Stucke Gute Absicht
1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-937357-50-8
Verlag: Bookspot Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Kriminalroman
E-Book, Deutsch, 316 Seiten
Reihe: Edition 211
ISBN: 978-3-937357-50-8
Verlag: Bookspot Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ein grausamer Mord erschüttert die niedersächsische Kleinstadt Roßbach: die ambulant arbeitende Fußpflegerin Kornelia Lorenz findet ihre Patientin Melanie Rott tot in deren Haus auf. Offensichtlich wurde die alte Frau vor ihrem unfreiwilligen Ableben sadistisch gefoltert, die Dorfgemeinschaft ist in Aufruhr.
Da Kornelia in ihrem Beruf viel herumkommt und zur Ermordeten ein freundschaftliches Verhältnis pflegte, beschließt sie, eigene Ermittlungen anzustellen. Damit bringt sie sich in höchste Gefahr, da der geisteskranke Mörder ihr bereits viel näher ist, als sie vermutet ...
Angelika Stucke legt mit 'Gute Absicht' einen rasanten Krimi aus ihrer Heimatregion vor, der mit viel Lokalkolorit, skurrilen Landeiern und einer sympathischen Heldin punktet.
Ein spannendes Lesevergnügen mit schwarzem Humor und überraschenden Wendungen!
Angelika Stucke, geboren 1960 im niedersächsischen Eddinghausen, arbeitete zunächst als Dip.-Sozialpädagogin in Leverkusen. Da ihr Herz aber immer schon für das Schreiben schlug, gab sie die feste Stelle auf und arbeitete als freie Mitarbeiterin beim Bastei Verlag. 1986 Stipendium der Carl Duisberg Gesellschaft, um Erfahrung als Autorin im Ausland zu sammeln. Sie berichtete für die Fernsehwoche aus Hollywood. Ende 1987 ging sie nach Spanien, wo sie bis heute als freie Autorin für deutsche und spanische Medien tätig ist.
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Man könnte wirklich meinen, Dieter schlägt mich, dachte Kornelia Lorenz, während sie eingehend ihr rechtes Bein musterte, das aus den duftenden weißen Schaumbergen ihrer Badewanne ragte. Warum habe ich nur das schwache Bindegewebe von Vaters Seite erben müssen? Tante Konstanze sah auch immer so aus, so verhauen. Sie tauchte das Bein wieder in das wärmende Wasser und nahm sich ihr linkes vor. Das sah kaum besser aus: unzählige blaue Flecken zierten auch hier vor allem den Oberschenkel. Die Badewanne war extra breit, darauf hatte Kornelia beim Umbau bestanden. Sie liebte ihre Auszeiten im Bad, wenn sie für niemand da sein musste. Am liebsten bliebe sie stundenlang im Wasser liegen, wenn das mit der Zeit nicht auskühlen würde. Manchmal schloss sie die Augen und träumte sich in ein ganz anderes Leben, in dem sie, wie schon in ihren Kindheitsträumen, irgendwo im Dschungel lebte – als junges Mädchen hatte sie sehr für Tarzan geschwärmt. Aber statt in die ferne Welt voller Abenteuer zu ziehen, war sie in Roßbach geblieben, wo ihre Eltern ein Haus gekauft hatten, als sie 15 war. Und statt Tarzan hatte sie dann Dieter Lorenz geheiratet, einen Malermeister. Der hatte damals noch einen ähnlich athletischen Körper wie der Affenmensch vorzuweisen: Waschbrettbauch und stahlharte Muckis vom Scheitel bis zur Sohle. Heute war Dieter zwar immer noch ziemlich kräftig, was seine Armmuskulatur betraf, das war bei einem Handwerker auch nicht anders zu erwarten, aber der hübsche Waschbrettbauch hielt sich schon seit Jahren hinter wachsenden Wohlstandsringen versteckt. Ich bin ungerecht, dachte Kornelia jetzt. Schließlich sitzt bei mir auch nicht mehr alles wie vor 30 Jahren. Und dann diese Orangenhaut! Nicht genug, dass ich mich im Sommer wegen der blöden Mulden kaum ins Schwimmbad traue, jetzt glaubt Petra auch noch, mein Mann misshandele mich. Dabei sollte sie es doch besser wissen, schließlich kennt sie Dieter schon aus der Schulzeit, während ich erst ’75 nach Roßbach gezogen bin, da ging mein späterer Ehegatte schon in die Lehre. Die dunklen Male auf Kornelias heller Haut rührten von ihrer Lieblingsbeschäftigung her, der Gartenarbeit. Besonders im Spätherbst liebte sie die Vorbereitungen auf einen langen Winter, wenn Hecken und Efeu zurückgeschnitten werden mussten, empfindliche Sträucher abgedeckt wurden, und die Natur sich allgemein auf eine Ruhephase vorbereitete. Das müsste es bei uns Menschen auch geben, wünschte sie sich oft. Ein paar Monate süßes Nichtstun. Aber an eine längere Pause war bei Kornelia gar nicht zu denken. In einem Haushalt mit zwei fast erwachsenen Söhnen und einem etwas altmodisch geratenen Mann konnte sie von Glück sagen, wenn ihre Auszeiten in der Badewanne berücksichtigt wurden. Sie setzte sich auf und begann langsam, ihren Kopf zu rollen. Genau fünfundzwanzig Mal in eine Richtung und dann fünfundzwanzig Mal in die andere. Danach waren die Schultern dran. Ihr gesamter Nackenbereich war verspannt. Das rührte von der immer selben Bewegung beim Heckenschneiden her. Kornelia benutzte dazu die altmodische und schon recht stumpfe Schere, die früher ihrem Vater gehört hatte. Sie hätte auch den neuen elektrischen Apparat nehmen können, aber nachdem sie im letzten Jahr mit einer ganz ähnlichen Maschine einen Kurzschluss verursacht hatte, war ihr das zu gefährlich. Sie wollte nicht wieder schuld daran sein, dass Gabriels Prüfungsarbeiten ungesichert das Zeitliche segneten. Gabi nannte er sich neuerdings, und Kornelia hatte sich bereits mehr als einmal bei der heimlichen Befürchtung ertappt, ihr Großer könne schwul sein. Nicht, dass sie etwas gegen Schwule hätte. Ganz im Gegenteil! Die wenigen, die sie vom Fernsehen her kannte, waren ihr lieber als jeder durchschnittliche heterosexuelle Vertreter männlichen Geschlechts der Gattung Mensch. Sie wirkten so ehrlich. Aber schwul in Roßbach? Das war ein Ding der Unmöglichkeit! Und würde unweigerlich Nachteile für den betreffenden Sohn mit sich ziehen. Sie seufzte. Wieder einmal waren die Sorgen ganz ungebeten in ihre Gedanken gedrungen. Dabei hatte sie sich noch beim Einlassen des Badewassers so fest vorgenommen, ihre Seele baumeln zu lassen. Genau so, wie das in den Zeitschriften beschrieben stand: Schaumbad, gedämpftes Licht, absolute Ruhe … »Mama, Mama, die olle Frau Rott ist am Telefon!« Energisch pochte es an der Badezimmertür. Kornelia holte tief Luft und tauchte mit dem Kopf unter die Schaumkronen. Eine völlig unnütze Geste, denn auch dort war das Klopfen – zwar gedämpft, aber dennoch deutlich – zu vernehmen. Resigniert tauchte sie wieder auf. »Sag ihr, ich rufe gleich zurück«, schrie sie gegen die Tür, an deren Klinke jetzt von außen gerüttelt wurde. »Und lass das Rütteln, sonst fällt der Griff wieder ab!« Irgendwie ging in letzter Zeit alles zu Bruch, was Mika, ihr Jüngster, anpackte. Er machte gerade diese furchtbare Phase des Erwachsenwerdens durch, bei der er überall aneckte. Die hatte Kornelia noch aus Gabriels Zeiten in schlechter Erinnerung. Ihre Söhne lagen sechs Jahre auseinander. Das hatten sie und Dieter so gewollt. Sie hatten für jedes Kind Zeit haben wollen. Besonders in den entscheidenden ersten Jahren. Heute dachte Kornelia manchmal, dass sie damit einen Fehler gemacht hatten. Die beiden Jungen waren einfach zu weit auseinander. Fast wie zwei Einzelkinder im Charakter, und die Zeit, in der sie selbst als Mutter gefragt war, schien einfach nie vorbeizugehen. Widerwillig erhob sie sich aus dem schon etwas ausgekühlten, aber noch immer so schön nach Rosen duftenden Badewasser. Sie griff nach ihrem flauschigen Bademantel und hüllte sich darin ein. Kornelia liebte es, sich nicht wie morgens nach dem Duschen in Eile abtrocknen zu müssen, sondern einfach den dicken Frotteemantel überzustreifen und von selbst zu trocknen. In der rechten Tasche steckte ihre Armbanduhr. Sie schaute auf das Zifferblatt: nur eine halbe Stunde hatte sie diesmal ihr Bad genießen dürfen. Vor der Badewanne standen ihre Plüschpantoffeln, in denen sie sich immer etwas lächerlich vorkam. Sie waren ein Weihnachtsgeschenk von Mika gewesen, und Kornelia hatte es einfach nicht übers Herz gebracht, die sicherlich liebevoll ausgesuchte Gabe ihres Jüngsten umzutauschen. Warm waren sie ja, aber dass jeder Fuß von einem Mäusekopf – komplett mit dunklen Knopfaugen, rosa Zunge und Schnurrhaaren – geziert wurde und die Pantoffeln zu allem Überfluss hinten auch noch ein kleines graues Schwänzchen trugen, entsprach nicht wirklich ihrem Ideal eines Hausschuhs. »Was wollte Frau Rott denn?«, fragte sie ihren Sohn, der jetzt wieder in seinem Jugendzimmer vor dem Computer saß. Er verbrachte viel zu viel Zeit vor dem Ding. »Hatse nich gesagt«, antwortete Mika, ohne auch nur einen Blick vom Bildschirm zu werfen. Eifrig hüpften seine Finger dabei auf der Tastatur herum. »Danke auch.« Kornelia schloss die Tür zu Mikas Zimmer und schlurfte in die Stube. Dabei musste sie höllisch aufpassen, dass sie nicht auf eines der Mäuseschwänzchen trat und darüber stolperte. Dieter schlummerte bei halb geöffnetem Mund in seinem Lieblingssessel. Die Beinstütze hatte er hochgefahren, die Rückenlehne so weit es ging nach hinten geklappt. Ein regelmäßiges Brummen ließ darauf schließen, dass die Massagefunktion des Sessels eingeschaltet war. »Was is’n?«, murmelte ihr Mann schlaftrunken, als Kornelia sich über ihn beugte, um an das Telefon zu gelangen. »Nichts, nichts, schlaf weiter«, flüsterte sie und gab ihm rasch einen zarten Kuss auf den Mund. Obwohl sie im kommenden Jahr die Silberhochzeit feiern würden, waren solche kleinen Zeichen der gegenseitigen Zuneigung noch nicht aus dem Alltag der Lorenz’ verschwunden. Kornelia wusste, dass viele Bekannte sie um ihre gute Ehe beneideten. »Man muss es sich einfach nur in seinem eigenen Leben bequem machen«, antwortete Kornelia ihnen regelmäßig auf die Frage nach dem Geheimnis hinter ihrer glücklichen Beziehung. Nur ihrer besten Freundin Petra gegenüber gab sie zu, dass auch sie hin und wieder in Versuchung geriet. Vor allem, wenn sie bei Hinnack Johns Hausbesuche machte. Kornelia arbeitete als freie Fußpflegerin. Mit ihrem Instrumentenkoffer fuhr sie über die Dörfer und befreite ihre Mitmenschen von überflüssiger Hornhaut, zu lang gewachsenen Zehennägeln und sich breit machenden Hühneraugen. Manche rümpften die Nase, wenn sie von ihrem Beruf hörten, aber Kornelia liebte ihre Arbeit. Sie konnte sich die Stunden so legen, wie es ihr passte, nahm sich die Freiheit, auch im letzten Moment einen Hausbesuch abzusagen und war doch überall ein gern gesehener Gast. Kaum ein Kunde, der ihr nicht eine Tasse Kaffee, ein Stückchen Kuchen, ein Sektchen oder sonst eine Erfrischung oder Knabberei anbot. Die meisten wurden bei Kornelia neben Hornhaut und Hühneraugen auch ihre Sorgen los. Sicher wollte auch die alte Frau Rott nur wieder über ihre Kümmernisse klagen. Sie lebte sehr zurückgezogen und hatte außer Kornelia kaum jemanden, dem sie sich anvertraute. Eigentlich habe ich gar keine Lust auf die immer gleichen Stories, dachte Kornelia jetzt und legte das...