E-Book, Deutsch, 130 Seiten
Reihe: Digital Edition
Stevens Traummann an Bord
1. Auflage 2023
ISBN: 978-3-7515-2722-4
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 130 Seiten
Reihe: Digital Edition
ISBN: 978-3-7515-2722-4
Verlag: CORA Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Traummann oder Taschendieb? Wenn Marie nur wüsste, was sie von Erik halten soll, mit dem ihr bisher jeder Tag der Kreuzfahrt wie ein Stück vom Paradies erschien. Majestätisch glitt die Midsummer Dream über das sonnenglitzernde Meer, als sie ihn das erste Mal sah. Elegant an die Reling gelehnt, stand er vor ihr und flirtete so herrlich charmant mit ihr ... wie auch jetzt wieder. Mit diesem tiefen Blick in ihre Augen, dem Marie wirklich einfach nicht widerstehen kann. Der ihr Herz vor Glück höherschlagen lässt - welches Geheimnis auch immer Erik vor ihr verbirgt ...
Danielle Stevens liebt London, wo sie und ihr Ehemann gern Zeit bei ausgedehnten Spaziergängen im Hyde Park oder beim Shopping auf der Regent Street verbringt. Doch auch überall sonst auf der Welt fühlt sie sich zu Hause. So haben ihre Reisen sie unter anderem bereits nach Spanien, Frankreich, Griechenland und Italien geführt. Und da das Fernweh sie niemals wirklich loslässt, begleitet sie - wenn sie gerade einmal nicht verreisen kann - die Heldinnen und Helden ihrer Romane an die schönsten und romantischsten Schauplätze dieser Welt.
Autoren/Hrsg.
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1. KAPITEL
Drei Tage später.
Wie ein stolzer Schwan glitt die Midsummer Dream durch den Oslofjord, der im Unterschied zu geologisch echten Fjorden zu beiden Seiten von fruchtbarem Flachland umgeben war. Die Sonne stand strahlend am wolkenlosen Himmel, und das Wasser leuchtete in einem schon unwirklich erscheinenden Blau. Die Schreie der Möwen vermischten sich mit dem Geräusch der Wellen, die sich am schmal zulaufenden Bug des gewaltigen Luxusliners brachen.
Obwohl die Kreuzfahrt bereits vor zwei Tagen begonnen hatte, war es noch immer ein seltsames Gefühl für Marie, wieder an Bord eines Ozeanriesen wie der Midsummer Dream zu sein. Bekannt und neu, beruhigend und aufregend zugleich. Wie lange war es her? Vier Jahre oder sogar fünf, seit sie während der Semesterferien als Stewardess gearbeitet hatte?
In Gedanken versunken stand sie da, die Arme auf die Reling des Sonnendecks gestützt, und sah zu, wie die Landschaft an ihr vorüberzog. Der Zauber ihrer Umgebung hielt sie so gefangen, dass sie für einen Moment alles um sich herum vergaß. Sie schloss die Augen und reckte das Gesicht der Sonne entgegen, während der Wind mit ein paar Strähnen ihres langen dunkelbraunen Haares spielte, die sich aus dem Zopf gelöst hatten.
„Hören Sie mal, Sie werden hier doch nicht fürs Rumstehen bezahlt, oder? Seit geschlagenen fünf Minuten versuche ich nun schon, Sie auf mich aufmerksam zu machen.“
Marie unterdrückte ein bedauerndes Seufzen, öffnete die Augen und setzte ein professionelles Lächeln auf. Wie auch die meisten anderen Besatzungsmitglieder beherrschte sie sowohl die englische als auch die schwedische Sprache. Da ihre Mutter, eine Schwedin, als junge Frau mit ihrem Mann nach Hamburg gegangen war, sprach sie außerdem fließend Deutsch. „Verzeihen Sie bitte, ich habe Sie wirklich nicht gehört“, wandte sie sich an die blonde Frau, die mit verschränkten Armen vor ihr stand und sie finster musterte. Sie war etwa Anfang fünfzig und trug ein für ihr Alter und ihre mollige Figur völlig unpassendes grünes Minikleid. „Was kann ich für Sie tun?“
„Ich brauche Hilfe bei diesem Liegestuhl da drüben. Er lässt sich einfach nicht aufklappen.“ Die Frau schnalzte abfällig mit der Zunge. „Wissen Sie, das Inventar sollte wirklich einmal überprüft werden, bevor die Passagiere an Bord gehen.“
„Da haben Sie natürlich absolut recht“, erwiderte Marie und rückte das dunkelblaue Barett zurecht, das zu ihrer Dienstkleidung gehörte, einem ebenfalls dunkelblauen Hosenanzug mit weißer Bluse und rotem Halstuch. Sie befand sich nämlich keineswegs zu ihrem Vergnügen auf der Midsummer Dream, sondern als Stewardess – so lautete jedenfalls die offizielle Version. „Wenn Sie so freundlich wären, mich zu dem defekten Stuhl zu führen, werde ich mich sofort persönlich um alles kümmern.“
Ein paar Minuten und wenige Handgriffe später stand der fertig aufgestellte Liegestuhl auf dem Sonnendeck – umringt von anderen bereits fertig vorbereiteten Stühlen, die sich in nichts von dem unterschieden, den Marie gerade aufgeklappt hatte. Doch wenn sie auf ihren bisherigen Kreuzfahrten eines gelernt hatte, dann war es, eine Tatsache niemals zu vergessen: Der Kunde ist König – der Kreuzfahrtpassagier Kaiser.
„Kann ich Ihnen sonst noch irgendwie behilflich sein?“
„Allerdings. Ich hätte gern ein Glas Orangensaft, falls das nicht zu viel verlangt ist.“
Für das leibliche Wohl der Gäste auf dem Sonnendeck war eigentlich Yves, ein junger Kanadier, zuständig, doch Marie sah auf Anhieb, dass er gerade beschäftigt war, und so nickte sie. „Machen Sie es sich doch schon einmal bequem. Ich bringe Ihnen den Saft zum Platz.“
An der Bar war Sabine, eine französische Studentin, gerade dabei, die Gläser zu polieren. Als sie Marie erblickte, legte sie das Tuch auf die Theke und lächelte. „Marie! Was kann ich für dich tun?“
„Ich brauche ein Glas Orangensaft für die Dame dort hinten.“
Sabine folgte ihrem Blick und lachte leise. „Oje, mit der hatte Yves gestern Abend bereits das Vergnügen. Ihr Name ist Blackpool, und sie kommt aus Detroit. Sie ist mit ihrem Mann an Bord, der sich die Zeit aber lieber im Automatenkasino vertreibt. Die einarmigen Banditen scheint er seiner Frau vorzuziehen. Und in diesem speziellen Fall kann ich das sogar verstehen.“
„Vielleicht ist sie deswegen so schlecht gelaunt“, mutmaßte Marie. „Die Reise scheint ihr jedenfalls nicht besonders viel Freude zu bereiten.“
„Wenn du mich fragst: Ich halte Sie einfach für einen alten, vom Leben frustrierten Drachen, dem es Spaß macht, andere Leute zu schikanieren.“
„Lass bloß Rönnlund nicht zu Ohren kommen, dass du schlecht über Passagiere sprichst“, sagte sie warnend. „Der bringt es fertig und lässt dich beim nächsten Zwischenstopp von Bord gehen. Nach allem, was ich gehört habe, hat er Leute schon wegen geringerer Vergehen entlassen.“
Bjarne Rönnlund war der Verantwortliche für den Service auf der Midsummer Dream und herrschte mit eiserner Hand über seine Abteilung. Marie hatte ihn vor Kurzem einmal sagen hören, dass der gute Ruf eines Kreuzfahrtschiffes mit dem Verhalten eines jeden Crewmitglieds – sei es nun der Maschinist, der Kellner oder der Kapitän – stand und fiel. Und aus diesem Grund ging er wohl auch so kompromisslos gegen jeglichen Verstoß gegen die Regeln vor, die an Bord für die Besatzung galten.
Sabine zuckte jedoch nur mit den Schultern. „Ich habe keine Angst vor Rönnlund.“ Sie grinste. „Und du solltest dir auch lieber Gedanken um die Blackpool machen. Der alte Drache schaut immer wieder ungeduldig zu uns herüber. Wenn du ihn noch länger warten lässt, verschlingt er dich mit Haut und Haaren.“
„Wunderbar.“ Seufzend nahm Marie den Drink, den Sabine vor ihr auf den Tresen gestellt hatte, und platzierte ihn auf einem Tablett. „Dann mache ich mich wohl besser sofort auf den Weg. Meine Schicht endet in ein paar Minuten, und ich würde den Feierabend gern noch erleben.“
Vorsichtig balancierte sie das Tablett über das Sonnendeck und wich dabei geschickt allen Hindernissen – sowohl Möbelstücken als auch Passagieren – aus, bis sie schließlich Mrs. Blackpools Platz erreichte.
„Ihr Orangensaft“, sagte sie und wollte gerade das Tablett auf dem kleinen Tisch neben dem Liegestuhl abstellen, als es passierte.
Alles ging blitzschnell. Sie spürte einen Stoß gegen die Seite, geriet ins Taumeln und musste hilflos mit ansehen, wie das Glas mit dem Orangensaft über den Rand des Tabletts rutschte.
Nur Sekunden später hörte sie Mrs. Blackpool empört aufschreien. Auf dem scheußlichen grünen Stoff ihres Kleids breitete sich ein immer größer werdender dunkler Fleck aus.
Die Amerikanerin sprang auf. Ihre Augen sprühten Funken. „Können Sie nicht aufpassen, Sie dämliche Gans?“
Erschrocken schaute Marie sie an. „Ich … Es tut mir schrecklich leid. Ich wollte nicht …“
„Schauen Sie sich bloß an, wie ich aussehe! Mein neues Kleid – vollkommen ruiniert!“
Marie zwang sich, tief durchzuatmen. Jetzt nur nicht die Nerven verlieren! „Ich werde natürlich für die Kosten der Reinigung aufkommen, Mrs. Blackpool. Es tut mir wirklich sehr leid.“
„Oh nein, es wird Ihnen erst noch leidtun – wenn ich mich nämlich bei Ihrem Boss über Sie beschwert habe!“
In diesem Moment sah Marie aus den Augenwinkeln auch schon, wie Bjarne Rönnlund sich näherte, und unterdrückte ein Aufstöhnen.
Jetzt steckte sie wirklich in der Klemme.
Es war, als sei die Zeit einfach stehen geblieben. Regungslos stand Erik da und konnte nicht aufhören, die Frau anzuschauen.
Ihr hinreißendes Äußeres verzauberte ihn. Sinnlich geschwungene Lippen, hohe Wangenknochen und ein Teint wie Porzellan. Ihr dunkles, mahagonifarbenes Haar trug sie unter dem Barett, das zur Uniform der Besatzung der Midsummer Dream gehörte, zu einem Zopf zusammengebunden. Ein paar Strähnen hatten sich daraus gelöst und umspielten ihr ovales Gesicht.
Am meisten aber faszinierten ihn die großen, von dunklen Wimpern umkränzten graublauen Augen.
Ihre Figur war schlank, jedoch weiblich, und sie trug ihre wenig modisch wirkende Arbeitskleidung mit vollendeter Eleganz. Leider gehörten Hosen auch bei den weiblichen Crewmitgliedern zum Standard. Erik hätte nur zu gern einen Blick auf ihre Beine geworfen. Ob sie ebenso perfekt waren wie der Rest von ihr? Er konnte es sich nicht anders vorstellen.
„Nun, was haben Sie zu Ihrer Entschuldigung vorzubringen, Marie?“
Der Mann, der zu ihr und der älteren Frau getreten war, musterte sie mit einem so strengen Blick, dass Erik endlich in die Realität zurückkehrte. Erst jetzt erfasste er, was in den vergangenen Minuten geschehen war.
Er räusperte sich. „Wenn ich mich kurz einmischen dürfte?“
Der Mann, der ebenfalls die Uniform der Reederei trug, schenkte ihm ein professionelles Lächeln. „Ich bin sofort für Sie da, mein Herr. Es gibt hier nur noch eine Kleinigkeit zu regeln.“ Damit wandte er sich wieder an das engelhafte Wesen, das nervös sein Barett zurechtrückte. „Ich höre, Marie.“
„Ich bitte um Verzeihung“, mischte Erik sich erneut ein. „Ich glaube, ich habe etwas zu sagen, das Ihnen helfen könnte, Licht in diese Angelegenheit zu bringen. Ich bin nämlich derjenige, der dieses Malheur verschuldet hat.“
„Sie?“ Dem Mann war deutlich anzusehen, dass er an Eriks Worten zweifelte, doch er war zu höflich, um es auszusprechen. „Wie...