Voskuil | Schmutzige Hände | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 690 Seiten

Reihe: Das Büro

Voskuil Schmutzige Hände

Das Büro, Band 2
1. Auflage 2014
ISBN: 978-3-95732-070-4
Verlag: Verbrecher
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Das Büro, Band 2

E-Book, Deutsch, 690 Seiten

Reihe: Das Büro

ISBN: 978-3-95732-070-4
Verlag: Verbrecher
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Wie ein langer, ruhiger Fluss plätschern im Amsterdamer Büro für Volkskunde die Jahre 1965-1972 dahin: die Zeit der Studentenrevolte und des revolutionären Aufbruchs. Doch davon ist im Büro selbst nicht viel zu spüren. Nicht einmal ein Umzug bringt merkliche Veränderungen - nachdem die unvermeidlichen Raumverteilungskämpfe erst einmal ausgefochten sind. Man werkelt weiterhin still vor sich hin - oder tut lieber gleich gar nichts. Der frühere Direktor Beerta kommt auch nach seiner Pensionierung noch täglich zur Arbeit, um sich der Wissenschaft zu widmen, was in seinem Falle vor allem bedeutet: Briefe zu schreiben und sich bei Konflikten auf die Seite des voraussichtlichen Siegers zu schlagen. Maarten und Nicolien Koning beziehen eine hochherrschaftliche Mietwohnung an der Herengracht und schämen sich für ihren neuen Luxus. Das Büro wächst derweil - und die Probleme wachsen mit, etwa in Gestalt der beiden neuen 'wissenschaftlichen Beamten' Ad Muller und Bart Asjes: ewig 'krank' der eine, ein Quertreiber der andere, personelle Totalausfälle beide. Und auch mit dem Großprojekt des 'Europäischen Atlas' läuft es gar nicht gut 'Das Büro' ('Het Bureau') war in den Niederlanden mit über 400.000 verkauften Exemplaren ein Riesenerfolg. Auch hierzulande wurde Band 1 (erschienen im Verlag C.H. Beck) begeistert aufgenommen. Weitere Informationen unter das-büro-der-roman.de

Johannes Jacobus Voskuil, geboren 1926 in Den Haag, war ein niederländischer Volkskundler. Bereits 1963 veröffentlichte er seinen ersten Roman, doch zur Berühmtheit der niederländischen Literatur wurde er erst mit dem Romanzyklus 'Das Büro', dessen erster Teil 1996 und dessen letzter 2000 erschien. Er wurde 1997 mit dem Ferdinand Bordewijk Prijs und 1998 mit dem Libris Prize ausgezeichnet. 2008 starb Voskuil in Amsterdam.

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1966
Frans hob seine Umhängetasche auf den Schoß und löste die Schnallen. »Ich habe hier noch etwas zu deinem Geburtstag.« Er zog eine Karte in einem Plastikumschlag aus der Tasche und überreichte sie Nicolien. Maarten sah von der Couch aus zu. »Wie schön!«, sagte sie überrascht. Sie gab Maarten die Karte. »Frans’ Schnecke.« Es war eine Abbildung der Schnecke in Aquarell, mit einer Apfelschale auf einem blauen chinesischen Teller vor einem schwarzen Hintergrund. »Findest du sie schön?«, fragte Frans unsicher. Er war rot geworden. »Ich finde sie unheimlich schön.« »Verdammt hübsch«, fand Maarten. Er gab Nicolien die Karte zurück. »Mag sie Apfelschalen?« »Ja, Apfelschalen findet sie lecker.« Er sah noch einmal in seine Tasche und zog ein Taschenbuch heraus: Ist das ein Mensch? von Primo Levi. »Und das gebe ich mal wieder zurück.« Er zögerte kurz, unsicher, wem er es geben sollte. Maarten nahm es ihm ab. »Wie fandest du es?«, fragte Nicolien. »Um ehrlich zu sein: Ich habe es nicht gelesen.« Er errötete. Maarten blätterte ein wenig in dem Buch und legte es dann zwischen ihnen auf den Tisch. »Fandest du es zu schlimm?«, fragte Nicolien. »Ja, eigentlich schon. Ich habe schon genügend Elend mit mir selbst, nicht wahr?« Er sah sie unsicher an und richtete seinen Blick dann auf Maarten. »Ja, verrückt, nicht?«, sagte sie. »Ja, so bin ich nun mal.« Frans streckte die Hand aus und drehte das Buch um, die Abbildung des Muselmanen auf dem Umschlag nach unten, wobei er erneut rot wurde. »Und du willst es auch lieber nicht sehen«, vermutete sie. Er erschrak. »Nein … ach, er hat natürlich schon ein Recht darauf, aber …« Er zögerte. »Aber du denkst, dass du es deshalb noch lange nicht zu sehen brauchst«, ergänzte sie. »Ja«, sagte er zögernd, »ja, vielleicht ist das so.« Er sah sie hilflos an. »Findest du das ungehörig?« Sie lachten, und er lachte selbst nun auch. »Wenn ich so etwas lese, macht es mich gerade stärker«, sagte sie. »Nein, das ist bei mir nicht so. Es macht mich nur traurig.« »Noch trauriger«, vermutete Maarten. »Ja«, sagte er unsicher, »aber das ist natürlich nicht richtig.« »Ach«, sagte Maarten, »jeder hat seine eigenen Therapien.« »Ja, so denke ich eigentlich auch darüber«, sagte er dankbar. Sie schwiegen. »Möchtest du Kaffee?«, fragte Nicolien. Sie stand auf und ging in die Küche. »Wie geht es dir jetzt?«, fragte Maarten. Er griff zum Tabak und begann, seine Pfeife zu stopfen. »Ganz gut.« Maarten lachte. »Nicoliens Mutter sagt dann: ›Danke, ich soll dich grüßen.‹« »Ja, so ungefähr.« Er lachte ein wenig. »Ich bin wieder mal bei van der Meer gewesen.« »Warum?« »Wegen dieser Frau Koppejan.« Maarten zog den Kopf zurück, die Hälfte eines Nickens. »Ich habe Tabletten bekommen, um meine Libido zu steuern.« »War das nötig?« »Sonst komme ich nie von ihr los.« Er sah Maarten flüchtig an. »Findest du das verkehrt?« »Ach, verkehrt …« »Wenn ich keine Tabletten nehme, sitze ich den ganzen Tag da und denke an sie«, entschuldigte sich Frans. »Schon der Anblick ihres Fahrrads bringt mich durcheinander. Wenn ich ihre Schreibmaschine höre, werde ich völlig verrückt. Und wenn sie auch nur ein Wort zu mir sagt, geht mir das den ganzen Tag im Kopf herum.« »Wenn du so eine Tablette nimmst, hast du das nicht?«, fragte Maarten skeptisch. »Nein, obwohl … Neulich hatte ich eine Tablette genommen, und da habe ich trotzdem noch halb und halb mit ihr vereinbart, zu zweit einen Garten zu nehmen, und dann habe ich sofort wieder allerlei Phantasien über nachts zusammen schlafen und so …« »In der freien Natur.« Frans lächelte. »Ja, aber das ist natürlich nicht gut.« Er sah Maarten unsicher an. »Findest du nicht auch?« »Ich habe nichts dagegen«, versicherte Maarten schmunzelnd, »aber ich bin nicht der liebe Gott.« »Nein, das bin ich selbst«, gab Frans zu. Nicolien kam mit dem Kaffee herein. »Frans nimmt wieder Tabletten«, erzählte Maarten, »gegen seine Libido.« »O ja?«, fragte sie erstaunt. »Gegen Frau Koppejan«, erklärte Frans. »Es fing an, mir wieder alles ein bisschen über den Kopf zu wachsen.« »Und funktioniert das denn?« »Ja, wenn ich eine Tablette nehme, kann ich ruhig ihr Fahrrad stehen sehen, ohne dass etwas passiert.« »Komisch.« »Ja, komisch«, fand auch Maarten. »Ach, wenn es denn hilft, habe ich damit keine Probleme. Ich hatte schon vor, mich sonst mal wieder krankzumelden.« »Krankmelden ist auch so was«, fand Maarten. »Ja, dagegen hast du etwas, nicht wahr?«, fragte Frans. »Wir haben jetzt einen Hausmeister, der sich alle naselang krankmeldet«, erzählte Maarten, »und wenn er nicht selbst krank ist, will er früher nach Hause, weil es seiner Frau nicht gut geht. Der Mann müsste jeden Tag, gleich beim Aufstehen, eine Tracht Prügel bekommen, mit einem Stock.« Der letzte Satz klang sehr rachsüchtig. »Das finde ich, um ehrlich zu sein, ziemlich faschistisch«, sagte Frans und sah rasch zu Nicolien. »Ja, ich auch«, sagte sie scharf. »Und ich bin auch nicht deiner Meinung!« »In diesen Dingen bin ich ein Faschist«, sagte Maarten zufrieden. »Das ist mir völlig egal. Darin bin ich schon etwas komisch!« »Na ja, ich kann es mir schon vorstellen«, sagte Frans. »Ich habe das auch manchmal.« »Aber nur, wenn es andere betrifft«, präzisierte Maarten. »Ja.« Er wurde rot. »Nun, bei mir ist es nicht so!«, sagte Nicolien. »Ich finde es ganz schlimm, so zu reden! Stell dir vor, dass der Mann wirklich krank ist!« »Der Mann ist nicht wirklich krank«, versicherte Maarten. »Er ist ein Scharlatan und ein Schmarotzer, das habe ich gleich am ersten Tag gesehen. Mit so jemandem habe ich kein Mitleid.« »Aber er leidet doch an Kopfschmerzen!« »Das sagt er! Aber ich glaube ihm kein Wort. Übrigens, Kopfschmerzen … Ich habe ständig Kopfschmerzen, damit kann man doch wohl arbeiten!« »Du bleibst auch schon mal zu Hause.« »Ja, wenn ich vor lauter Kopfschmerzen nicht aus den Augen gucken kann! Wenn ich solche Kopfschmerzen habe, dass ich mich übergeben muss!« »Vielleicht geht es Wigbold genauso.« »Ach was«, sagte er verärgert. »Ein Mann mit einem solchen Kopf! Der Mann hat keine Kopfschmerzen! Der weiß nicht einmal, was Kopfschmerzen sind!« Er sah Frans an. »Wusstest du, dass Beerta noch nie Kopfschmerzen gehabt hat? Der weiß tatsächlich nicht, was Kopfschmerzen sind, sagt er. Glaubst du das?« »Das sagt er vielleicht bloß«, gab Frans zu bedenken. »Möglich. So, wie er auch immer sagt, dass er nie Urlaub nimmt.« Er lachte. »Der Beerta-Faschismus!« »Vielleicht muss man ja völlig leer sein, um keine Kopfschmerzen zu haben«, vermutete Frans vorsichtig. »Ja«, sagte Maarten. »Ich habe auch noch versucht, ein Ohr zu zeichnen«, erzählte Frans. »Von dir?« Frans errötete. »Nein, von Frau Koppejan.« »Warum ein Ohr?« »Geht es euch denn nicht so, dass euch Ohren interessieren?« Er sah unsicher von Maarten zu Nicolien. Nicolien lachte. »Ich glaube nicht.« »Es gibt bei Ohren so wenig Variationen«, fand Maarten. »Sie können abstehen, wie bei Klaas …« Er dachte nach. »Sie können auch noch zerknautscht sein, lange Ohrläppchen, überhaupt keine Ohrläppchen, aber damit hört es doch schon auf. Sie charakterisieren einen nicht besonders.« »Nein, das meine ich nicht. Ich meine die Empfindung beim Anblick eines Ohrs, das Gefühl der Überraschung.« Maarten schüttelte langsam den Kopf. Er versuchte, sich etwas darunter vorzustellen, doch es gelang ihm nicht. »Denn eigentlich ist ein Ohr etwas sehr Merkwürdiges«, half Frans. »Jedes Körperteil ist merkwürdig«, fand Maarten, »vielleicht abgesehen von den Augen.« »Trotzdem habe ich das Gefühl, dass es sehr angenehm wäre, wenn es mir gelingen würde.« ...


Johannes Jacobus Voskuil, geboren 1926 in Den Haag, war ein niederländischer Volkskundler. Bereits 1963 veröffentlichte er seinen ersten Roman, doch zur Berühmtheit der niederländischen Literatur wurde er erst mit dem Romanzyklus "Das Büro", dessen erster Teil 1996 und dessen letzter 2000 erschien. Er wurde 1997 mit dem Ferdinand Bordewijk Prijs und 1998 mit dem Libris Prize ausgezeichnet. 2008 starb Voskuil in Amsterdam.



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