Templeton Männer und der ganz normale Wahnsinn
1. Auflage 2012
ISBN: 978-3-95576-283-4
Verlag: MIRA Taschenbuch
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
E-Book, Deutsch, 192 Seiten
Reihe: MIRA Taschenbuch
ISBN: 978-3-95576-283-4
Verlag: MIRA Taschenbuch
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Seit dem Fiasko mit der Hochzeit - ihr Verlobter Greg hat einfach gekniffen! - geht bei Ginger Petrocelli alles schief: erst stirbt ihr Chef, dann wird das Designerbüro geschlossen, und schließlich bekommt sie es auch noch mit einem Hund zu tun, der vor lauter Kummer nicht fressen will. Gemeinsam mit ihrer Freundin Terry (schwarz, zweimal geschieden, zynisch) und ihrer Cousine Shelby (Jüdin, ultimativ verheiratet, quirlig) beschließt sie, ihr Leben neu in die Hand zu nehmen. Dabei wird sie tatkräftig unterstützt von Nick, netter Nachbar und Retter in der Not.
Manche Menschen wissen, sie sind zum Schreiben geboren. Bei Karen Templeton ließ diese Erkenntnis ein wenig auf sich warten ... Davor hatte sie Gelegenheit, sehr viele verschiedene Dinge auszuprobieren, die ihr jetzt beim Schreiben zugutekommen. Und welche waren das? Zuerst, gleich nach der Schule, wollte sie Schauspielerin werden und schaffte tatsächlich die Aufnahmeprüfung in die Schauspielklasse der North Carolina School of Art. Eine Weile lang war das das Richtige, doch nach zwei Jahren merkte Karen Templeton, dass ihr diese Bretter doch nicht die Welt bedeuteten. Also wechselte sie zum Kostümdesign, und dort wurde ihr zweierlei klar: Erstens wollte sie nicht ihr Leben lang Kostüme nähen. Und zweitens hatte sie nicht vor, New York jemals wieder zu verlassen. Denn sie hatte hier die Liebe ihres Lebens getroffen! So blieb sie also im Big Apple und schlug sich mit unterschiedlichen kleinen Jobs durch. Zum Beispiel arbeitete sie im renommierten Kaufhaus Saks Fifth Avenue in der Abteilung für Brautkleider. Und dann war es auch für sie selbst so weit: Sie heiratete denn Mann ihres Lebens und bekam innerhalb der nächsten Jahre zwei Söhne. Die vier zogen nach Albuquerque, die Heimatstadt von Karens Mann, und dort kamen zwei weitere Söhne zur Welt. Es war Zeit für neue berufliche Herausforderungen! Karen Templeton gründete einen Versandhandel für Handarbeitsmaterial. Mit dieser Firma war Karen zehn Jahre lang erfolgreich, doch dann sollte sich durch zwei Dinge wieder alles ändern: Karens größter Werbeträger ging in Konkurs, und Familie Templeton schaffte ihren ersten Computer an. Einfach so, zum Ausprobieren, setzte sich Karen Templeton mal daran und schrieb drauf los: Eine Romance sollte es werden. Das Projekt gelang ganz gut, Karen machte weiter und schrieb insgesamt drei Romane. Einer davon wurde schließlich im März 1996 von einem Verlag gekauft. Und so konnte Karen Templeton bald hauptberuflich schreiben; sie war zu ihrer Passion gekommen, zu der Arbeit, die ihr wirklich richtig Spaß macht und bei der sie all ihre Erfahrungen einfließen lassen kann. Große Freude macht sie ihren Leserinnen besonders mit der Schilderung von Persönlichkeiten und vor allem Kindern, die nicht selten zu Tränen rühren.
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1. KAPITEL
Lassen Sie mich zunächst nur für die Akten festhalten, dass ich mich nicht etwa deshalb in Greg Munson verliebt habe, weil er ein erfolgreicher oder gut aussehender Mann ist – auch wenn ich absolut nichts gegen die neidischen Wiehast-du-den-nur-bekommen-Blicke anderer Frauen habe – und auch nicht, weil ich meine Mutter ärgern wollte. Ich schwöre, die Tatsache, dass er der Sohn eines republikanischen Kongressabgeordneten ist, war nur ein glücklicher Zufall.
Nein. Ich habe mich in den Typen verliebt, weil er mir einfach den Eindruck vermittelte, er sei normal. Und nachdem die Chancen, in dieser Stadt ein solches Wesen zu finden, eins zu einer Million stehen, habe ich seinen Antrag sofort angenommen. Darauf bin ich vielleicht nicht sonderlich stolz, aber bitte! Irgendwie muss unsere Spezies doch überleben.
Ich bin überzeugt davon, dass wir ein sehr angenehmes gemeinsames Leben hätten führen können, wenn er sich die Mühe gemacht hätte, zur Hochzeit zu erscheinen.
Zugegeben, es ist erst vier Stunden her, seit ich fünfundzwanzig Meter Tüll in ein Taxi gequetscht habe und zurück zu meiner Wohnung gefahren bin – ich hatte also bisher noch nicht viel Zeit, das Ganze zu verarbeiten. Nicht, dass ich das überhaupt erwarte.
Erstens bin ich nicht blind vor Liebe, dazu neige ich grundsätzlich nicht. Ich bin einunddreißig, habe mein ganzes Leben in Manhattan verbracht und eine Kindheit hinter mir, die mich befähigt, Vollidioten gleich auf den ersten Blick zu erkennen. Greg und ich sind erst zwei Monate, nachdem ich verschiedenste Teppich- und Tapetenmuster in sein neues Haus in Scarsdale geschleppt hatte, miteinander ausgegangen, und danach dauerte es noch einen weiteren Monat, bis wir miteinander geschlafen haben. Ich war vorsichtig. Ich habe nicht geklammert. Niemals von Hochzeit gesprochen. Nie mehr von seiner Zeit gefordert, als er mir freiwillig gab. Wenn überhaupt, dann war er derjenige, der dem Ganzen unbedingt einen offiziellen Anstrich verleihen wollte.
Also nichts. Kein Hinweis auf die Gründe. Nicht der geringste.
Wir hatten mit der Zeremonie so lange gewartet, wie es nur ging. Aber als meine Mutter und Großmutter sich wie zwei Bodyguards neben mich und meine beiden Brautjungfern stellten (meine Cousine Shelby – Jüdin, unheilbar verheiratet, temperamentvoll, und meine beste Freundin Terrie – schwarz, zweimal geschieden und zynisch), um Wache zu stehen, wusste ich bereits, dass alles vorbei war. Und trotzdem, optimistisch wie immer, habe ich auch noch versucht, Gregs Hintern zu retten. Von meinem eigenen mal ganz abgesehen.
„Der Verkehr auf der Parkway ist um diese Tageszeit bestimmt ganz schrecklich“, sagte ich betont fröhlich, und das nur zehn Minuten bevor die aus Eis geschnitzten Schwäne in der späten Maihitze zu schmelzen begannen, ganz zu schweigen von den etwas älteren Gästen. Als Terrie mich daran erinnerte, dass Gregs Handy an ihm genauso festgewachsen war wie seine vier Gliedmaßen – oder in seinem Fall fünf, behauptete ich ohne einen Anflug von Ironie, dass vielleicht sein Akku leer sei. Ganz bestimmt, dachte ich, das muss der Grund sein, denn schließlich hat er mir doch dabei geholfen, diese blöden Blumen auszusuchen, ganz zu schweigen vom Kuchen und den Einladungskarten. Warum also sollte er zu seiner eigenen verdammten Hochzeit nicht auftauchen?
„Vielleicht ist er tot?“
Wir alle schauten meiner Großmutter dabei zu, wie sie seelenruhig an ihrem Unterrock unter dem neuen lilafarbenen Kleid zerrte. Weil sie im Grunde taub wie ein Pfosten ist, hatte sie so laut gesprochen, dass man ihre Worte auch noch in der Bronx hätte verstehen können.
Ich warf meiner Mutter, deren Klamotten aussahen, als stammten sie direkt aus dem Bühnen-Fundus von König der Löwen, einen Sag’s-nicht-Blick zu. Als die Gäste sich dann langsam und verlegen schweigend entfernten und der Standesbeamte – begleitet von Phyllis und Bob Munson, Gregs Eltern – sein Beileid murmelte, starrte ich in den reichlich dekorierten, aber völlig leeren Ballsaal und setzte im Geiste den Tagesordnungspunkt ‚Bring diesen Bastard um‘ an die erste Stelle meiner Prioritätenliste.
„,Deine Mutter braucht nicht für die Kosten der Hochzeit aufzukommen‘“, hatte Greg gesagt. „,Mal ehrlich, das können wir doch nun wirklich selbst bezahlen, oder?‘“
Wenn man bedenkt, womit wir gerade beschäftigt waren, als er mich mit seinem Heiratsantrag überfiel – das beschreibt übrigens ziemlich gut, was er zu dem Zeitpunkt auch mit mir tat –, hätte er wahrscheinlich so ziemlich alles vorschlagen können, ich hätte zugestimmt. Aber auch als ich wieder angekleidet und bei Sinnen war, dachte ich immer noch: nun, ist doch klar. Wir beide hatten Erfolg im Beruf – Greg war noch vor seinem dreißigsten Geburtstag Partner in einer Anwaltskanzlei geworden, und dank meines wachsenden Kundenkreises musste ich schon seit Jahren nicht mehr verstohlen die Regale mit den Sonderangeboten durchwühlen. Gregs Vorschlag, halbe-halbe zu machen, bedeutete aber trotzdem, dass ich mein Erspartes angreifen musste. Okay, nicht angreifen, vielmehr völlig aufbrauchen. Schließlich ging es hier nicht um eine einfache Hochzeit im Rathaus mit Feier in einer gewöhnlichen Kneipe. Aber mir war’s egal, schließlich war Greg Munson der goldene Pokal, über den ich nach langer Suche endlich gestolpert war. Das konnte man sich doch was kosten lassen, oder nicht?
Haben Sie auch nur die geringste Ahnung, wie viel ein Hochzeitskleid von „Vera Wang“ kostet?
Als ich mein bezauberndes Spiegelbild anstarrte und zögernd behauptete, dass mir der elfenbeinfarbene Seidenanzug von „Ellen Tracy“, den ich drei Tage zuvor anprobiert hatte, genauso gut gefiel, rief Shelby entsetzt: „Hast du auch nur die geringste Ahnung, wie Leid es dir eines Tages tun wird, wenn du dir die einmalige Gelegenheit durch die Lappen gehen lässt, wie eine Prinzessin auszusehen?“
„Hast du auch nur die geringste Ahnung“, hatte meine Mutter nicht weniger entsetzt gefragt, als ich sie und Nonna in die Boutique in der Madison Avenue schob, um ihnen das herrliche Kleid vorzuführen (Shelbys Prinzessinnen-Kommentar hatte all meine Zweifel weggewischt), „wie viele Obdachlose man mit dem Geld durchfüttern könnte, das du dafür rausgeworfen hast, und zwar für ein Kleid, das du nur ein einziges Mal tragen wirst?“
„Verdammt, Mädchen“, hatte Terrie gesagt, die Hände auf ihre runden Hüften gestemmt, die sich schon in zwei Ehen und einer ganzen Reihe von Liebschaften bewährt haben, „in dem Kleid sieht es doch tatsächlich so aus, als ob du einen anständigen Busen hättest.“
Könnte mir vielleicht irgendjemand mal ein Taschentuch reichen?
Meine Mutter versuchte mich davon zu überzeugen, mit ihr und Großmutter zurückzufahren und die Nacht in ihrem Haus zu verbringen. Da ich mir aber lieber die rechte Hand abgehackt hätte, lehnte ich dankend ab. Was vielleicht allen, die nicht gerade Nedra Cohen Petrocelli zur Mutter haben, etwas respektlos vorkommen mag.
Gut, ich bin vielleicht ein klitzekleines bisschen unfair. Aber Nedra saugt auch noch den letzten Rest Leben aus jedem heraus, der das Pech hat, zufällig in der näheren Umgebung ihres Wohnblocks zu leben.
Wenn ich mir manchmal ein Bild von meiner Mutter ansehe, als sie noch jünger und schlanker war, dann kommt es mir so vor, als ob ich mein eigenes Spiegelbild betrachte. Das gleiche schwarze, wippende Haar, die gleichen dunklen Augen, hohen Wangenknochen, langen Gliedmaßen und eine große Klappe, die uns oft in Verlegenheit bringt. Wenn es aber um unseren Charakter geht … nun, ich will es so ausdrücken: Die Gene haben uns da einen Streich gespielt. Während Nedra im wahrsten Sinne des Wortes geradezu in sich zusammenfällt, wenn sie mal länger als zwei Stunden ohne menschliche Gesellschaft ist, brauche ich die Einsamkeit, um wieder Energie zu tanken. Sie reagiert auf Tragödien oder Stress, indem sie ein Dutzend Freunde zum Abendessen einlädt. Ich hingegen drücke die Demütigung – und, in diesem Fall eine Flasche sehr teuren Champagner – gegen meinen kleinen flachen Busen (auch hier haben mir die Gene einen bösen Streich gespielt) und ziehe mich in mein Schneckenhaus zurück.
Ein Schneckenhaus, das ich Gott sei Dank nicht gekündigt habe, auch wenn es winzig und ohne Klimaanlage ist. Letzte Woche habe ich allerdings bereits einen Großteil meiner Klamotten und anderer Besitztümer in das Haus in Scarsdale gebracht (mentale Notiz: neue Kleider kaufen???). Also. Hier sitze ich in einem Berg aus Spitze mitten auf meinem pseudo-türkischen Teppich und schütte den Schampus wie Cola light in mich hinein, während ich mir einen Spaß daraus mache mitzuzählen, wie oft mein Anrufbeantworter piept. Da ich überzeugt davon bin, dass mindestens die Hälfte der Anrufe von meiner (schrecklich stereotypen) Mutter sind, interessiert es mich überhaupt nicht herauszufinden, was für Nachrichten ich bekomme. Nicht einmal, wenn eine von Greg dabei wäre.
Vor allem nicht, wenn eine von Greg dabei ist.
Ich sollte wirklich langsam mal das Kleid ausziehen. Schon alleine weil es teuflisch kratzt. Aber ich kann einfach nicht. Noch nicht. Ich weiß, wie dumm das ist. Ich hoffe ja nicht etwa darauf, dass Greg plötzlich auftaucht, mich strahlend anlächelt und übertriebene Entschuldigungen abgibt, woraufhin wir einfach zurück in das Hotel fahren und heiraten, als ob nichts geschehen wäre. Was wir ja auch gar nicht könnten, schließlich sind die Gäste schon lange gegangen, der Partyservice hat längst das ganze Essen wieder eingepackt, und der Standesbeamte ist gerade bei einer anderen Hochzeit. Außerdem wäre ich...




