlicht, nichts ist übrig,
Als dem Geschlechte, dessen Ruhm du bist,
Auch noch in seinen eigensten Verdiensten
Als Muster vorzuleuchten. Freilich lebt
Kein Mann auf Erden, der es würdig ist,1190
Daß du die Freiheit ihm zum Opfer brächtest.
| 68 | Doch wenn Geburt, wenn Hoheit, Heldentugend
Und Männerschönheit einen Sterblichen
Der Ehre würdig machen, so –
ELISABETH.
Kein Zweifel,
Herr Abgesandter, daß ein Ehebündniß1195
Mit einem königlichen Sohne Frankreichs
Mich ehrt! Ja, ich gesteh es unverhohlen,
Wenn es seyn muß – wenn ichs nicht ändern kann,
Dem Dringen meines Volkes nachzugeben –
Und es wird stärker seyn als ich, befürcht’ ich –1200
So kenn’ ich in Europa keinen Fürsten,
Dem ich mein höchstes Kleinod, meine Freiheit,
Mit minderm Widerwillen opfern würde.
Laßt dieß Geständniß euch Genüge thun.
BELLIEVRE.
Es ist die schönste Hoffnung, doch es ist1205
Nur eine Hoffnung, und mein Herr wünscht mehr –
ELISABETH.
Was wünscht er?
Hat die Königin doch nichts
Voraus vor dem gemeinen Bürgerweibe!
Das gleiche Zeichen weißt auf gleiche Pflicht,
| 69 | Auf gleiche Dienstbarkeit – Der Ring macht Ehen,
Und Ringe sind’s, die eine Kette machen.1211
– Bringt seiner Hoheit dieß Geschenk. Es ist
Noch keine Kette, bindet mich noch nicht,
Doch kann ein Reif draus werden, der mich bindet.
BELLIEVRE.
In seinem Namen, große Königin,1215
Empfang’ ich knieend dieß Geschenk, und drücke
Den Kuß der Huldigung auf meiner Fürstin Hand!
ELISABETH.
Erlaubt, Milord!
Bekleidet Seine Hoheit
Mit diesem Schmuck, wie ich euch hier damit
Bekleide und in meines Ordens Pflichten...