E-Book, Deutsch, Band 517, 64 Seiten
Reihe: Maddrax
Schwarz Maddrax 517
1. Auflage 2019
ISBN: 978-3-7325-8871-8
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Das fremde Ich
E-Book, Deutsch, Band 517, 64 Seiten
Reihe: Maddrax
ISBN: 978-3-7325-8871-8
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Das fremde Ich Seit Wochen ist er nicht mehr er selbst - oder zumindest in der falschen Zeit einer falschen Welt gestrandet. Hier kannte man einen anderen Rulfan, der schon vor Jahren starb, so wie Matt und Aruula in seiner Zeit lange tot sind. Ein Parallelwelt-Wechsel hat sie wieder zusammengeführt, doch Rulfan fühlt sich fremd hier. Um sein anderes Ich zu ergründen, will er Canduly Castle aufsuchen, wo er mit seiner ihm unbekannten Frau lange gelebt haben soll. Doch die Burg ist besetzt und wird von einer anderen Macht bedroht - und Rulfan gerät zwischen die Fronten.
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Greeger spürte einen unglaublichen Schmerz über den sinnlosen Tod des Tieres. Er wischte seine blutige Hand an der Hose ab und starrte den Männern entgegen. Sie näherten sich ihm in breiter Front. Äste knackten, Laub raschelte unter ihren Schritten. Ein großgewachsener, dünner blasser Kerl mit roten Haaren, der die anderen um einen Kopf überragte, aber völlig harmlos wirkte, trat vor die Phalanx der Männer, die zwei Speerlängen entfernt einen Halbkreis um Greeger bildeten. Er sah die Feindseligkeit in ihren Augen. Und sogar zwei Lichtblitz-Pistools. Eine davon trug der Blasse am Gürtel. Hinter diesen hakte er nun seine Daumen und stellte sich breitbeinig hin, forderte ihn damit zur Unterwerfung auf. „Wer seid ihr?“, fragte Greeger und schaute die Männer ruhig an. „Warum habt ihr ihn getötet? Der Vogel hat euch doch nichts getan.“ „Wir sind Reenschas“, erwiderte der Blasse mit leicht zusammengekniffenen Augen, „und wir tun, was uns beliebt.“ Seine Stimme verriet ihn als denjenigen, der Archie zu seinem Schuss gratuliert hatte. Archie selbst stand ganz links im Halbkreis. Er war klein und schmal, mit verschlagenem Gesicht, und er hielt die Pistool, mit der er den Vogel erschossen hatte, noch immer in der Hand. „Das ist ja ’n seltsamer Heiliger“, sagte Archie mit unangenehmer Piepsstimme und grinste. „Der Vogel hat euch doch nichts getan“, äffte er Greeger nach. „Bist du ’n Anwalt der Tiere oder was?“ „Wie er schon aussieht“, höhnte ein Dritter mit langen blonden Haaren, die er zu einem Vogelnest am Hinterkopf zusammengebunden hatte. „Ein richtiger Schönling. Und dann seine Klamotten! Sollen das Flügel sein auf deinen Schultern, oder was? Kannst du damit fliegen wie ein Vögelchen?“ Erneut brachen die Männer in wieherndes Gelächter aus. Eine scharfe Handbewegung des Blassen ließ sie abrupt verstummen. „Wer bist du und was hast du hier zu suchen, Tieranwalt?“, fragte er scharf. Greeger blieb weiterhin ruhig. „Ich heiße Greeger und bin auf Wanderschaft“, antwortete er mit fester Stimme. „Hier kam ich nur zufällig vorbei.“ „So, so.“ Der Blasse musterte ihn nun, als sei er eine Crooch. „Haben dir deine geliebten Vögel nicht zugezwitschert, dass es hier gefährlich ist?“ „Was habe ich falsch gemacht?“ „Alles, Greeger, alles. Was du da oben auf dem Hügel siehst, das ist Canduly Castle. Da wohnen wir. Und du bist in das Sperrgebiet unserer Burg eingedrungen. So was mögen wir gar nicht.“ „Das konnte ich nicht wissen. Ich sagte doch schon, dass ich nur zufällig vorbeigekommen bin.“ „Dummheit schützt vor Strafe nicht“, erwiderte der Blasse. „Da hast du wohl Pech gehabt.“ Die Männer umringten ihn nun vollständig. Greeger drehte sich im Kreis und hob die Arme. „Hört zu, ich bin vollkommen friedlich. Lasst mich gehen, dann bin ich ganz schnell wieder weg.“ „Zu spät“, antwortete der Blasse. Hinter Greeger raschelte es. Im nächsten Moment spürte er einen fürchterlichen Schmerz in der Nierengegend. Er schrie auf, krümmte sich und taumelte. Archie stand direkt neben ihm und grinste sadistisch. Das Wieselgesicht hatte ihm das Knie in den Rücken gerammt. Die Faust des Blassen schnellte vor, krachte wuchtig gegen Greegers Kinn. Der fiel rücklings auf den Waldboden. Nun traten sie von allen Seiten auf ihn ein. Greeger wusste nur zu genau, dass er dem Stakkato nicht entkommen konnte. Er versuchte sich so gut wie möglich zu schützen, indem er sich zusammenkrümmte. Seine Peiniger waren unerbittlich. Greeger kassierte fürchterliche Tritte am ganzen Körper. Sogar seinen Kopf verschonten sie nicht. Irgendwann nahm er ihr Gelächter nur noch wie durch dicke Watte wahr. Er schloss bereits mit seinem Leben ab, da plötzlich hörten die Tritte auf. „Du hast echt Glück, Greeger, dass heute Musuko Chans Geburtstag ist“, hörte er den Rothaarigen sagen. „Da sind wir milde gestimmt und lassen dich am Leben. Wenn wir dich allerdings noch mal in dieser Gegend aufgreifen, bist du am Arsch. Verstanden?“ Sie verschwanden. Im Moment bestand Greeger nur noch aus Schmerz. Kein Knochen in seinem Körper schien mehr heil zu sein. Stöhnend versuchte er sich aufzurichten. Der Blitz, der daraufhin durch seinen Körper zuckte, war wie ein glühender, in seinen Eingeweiden bohrender Speer. Er explodierte in seinem Schädel und holte endlich die erlösende Dunkelheit herbei. Britana, 2549 Der Gleiter flog hoch über dem Ärmelkanal. Matthew Drax saß entspannt am Steuerknüppel, die Hände im Schoß. Er hatte den Autopiloten aktiviert. In der Ferne sah er bereits die weißen Klippen von Dover im trüben Sonnenlicht schimmern. Seit sie in Coellen aufgebrochen waren, um nun endlich die BagBox im Hort des Wissens abzuliefern, war nichts mehr passiert. So hatte er genügend Muße gehabt, die letzten Tage Revue passieren zu lassen. Und während Aruula nicht müde wurde, Rulfans Neugier auf die Welt jenseits des Parallelwelt-Kölns mit einer Eselsgeduld zu befriedigen, versank Matt in seinen eigenen Gedanken. Es fühlte sich noch immer irreal an, seinen alten Freund und Blutsbruder plötzlich wieder bei sich zu haben. Denn in dieser Welt war er schon vor vier Jahren verstorben. Ironie des Schicksals, dass es Rulfan ähnlich ergehen musste. Denn in seiner Welt waren Aruula und Matt schon vor vielen Jahren von einem Daa’muren getötet worden – in einem Kampf, den sie hier gewonnen hatten. War dieser Kampf ähnlich abgelaufen oder ganz anders? Rulfan wusste es nicht, denn er war nicht dabei gewesen. Welchen entscheidenden Fehler haben wir in der anderen Welt gemacht? War es nur eine Winzigkeit, eine Unachtsamkeit, die über Leben und Tod entschieden hat? Trotz dieser Fragen verspürte Matt keinerlei weiterführendes Bedürfnis, Näheres über sein Parallelwelt-Ich und dessen Werdegang zu erfahren. Bei Rulfan war das anders. Der Neo-Barbar löcherte vor allem Aruula immer wieder mit Fragen nach seinem „fremden Ich“, schien gar nicht genug davon zu bekommen. „Und du sagst, dass ich in dieser Welt an Altersschwäche gestorben bin, nicht im Kampf?“, fragte Rulfan gerade. „Ja“, antwortete Aruula, ohne auch nur im Ansatz genervt zu wirken. „Nachdem dir Wudan einundachtzig Sommer gewährt hatte, entschied er sich, dir einen friedlichen Tod im Kreise deiner Familie zu schenken. Du bist im Hort des Wissens, den du selber gegründet hast, ins Jenseits gegangen. Ich bin mir sicher, dass dich Wudan an seine Tafel geholt hat.“ „Hm.“ Rulfan überlegte einen Moment. „Wie war ich denn so? War ich starrsinnig, wie alte Leute es mitunter werden? Welche Gebrechen hatte ich?“ Matt drehte sich kurz um und sah Aruula lächeln. „Diese Fragen können wir dir nicht beantworten, Rulfan“, erwiderte sie, „denn die letzten sechzehn Winter deines Lebens sind wir uns nicht mehr begegnet. Maddrax und ich waren auf dem Mars. Als wir mit dem Zeitstrahl zurückreisten, war dieser fehlerhaft justiert, sodass wir in die Zukunft versetzt wurden.1) Wir sind uns nur noch einmal begegnet.“ „Habe ich richtig verstanden? Auf dem … Mars?“, kam es ungläubig zurück. „Wenn du wüsstest, wo wir sonst noch waren.“ Matt grinste breit. „Ihr müsst mir unbedingt darüber erzählen. Aber erst zu unserer letzten Begegnung …“ Matts Gedanken schweiften wieder ab. Der Gleiter flog gerade über die Klippen von Dover. Weit unter sich sah er drei Frekkeuscher springen. Die seltsam eckigen Flügelbewegungen waren unverwechselbar. Die Riesenheuschrecken trugen Reiter, das sah er mit seinen verbesserten Augen genau. Kurz kamen ihm die Lavadrachen der Eifel in den Sinn, gegen die sie erst vor einigen Tagen gekämpft hatten.2) „… waren damals mit einem Amphibienpanzer unterwegs“, drang Aruulas Stimme in sein Bewusstsein. „Als wir auf Canduly Castle ankamen, fanden wir die Burg – die Heimat deiner Familie – als verlassene Ruine vor. Die Handlanger der Schwarzen Philosophen hatten Canduly Castle zerstört und viele ihrer Bewohner, darunter deine Frau Myrial, ermordet. Deine beiden Söhne Juefaan und Leonard Pellem überlebten den Überfall, dein dritter Sohn Turner befand sich schon länger nicht mehr auf der Burg. Und du warst zum Zeitpunkt des Überfalls ebenfalls nicht anwesend.“ „Was wollten diese Schwarzen Philosophen?“, fragte Rulfan und räusperte sich. Von einer Frau und Söhnen zu erfahren, die er nie gehabt hatte, war gewiss verwirrend. „Gefährliche Waffen, Artefakte“, sagte Aruula. „Sie befanden sich auf der Burg, aber du hattest sie gut genug versteckt, sie konnten sie nicht finden. Juefaans Freundin Jaira gelang es schließlich, die Angreifer zu vertreiben …“ „Das war im Jahr 2542“, ergänzte Matt nun doch. „Aruula und ich sind 2545 wieder aufgetaucht. Aber das nur am Rande.“ „Wir sind dann auf Juefaan gestoßen, der uns die ganze Geschichte erzählt und uns zu dir geführt hat, Rulfan“, nahm Aruula den Faden wieder auf. „Du hattest den Hort des Wissens zu diesem Zeitpunkt unter eine ehemalige Kirche bei Glesgo verlegt. Das war unser letztes Wiedersehen, bevor du dem Hort am Loch Lomond noch einmal eine neue Heimat gegeben hast. Nachdem deinem Tod übernahm Juefaan die Leitung und hat sie bis heute.“ „Ich … werde ihn also sehen.“ Es klang bedrückt. „Ja. Und deinen zweiten Sohn Leonard Pellem auch.“ „Du...