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E-Book, Deutsch, 344 Seiten

Schönau Neros Mütter

Julia und die Agrippinas. Drei Frauenleben im alten Rom
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-946334-98-9
Verlag: Berenberg Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Julia und die Agrippinas. Drei Frauenleben im alten Rom

E-Book, Deutsch, 344 Seiten

ISBN: 978-3-946334-98-9
Verlag: Berenberg Verlag GmbH
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Die Leichtlebige (Julia). Das Mannweib (Agrippina die Ältere). Die Herrschsüchtige (Agrippina die Jüngere): Die krassen Vorurteile der Nachwelt über Mutter, Großmutter und Urgroßmutter von Nero haben sich gut gehalten. Dabei waren die Frauen der Kaiserdynastie selbstbewusste Rollenmodelle der Emanzipation vor zweitausend Jahren. Sie waren hochgebildet und steinreich, ritten über die Alpen und segelten auf dem Nil, empfingen Könige und kommandierten Soldaten. Dass Neros Mütter selbst Macht ausüben wollten, wurde ihnen zum Verhängnis: Sie wurden von den Männern ihrer Familie verbannt und ermordet, von der Geschichtsschreibung vergessen oder verdammt. Birgit Schönau schreibt ihre Biographien neu und beweist, dass der Kampf um weibliche Selbstbestimmung so alt ist wie Europa.

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DIE KAISERFRAUEN
UND DIE MACHT IN ROM
Vorwort
Natürlich hatte auch Nero nur eine Mutter: Julia Agrippina, genannt Agrippina die Jüngere. Ihre Mutter hieß Vipsania Agrippina, genannt Agrippina die Ältere. Deren Mutter war Julia, das einzige Kind des Augustus. Um diese drei Frauen, also Neros Mutter, Großmutter und Urgroßmutter, geht es in diesem Buch. Sie waren die weiblichen Protagonisten der julischclaudischen Dynastie, die Rom und sein Weltreich von 40 v. Chr. bis 68 n. Chr. beherrschte. Fünf Männer dieses Clans waren in diesen gut hundert Jahren princeps, wie sich die römischen Kaiser selbst nannten: Augustus, Tiberius, Caligula, Claudius und Nero. Männer, die mit ihren Eroberungen und der Verbreitung von Recht und Zivilisation, aber auch mit Willkürherrschaft und Grausamkeit Geschichte schrieben. Weniger bekannt ist, dass sie die Frauen der Familie verfolgten, verbannten und vernichteten. Mit der damnatio memoriae sorgten die Herrscher von Rom dafür, dass auch das Andenken ihrer weiblichen Verwandten getilgt wurde. Die Geschichtsschreibung hielt sich über Jahrhunderte daran, indem sie über Neros Mütter zumeist aus der Perspektive der Verfolger berichtete. So wurde aus Julia eine triebhafte Ehebrecherin, die ihr tugendhafter Vater Augustus verbannen musste, um die Ehre der Familie zu retten. Die ältere Agrippina geriet zu einer streitsüchtigen Nervensäge, die Kaiser Tiberius eliminieren ließ, weil sie sein Regime bedrohte. Die jüngere Agrippina schließlich gilt bis heute als eines der größten weiblichen Monster der Weltgeschichte, eine Lady Macbeth des Altertums. Ob Gattenmord oder Inzest mit Bruder und Sohn – ihr werden seit zweitausend Jahren die schlimmsten Verbrechen angehängt. Dass Nero seine Mutter ermorden ließ, macht sie aus diesem Blickwinkel noch lange nicht zum Opfer. Das Verbrechen wird im Gegenteil als extremer Befreiungsakt dargestellt, mit dem das Muttersöhnchen die dominante Agrippina loszuwerden suchte. Als die Leichtlebige, das Mannweib und die Machtgierige avancierten Neros Mütter zu Archetypen negativer Weiblichkeit, die ihr trauriges Schicksal durch Fehlverhalten angeblich selbst heraufbeschworen und letztlich verdienten. So steht es schon in den antiken Quellen, die auch die Grundlage für dieses Buch bilden. Dabei kann man dort auch ganz andere Dinge lesen, die mindestens genauso interessant sind. Denn die Frauen der Augustus-Dynastie waren Töchter, Ehefrauen und Schwestern von Imperatoren. Sie lebten im Mittelpunkt eines Weltreichs, das sich von Nordafrika bis nach England erstreckte, von Spanien bis nach Syrien. Neros Mütter waren selbstbewusst und weltläufig, von klein auf gewöhnt, über den Rand ihrer silbernen Teller zu schauen und Griechisch wie Latein zu sprechen. Sie ritten über die Alpen und segelten auf dem Nil, empfingen Könige, kommandierten Heerscharen von Sklaven und sogar Soldaten. Während die Propaganda ihrer Männer sie als brave und züchtige Matronen und als tapfere Mütter verklärte, waren die Frauen der Dynastie in Wirklichkeit role models einer fortschreitenden Emanzipation zumindest innerhalb einer winzigen Elite der Oberschicht. Weibliche Einflussnahme war bereits im Römischen Reich hart erkämpft, unerwünscht, aber möglich, und sie wuchs in den Jahrzehnten zwischen Augustus und Nero stetig weiter. Mächtige Frauen waren den Römern nicht nur als Göttinnen, sondern auch als Herrscherinnen in anderen Kulturen bekannt. Wenn Augustus die ägyptische Königin Kleopatra bekämpfte, verbündete Claudius sich mit der britischen Stammesfürstin Cartimandua. Ihre eigenen Frauen durften offiziell kein Amt bekleiden, waren aber mehr oder weniger stille Teilhaberinnen der Macht. So gewährte Augustus seiner Frau Livia und seiner Schwester Octavia die Privilegien von Volkstribunen und ließ sie über ihre riesigen Vermögen frei verfügen. Sein Urenkel Caligula ging noch viel weiter, er machte seine Schwestern zu Göttinnen und eine von ihnen zur Thronerbin. Kaiser Claudius stattete die jüngere Agrippina mit einem Wagen und einer germanischen Leibwache aus – und ließ sie, nur notdürftig hinter einem Vorhang versteckt, an Senatssitzungen teilnehmen. Die mächtigen Frauen der Dynastie kämpften so selbstverständlich wie die Männer für ihre eigenen Einflusssphären. Sie knüpften Seilschaften und machten Politik, für, oftmals aber auch gegen die jeweiligen Herrscher. Diese wehrten sich: Fast alle weiblichen Nachkommen des Augustus wurden in die Verbannung abgeschoben und so unschädlich gemacht. Als Gefängnisort für die Frauen der Dynastie diente eine kaiserliche Villa auf der abgelegenen Insel Ventotene zwischen Rom und Neapel. Viele Jahrhunderte später nahm sich der faschistische Diktator Benito Mussolini daran ein Beispiel. Der duce ließ politische Gefangene auf das kleine Eiland deportieren, unter ihnen Altiero Spinelli, den Verfasser des Manifests von Ventotene für ein vereintes Europa. Die erste Verbannte von Ventotene war die Augustus-Tochter Julia (39 v. Chr.–14 n. Chr.), zuvor der strahlende Mittelpunkt des höfischen und kulturellen Lebens in der Metropole Rom. Nach drei Zwangsheiraten rebellierte Julia, inzwischen Mutter von fünf Kindern, gegen ihren Vater. Sie wagte es, seine Allmacht in Frage zu stellen, und beteiligte sich vielleicht sogar an einer Verschwörung. Daraufhin ließ Augustus Julia als Ehebrecherin verurteilen und abschieben. Einsam und krank starb sie, ohne Rom und ihre Familie wiedergesehen zu haben – und erlitt damit ein ähnliches Schicksal wie ihr Bekannter, der zunächst gefeierte und dann geächtete Hofpoet Ovid. Julias Tochter Vipsania Agrippina (14 v. Chr.–33 n. Chr.) war Augustus’ Lieblingsenkelin. Ihre Heirat mit dem designierten Thronfolger Germanicus verhieß eine strahlende Zukunft. Dabei beschränkte sich die ältere Agrippina keineswegs auf eine passiv-repräsentative Prinzessinnenrolle. Im Feldlager am Rhein beruhigte sie an der Seite ihres Mannes meuternde Legionäre, sie erlebte, wie Germanicus in Griechenland Olympiasieger wurde und in Ägypten als Krisenmanager glänzte. Doch der plötzliche Tod ihres Gatten beendete auch ihr öffentliches Leben. Die Witwe Agrippina war nun den Verfolgungen von Kaiser Tiberius ausgesetzt. Als Staatsfeindin verbannt, starb sie auf Ventotene den Hungertod. Die jüngere Agrippina (15–59 n. Chr.) schaffte es, dieser Insel zu entkommen, auf die sie ihr Bruder Caligula als Verräterin verbannt hatte. Ihr Onkel Claudius befreite sie, kaum dass er die Nachfolge von Caligula angetreten hatte. Später heiratete Claudius Agrippina und machte sie zu seiner Mitregentin, die Truppenparaden abnahm, Außenpolitik betrieb und die Staatsfinanzen kontrollierte. Er verpasste ihr den kaiserlichen Titel »Augusta« und benannte ihren Geburtsort nach ihr: Colonia Agrippina – Köln. Agrippinas Macht schien unbegrenzt, als nach Claudius’ Tod ihr Sohn Nero neuer Kaiser wurde. Doch nach wenigen Monaten stellte Nero gemeinsam mit seinem Berater Seneca die Mutter kalt. Ebenfalls unter Senecas Mitwirkung ließ er sie später ermorden. Die jüngere Agrippina musste sterben, weil sie den Kaiser und seinen als Philosophen weithin gerühmten Berater öffentlich kritisierte und über genügend Mittel verfügte, um eine Revolte anzuzetteln. Geschickt interpretierte Seneca den Muttermord als Notwehr – eine Version, die bis in unsere Zeit übernommen wird, ebenso wie die Behauptung, Agrippina habe Claudius mit einem Pilzgericht vergiftet. Während die Lebensweisheit des Stoikers Seneca gerade wieder eine Renaissance erlebt und die Biographien lang verteufelter Herrscher wie Caligula und Nero Rehabilitierung oder zumindest nüchterne Neueinschätzung erfahren, hält die Verdammung der jüngeren Agrippina an, und es reicht für Julia und die ältere Agrippina weiterhin nur zur Fußnote. Eine weitreichende »Entmystifizierung«, wie sie beispielsweise für Augustus längst erfolgt, steht für die Frauen der Dynastie noch aus. Sie werden noch immer nicht als politische Akteurinnen wahrgenommen, in einer offenkundigen Verwechslung ideologischer Rollenvorgaben mit der historischen Realität. Tatsächlich sind diese Geschlechterrollen über die Jahrtausende tradiert worden und uns deshalb seltsam vertraut. Zurückhaltung, Verzicht und Bescheidenheit waren weibliche Tugenden, die im Kaiserreich eine große Rolle für die Legitimation von Herrschaft spielten, weil sie in die untergegangene Epoche der Republik wiesen. Später wurden sie von der römischkatholischen Kirche übernommen, um neue Hierarchien zu rechtfertigten und Jenseitsverheißungen zu nähren. Die Geschichtsschreibung des 19. und 20. Jahrhunderts stellte sie weitestgehend nicht in Frage – dabei hat kein Geringerer als Theodor Mommsen die Mitregentschaft von Livia und der jüngeren Agrippina nachgewiesen. Die meisten Althistoriker müssen sich jedoch in abgewandelter Form die alte Brecht-Frage des lesenden Arbeiters gefallen lassen: »Augustus erbaute Rom neu. Hatte er nicht wenigstens eine Frau dabei?«...


Birgit Schönau, geboren 1966, war viele Jahre Italienkorrespondentin für Die ZEIT und Süddeutsche Zeitung. Unter den Buchveröffentlichungen: "Circus Italia" (2011), "Gebrauchsanweisung für Rom" (2016) und zuletzt bei Berenberg "La Fidanzata – Juventus, Turin und Italien" (2018). Sie lebt in Rom und Soest.



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