Simek | Götter und Kulte der Germanen | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, Band 2335, 128 Seiten

Reihe: Beck'sche Reihe

Simek Götter und Kulte der Germanen

E-Book, Deutsch, Band 2335, 128 Seiten

Reihe: Beck'sche Reihe

ISBN: 978-3-406-76073-0
Verlag: C.H.Beck
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Walhalla, Thor, Elfen und Trolle – noch immer sind die vorchristlichen Religionen der Germanen mitsamt ihren 'barbarischen Kulten' (so Tacitus in seiner Germania) von einer Aura des Geheimnisvollen umgeben. Dazu beigetragen haben vor allem spätere Zeiten, die diese heidnischen Glaubensformen entweder verteufelten (wie etwa der Humanismus) oder wiederzubeleben versuchten (so die Romantik oder die sog. Nordische Renaissance).
Das vorliegende Buch liefert einen ebenso knappen wie informativen Überblick über die religiöse Welt der Germanen, über Opferkulte, Kultstätten, Götterwelt und niedere Mythologie sowie über Magie und Totenreich. Der Autor hält sich dabei bewusst vor allem an die authentischen Quellen und archäologischen Zeugnisse und zeigt, dass sich heute keineswegs mehr von einer einzigen oder gar einheitlichen Religion der Germanen sprechen lässt
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1. Waffen, Moore, Quellen: Opferkulte der Eisenzeit
Die Opfer und andere Kultformen gehörten schon immer zu dem Bereich der germanischen Religion, über den man gut Bescheid zu wissen glaubte, beschrieb doch schon der römische Historiker Tacitus 96 n. Chr. sowohl den Kult der Nerthus (auf einer Ostseeinsel?) als auch ein germanisches Opferzeremoniell im Hain der Semnonen (zwischen mittlerer Elbe und Oder?). Spätere Autoren beschrieben die blutigen Praktiken der völkerwanderungszeitlichen skandinavischen Stämme. Auch die hochmittelalterlichen isländischen Sagaverfasser hatten konkrete Vorstellungen, wie die wikingerzeitlichen Opfer an die heidnischen Götter vor sich gegangen waren, und boten recht farbenprächtige Schilderungen dieser heidnischen Götzenopfer, die von der Forschung dann auch zur Rekonstruktion heidnischer Kulte herangezogen wurden. Allzu oft sind diese literarischen Erzählungen der Isländer jedoch mehr von eigenen christlichen Erfahrungen und historischem Übereifer getragen als von tatsächlichen Kenntnissen über den schon 200 oder 300 Jahre zurückliegenden Heidenkult, so dass die oft als blutrünstig beschriebenen heidnischen Opfer stark von der christlichen Dämonisierung der alten Götter geprägt sind. In den letzten Jahrzehnten haben wir aber auf Grund neuerer archäologischer Ausgrabungen eine solche Menge an Material über die germanischen Opferkulte dazugewonnen, dass ältere Funde ergänzt und unser Wissen um Opferformen enorm vermehrt werden konnten, sich gleichzeitig aber die mittelalterlichen literarischen Schilderungen zum Teil als nur halb richtig, zum Teil sogar als falsch erwiesen haben. Dabei hat sich zum einen gezeigt, dass bestimmte Opferformen, wie z.B. das Waffenbeuteopfer, wesentlich verbreiteter waren, als nach den älteren Funden angenommen; zum anderen wurde deutlich, dass sich der Anspruch der literarischen Quellen bei Nennung großer Kultzentren, wie Uppsala für Schweden, Mære für Norwegen und Lejre für Dänemark, bislang archäologisch kaum hat erhärten lassen. Dafür sind andere, in den historischen Quellen nicht als einschlägig erwähnte Orte wie der Bereich um Gudme in Ostfünen oder die Insel Bornholm als Kult- und Herrschaftszentren neu ins Licht getreten. Einen Nachteil haben die archäologischen Funde als Quelle der Opferkulte allerdings. Sie zeigen uns zwar die physischen Reste von Opferungen, sagen uns aber leider nur ganz vereinzelt etwas über die Vorgänge während der Opferfeiern, deren Spuren sich nicht erhalten haben: Die Tänze, die Gesänge, die Worte, die Riten, welche die Feiern begleitet und eigentlich konstituiert haben, sind nicht erhalten, sondern nur die Gegenstände, die am Ende der Opferfeier übrig geblieben sind. Zwar können uns auch diese Funde etwas über den Verlauf der Opferfeiern sagen, aber eben nur punktuell. So wissen wir von der rituellen Schlachtung von Pferden und Ochsen und deren gemeinsamem Verzehr bei den großen Opfermählern oder von der willentlichen Zerstörung von Tausenden von Waffen und ihrer Verbrennung auf Scheiterhaufen, bevor sie in Mooren versenkt wurden, bei den Kriegsbeuteopfern. Über die Tötung und Skalpierung von Menschenopfern und deren Versenkung in Seen berichten die stummen Zeugen des germanischen Altertums ebenso wie über die privaten Niederlegungen von wertvollen Fibeln und kostbaren Schwertern in solchen Moorseen. Selbst über die Opfer im Rahmen von fürstlichen Begräbnissen – etwa die Schlachtung, Enthauptung und Beisetzung zahlreicher Pferde – wissen wir Bescheid (vgl. dazu Kap. 7). Im Folgenden sollen die wesentlichsten Formen der heute durch Quellen belegten Opfer aus dem germanischen Bereich besprochen werden: die Waffenbeuteopfer, die großen Opfermähler, die Menschenopfer, die Rad- und Wagenopfer und schließlich die formal viel schwerer zu erfassenden privaten Opfer. Waffenbeuteopfer
Zweifellos die spektakulärsten fassbaren Überreste germanischer Opfertätigkeit sind die massiven Waffenopferfunde, von denen sich zwischen den letzten Jahrhunderten vor der Zeitenwende und der Mitte des 1. Jahrtausends n. Chr. nunmehr schon eine ganze Reihe nachweisen lassen, wobei das geographische Zentrum dieser speziellen Form der Opfertätigkeit ganz eindeutig auf Jütland und Fünen liegt. Geographisch von Süden nach Norden und dann nach Osten fortschreitend, sind die folgenden großen Waffenopferfunde derzeit bekannt und wenigstens teilweise archäologisch einigermaßen erforscht: Thorsberg in Schleswig mit drei Waffenopfern aus dem 2., 3. und 4. Jahrhundert; Nydam in Angeln mit insgesamt fünf Waffenopfern aus dem 3. Jahrhundert, der Zeit um 300 und 350 (alle Nydam I), zwei aus dem frühen 5. (Nydam II und III) und einem (Nydam IV) aus dem späten 5. Jahrhundert; Hjortspring mit einem Waffenopfer schon aus der späten Bronzezeit; Ejsbøl mit zwei Deponierungen (um 300 und um 400); Illerup Ådal mit drei Deponierungen (um 200, 4. Jh., 5. Jh.) sowie Vimose, Kragehul und Illemose auf Fünen; Hassle Bösarp auf Schonen; Balsmyr auf Bornholm; Skedemosse auf Öland mit vier Waffenopferfunden aus dem 3. und 4. Jahrhundert, um 400 und dem Ende des 5. Jahrhunderts. Trotz dieser erstaunlichen Dichte an bekannten Opferplätzen vor allem in Südjütland konnte eine ganze Reihe weiterer derartiger Plätze auf Jütland, auf Fünen und in Schweden zwar schon nachgewiesen werden, sie sind bislang aber noch nicht ausreichend archäologisch ergraben, um bereits fundierte Aussagen darüber machen zu können. Die ideelle Grundlage der sogenannten Waffenbeutedeponierungen in Mooren und vermoorten Seen war die Vorstellung, dass man einem Gott oder einer jenseitigen Macht zum Dank für das von ihm oder ihr erheischte und gewährte Kriegsglück offenbar das gesamte Besitztum des besiegten Heeres nach der Schlacht als Votivgabe opferte. Derartige Praktiken germanischer Stämme hatten schon die Römer während der ersten Germanenzüge entsetzt und fasziniert. Am ausführlichsten berichtet Orosius, wohl nach älteren Quellen, in seiner Historia adversus paganos (5. Jh.) über die für die Römer traumatische Schlacht gegen die Kimbern bei Arausio an der Rhône (6. Okt. 105), nach der die siegreichen Germanen «infolge eines außergewöhnlichen Schwures» (also eines Gelübdes) die ganze reiche Beute, die das römische Heer zurücklassen musste, systematisch vernichteten: «Die Gewänder wurden zerrissen und in den Kot getreten, das Gold und Silber in den Strom geworfen, die Panzer der Männer zerhauen, der Schmuck der Pferde vernichtet, die Pferde selbst in den Strudeln des Stromes ertränkt, die Menschen mit Stricken um den Hals an Bäumen aufgehängt, so dass der Sieger nichts von der unermesslichen Beute erhielt, der Besiegte kein Erbarmen erfuhr» (V, 16). Über eine andere Schlacht, nun schon des Jahres 405, berichtet er, dass die Goten vor der Schlacht gelobt hätten, alle gefangenen Römer zu opfern (VII, 37). Dagegen ist es vielleicht eine etwas phantasievollere Ausgestaltung, wenn Strabo (VII. 2, 3) über die Schlacht von Arausio erzählt, dass bei den Kimbern Priesterinnen in langen weißen Gewändern den Kriegsgefangenen an eisernen Kesseln die Kehle durchschnitten, um aus ihrem so aufgefangenen Blut zu weissagen. Wichtige Waffenopferplätze in Südskandinavien Jedenfalls zeigen aber auch die nordeuropäischen Waffenbeutefunde, dass bei der Vernichtung der Beute gründlich vorgegangen wurde: Schwerter wurden mehrfach verbogen, Lanzenspitzen und Dolche umgebogen, Schwertbuckel zerschlagen oder zerstochen, wohl um all die Waffen mit Sicherheit einer etwaigen zukünftigen Benutzung zu entziehen. Im ohnehin an natürlichen Eisenvorkommen armen Südskandinavien muss es in der Tat ein «Opfer» der Sieger gewesen sein, die zum Teil wertvollen, wenigstens aber nützlichen Ausrüstungsgegenstände der Besiegten nicht an sich zu nehmen, sondern zu vernichten. Zu den Waffen kam die ganze weitere militärische Ausrüstung: Zaumzeuge und Sporen, Gürtel und Scheiden, Feuerzeuge und Werkzeuge der Armeen wurden nach ihrer physischen Destruktion dann zum Teil noch auf einem Scheiterhaufen verbrannt, so dass wir – wie im Falle der Funde von Ejsbøl und Illerup Ådal – nur die Metallgegenstände nachweisen können, während Schilde, Pfeil- und Lanzenschäfte, Bogen und überhaupt alle organischen Materialien ein Raub der Flammen wurden. Im Zuge der Demolierung der Waffen und vor ihrer endgültigen Vernichtung auf dem Scheiterhaufen dürfte es dennoch ein uns unbekanntes Ritual gegeben haben, das sich nur noch ganz dürftig darin manifestiert, dass vereinzelt Gegenstände mit Runeninschriften versehen wurden, und zwar in diesem wohl kurzen...


Rudolf Simek ist Professor für mittelalterliche deutsche und skandinavische Literatur an der Universität Bonn.


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