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E-Book, Deutsch, 368 Seiten

Ulrich Und wieder Azzurro

Die geheimnisvolle Leichtigkeit Italiens | Perfekte Reiselektüre für den Sommer im Süden

E-Book, Deutsch, 368 Seiten

ISBN: 978-3-423-44080-6
Verlag: dtv Verlagsgesellschaft
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Endlich: Italien – so schön, so farbig wie beim ersten Mal
Als wir nicht aus dem Land durften, haben wir erst verstanden, wie kostbar das Reisen ist. Wie oft haben wir in Gedanken die Koffer gepackt und sind nach Süden aufgebrochen?
Stefan Ulrich hat sich vorgenommen, das Land, das er von Kindheit an kennt, in dem er gearbeitet hat, dem er seine großen Bucherfolge verdankt, völlig neu zu erleben, zu erschmecken, zu erfahren. Autobahnen sind tabu, Nebenstraßen Pflicht, Zeit spielt keine Rolle, Reisen im elementaren Sinne. Er lässt sich treiben von den Alpen bis zum Ätna, macht Station, wo er noch nie war, trifft Menschen, die ihm dieses uralte Faszinosum Italien noch näherbringen.
"Und wieder Azzurro" ist eine Liebeserklärung an das Sehnsuchtsland von Deutschen, Österreichern und Schweizern.
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Autoren/Hrsg.


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1 Eine Sehnsucht und ein Deal
Als meine Tochter Bernadette und ich an einem kalten Augustmorgen von München nach Süden aufbrechen, beginnt es zu regnen. Tief hängende Wolken um den Irschenberg verschleiern die Alpen. Wir fahren mit Licht durchs Inntal, vorbei an Lastwagen, von deren Rädern Fontänen auf unser Auto spritzen. Feuchtigkeitsschwaden lassen die Bergwälder zu dunkelgrauen Schemen verschwimmen, während uns die Fahrzeugheizung stickige Luft in die Gesichter bläst. »Dabei wollten wir doch ins Blaue fahren«, sagt Bernadette am Steuer, halb spöttisch, halb verdrossen. »Warte, bis wir auf den Brenner kommen«, antworte ich. »Da kommt die Sonne raus.« Doch so recht glaube ich auch nicht daran. Das Wetter ist einfach zu scheußlich. Und dass es am Brenner schlagartig besser wird, ist halt auch nur ein Klischee. Der Süden immer sonnig und heiter, der Norden stets wolkenverhangen und trist: So ausrechenbar ist die Welt nicht. Warum sonst würden, diversen Studien zufolge, in den skandinavischen Staaten die zufriedensten Menschen der Erde leben? Und warum kämen aus einem Land wie Italien so viele Nachrichten von Überschwemmungen, Erdbeben und einstürzenden Altbauten, während Hunderttausende junge Italienerinnen und Italiener ihre Heimat auf der Suche nach einer besseren Zukunft verlassen? Ich tippe auf meinem Handy herum. Kurz darauf klingt Azzurro aus den Autolautsprechern, das Original von Paolo Conte. Das hebt nicht die Wolken, aber unsere Stimmung. Daher schicke ich noch Nel blu dipinto di blu[1] hinterher. So heißt ein italienischer Schlager Domenico Modugnos und Franco Migliaccis. Er wurde, seinen Schöpfern zufolge, vom blauen Himmel über Rom und einer Flasche Chianti inspiriert. Von Luciano Pavarotti, Adriano Celentano oder Gianna Nannini interpretiert, trägt er bis heute zum Mythos der wunderbaren Leichtigkeit des Seins im Bel Paese[2] bei. Hinter Innsbruck wird das Grau heller. Bei Matrei verlassen wir die Autobahn und fahren auf der Landstraße weiter, um etwas besser nachempfinden zu können, wie einst die Reisenden voller Erwartungen über den Brenner nach Süden fuhren, ritten oder marschierten. In den alten Zeiten galten die Alpen als Prüfung, die man bestehen musste, um ins Zauberland Italien eingelassen zu werden. Kurz darauf sitzen wir auf der Terrasse der Pizzeria Terminus, des ersten Lokals hinter der österreichisch-italienischen Grenze – Im T-Shirt! In der Sonne! – und löffeln den Schaum von unserem Cappuccino. Manchmal entspricht die Wirklichkeit eben doch dem Klischee. Am Himmel schweben nur noch einzelne milchweiße Wolkenreste. Unser Blick nach Süden verliert sich über den Bergen in einem seidig-transparenten Blau, als befände sich dahinter nicht das schwarze Weltall, sondern eine weitere, lichtere Welt.   Diesem Blau will ich folgen – zunächst mit Bernadette, dann mit meiner Frau Antonia und später, ab Rom, alleine – im Zickzack die italienische Halbinsel hinunter, ohne Plan, aber mit einem festen Ziel: dem sizilianischen Trapani, der Spitze des langen S, das Italien bildet. Und mit einer Frage im Gepäck, deren Antwort ich auf dieser Reise suche.   Diese Frage treibt mich, Jahrgang 1963, seit Jahrzehnten um, vielleicht seit jenem Sommer 1969, als ich das erste Mal Italien erlebte. Auf unzähligen Fahrten durch das Land ging ich ihr nach, ohne dass ich sie klar in Worte fassen konnte. Dies geschah erst an einem schwülen Juliabend einige Wochen vor dieser Reise über den Brenner. Bernadette, Antonia, unser Sohn Nicolas und ich saßen auf der Terrasse in München und plauderten in die Nacht hinein. Die Blüten der Engelstrompete dufteten schwer wie ein Opernball, um Nachtschwärmer anzulocken. Der Schlafbaum schloss seine violetten Blätter, Glühwürmchen schwebten zwischen der Bananenstaude hindurch. »Wie im Süden!«, sagte Nicolas, während er sich in seinem Korbstuhl räkelte. »So soll es sein!«, erwidere ich. Denn das soll der Garten verkörpern. Wenn ich schon nicht im Süden leben kann, will ich ihn wenigstens als Illusion nachempfinden können, an warmen Sommerabenden. Daher habe ich Ginster, Wein, Lavendel, Rosmarin, Feige und Trompetenblume angepflanzt, die den Winter draußen überstehen, Bananenstaude und Zypresse mit etwas Kälteschutz. Daher stehen auf der Terrasse Töpfe aus Terracotta mit Oleander, Fächerpalme, Veilchen-, Oliven- und Orangenbaum, die im Winter in die Garage kommen. »Wie das duftet«, sagte Bernadette und deutete in den Garten. »Da brauchst du gar kein Haus in Italien mehr.« »Papperlapapp«, widersprach ich. »Ein Haus in Italien wäre was ganz anderes. Dann könnten wir von März bis Oktober immer draußen sitzen, nach der Arbeit zum Baden ans Meer fahren, im Schlaf die Zikaden hören und vielleicht sogar eigenen Wein anbauen.« »Weißt du noch, wie schrecklich wir im Herbst in Rom froren, bevor die Hausbesitzer endlich vor Weihnachten die Zentralheizung einschalteten?«, fragte Nicolas. »Statt Zikaden zirpen bei uns die Grillen«, sagte Antonia. »Und statt im Meer können wir im Starnberger See baden.« »Weißt du noch, wie kalt das Meer bei Rom im Mai oft noch war?«, fragte Bernadette. Familien haben Rituale. Eines der unseren handelt vom Haus in Italien, genauer gesagt vom Maremma-Haus, weil ich seit langem davon träume, ein rustico, ein altes Landhaus, in dieser südtoskanischen Gegend zu erwerben. Als Nicolas klein war und wir in Rom lebten, wo ich vier Jahre lang als Korrespondent der Süddeutschen Zeitung arbeitete, sagte er, wenn er wohlgestimmt war: »Papa, wenn ich mal Millionär bin, kaufe ich dir dein Maremma-Haus.« Daraus ist nichts geworden. Doch Nicolas ist erst Anfang 20, also besteht noch Hoffnung. Allerdings hat sich die Begeisterung meiner Familie für das Maremma-Haus abgekühlt. Antonia argumentiert, sie wolle nicht alle Ferien am selben Ort verbringen und dort die meiste Zeit damit zubringen, das Ferienhaus in Ordnung zu halten. Und Auswandern in die Maremma käme nicht in Frage, weil sie sich da zu Tode langweilen würde, während ich meine Bücher schriebe. Der Einwand der Kinder ist grundsätzlicher und damit noch gravierender. Er richtet sich nicht nur gegen ein Ferienhaus, sondern auch gegen Italien an sich. Da seien sie in ihrer Kindheit mit uns genug herumgereist. Das werde doch langweilig. Und Rom sei ihnen als sehr schmutzige Stadt in Erinnerung. Zudem gebe es in Italien keine endlosen Strände wie an der französischen Atlantikküste und keinen Ozean zum Wellenreiten. Alles sei eher niedlich und harmlos, kein Ort für Abenteuer. Seit unserem Wegzug aus Rom im Jahr 2009 waren Bernadette und Nicolas, vom Skifahren in Südtirol abgesehen, nur noch einmal mit uns in Italien, als Teenager auf einem Agriturismo in der Maremma. Dieser Urlaub war ein Desaster, was womöglich auch daran lag, dass Teenager nicht zwangsläufig darauf stehen, mit Papa und Mama Ferien in einem abgelegenen Bauernhof zu machen. Meinem Projekt Maremma-Haus hat dieser Urlaub nicht gutgetan. Zur Rache poste ich meinen Kindern nun immer, wenn ich in Italien unterwegs bin, Bilder von Ruinen in einsamer Landschaft auf denen »vendesi«[3] steht. »Ihr Lieben. Das habe ich gerade gekauft. Nehmt Euch kommenden Sommer nichts vor! Da renovieren wir.« Zurück kommen Emojis, die sich kranklachen. Nun, im nächtlichen Garten, sind wir wieder mal beim Thema. »Was begeistert dich eigentlich dermaßen an Italien?«, fragt Bernadette. »Ja, was eigentlich?«, fällt Nicolas ein. Die beiden verstehen sich schrecklich gut. Was für eine Frage! Italien eben. »Was soll ich sagen?«, antworte ich, »Italien ist meine Passion. Und nicht nur meine. Alle Menschen lieben Italien.« »Aber warum liebst du es?«, fragt Nicolas. »Weil es so schön ist.« »Was meinst du damit?« »Das Wetter zum Beispiel.« »Das ist in Griechenland oder Spanien genauso schön«, sagt Bernadette. »Aber das Licht ist anders in Italien, dieses Blau, des Himmels, des Meeres …« »Anders als in der Provence?«, widerwortet Antonia. »Schon anders als in der Provence. Dort fegt der Mistral aus dem Norden die Luft leer. Vertreibt Staub und Dunst. Das gibt den Dingen kristallklare Farben und Formen. Wunderschön. In Italien liegt oft ein leichter Dunst in der Luft, wie ein kaum wahrnehmbarer Schleier. Das Licht wird dadurch wärmer, die Konturen werden weicher. Die Dinge bekommen etwas Geheimnisvolles, Tiefes. Zur Schönheit kommt ein Zauber … wie auf den Gemälden von Claude Lorrain und Nicolas Poussin.« »Das sind Idealisierungen, Wunschbilder, die mit dem realen Italien wenig zu tun haben«, sagt Antonia.   Da ist etwas dran. Viel sogar. Kein anderes Land ist so idealisiert worden wie Italien, »das Land, wo die Zitronen blühen«. Dies hat dazu geführt, dass sich ein Reisender heute mit drei Italien konfrontiert sieht. Da ist erstens das paese reale[4], in dem sich Licht und Schatten abwechseln. Einerseits herrschen hier Kreativität, Unternehmergeist, Widerstandskraft, Toleranz, Großzügigkeit und Mitgefühl, andererseits Eigennutz, Korruption, Jugendarbeitslosigkeit, unzureichende Schulen oder Krankenhäuser, Umweltverschmutzung und Wurstigkeit. Die Schatten kann ein Reisender, der sich nicht dafür interessiert, ganz gut ausblenden. Das zweite Italien ist eine kollektive Imagination, eine Wunschvorstellung, das paese...


Ulrich, Stefan
Stefan Ulrich, geboren 1963, berichtete acht Jahre lang für die ›Süddeutsche Zeitung‹ aus Rom und Paris. Heute lebt er als freier Schriftsteller mit seiner Familie an der Isar. Seine Bücher sind SPIEGEL-Bestseller. ›Quattro Stagioni‹ wurde für die ARD verfilmt. Stefan Ulrich wurde für seine Arbeit als Journalist und Schriftsteller unter anderem mit dem Deutsch-Italienischen Journalistenpreis und mit dem Theodor-Wolff-Preis ausgezeichnet.

Stefan Ulrich, geboren 1963, berichtete acht Jahre lang für die ›Süddeutsche Zeitung‹ aus Rom und Paris. Heute lebt er als freier Schriftsteller mit seiner Familie an der Isar. Seine Bücher sind SPIEGEL-Bestseller. ›Quattro Stagioni‹ wurde für die ARD verfilmt. Stefan Ulrich wurde für seine Arbeit als Journalist und Schriftsteller unter anderem mit dem Deutsch-Italienischen Journalistenpreis und mit dem Theodor-Wolff-Preis ausgezeichnet.


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