E-Book, Deutsch, 224 Seiten
Schlötterer Staatsverbrechen – der Fall Mollath
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-96092-839-3
Verlag: FinanzBuch Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Das vorsätzliche Verbrechen an Gustl Mollath zwischen Schwarzgeld-Millionen, Vertuschung und der Rolle der CSU
E-Book, Deutsch, 224 Seiten
ISBN: 978-3-96092-839-3
Verlag: FinanzBuch Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Dr. Wilhelm Schlötterer ist Ministerialrat a. D., erfolgreicher Buchautor und langjähriges Mitglied der CSU. Während seiner Zeit im bayerischen Finanzministerium wies er mehrfach öffentlich auf Einflussnahmen von F.J. Strauß zugunsten wohlhabender Freunde hin. Sein standhaftes Engagement führte zu zwei parlamentarischen Untersuchungsausschüssen und zur Aufdeckung der sogenannten Amigo-Affäre.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
1. VERURTEILUNG UND EINWEISUNG IN EINE PSYCHIATRISCHE ANSTALT
Gustl Mollath war vom Landgericht Nürnberg-Fürth am 8. August 2006 in die forensische Psychiatrie weggesperrt worden – auf unbegrenzte Zeit. Nachdem ich das Urteil und das Einweisungsgutachten durchgesehen hatte, war ich entsetzt: Ohne wirkliche Beweise hatte die Strafkammer festgestellt, Mollath habe seine Ehefrau schwer misshandelt. Und ohne seine Angaben über die Schwarzgeldverschiebungen der HypoVereinsbank und seiner früheren Ehefrau überhaupt überprüft zu haben, hatte man sie als paranoide Wahnvorstellungen deklariert und Mollath als gemeingefährlichen Geisteskranken eingestuft. Schon auf den ersten Blick war klar, dass Gutachten und Urteil üble Konstruktionen waren.
Erschüttert stellte ich mir vor, was Mollath durchlitten haben musste. Seit Februar 2006 saß er unschuldig hinter Gittern, zusammengesperrt mit psychisch kranken Gewaltverbrechern, Sexualtriebtätern, Drogensüchtigen. Aus der Gesellschaft herausgerissen, isoliert und alleingelassen, amtlich für verrückt erklärt, sodass seine um Hilfe rufenden Briefe nach draußen nicht mehr ernst genommen wurden, war er den bürgerlichen Tod gestorben. Ohne Aussicht, ob er überhaupt wieder freikommen würde, anders als Strafgefangene und selbst Mörder, die wissen, dass sie nach 15 Jahren freikommen können! Mollaths Schicksal trieb mich um, ich schlief zwei Nächte lang unruhig, dachte im Halbschlaf immer wieder an diesen Unglücklichen. Dabei setzte mir der Gedanke zu: Wenn man das mit mir gemacht hätte, hätte ich das durchgestanden? Hätte ich nicht irgendwann durchgedreht? Wäre Mollath in der Haft wirklich wahnsinnig geworden, es wäre nur allzu verständlich gewesen.
Gustl Mollath, geboren am 7. November 1956, legte 1976 das zweitbeste Abitur an seiner Schule ab. Er begann Maschinenbau zu studieren, brach dieses Studium aber wegen der Krebserkrankung seiner Mutter ab, um diese zu pflegen. Von 1981 bis 1983 arbeitete er bei MAN, wo er eine Controllingabteilung unter sich hatte. Anschließend machte er sich selbstständig, beschäftigte sich mit der komplizierten Reparatur von Oldtimern, insbesondere Ferraris, beteiligte sich an Autorennen und betrieb einen Reifenhandel.
1978 lernte er Petra, seine spätere Ehefrau, von Beruf Bankkauffrau, kennen. Sie war ab 1990 bei der Hauptniederlassung der HypoVereinsbank Nürnberg beschäftigt. Wie ihre Tätigkeit dort aussah, schilderte Mollath in seinen späteren Strafanzeigen:
Zusammen mit Kollegen habe seine Frau in der Bank über zehn Jahre hinweg die Verschiebung von Schwarzgeld für eine Vielzahl von Kunden in die Schweiz betrieben, zunächst zur Anlage- und Kreditbank (AKB) in Zürich, einer Tochter der HypoVereinsbank, später zur Bank Leu. Diese fortwährende Steuerhinterziehung und Geldwäsche habe einen riesigen Umfang gehabt, es sei um Abermillionen D-Mark gegangen. Seine Frau habe sogar selbst Schwarzgeld als Kurier in die Schweiz transportiert. Anfangs habe er dies, wenn auch missbilligend, hingenommen und sich gesagt, das gehöre halt zu ihrem Beruf. Bisweilen habe er sie selbst in die Schweiz gefahren.
Im Oktober 1996, als seine Frau an einem »Fortbildungsseminar« im berühmten Nobelhotel Dolder in Zürich teilnahm, sei er dabei gewesen. Die AKB habe hierzu die 50 »besten Schwarzgeldverschieber der Bayerischen HypoVereinsbank« eingeladen. Die Themen hätten sich auf Steuerrecht, Steuerstrafrecht und Verhalten bei Entdeckung bezogen. Dieses Seminar habe Dr. Margarethe Edlin, die Direktorin der AKB, geleitet, wohnhaft wie Edmund Stoiber in Wolfratshausen.
Nach Einführung der Zinsabschlagssteuer am 1. Januar 1993 sei der Strom des Schwarzgeldes so rapide angeschwollen, dass seine Frau fast wöchentlich in die Schweiz gefahren sei. Da habe er Angst um sie bekommen, sie riskierte bis zu zehn Jahren Gefängnis, falls sie von der deutschen Zoll- und Steuerfahndung erwischt worden wäre. Zudem habe er die hinter dem gewaltigen Ausmaß der Steuerhinterziehungen stehende Unmoral verabscheut. Es habe ihn angeekelt, wenn seine Frau ihm jeden Abend erzählt habe, wer wieder wie viel Schwarzgeld verschoben habe. Meterlange, an seine Frau gerichtete Faxe aus der Schweiz seien bei ihm zu Hause eingegangen. Deshalb habe er versucht, seine Frau von ihrer illegalen Tätigkeit abzubringen. Das sei ihm jedoch nicht gelungen, weil sie von der Bank Leu in Zürich auf ein dortiges Konto Provisionen sowie Vergütungen für die Verwaltung des Schwarzgeldbestandes erhalten habe, schrieb er in einer Strafanzeige vom 9. Dezember 2003. All das habe ihm immer mehr zugesetzt: »Ich konnte keine Nacht mehr schlafen, bin schweißgebadet aufgewacht.« Im Mai 2002 sei es wegen der Schwarzgeldverschiebungen zum großen Streit mit seiner Frau gekommen, sie habe ihn daraufhin verlassen.
In der Folge schrieb ihr Mollath mehrere Briefe, in denen er sie immer wieder bat, ihre illegale Tätigkeit zu beenden. Er hoffte damals noch, dass sie zu ihm zurückkehren würde, sie war indessen anscheinend bereits mit einem Direktor der HypoVereinsbank liiert, den sie später auch heiratete. Da sie wohl befürchtete, dass ihr Ehemann sie wegen ihrer Schwarzgeldgeschäfte anzeigen würde, erstattete sie ihrerseits im November 2002, ein halbes Jahr nach der Trennung, Strafanzeige gegen ihn. Darin beschuldigte sie ihren Noch-Ehemann, er habe sie am 12. August 2001, somit ein Dreivierteljahr vor der Trennung, geschlagen, getreten und gebissen und schließlich so gewürgt, dass sie bewusstlos geworden sei. Außerdem beschuldigte sie ihn der Freiheitsberaubung: Als sie nach der Trennung restliche Sachen aus der ehelichen Wohnung abholen wollte, habe ihr Mann sie festgehalten und erst dann gehen lassen, als nach eineinhalb Stunden die draußen wartende Freundin ihres Bruders geklingelt habe. Die Staatsanwaltschaft erhob Anklage gegen Mollath.
Das katastrophale Fehlverhalten eines Richters am Amtsgericht
Am 25. September 2003 fand vor dem Amtsgericht Nürnberg die Verhandlung unter dem Vorsitz des Richters Alfred Huber statt. Zwei Tage vorher hatte Petra Mollath über ihre Anwälte bei Gericht den überraschenden Antrag gestellt, ihren Mann auf seinen Geisteszustand zu untersuchen, er sei wahrscheinlich gemeingefährlich.
Zum Vorwurf der Misshandlung sagte Gustl Mollath laut Protokoll:
»Wie die Sache hier dargestellt wird, stimmt es nicht. Sie ging auf mich los. Ich habe mich nur gewehrt. Meine Frau ist ein Teil von mir. Ich habe sie geliebt. In unserer Ehe gab es immer wieder starke Probleme. Es ging um Tätigkeiten, die meine Frau ausübt, die ich aber nicht tolerieren kann. Es geht hier um Steuerhinterziehung und Schwarzgeldverschiebung im großen Stil.«
Auf die Frage des Richters sagte dazu die als Zeugin geladene Ehefrau Petra Mollath laut Protokoll:
»Es gab in unserer Ehe öfters Streitigkeiten …, es hat ihm einfach nicht gepasst, was ich für einen Job habe.«
Diese Antwort war verblüffend. Sie gab sogar zu, dass ihre beruflichen Aktivitäten der Streitpunkt waren. Die angebliche Misshandlung beschrieb sie so:
»Mein Mann ist auf mich losgegangen und hat mich gewürgt. Ich hatte Prellungen und Bisswunden. Er hat mich schon öfters misshandelt. Ich hatte nur nie den Mut, einfach für immer zu gehen … Ich glaube einfach, dass mein Mann unter Bewusstseinsstörungen leidet.«
(Protokoll AZ: 41Ds 802 Js 4743/03)
Das aus dem Protokoll ersichtliche Verhalten des Richters Huber war nicht nur äußerst merkwürdig, es war pflichtwidrig. Warum hinterfragte er nicht den von Gustl Mollath angeführten Streitpunkt, die Steuerhinterziehung und Schwarzgeldverschiebung im großen Stil? Das Motiv war doch relevant für die Beurteilung des Tathergangs und für die Strafzumessung. Warum ließ er im Protokoll den Namen der HypoVereinsbank unerwähnt? Und warum bohrte der Staatsanwalt nicht sogleich mit Fragen nach? Steuerhinterziehung und Schwarzgeldverschiebung sind doch schwere Straftaten. Warum befragten weder der Richter noch der Staatsanwalt Petra Mollath, was das für ein geheimnisvoller Job war, dem sie nachging?
Gustl Mollath schrieb später, dass er ausdrücklich auf die HypoVereinsbank hingewiesen habe, aber dass weder der Richter noch der Staatsanwalt davon etwas wissen wollten. Noch dazu hatte er zu seiner Verteidigung einen 106 Seiten umfassenden Schnellhefter überreicht. Dieser enthielt u. a. eine Schilderung der Schwarzgeldverschiebungen sowie als Beweis dienende Belege, wie zum Beispiel Buchungsanordnungen für Nummernkonten in der Schweiz. Doch statt die Belege auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen, erließ der Richter kurzerhand den Beschluss, Mollath sei auf seinen Geisteszustand zu untersuchen – ganz so, wie es Petra Mollath beantragt hatte.
Dabei muss dem Richter bewusst gewesen sein, dass es sehr häufig vorkommt, dass ein Ehegatte den anderen in die Ecke der Geisteskrankheit zu rücken versucht, wenn eine Ehe auseinanderbricht. Bei den meisten Tätlichkeiten in Ehen, die vor Gericht landen, wird kein psychiatrisches Gutachten eingeholt. Warum...