E-Book, Deutsch, Band 2, 288 Seiten
Schulz Eulenspiegels tödliche Streiche
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-8392-7496-5
Verlag: Gmeiner-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Kriminalroman
E-Book, Deutsch, Band 2, 288 Seiten
Reihe: Kriminalhauptkommissarin Hella Budde
ISBN: 978-3-8392-7496-5
Verlag: Gmeiner-Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Mitten in der Nacht wird Kriminalhauptkommissarin Hella Budde zur Traditionsbäckerei Krenz in der Braunschweiger Innenstadt gerufen. Jemand hat den Chef der Bäckereikette wie einen Laib Brot im Holzofen gebacken. Für Hella Budde und ihren Kollegen Kai Fischbach gestalten sich die Ermittlungen schwierig, denn Krenz hatte ebenso viel Geld wie Feinde. Kurz darauf geschieht ein weiterer bizarrer Mord. Bei ihren Nachforschungen deckt Hella Zusammenhänge auf, die sie zu einem berühmten Sohn der Region führen …
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1
»Verdammt kalt dieser Frühling«, begrüßte Hella den Kollegen, als ihr die wohlige Wärme aus dem Inneren des alten Opel Astra entgegenschlug. »Der Frühling ist mir ziemlich egal, aber muss es unbedingt mitten in der Nacht sein?«, raunzte Kai und gab ihr kaum Zeit, die Wagentür hinter sich zu schließen. Ein Blick in seine kleinen Augen bestätigte Hella, dass ihn wieder seine Migräne heimsuchte. Also ließ sie ihn in Ruhe. Es gab ohnehin nichts zu sagen. Noch nicht, außer vielleicht, dass sie zuerst nicht glauben wollte, was ihr die Kollegin am Telefon mitgeteilt hatte. Der Anruf war von der Zentrale in der Münzstraße gekommen. Daraufhin hatte Hella umgehend Kai in Kenntnis gesetzt. Es genügte, wenn sie mit einem Auto am Tatort erschienen. Drei Uhr siebenundvierzig. Die Braunschweiger Straßen und Plätze waren wie leergefegt. Kai nahm die Abkürzung durch die Fußgängerzone. In wenigen Minuten hatten sie den Ziegenmarkt erreicht. Vor der Bäckerei Krenz stand ein Einsatzwagen der Streife, die über den Polizeiruf benachrichtigt worden war. Der Verkaufsraum leuchtete hell, doch die Eingangstür war verschlossen. Auch auf Kais Klopfen hin ließ sich niemand blicken. »Gibt es eine Seitentür?«, fragte Hella. »Woher soll ich das wissen?« »Ich dachte, du kennst dich in Braunschweig aus«, erwiderte sie und grinste. Die Tür an der linken Seite der Fassade führte in die Backstube, wo der Streifenpolizist bereits auf sie wartete. Er hätte der Zwillingsbruder ihres neuen Kommissaranwärters Simon Pläschke sein können, dachte Hella, beide waren etwa eins achtzig groß, Ende zwanzig, rothaarig und trugen Bürstenschnitt. »Unfassbar, ich glaube es einfach nicht«, begrüßte er sie mit weit aufgerissenen Augen, »Braun gebrannt wie eine Gans in der Röhre. Wer macht denn so was?« Hella ging es wie dem jungen Streifenpolizisten. Am Telefon hätte sie beinahe gelacht, als ihr die Kollegin mitgeteilt hatte, was passiert sein sollte. Selbst Kai Fischbach hatte etwas Derartiges trotz seiner bald dreißig Dienstjahre bei der Kripo Braunschweig noch nicht erlebt. Jetzt standen sie vor dem Steinofen und fanden keine Worte. »Der Bäckergeselle, der heute Morgen seinen Dienst antreten wollte, wunderte sich, warum die Backstube nicht abgeschlossen war, dann der Geruch. Jemand musste vor ihm den Ofen in Betrieb gesetzt haben. Zunächst dachte er, es sei der Chef selbst gewesen, aber niemand war da, und dann öffnete er den Ofen …« Der Anblick nahm ihnen den Atem. Es war nicht sofort eindeutig, dass es sich um einen menschlichen Körper handelte, aber als sie genauer hinsah, konnte Hella Gliedmaßen und einen Schädel erkennen. »Weiß man schon, wer das Opfer ist?« »Der Geselle hat den Siegelring am Finger der Leiche erkannt, Frau Hauptkommissarin. Demnach handelt es sich um den alten Krenz selbst, also Bertold Krenz, den Inhaber der Bäckereikette«, gab der Streifenpolizist seinen Kurzbericht ab. »Danke, Kollege. Gut gemacht. Ist der Geselle noch da?« »In der Teeküche nebenan. Den kriegen keine zehn Pferde mehr in die Backstube, das kann ich Ihnen sagen.« Auf der Sitzbank des kleinen Personalraums wartete zusammengekauert ein Mann, etwa vierzig Jahre alt, schlank, mittelgroß mit dicken schwarzen Augenbrauen und gelblichem Teint, den ganz und gar das Grauen gepackt hatte. »Kai, sag bitte den Kollegen von der KTU Bescheid, sie sollen sofort kommen. Ich rufe selbst bei Dr. Weinreb an. Wir wollen hier nichts falsch machen. Gibt es eine Telefonliste, damit wir die Angehörigen benachrichtigen können?«, fragte Hella den Streifenpolizisten. »Bestimmt oben im Verkaufsraum.« »Natürlich. Und wie ist Ihr Name?«, wandte sie sich jetzt an den Bäckergesellen. »Ich Hamoudi. Ich nicht weiß, was passiert. Ich gefunden hier. Sollte vorbereiten, backen mit Chef, verstehen? Hier nur backen Chef und Hamoudi. Neue Rezepte, verstehen?« Eine Schockwelle ließ den Mann plötzlich am ganzen Körper zittern. Es hatte nicht viel Sinn, ihn jetzt noch genauer zu befragen, dachte Hella. »Bitte kommen Sie um acht Uhr dreißig zur Zeugenbefragung und zur Abnahme von Fingerabdrücken ins Kommissariat Mitte in der Münzstraße. Gehen Sie jetzt besser nach Hause und versuchen Sie sich zu beruhigen.« Hamoudi nickte. Sie wandte sich an Kai: »Ich brauche nicht zu sagen, dass nach der KTU niemand mehr die Backstube betreten darf, und natürlich bleibt das Geschäft bis auf Weiteres geschlossen. Hier muss jeder Quadratzentimeter untersucht werden.« »Selbstredend. Soll ich die Liste abtelefonieren, Chefin?« Wenn er sie »Chefin« nannte, dann wusste sie, dass sie ihren Kommandoton besser nicht verschärfte. Denn ihr Kai war sensibel. »Ja, bitte. Ich nehme an, dass er verheiratet war, vielleicht ist die Witwe zu erreichen. Wir sollten so schnell wie möglich mit einer Vertrauensperson des Verstorbenen sprechen.« »Brauchen Sie mich noch, Frau Hauptkommissarin?«, fragte der Streifenpolizist. »Nein, danke«, erwiderte Hella, »Oder, warten Sie … Vielleicht könnten Sie Herrn Hamoudi nach Hause fahren. Er steht unter Schock.« »Gern.« »Ich wünschte, alle hätten es so drauf wie der junge Kollege von der Streife«, sagte Hella, nachdem er gegangen war, und erwartete ein eifersüchtiges Aufblitzen in Kais Augen, aber der war bereits auf dem Weg in den Verkaufsraum, um die Telefonliste ausfindig zu machen. Auch Hella spürte einen Widerwillen, die Backstube noch einmal zu betreten, doch bevor die Kriminaltechnische Untersuchung anrückte, musste sie sich selbst einen möglichst umfassenden ersten Eindruck verschaffen. Allmählich erkaltete die Luft, und auch das Papiertaschentuch, das sie sich vor die Nase hielt, konnte den ekelhaften Geruch kaum zurückhalten. Mit professionellen Bäckeröfen kannte sie sich nicht aus. Das rote Licht signalisierte anscheinend, dass ein Programm abgelaufen war. »Landbrot« stand daneben. Jetzt erst fiel Hella auf, dass auf einem der Arbeitstische Kleidung abgelegt worden war: Hose, Hemd, Jacke, Schuhe. Die Kleidung des Opfers? Wenn ja, dann sagte die Art und Weise, wie er sie drapiert hatte, bereits einiges über den Täter aus. Er zeigte einen sichtlich ausgeprägten Sinn für Ordnung. Offenbar hatte er sich keineswegs bedrängt gefühlt und kannte sich hier aus. Er musste gewusst haben, dass er Krenz allein in der Backstube vorfinden würde. Fragte sich, wie die Tat abgelaufen sein könnte … »Die Witwe von Krenz wohnt in Querum, das sind nur ein paar Kilometer von hier. Wir sollten sie sofort aufsuchen, dann könnten wir auch gleich mehr erfahren«, meinte Kai. Davor hatte Hella allerdings noch etwas zu erledigen. Sie drückte die Nummer von Dr. Weinreb. Auch ihre Freundin dachte zuerst, sie scherzte, als sie ihr den Fall schilderte. »Eine ziemlich originelle Geschichte, das muss ich zugeben, aber eigentlich wollte ich endlich wieder einmal eine Nacht durchschlafen.« Doch Hella kannte die unstillbare Neugier der Gerichtsmedizinerin, sicher würde es nicht lange dauern, bis Daniela aufkreuzte. Auch die Kollegen der Spurensicherung waren auf dem Sprung. Der erste stand bereits im Schutzanzug in der Tür. »Moin. Manchmal frage ich mich, wozu der da oben die Nacht erschaffen hat«, begrüßte er sie. »Jedenfalls nicht allein zum Schlafen«, erwiderte Hella und grinste. Vier Uhr zweiundfünfzig. Die Witwe des Toten wohnte nur ein paar Kilometer nordöstlich vom Stadtzentrum auf dem Land. Am Horizont begann sich die Dunkelheit allmählich aufzulösen, und die Umrisse der Bäume und Häuser ragten aus der Finsternis. »Das ist nicht nur ein Mord. Das ist eine makaber inszenierte Bestrafung«, dachte Hella laut nach. »Ich frage mich nur, wie die Tat abgelaufen ist. Selbst mit vorgehaltener Pistole wird Krenz kaum selbst in den Ofen gekrochen sein. Das war gar nicht möglich. Der Täter musste ihn regelrecht zusammenfalten.« Kai nickte. »Vielleicht hat er ihn vorher betäubt, oder er war bereits tot, als ihn der Mörder in den Ofen schob. Das wird die Gerichtsmedizin feststellen …« Der Klingelton von Hellas Handy unterbrach ihn. »Budde.« »Hier Lenz von der KTU. Wir haben eine Blutspur in der Nähe des Seiteneingangs entdeckt. Sieht aus, als habe hier eine Auseinandersetzung stattgefunden.« »Das passt ins Bild, bitte überprüft doch so schnell wie möglich, ob es sich um das Blut des Opfers handelt. Ist Frau Dr. Weinreb schon da?«, fragte Hella. »Gerade angekommen.« »Richten Sie ihr bitte aus, dass sie auf mich warten soll.« Sie legte auf. Es war noch zu früh, um mit Daniela zu sprechen, auch sie musste sich zuerst einen Überblick verschaffen. »Ziel erreicht«, meldete das Navi, als vor ihnen ein alter Fachwerkhof auftauchte, den eine Mauer und ein großes Holztor von der Außenwelt abschirmten. Kai parkte den Wagen am Straßenrand. Offenbar waren sie gesehen worden, denn das Tor bewegte sich, noch bevor sie überlegen mussten, wie sie in den Innenhof gelangen könnten. »Frau Krenz?«, fragte Kai. Vor ihnen stand eine Frau zwischen fünfzig und siebzig, an deren schmalem Körper ein ausgebeulter Jogginganzug baumelte. Für ihren Besuch schien sie sich kaum zu interessieren, dafür umso mehr für das Fellknäuel in ihren Armen. Nur kurz blickte sie auf. »Elisabeth Krenz ist mein Name«, erwiderte sie mürrisch. »Entschuldigen Sie die frühe Störung, aber aus gegebenem Anlass …«, schlug Hella einen freundlichen Ton an. Schließlich ging es darum, die...