Stucke Beste Motive
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-937357-58-4
Verlag: Bookspot Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
33 Mordgeschichten
E-Book, Deutsch, 336 Seiten
Reihe: Edition 211
ISBN: 978-3-937357-58-4
Verlag: Bookspot Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Es gibt diesen Zeitpunkt im Leben einer Frau, da muss sie sich entscheiden: lasse ich mir weiterhin auf der Nase herumtanzen oder mache ich einen harten Schnitt? Alles Weitere ist dann lediglich eine Frage der passenden Mordwaffe und des persönlichen Stils. Minna besinnt sich auf ihre exzellenten Kochkünste, Edeltraut greift zum Golfschläger und Hertha beschließt eine spontane Ehrenrettung mittels Schrotflinte. Dieser Krimigeschichten-Band vereint das Beste aus Angelika Stuckes Kurzgeschichten-Sammlungen 'Gute Motive', 'Gute Gründe' und 'Gute Argumente' sowie drei brandneue Stories für alle Fans der Autorin.
Pointenreich und mit bitterbösem Humor führt Angelika Stucke ihre Leser in den ganz normalen Alltagswahn, der sich irgendwann in Gewalt entlädt - beste Motive eben für ein Rendezvous mit dem Tod!
Angelika Stucke wurde 1960 in dem wildromantischen Dorf Eddinghausen am Fuß der Sieben Berge geboren. Der kleine Ort im Leinebergland mutierte in ihren Kriminalromanen, in denen eine ambulant arbeitende Fußpflegerin zusammen mit den Bewohnern eines Altenheims ermittelt, zunächst zu Roßbach, einer Gemeinde, die anders als das Original über eine Kirche und eine Kneipe verfügt. Nach lautstarken Protesten aus der Bevölkerung heißt das Dorf aber seit dem dritten Fall für die ebenso ungewöhnlichen wie amüsanten Ermittler auch in den Romanen Eddinghausen. 2011 begann Angelika Stucke außerdem eine zweite Kriminalromanserie, die Ende des zwölften Jahrhunderts spielt. In ihr ermittelt ein Schöffe aus Goslar zusammen mit seiner neugierigen Köchin Künne.
Mit 17 machte Angelika Stucke im Mai 1978 am Gymnasium in Sarstedt ihr Abitur, es folgten zwei Diplome: Dipl. Soz. Päd. und Dipl. Soz. Arb. an der Gesamthochschule Kassel.
Ein Jahr Tätigkeit als Sozialarbeiterin genügten ihr, um einzusehen, dass sich das mit dem Weltverbessern doch als etwas langwieriger gestalten würde. Sie beschloss, sich ihrer Leidenschaft, dem Schreiben, zu widmen.
Zunächst als Stipendiatin der Carl Duisberg Gesellschaft in Los Angeles, Kalifornien. Sie berichtete für eine deutsche Fernsehzeitschrift über die Stars aus Hollywood.
Seit 1987 lebt Angelika Stucke als freie Autorin in Spanien. Sie arbeitet für die ARD und verschiedene deutsche und spanische Publikationen.
Um Eindrücke für ihre Romane zu sammeln, reist sie mehrmals im Jahr in ihre niedersächsische Heimat.
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Der Freundschaftsdienst
Ich finde, schon beim Essen lässt sich ganz deutlich der Charakter einer Person erkennen! Nehmen Sie zum Beispiel meine Freundin Rosemarie. Die kriegt den Mund kaum auf. Beißt mit gespitzten Lippen in ihr Butterbrot, nagt vorsichtig an der Schale eines Apfels, knabbert winzigste Bruchstücke von Keksen und Kuchen. Mich macht das fuchsteufelswild, diese vornehme Zurückhaltung. Diese freiwillige Unterdrückung eines Grundbedürfnisses! Rosemarie glaubt, sie verhalte sich äußerst damenhaft elegant, ihrem Geschlecht und Stand entsprechend eben. Aber ich bin der Meinung, man muss auch mal richtig zubeißen können! Haben Sie schon einmal Ihre Schneidezähne in einen frischen Apfel geschlagen, sodass der Saft hervorschießt und Ihnen über Kinn und Wangen perlt? Ein Genuss! Natürlich nur dann, wenn Ihre dritten Beißerchen gut gesichert am Gaumen kleben. Rosemarie und ich haben mittlerweile diesen goldenen Lebensabschnitt erreicht, in welchem der Körper mehr und mehr Ersatzteile benötigt. Aber glauben Sie nur ja nicht, dass Rosemarie in jungen Jahren anders gewesen sei! Sie war schon immer die Zimperlichkeit in Person. Manchmal frage ich mich, warum unsere Freundschaft eigentlich so lange gehalten hat. Vermutlich liegt es gerade daran, dass wir so unterschiedlich sind. Da kann sich die eine von der anderen besser abheben. Rosie zum Beispiel sonnt sich gern in dem Bewusstsein, im Vergleich zu meiner Bodenständigkeit über so viel gesellschaftlichen Schliff zu verfügen. Ganz anders als ich kann sie unbesorgt auf höchste Empfänge mitgenommen werden. Fettnäpfchen sind für Rosemarie ein Fremdwort. Sie beschränkt sich in Unterhaltungen über Themen, von denen sie nichts versteht, auf huldvolles Lächeln und gelegentliches Kopfnicken. Ich dagegen posaune meine Meinung gerne frei heraus, so wie damals, als uns Rosies Verlobter zu einem Essen in der Schweizer Botschaft eingeladen hatte. Ich durfte nur mit, weil Ulrichs Kumpel Erich für den Abend eine weibliche Begleitung brauchte. »Vielleicht sollten Sie es doch einmal mit einem Deodorant versuchen?«, hatte ich dem schwitzenden Erich sogleich an seinen hochroten Kopf geworfen, kaum dass er mir zur Begrüßung einen Kuss auf die Hand gehaucht hatte. Er war sofort in der herausgeputzten Menge untergetaucht und hatte es danach auch nicht mehr gewagt, mich zum Tanz aufzufordern. Nur weil ich nach diesem Zwischenfall völlig auf mich allein gestellt nach Gesprächspartnern hatte Ausschau halten müssen, hatte es überhaupt zu meinem eigentlichen Fauxpas jenes Abends kommen können. Neugierig hatte ich mich zu einem Grüppchen gesellt, welchem der Gastgeber des Abends soeben die Vorzüge seiner Alpenheimat anpries. Selbstverständlich hielt er sich dabei recht diplomatisch an landschaftliche und gastronomische Reize. »Schweizer Schokolade hin oder her, für mich jedenfalls sind Produkte aus einem Land, in dem Frauen nicht immer mitwählen dürfen, total tabu!« Mit diesen Worten hatte ich Beifall heischend in die Runde der höflich lauschenden Gäste geguckt. Überflüssig zu erwähnen, dass mir als einzige Reaktion eine Woge eisigen Schweigens entgegenschwappte. »Belgische Schokolade ist doch auch sehr lecker«, schob ich, schon etwas kleinlauter geworden, noch flugs hinterher. Für den Rest des Abends behandelte man mich, wie man, sagen wir einmal, eine Leprakranke in einer Sauna behandeln würde: wo immer ich auftauchte, rückte man von mir ab. Rosemarie wirft mir heute noch vor, schuld an ihrer Entlobung gewesen zu sein. Dabei widerrief Ulrich sein Eheversprechen erst ein Vierteljahr nach jenem Botschaftsempfang. Insgeheim bin ich davon überzeugt, dass ihm Rosies Damenhaftigkeit dann einfach zu viel wurde. Was ein richtiges Mannsbild ist, das will doch auch einmal etwas Handfestes in den Armen halten, zupacken dürfen und beim Küssen etwas mehr als Lippen spüren. Rosies gespitzter Mund dürfte auf Dauer jeden Mann an die Abschiedsbusserl seiner Großtante erinnern. Dass Martin es schon so lange mit ihr aushält ist mir noch immer ein Rätsel! Obwohl seit ihrer verpatzten Karriere als Diplomatengattin Jahrzehnte ins Land gegangen sind, mault meine Freundin, wann immer sich eine Gelegenheit dafür auftut, in Erinnerung der gesellschaftlichen Stellung, die ihr mit Ulrich unwiderruflich entgangen ist. Dass Martin als Landarzt auch keine so schlechte Partie darstellt, lässt sie als Einwand nicht gelten. »Schon allein deshalb nicht, weil ich als Angetraute eines niedergelassenen Allgemeinmediziners, noch dazu eines in den Ruhestand gegangenen, kaum je in den Genuss kommen werde, einmal vor einem echten gekrönten Haupt einen Hofknicks machen zu können«, sagt sie. »Du weißt genau, dass ich den bis zur Vollendung beherrschte!« Manchmal geht meine Freundin bei der Suche nach einem Sündenbock für ihre Probleme mit Martin sogar so weit, mich für ihre Ehekrisen verantwortlich machen zu wollen. Erst gestern jammerte sie wieder, weil es über den letzten Auszügen ihrer Kreditkartenabrechnung zu einer lautstarken Meinungsverschiedenheit zwischen ihnen gekommen war. »Martin meint, du verführst mich zu unüberlegten Ausgaben«, schniefte sie, während wir in meiner Küche bei einem Tee saßen. Dabei nippte sie mit zaghaft vorgeschobenem Mund schlückchenweise an dem kräftigen Earl Grey, den ich zubereitet hatte. Rosemarie versteht es immer wieder, mich glauben zu machen, dass ihr Mann mich für einen schlechten Einfluss hält und mir deshalb aus dem Weg geht. Das ist schade, denn ich finde Martin immer noch sehr attraktiv! Eigentlich hatte ich ihn als Erste kennengelernt. Als junger Assistenzarzt hatte er mir einen verstauchten Knöchel behandelt. Obwohl nur ein einziger Arztbesuch nötig gewesen war, hatten wir doch Zeit für ein paar Plänkeleien und ein Versprechen auf eine spätere Verabredung gefunden. Martin war mir auf Anhieb sympathisch gewesen. Er wirkte so offen und ehrlich, gar nicht eingebildet oder gekünstelt. Ich dachte: Endlich mal ein Mann, bei dem ich mich nicht verstellen muss! Leider machte ich den Fehler, zu unserem ersten Treffen auch Rosemarie einzuladen. Das war früher so, da musste immer eine Anstandsdame dabei sein, wenn sich ein junges Paar verabredete. Tja, und während ich genussvoll meine Sachertorte schlemmte, auf welche ich einen extra großen Schlag Sahne bestellt hatte, verfiel Martin dem zierlichen Gehabe meiner Freundin. Die knabberte nur vorsichtig an ihrem Stückchen Sandkuchen und ließ mehr als die Hälfte auf dem Teller liegen. Welche Verschwendung! Warum Männer so etwas anziehend finden, habe ich nie begriffen. Vielleicht suggeriert ihnen ein solches Verhalten, dass die betreffende Frau allein von Luft und Liebe lebt? Das wahre Geheimnis hinter solch damenhafter Zurückhaltung beim öffentlichen Speisen hat Rosemarie mir erst kürzlich verraten: eine Notfallreserve in Form eines Tütchens Studentenfutter in der Handtasche. Ich war schockiert, machte diese späte Enthüllung doch sämtliche Einschätzungen meinerseits über Rosies Charakter zunichte. Mein Leben lang habe ich geglaubt zu wissen, wer meine beste Freundin ist. Und nun muss ich mein Bild von ihr vollständig neu gestalten. Irgendwie passt die Vorstellung von einer Frau, die klammheimlich Unmengen getrockneter Weintrauben und Nüsse in sich hineinstopft, nicht zu Rosemaries gespitzten Lippen! Obwohl, gewundert habe ich mich schon immer, wie sie das macht: so wenig essen und seit geraumer Zeit trotzdem solch rundlich üppige Formen aufweisen … Jedenfalls schnappte sie mir Martin damals direkt vor der Nase weg. Wenn ich nicht gerade damit beschäftigt war, die Kuchengabel samt Sachertorte und Sahnehäubchen sicher in meinen Mund zu befördern – was eine gewisse Konzentration erforderte –, konnte ich zusehen, wie sein Interesse sich verlagerte. Eben noch war mein herzhaftes Lachen Grund seiner Anbetung und Einladung zum Kaffee gewesen, schon ließ er sich von Rosies eleganter Art umgarnen. Dass sie außerdem ziemlich hübsch war und selbst heute noch viel besser aussieht als ich es für mich je zu träumen wagen würde, mag auch eine Rolle gespielt haben. Männer sind ja so oberflächlich! Seit jenem Nachmittag im Café geht Martin mir aus dem Weg. Ich denke wohl eher, weil ihn zu Anfang ein schlechtes Gewissen plagte. Und später wurde es einfach zur Gewohnheit. Er schaut mir noch nicht einmal in die Augen, selbst dann nicht, wenn wir uns, was äußerst selten vorkommt, nur zu zweit in einem Raum befinden. Stets sucht sein Blick Ablenkung und sei es im Tapetenmuster. Das ist auf Dauer recht deprimierend, wenn Rhomben oder Röschenmuster für beachtenswerter gehalten werden als man selbst! »Ach was, Elsa, das siehst du falsch«, versucht Rosie mich manchmal zu überzeugen. »Er denkt eben einfach, du verführst mich mit deiner direkten Art zu unüberlegten Schritten.« Manchmal glaube ich ihr das sogar. Insgeheim bin ich aber schon lange davon überzeugt, dass Martin und ich das bessere Paar abgegeben hätten! Was will ein Landarzt, selbst wenn er sich bereits aus dem Berufsleben zurückgezogen hat, denn mit einer Frau wie Rosie? Ich hätte ihm selbst bei Hausgeburten zur Seite stehen können; meine Freundin kippt doch schon um, wenn sie sich mit einer Nadel in den Zeigefinger sticht und dabei ein Tröpfchen Blut hervorquillt. Glücklich sind die beiden sicher nicht miteinander. Jedenfalls Rosemarie nicht mit Martin. Er spricht ja nicht über seine Gefühle, jedenfalls nicht, dass ich wüsste, wahrscheinlich offenbart er seine innersten Regungen den Rhomben und Röschen. Als ihre beste Freundin weiß ich genau Bescheid: Rosie wäre ohne Martin glücklicher und...