E-Book, Deutsch, 300 Seiten
ISBN: 978-3-95981-271-9
Verlag: Cross Cult Entertainment
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)
Autoren/Hrsg.
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Einleitung
Der Denkraum, unendliche Weiten.
Wir schreiben das Jahr 2016. Genau 50 Jahre nach dem Start des Raumschiffs Enterprise versucht ein Denkschiff namens Philosophie, die Sichtweisen und Gedankenwelten der ersten Star Trek-Besatzung um Kirk und Spock zu ergründen. Viele Lichtjahre von der Erde entfernt, dringt die Philosophie in geistige Galaxien vor, die noch nie ein Mensch betreten hat. Der mit dem Star Trek-Schöpfer Gene Roddenberry befreundete und durch seinen Roman Fahrenheit 451 weltbekannt gewordene Ray Bradbury sah in der Science-Fiction einen der letzten Zufluchtsorte für die Philosophie. Roddenberry, der schon als Kind Jonathan Swifts berühmte Geschichte von Gullivers Reisen kannte, hatte in einem seiner ersten Skripte für Star Trek dem Captain den Namen Gulliver gegeben. Die abenteuerlichen Fahrten des Gulliver zu unbekannten Ländern und anderen Lebensformen bildeten eine echte Fundgrube für die Star Trek-Episoden. Gulliver wird in die seltsamsten und merkwürdigsten Regionen der Welt verschlagen, in die Reiche von Zwergen und Riesen, auf Inseln der Zauberer, in abscheuliche Diktaturen und gar in ein Reich der Pferde. Während seiner spannenden wie gefahrvollen Expeditionen, die mit beißender Ironie und Satire ein kritisches Bild seiner eigenen Gesellschaft zeichnen, trifft Gulliver auf Wesen, die sinnlose Kriege führen, die Häuser von den Dächern her bauen und aus Gurken Sonnenlicht pressen wollen. Im Land der Zauberer kann er sich mit Alexander dem Großen, Hannibal und Julius Cäsar wie auch mit den Philosophen Aristoteles und Descartes unterhalten. Er lernt brutale Despotien und friedlich-harmonische Ordnungen, ja sogar unsterbliche Menschen kennen. Und vor allem: Er findet mehr Verständnis bei Andersgläubigen als bei seinen Christenbrüdern. Nachdem Gulliver dem König der Riesen seine eigene Gesellschaft und Zeit beschrieben hatte, fällt der König folgendes vernichtendes Urteil: Ein Großteil dieser Eingeborenen sind Angehörige »dieser verderblichsten Rasse, die die Natur je auf der Oberfläche der Erde erleiden musste«. Roddenberry beabsichtigte, mit Star Trek dasselbe »tun zu können wie Jonathan Swift mit Gullivers Reisen. Zu seiner Zeit konnte man wegen religiöser oder politischer Bemerkungen unters Beil kommen«. Trotz der massiven Zensur durch die Fernsehstudios wollte Roddenberry mit seiner Weltraum-Saga der eigenen Gesellschaft den nicht immer Erfreuliches zeigenden Spiegel vorhalten. Wie Swift wollte er das politische System satirisch darstellen und an den Zensoren »vorbeischmuggeln«, als ob kleine lila Leute von einem entlegenen Planeten die Figuren der Serie sein würden. So konnten die kritischen Gedanken »an den Zensoren vorbeigeschleust« werden. Im Sinne von Gullivers Reisen sollte »spektakuläre Unterhaltung mit bedeutungsvollem Drama und etwas Substanziellem kombiniert« werden.1 Star Trek als Gullivers Reisen zu den Sternen. Faszinierend! Das waren die Sterne von je her. Eine Schiffsreise zu den Sternen gehört wohl zu den Träumen vieler Erdbewohner. Nichts will ich als ein schlankes Schiff Und den weisenden Stern in der Höh’ Kannst Du den Wind in deinem Rücken spüren, und die Wellen unter Dir? Zweimal rezitiert Captain Kirk diese Zeilen aus dem Gedicht von John Masefield. Roddenberry verstand die Reise wohl auch als »wagon train to the stars«, als Planwagenzug der Siedler in den amerikanischen Westen. Das aus dem Mittelniederdeutsch stammende Wort Trek bezeichnet eine Gruppe von Menschen, die mit ihren Wagen gemeinsam aus ihrer Heimat in Richtung des »unentdeckten Landes« weggehen oder wegziehen. Doch ist im Sternen-Trek der Bezug zur Seefahrt dominierend, in der Tradition von Homers Odyssee, von Gullivers Seereisen oder Hermann Melvilles Moby Dick. Als Teil einer Flotte ist ein Schiff im Weltenraum unterwegs, mit Kapitän, Erstem Offizier und dem für den Kompass zuständigen Navigator und Erstem Steuermann auf der Brücke des Weltenseglers, dem Schiffsmaschinisten im Maschinenraum, dem Schiffsarzt an Bord und auch für die Schiffskanonen gibt es einen Verantwortlichen. In der Episode Brot und Spiele sagt Kirk, dass »unser Schiff draußen auf See liegt«. Gene Roddenberry verstand sein großartiges Filmprojekt als seine »soziale Philosophie, sein philosophisches Verständnis des Lebens und der humanen Bedingungen des Menschseins, der conditio humana. Das Filmstudio NBC hatte die Pilotfolge deshalb als »zu intellektuell« abgelehnt. »Es ist wirklich ein gutes Projekt.« Aber, so fügte George Takei, der Darsteller des Sulu, hinzu: »Das Fernsehen respektiert Qualität nicht, echte Qualität ist wie ein Todesstoß.«2 Doch Roddenberry verfolgte zielstrebig und hartnäckig sein Vorhaben, das von »einer optimistischen, entschieden positiven Vision der menschlichen Zukunft« geprägt war. Er hoffte »allein mit seinem Idealismus das Fernsehen zu verbessern«, somit nach den Sternen zu greifen – »Purer Idealismus!«3 Roddenberry ging davon aus, dass seine philosophischen Ansichten über das Medium des Films viel mehr Menschen erreichen würde als die konventionelle Philosophie und er behielt recht! Besonders seine Ideen des Respekts für all die vielfältigen Kulturen und Lebensformen, die Ablehnung jeder Art von Diskriminierung, Sklaverei, Rassismus und anderer Unterdrückung, sein Votum für die Überwindung von Krieg und Armut, seine Positionen gegen tyrannisch-totalitäre politische Ordnungen, gegen Dogmatismus, gegen allen Glauben an Übernatürliches oder Wunder, seine Hochschätzung des Einsatzes der Wissenschaft für friedliche Zwecke – um nur einige der wichtigen Ideen zu nennen – prägen die Gedankenwelt der Helden von der Enterprise.4 Laut George Takei verstand Roddenberry die Enterprise als »eine Art Raumschiff Erde« – »die Abenteuer von Erforschung und Entdeckung sind in die Milchstraße hineinprojiziert, es geht darum, nicht nur die Treffen und Konfrontationen mit fremden Wesen und Zivilisationen zu bestehen, sondern besonders die Auseinandersetzung mit uns selbst.«5 So können die Reisen des Raumschiffes auch als Entdeckungsfahrt in das Universum der Philosophie gesehen werden. Einige wenige Teile dieses Denkraumes sollen hier etwas näher erschlossen und kartografiert werden – ein hoffentlich spannendes, doch auch gefährliches und mühsames Abenteuer. Oder, um in der Seefahrersprache zu bleiben: Es gilt viele Klippen zu umschiffen, vielen Untiefen auszuweichen, viele neue Routen zu finden, es drohen tropische Stürme, es lauern einige Eisberge, von denen man nur die Spitze sehen kann, manches bleibt unentdeckt und dunkel, aber hoffentlich kann der Leser öfters »Land in Sicht!« rufen. Das Sternenmeer
Noch heute besitzen die Sterne eine besondere Faszination, auf dem Walk of Fame in Hollywood sind die Hauptdarsteller der Enterprise-Crew mit einem Stern verewigt. Jules Verne beschrieb eine Reise zum Mond, berühmt wurde der Film 2001 – Odyssee im Weltraum. Die Raumfahrt begann mit Sputnik 1, und die erste bemannte Weltraummission unternahm Juri Gagarin in Wostok 1. Apollo 11 erreichte den Mond und Neil Armstrong betrat als erster Mensch den Erdtrabanten, ein kleiner Schritt für den Menschen, ein großer für die Menschheit. Kreative und erfolgreiche Erdenbürger gelten als »Stars«, herausragende Schöpfungen oder Ereignisse in der Geschichte als »Sternstunden«. Je mehr Sterne ein Koch oder Hotel hat, desto besser soll es sein, eine bekannte deutsche Automarke hat einen Stern auf dem Kühler, eine weltweit vertretene Kaffeehauskette aus Seattle hat das Wort Star im Namen, ebenso eine deutsche Wochenzeitung. Aber auch gegen die überzogenen Schwärmereien, etwa gegen den astrologischen Aberglauben mit seinen Sternbilderfantasien und Horoskopen und gegen eine Herstellung von Beziehungen zwischen den Sternen und menschlicher Schicksale waren Roddenberrys Gedanken hilfreich. Aufklärung wird ins Englische ja mit dem Bezug zum Licht der Sterne übersetzt – enlightenment –, eine Sache angemessen beleuchten, Licht ins Dunkel des Nichtwissens bringen, Verständnis schaffen, sich des eigenen Verstandes bedienen. Mit einem Songtitel der Beatles: Here comes the sun. Die Ägypter verehrten Ra, ihren Gott der Sonne, wie auch die Inkas mit Inti die Sonne als oberste Herrscherin, der erste Inka galt als Sohn der Sonne. Die Azteken bezeichneten die von einem früheren Volk errichtete riesige Pyramide von Teotihuacan als Sonnenpyramide. Die Astronomie entstand als eine der ersten Wissenschaften – »Die Weltbetrachtung begann mit der Sterndeutung« (Kant). Für...