Schmieder / Kintzinger | Die mittelalterliche Stadt | E-Book | www.sack.de
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E-Book, Deutsch, 156 Seiten

Reihe: Geschichte kompakt

Schmieder / Kintzinger Die mittelalterliche Stadt


3., bibliogr. aktualisierte Auflage 2012
ISBN: 978-3-534-72908-1
Verlag: wbg Academic in Herder
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

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Reihe: Geschichte kompakt

ISBN: 978-3-534-72908-1
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Die mittelalterliche Stadt mit ihrer komplexen Rechts- und Herrschaftsstruktur und ihrer genossenschaftlichen Verfasstheit bildete die Grundlage für moderne Herrschaft und Verwaltung. Zugleich bewahrte sie antike Merkmale römischer Städte. Felicitas Schmieder gibt einen Überblick über die vielfältigen Bereiche mittelalterlicher Stadtgeschichte. Sie führt in die antike Stadtentwicklung des Mittelmeerraumes ein, behandelt Topographie, Wirtschaft und soziale Faktoren sowie Aspekte des Alltags und der Mentalität der Bewohner. Stadtgeschichte enthält alle Bereiche mittelalterlicher Lebenswelt.

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Einleitung: Städte in der Menschheitsgeschichte
Was ist eine Stadt? Wohl jeder von uns weiß die Antwort, hat eine bestimmte Vorstellung, und allzu sehr werden sich unsere Vorstellungen auch nicht voneinander unterscheiden. Ebenso werden wir aber auch darin übereinstimmen, dass sich eine altbabylonische, eine römische und eine mittelalterliche Stadt voneinander unterschieden haben. Aber wir nennen sie alle Stadt. Eine umfassende Definition findet sich in jedem ordentlichen Konversationslexikon. „Stadt [zu althochdeutsch stat, ‚Ort, Stelle’], Siedlung mit meist nichtlandwirtschaftlichen Funktionen (Ausnahme Ackerbürgerstadt), gekennzeichnet u.a. durch eine gewisse Größe, Geschlossenheit der Ortsform, hohe Bebauungsdichte, zentrale Funktionen in Handel, Kultur und Verwaltung; in größeren Städten führt die Differenzierung des Ortsbildes zur Bildung von Stadtvierteln.“ (Meyers Großes Taschenlexikon 1992) Auf die moderne statistische Definition (aufgrund der Einwohnerzahl) folgt ein historischer Abriss von den frühesten Stadtkulturen über die Epochen europäischer Geschichte – griechisch, hellenistisch, römisch, schließlich mittelalterlich und neuzeitlich –, der mit einer vertiefenden Definition beginnt: „… Die alten Stadtkulturen waren (häufig befestigte) Zentren großer Gebietsherrschaften mit straffer Verwaltungs- und Militärorganisation, Hof-, Tempel-, Handels- und Gewerbezentralen mit Schriftsystem, Geld- und Planwirtschaft.“ Verbesserungen im Landbau sorgten für Überschüsse und ermöglichten sowohl die Versorgung von Siedlungen mit höherer Bebauungsdichte als auch deren Entwicklung zu Zentren von regionalem und überregionalem Handel und einer differenzierteren Arbeitsteilung, von spezialisiertem Handwerk und entsprechend komplexeren Gesellschaftsstrukturen. Politisch-administrative, militärische und kultische Zentralfunktionen scheinen häufig die Folge gewesen zu sein – wenn sie nicht umgekehrt erst die Grundlage für die ökonomische Entwicklung an einer bestimmten Stelle legten. älteste Stadtkulturen Als Wiege der ältesten Stadtkultur scheint der Alte Orient festzustehen. Doch welches genau die „erste Stadt der Menschheit“ war, ist wohl nicht entscheidbar. Die Neigung, eine besonders alte Siedlung als „älteste Stadt“ zu bezeichnen, ist nichtsdestoweniger groß und oft ohne besonderen definitorischen Anspruch. Als zeitlicher Rahmen für die ältesten Städte der Welt wird üblicherweise das 5./4. vorchristliche Jahrtausend genannt. Manche der Namen klingen uns bekannt und uralt: Uruk, Ur, Nippur, Babylon, Ninive in Mesopotamien, Jericho, Palmyra, Megiddo, Arad, dann Tyros und Byblos und auch Aleppo in Syrien und der Levante, wohl auch in Anatolien Catal Hüyük. Und sind jene alten zentralen Siedlungen, die in Ägypten, Indien oder gar China gegründet wurden, im Tal des Nil, Indus oder Yangtse-kiang, unabhängig von den bislang aufgeführten Entwicklungen entstanden oder sind sie alle Ableitungen einer ältesten Stadt oder Stadtkultur – sind sie überhaupt alle Städte zu nennen? Denn welche Merkmale all diese Städte zu Städten machen, ist äußerst umstritten: Wie sie beschrieben werden müssen, was genau sie über die Kulturen hinweg vergleichbar mit einem von allen akzeptierten Konzept Stadt erscheinen lässt – ob man all diese von Menschen gänzlich unterschiedlicher Kulturen erbauten und bewohnten Siedlungen weitgehend unwidersprochen Stadt nennen kann. Zu unterschiedlich sind die Forschungsstände und -traditionen, die die archäologisch-historischen Siedlungs- und Stadtgeschichten praktisch aller Kulturen über „Städte“ ausgebildet haben, nicht selten in Konkurrenz zueinander. Die alten Städte sind uns nur in ihren archäologischen Resten erhalten, die es zu interpretieren gilt. Daran, was hinreicht, um von einer Stadt zu sprechen, scheiden sich in der Forschung die Geister. Ist es die Mauer, die die Stadt zur Stadt macht? Ummauert können auch gefährdete Dörfer sein. Eine an den Resten erkennbare soziale Differenzierung und Arbeitsteilung findet sich – wie auch im deutschen Spätmittelalter allenthalben belegbar – in ihren Anfängen gewiss ebenfalls in dörflichen Strukturen und geht in mancher Stadt kaum über solche hinaus. Deutet ein von Besiedlung umgebener zentraler Tempel mit Keilschriftarchiv, das offensichtlich zentralen Verwaltungsfunktionen diente, die auch auf das Umland übergriffen, auf eine Stadt oder nur auf einen riesigen Tempelbezirk, der landwirtschaftlichen Großgrundbesitz verwaltete, vergleichbar mit einem frühmittelalterlichen europäischen Kloster? Kann eine Siedlung, die sich dienend um eine Palastanlage schart, überhaupt eine Stadt sein, oder gehört zu dieser die Dominanz des Kaufmännischen, ein Markt und Hafen sowie die handwerkliche Produktion für diese, ganz abgesehen von einem gewissen Maß an politischer Autonomie der Bewohner? Ob man nun ein sehr – nicht selten ideologisch – eng begrenztes Stadtbild hat oder bereit ist, unterschiedliche Phänomene mit gemeinsamem Nenner unter dem Begriff zu subsumieren: Festzuhalten ist gewiss, dass immer mehrere der genannten Faktoren zusammentreffen müssen, um eine Stadt zur Stadt zu machen, und dass es sehr unterschiedliche Städte gibt, bei denen die verschiedenen Faktoren unterschiedlich stark ausgeprägt sein können bis hin zum gänzlichen Fehlen. Eines allerdings scheint sich wie ein roter Faden durch die Weltgeschichte der Städte zu ziehen: Als verantwortlich für die Entstehung oder Gründung von Städten sowie deren Erfolg, ihr Wachsen und ihren Ausbau sind offenbar fast immer wirtschaftstopographische und strategische Gründe auszumachen. Es gab „natürlich bevorzugte Stadtlagen“, die zum einen eine günstige Lage zu den großen Verkehrswegen, zum anderen militärische Gesichtspunkte berücksichtigten. Beides schloss sich oft genug gegenseitig ein, denn nur selten bedeutet der Wunsch nach guter Verteidigbarkeit auch generelle Ferne von den Wegen der Menschen. Ein berühmtes und seltenes Beispiel für das Gegenteil ist Jerusalem, das offenbar gezielt fern der Durchgangsstraßen angelegt worden war – Rückzugsort einer exklusiven und bedrängten Religionsgemeinschaft. Die meisten erfolgreichen Städte lagen dagegen an schiffbaren Flüssen, geschützten natürlichen Häfen, Passstraßen oder Furten und wurden gerne wie Burgen strategisch günstig und an schwer einnehmbaren Hängen, auf Spornlagen, Inseln oder Halbinseln errichtet. Vergleichbarkeit von „Städten“ Offenbar ist die von der einheitlichen Bezeichnung Stadt für Siedlungen überall auf der Welt und zu fast allen Zeiten suggerierte Vergleichbarkeit durchaus gegeben, hat aber ihre Grenzen. Sie betrifft Elemente des äußeren Erscheinungsbildes und der grundsätzlichen Funktionalität sowie einer in erster Linie an Äußerlichkeiten feststellbaren komplexeren Sozialstruktur. Sie muss jedoch auf jegliche speziellere Charakterisierung von sozialen Verhältnissen, wirtschaftlichen Organisationsformen oder politischer Verfasstheit verzichten – und beispielsweise rechtliche Bedingungen bleiben unberücksichtigt. Doch bieten diese Vergleichbarkeiten Eckdaten für eine Definition, die im Wesentlichen, wenn auch nicht alle zugleich, zutreffen müssen, damit von einer Stadt gesprochen werden kann. Eine Stadt ist eine relativ große und dichte Anhäufung von Menschen, deren Leben nicht- oder nur partiell landwirtschaftlich geprägt ist, und das heißt zugleich: die auf Versorgung aus dem Umland angewiesen ist. Die bereits dadurch bedingte enge Verknüpfung mit umgebenden Wirtschafts- und Sozialstrukturen wird verstärkt durch gewisse Zentralfunktionen, die der Stadt in Handel, Kultur, Verwaltung und Verteidigung, also für den Umschlag von Waren, den Markt, für den kultisch-religiösen sowie den administrativ-politischen Bereich zuwachsen. Die Befähigung zu solcher Zentralfunktion geht einher mit der geographischen Situation der Stadt: Sie hat die Auswahl der Lage bestimmt, oder aber die Lage hat den Erfolg der städtischen Entwicklung mitverantwortet. Im Inneren kommt zu diesen Eigenschaften einer Stadt oft eine Ausdifferenzierung von Stadtvierteln aus unterschiedlichen Gründen – neben dem der bloßen Stadtgröße und des Wachstums über die Zeit zum Beispiel jener der Separierung unterschiedlicher Ethnien, Kulte oder auch sozialer Gruppen. Schließlich findet sich in der Stadt eine besonders starke Ausprägung der nicht ohne weiteres stadt-spezifischen, sondern auch in ländlichen Kulturen bereits beginnenden hierarchischen Gesellschaftsgliederung und Arbeitsteilung. In diesem Rahmen bewegen sich alle Städte dieser Welt, auch die mittelalterlichen deutschen – auf die sich dieser Band trotz seines umfassend scheinenden Titels konzentriert. Mehr als diesen Rahmen jedoch bringt der Vergleich zunächst nicht ein: Er lässt keinerlei Rückschlüsse auf die inneren Verhältnisse der Städte der einzelnen Kulturen oder noch mehr jeder einzelnen Stadt zu. Der reflektierte Vergleich ist notwendig, denn er dient der Begriffsklärung und zugleich...



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