Taschwer / Erker / Huber | Der Deutsche Klub | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 304 Seiten

Taschwer / Erker / Huber Der Deutsche Klub

Austro-Nazis in der Hofburg

E-Book, Deutsch, 304 Seiten

ISBN: 978-3-7076-0652-2
Verlag: Czernin Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Das mächtige rechte Netzwerk des Deutschen Klubs, der von 1908 bis 1939 in Wien bestand, nahm in der Zwischenkriegszeit auf vielfältige Weise Einfluss auf die politischen Entwicklungen in Österreich. Vor allem war der elitäre Verein in den 1930er-Jahren maßgeblich an der nationalsozialistischen Unterwanderung des Landes beteiligt. Nach dem "Anschluss" im März 1938 übernahmen etliche dieser Austro-Nazis Schlüsselpositionen in Politik, Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft.

Gestützt auf neue Archivmaterialien macht die Studie die wahre Bedeutung des Vereins sowie der Deutschen Gemeinschaft deutlich, eines eng mit dem Deutschen Klub verknüpften Geheimbundes. Dabei zeigt sich auch, wie fließend die Übergänge zwischen national und nationalsozialistisch für die Elite des "dritten Lagers" in den 1930er-Jahren gewesen sind – und wie sehr die in der Ersten Republik gebildeten Netzwerke in der Zweiten Republik nachwirkten.
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KAPITEL 1
Ein Verein im Geiste Georg Schönerers
(1908 bis 1918)
Die Gründungsgeschichte des Deutschen Klubs führt über 110 Jahre zurück an den Beginn des 20. Jahrhunderts und damit in eine völlig andere Zeit: Österreich war Teil der Habsburgermonarchie und Wien eine Weltmetropole. Gegründet wurde der Verein 1908, und das vermutlich wichtigste Ereignis dieses Jahres war in Wien das sechzigste Thronjubiläum von Kaiser Franz Joseph I., das in der Berichterstattung alles andere überstrahlte. Keine mediale Aufmerksamkeit fand hingegen eine andere Begebenheit: Anfang Februar zog ein junger Oberösterreicher nach Wien, dessen Mutter kurz zuvor gestorben war und der sich einige Monate zuvor erfolglos für ein Kunststudium an der Allgemeinen Malerschule der Wiener Kunstakademie beworben hatte. Verloren die damaligen Zeitungen über die Übersiedlung des 18-jährigen Adolf Hitler nach Wien natürlich kein Wort, so wurde über die Gründung des Deutschen Klubs wenige Tage später sehr wohl berichtet, wenn auch nicht allzu groß. Am ausführlichsten war ein Artikel in der Neuen Freien Presse, wo mehr als eine Woche nach der konstituierenden Sitzung, die am 21. Februar 1908 stattfand, über eine »für das geistige und gesellschaftliche Leben Wiens bemerkenswerte Gründung« berichtet wurde.20 Der neue »nichtpolitische Verein Deutscher Klub« sei auf Anregung der beiden großen Altherrenverbände, der Vereinigung alter österreichischer Burschenschafter und des Kyffhäuserverbandes der wehrhaften Vereine Deutscher Studenten, ins Leben gerufen worden. Ziel des Vereins sei es, »für die gegenwärtig vollkommen zersplitterten nationalen Kreise Wiens« einen geselligen und geistigen Mittelpunkt zu bilden, wie der erste Vereinsobmann Richard Riedl verlauten ließ, der Mitglied der Wiener akademischen Burschenschaft Albia und Sekretär der Handelskammer war. Lassen sich Gründungsdatum und Gründungsobmann des Deutschen Klubs in aller Kürze nennen, ist es für die politischen und gesellschaftlichen Kontexte der Vereinsgründung nötig, etwas weiter auszuholen. Wien befand sich in diesen Jahren in einer gewaltigen demografischen Umbruchsphase. Von 1880 bis 1910 hatte die Stadt ihre Einwohnerzahl beinahe verdoppelt und war zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit ihren etwas mehr als zwei Millionen Menschen die sechstgrößte Stadt der Welt. Dieses dramatische Wachstum erklärt sich zum einen aus der Eingemeindung der Vororte und von Floridsdorf rund um das Jahr 1900. Zum anderen waren jährlich bis zu 30.000 Menschen zugezogen, was zu sozialen Problemen führte: Während im Gründungsjahr des Deutschen Klubs die Operette in Wien mit zahlreichen Uraufführungen boomte und Gustav Klimt sein berühmtes Gemälde Der Kuss begann, zeigte sich hinter dieser glänzenden Fassade der Wiener Moderne, die von der innerstädtischen Bourgeoisie getragen war, ein ganz anderes Bild: Insbesondere die Bewohner und Bewohnerinnen der Außenbezirke wurden von sozialen Krisen gebeutelt, von Wohnungselend und Hunger. Besonders stark nahm rund um die Jahrhundertwende der Anteil der jüdischen und tschechischen Bevölkerung in Wien zu. Lebten 1870 rund 40.000 konfessionelle Juden und Jüdinnen in Wien, was einem Anteil von 6,6 Prozent entsprach, so waren es laut Volkszählung 1910 bereits rund 175.000 Menschen, die sich zum Judentum bekannten – ein Anteil von knapp neun Prozent. Der Aufstieg von Juden ins Bürgertum und deren hoher Anteil unter den reichsten Wienern nach der Jahrhundertwende hatten die antisemitischen und antiliberalen Ressentiments insbesondere in der Reichshauptstadt rund um 1900 befördert. Laut den Auswertungen des Wirtschaftshistorikers Roman Sandgruber waren 1910 von den 929 Millionären Wiens 535 jüdischer Herkunft, also 57,6 Prozent. Sie verfügten über 66,1 Prozent der Einkommen über 100.000 Kronen.21 Nicht nur der christlichsoziale Politiker Karl Lueger, von 1897 bis 1910 Bürgermeister der Stadt Wien, wusste die Vorurteile gegenüber der jüdischen Bevölkerung zu schüren, um daraus erfolgreich politisches Kapital zu schlagen. Noch sehr viel höher als der Anteil der jüdischen Bevölkerung war der Anteil der Menschen, die aus Böhmen zugewandert waren. Zwar gaben bei der Volkszählung im Jahr 1910 nur rund 100.000 Personen an, Tschechisch als Umgangssprache zu verwenden. Doch deren tatsächliche Zahl wurde auf fast 500.000 geschätzt. Damit war Wien noch vor Prag die Stadt mit den meisten tschechischen Bewohnern und Bewohnerinnen. Das kam um 1900 auch in einem damals beliebten Vers zum Ausdruck, dessen erste Hälfte einer populären Polka von Johann Strauß Sohn entlehnt war: »’S gibt nur a Kaiserstadt, / ’s gibt nur a Wien, / die Wiener san draußen / die Böhm, die san drin.« Insbesondere jene Zugewanderten, die als »Ziegelbehm« bei der Errichtung der Ringstraße und weiteren Bauprojekten unter Bürgermeister Lueger tätig waren, sahen sich einem besonders starken Assimilationsdruck ausgesetzt und sprachen in zweiter und dritter Generation oft nur noch Deutsch.22 Diese demografischen Entwicklungen in Wien verstärkten neben den antisemitischen Ressentiments aber auch nationalistische Spannungen, die aufgrund der fortschreitenden Emanzipation der nicht deutschen Nationalitäten der Monarchie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in der Luft lagen. Die verstärkten Bemühungen um nationale Selbstbestimmung führten zu Gegenreaktionen der nationalistischen deutschsprachigen Eliten: Es kam bereits Ende der 1870er-Jahre zur Gründung der Deutschnationalen Bewegung, von deutschnationalen Burschenschaften und anderen Vereinen, die für eine Stärkung des deutschen Charakters der Monarchie eintraten. Die Deutschnationale Bewegung gab 1882 in ihrem Linzer Programm, das auf Georg Schönerer und die späteren Sozialdemokraten Victor Adler und Engelbert Pernerstorfer zurückging, die Parole »nicht liberal, nicht klerikal, sondern national« aus. Im Laufe der 1880er-Jahre wandte sich ihr Anführer Schönerer immer mehr von sozialreformerischen Ideen ab und immer vehementer gegen das Judentum. Schönerers radikaler Antisemitismus wurde dabei – anders als jener seiner katholischen Widersacher – nicht religiös, sondern rassistisch begründet: »Die Religion ist einerlei / im Blute liegt die Schweinerei« war einer der antisemitischen Wahlsprüche der Bewegung, ein anderer: »Ohne Juda, ohne Rom / wird gebaut Germaniens Dom«. Als die radikale antisemitische Hetze in Taten umschlug, führte das zu einem Knick in Schönerers politischer Karriere: Gemeinsam mit Gesinnungsgenossen überfiel er 1888 die Redaktion des Neuen Wiener Tagblatts, das vom jüdischen Verleger Moritz Szeps herausgegeben wurde, dem Vater der berühmten Salonière und Journalistin Berta Zuckerkandl. Dieser erste Akt des rechten antisemitischen Terrors in Österreich trug Schönerer eine Verurteilung ein: Er verlor seinen Adelstitel und für fünf Jahre sein Abgeordnetenmandat. In den 1890er-Jahren feierte er ein politisches Comeback, das er nicht zuletzt der sogenannten Badeni-Krise im Jahr 1897 verdankte, die der aus Galizien stammende Ministerpräsident Kasimir Felix Badeni durch seine Sprachenverordnung verursacht hatte. Die neuen Bestimmungen sahen im Wesentlichen eine zweisprachige Amtsführung in Böhmen und Mähren vor – und zwar auch in jenen Gebieten, wo mehrheitlich Deutsch gesprochen wurde. Dieser Vorstoß führte prompt zu heftigsten Demonstrationen und Ausschreitungen, die an den Hochschulen besonders dramatische Formen annahmen und eine veritable Staatskrise in der k. u. k. Monarchie auslösten. Im Parlament wurden die Proteste von Vertretern der deutschnationalen Parteien angeführt, die sich um Georg Schönerer zur sogenannten Alldeutschen Vereinigung zusammengeschlossen hatten, der auf diese Weise für einige Jahre wieder die Führungsrolle in der deutsch-nationalen Bewegung übernehmen konnte. Im Laufe der Auseinandersetzungen tat sich noch eine weitere Frontlinie auf: die zwischen den deutschnationalen und den katholischen Kräften. Da die österreichische Katholische Volkspartei und etliche tschechische Geistliche Badenis Verordnung unterstützten, forderten Schönerer und seine Gesinnungsgenossen zum Austritt aus der katholischen Kirche auf, was zur sogenannten »Los-von-Rom-Bewegung« führte. Zeitgenössische Karikatur, die Georg Schönerer im Kreise seiner Jünger zeigt. Der Anführer der Deutschnationalen und seine Anhänger galten als dem Alkohol zugeneigt und waren berüchtigt für ihre Umgangsformen. Viele Angehörige und Sympathisanten der Alldeutschen Bewegung waren – wie Schönerer selbst – Mitglieder deutschnationaler Burschenschaften, die mit dem wachsenden Anteil von jüdischen Studierenden und Lehrkräften an den Hochschulen im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts ihre deutschliberalen Positionen einem immer prononcierteren...


Klaus Taschwer, studierte Sozialwissenschaften an der Universität Wien und ist Wissenschaftsredakteur bei der Tageszeitung "Der Standard". Arbeitete davor als freier Journalist und "Zwischenschaftler", unterrichtete an den Unis Wien und Klagenfurt sowie der FH Eisenstadt, gab von 1997 bis 2009 das Wissenschaftsmagazin "heureka!" heraus, war Mitbegründer und Ko-Leiter des Universitätslehrgangs "SciMedia" für Wissenschaftskommunikation und 2013 erster Journalist-in-Residence am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte in Berlin.

Linda Erker studierte Geschichte und Romanistik an den Universitäten Wien und Berlin. Sie ist wissenschaftliche Projektmitarbeiterin am Institut für Zeitgeschichte der Universität Wien.

Andreas Huber, studierte Geschichte und Soziologie an der Universität Wien. Er ist freier Historiker und Soziologe in Wien.


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