Wagner | Filbur - Ein Kobold in Passau | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 100 Seiten

Wagner Filbur - Ein Kobold in Passau

E-Book, Deutsch, 100 Seiten

ISBN: 978-3-7427-5640-4
Verlag: neobooks
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Unsere Geschichte ereignete sich vor ein paar Jahren im kleinen Städtchen Passau im südöstlichsten Zipfel Bayerns, nahe an der Grenze zu Tschechien und Österreich. In dieser Stadt vergeht die Zeit ein bisschen langsamer, die Natur ist noch an vielen Stellen unberührt und Tiere wie Menschen leben glücklich nebeneinander. Das mag der Grund sein, warum sich gerade hier die sprechenden Tiere niederließen und warum - wenn man genau hinsieht - hie und da ein Fabelwesen zu entdecken ist. Die Fabelwesen, um die es in dieser Geschichte geht, sind die Kobolde. Aber nicht um grünhäutige, Axt schwingende Gruselgestalten, sondern um niedliche, pelzige Geschöpfe, die gerne stundenlang sonnenbaden und nur damit aufhören, um sich eine Handvoll Nüsse oder ein paar Löffel Honig zu genehmigen. Mit diesen Kobolden ging seit dem ausgehenden zwanzigsten Jahrhundert etwas Seltsames vor. Sie wurden von Jahr zu Jahr immer weniger, bis schließlich überhaupt keine mehr zu entdecken waren und sie allmählich aus dem Gedächtnis der Menschen verschwanden. "Kobolde?", fragen sie. "Pah, die gibt es nur in Märchen!"
Und das blieb so, bis zu der schicksalsträchtigen Nacht im Jahr 2008, als durch ein bis dahin verschlossenes Tor zwei Kobolde unsere Welt betraten. Doch ihre Ankunft stand unter keinem guten Stern. Man machte Jagd auf sie. Und nur einer der beiden überlebte …
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2. Filbur muss es wissen
In dieser Nacht vom zweiten auf den dritten Mai, vier Jahre später, träumte Filbur. Ihm träumte, dass er schlecht sah und wenig hörte, weil um ihn herum alles so laut war. Er war nass. Donnergrollen erklang ringsum. Eine vertraute und zugleich fremde Gestalt trug ihn, schützte und wärmte ihn. Blitze jagten über den Himmel und erhellten für kurze Augenblicke die finstere Umgebung. Nach kurzer Zeit jedoch war das Wesen, das ihn trug, verschwunden. Nässe und Kälte traten an seine Stelle, dann das Tapsen von hundert Pfoten, Heulen und Schreie. Filbur verstand, dass das ihn schützende Wesen nicht zurückkehren würde, da es im Gewitter den Tod gefunden hatte. Als er dies beklagte, trat ein kleineres, aber nicht weniger liebevolles Wesen auf ihn zu. Es roch fremd und doch vertraut. Es nahm ihn unter seine schützenden Fittiche und trug es an einen warmen Ort, der sein Zuhause werden sollte … Filbur erwachte mit wild klopfendem Herzen. Ihm war, als erklänge das Donnergrollen noch immer in seinen Ohren. Instinktiv hatte er während seines Schlafs die Krallen in den Boden geschlagen, um sicheren Halt zu finden. Dies war die Erinnerung, nach der er so lange gesucht hatte. Der Anfang seines Daseins. Er verließ die Häusernische und nutzte dabei Schwingen und Pfoten gleichermaßen, um sich an der Wand hinab zu hangeln. Dieser versteckte Raum zwischen zwei Häuserfassaden war einer seiner liebsten Schlafplätze im Passauer Oberhaus, dem Ort, den er, seit er denken konnte, sein Zuhause nannte. Aber wo war er ursprünglich hergekommen? Im Freien stieß er mit Seppi, einem kleinen rotfelligen Eichhörnchen, und Minki, einer dreifarbigen Hauskatze mit dichtem Pelz, zusammen. Sie suchten nach ihm. Filbur, Seppi und Minki, alle im gleichen Alter, waren schon lange gute Freunde und trafen sich so gut wie jeden Tag. In abgerissenen Sätzen erzählte er ihnen, was passiert war.

Minki sagte nichts, nur ihre gelben Augen wurden eine Spur schmäler. Diese Augen, das elegant geschnittene Gesicht, sowie die besondere Zeichnung ihres Fells verschafften ihr eine Sonderstellung in der Tierwelt; denn, wie es der Zufall wollte, gab es im Fernsehen der Zweibeiner eine sehr berühmte Katze namens Cressida. Sie spielte in Katzenfutterwerbung mit, aber auch in bayerischen Heimatsendungen hatte sie Rollen und Gastauftritte. Minki wurde sehr oft mit Cressida verwechselt und musste dann minutenlang erklären, dass sie mit dem Fernsehen nicht das geringste zu tun hatte. „Ich muss wissen, was es mit dem Traum auf sich hat“, sagte Filbur. „Wo meine Mutter jetzt ist.“ Natürlich war allen Wesen, die Filbur zu Gesicht bekamen, klar, dass Moira nicht seine richtige Mutter sein konnte. Dafür sprachen seine spitzen Eckzähne, die man sonst nur von Fledermäusen kannte, die bräunliche Haarmähne um seinen Kopf herum, genau wie die ledrigen Schwingen auf seinem Rücken. Er war keine Katze, kein Dachs, kein Igel. Niemand hatte eine Bezeichnung für seine Wesensart. „Aber wie willst du das herausfinden?“ Seppi schaute ihn mit großen Augen an. Das Eichhörnchen, das recht klein für sein Alter war, neigte dazu, ein wenig ängstlich zu sein und in Gefahrensituationen zu plappern wie ein Wasserfall. „Ich frage Moira“, war Filburs Antwort. Als die anderen Anstalten machten, ihm zu folgen, bedeutete er ihnen stehen zu bleiben. „Bleibt ihr hier. Ich muss sie das allein fragen.“ Da er noch immer nicht gelernt hatte zu fliegen - (wer sollte es ihm auch beibringen? Vögel hatten im Gegensatz zu ihm fedrige Schwingen und Fledermäuse waren um einiges leichter) - machte er sich zu Fuß daran, den Georgsberg zu erklimmen. Moira war keine junge Katzendame gewesen, als sie ihre letzten Jungen bekommen hatte. Vier Jahre später gehörte sie zur älteren Generation und das Leben als Wildkatze hatte seine Spuren hinterlassen. Neuerdings schlief sie viel und manche munkelten, dass dies ihr letzter Sommer auf dem Oberhaus sein könnte. Trotzdem hatte sie für Filbur immer ein offenes Ohr, wenn er sie auf ihrem Sonnenplatz besuchte. Die Umstände seiner Adoption waren tragisch gewesen und noch nie hatte sie so gekämpft, ein Junges durchzukriegen. Einen kurzen Moment lang hatte Filbur den schrecklichen Eindruck, sie würde nicht atmen, als er sie auf einem großen Felsen vorfand. Aber dann öffnete sie ein trübes Auge und sah ihn an. „Filbur, mein Kleiner, besuchst du mich?“, fragte sie krächzend. Den Spitznamen Kleiner hatte sie immer für ihn übrig gehabt und Filbur verband ihn instinktiv mit der bezeichnenden Nacht. Er vertrödelte keine von Moiras wertvoller Zeit. „Heute vor vier Jahren in der Nacht vom zweiten auf den dritten Mai, was ist da passiert, Mama?“ „Woher weißt du das?“, wisperte sie. „Ich hab' es geträumt.“ Sie schloss beinahe die Augen. „Magie.“ Er drängte sie nicht und sie sprach langsam weiter. „Ich zog an einem abgelegenem Fleck meine Jungen auf. Es war eine stürmische Gewitternacht. Eine Jagd fand statt. Eine Jagd, deren Ziel du und deine Mutter wart.“ Filbur fühlte eine unheimliche Spannung von seinem Körper Besitz ergreifen. Jetzt endlich erfuhr er die Wahrheit. Bisher hatte Moira zu seiner Vergangenheit immer geschwiegen und er hatte keine Fragen gestellt. „Deine Mutter … hat es nicht geschafft. Sie versteckte dich. Ich hörte deine kläglichen Rufe, ging zu dir und befreite dich aus deinem Loch. Ich nahm dich mit zu mir und zog dich auf.“ Tausend Fragen wirbelten in Filburs Kopf umher. „Wer machte Jagd auf uns? Wo kam sie her? Was war sie?“ „Die Menschen machten Jagd auf sie. Wo sie herkam, weiß ich nicht. Ich sprach nie mit ihr.“ „Welche Menschen?“ „Ich kann nur Vermutungen anstellen, Filbur. Als der fähigste Jäger im Raum Passau galt ein gewisser Dagobert Eisenbeiß. Vor einem Jahrzehnt war er äußerst erfolgreich. Heute ist er, glaube ich, im Ruhestand, er ist über sechzig Jahre alt.“ „Warum sagst du mir das erst jetzt?“ „Du bist erst jetzt bereit dazu.“ Eine Frage galt es noch zu stellen. Er holte tief Luft. „Was bin ich?“ Moira sah ihn lange an. Da waren Flecken in ihren gelben Augen, die auf einen fortgeschrittenen grauen Star hinwiesen. „Kwarlux nennen wir Katzen euer Geschlecht. Kobold nennen dich die Menschen.“ „Kobold.“ Filbur spürte ein Kribbeln in der Magengegend, das Fell auf seinen Armen sträubte sich und er wusste, dass er seiner Identität ein ganzes Stück näher gekommen war. Endlich hatte er eine Antwort für diejenigen, die ihn als übergroße Fledermaus oder missgebildeten Koboldmaki beschimpften.

„Ein Kobold.“ Minki staunte. Die drei saßen an einem Aussichtspunkt der Menschen, von dem aus man die Altstadt Passaus, eingerahmt von den beiden Flüssen, Donau und Inn, überblicken konnte. Filbur kannte alle wichtigen Gebäude: das Rathaus, den Dom, die St. Michael Kirche, Mariahilf… er hätte sich keine schönere Stadt vorstellen können. Gerade hatte er seinen Freunden Moiras Auskunft mitgeteilt. Das Wort schien der Katzendame etwas zu bedeuten. „Sie treten in den Gutenachtgeschichten der Menschen auf. Normalerweise sind sie jedoch menschenähnlicher.“ „Vielleicht gibt es verschiedene.“ Filbur wollte alles darüber herausfinden, was es zu wissen gab. „Und jetzt?“, fragte Seppi, der schon wieder nervös wurde. „Was gedenkst du zu tun?“ „Ich muss etwas über die Jäger herausfinden. Wo sie sich aufhalten und wo sie die Kobolde aufgespürt haben. Dort … liegt mein Ursprung.“ Minki wich plötzlich seinem Blick aus. Filbur, der ihre Mimik gut kannte, deutete es richtig: „Du weißt etwas darüber. Du weißt, wo die Jäger sind!“ „Nicht, wo die Jäger sind … “ Sie zögerte. „Du musst es mir sagen!“, beharrte er. Sie wusste, dass er recht hatte. „Es ist gefährlich, Filbur, es ist richtig gefährlich, wir könnten umkommen!“ „Was heißt da wir?“, fragte er abwehrend. „Du glaubst doch nicht, dass wir dich das alleine machen lassen?“ Seppi nickte heftig. Filbur sah sie mit einem halb wütend, halb belustigen Blick an. Er kannte die stolze Art der Katzendame, die, obwohl sie bei Menschen auf einem Bauernhof lebte, ihr stolzes Wesen nie abgelegt hatte. „Also, was weißt du?“, fragte er seufzend. „Im Inglinger Tierheim lebt ein ehemaliger Jagdmarschall. Es ist eine ausrangierte polnische Bracke namens Marschall Wunibald. Ihn könntest du fragen, aber …“ „Aber was?“ Filbur war von dieser Neuigkeit hellauf begeistert. Er wusste, dass "Bracke" die Bezeichnung für eine Hunderasse war. Minki rang die Pfoten. „Wir müssen einen Fluss überqueren, sieben Kilometer zurücklegen, in einen anderen Stadtteil übersiedeln, Uni und Klinikum passieren! Das ist höchst besiedeltes Gebiet! Unmöglich, dass kein Mensch dich zu Gesicht bekommt!“ Filbur war erstaunt über ihre genauen Kenntnisse. Als "Bleiber" (so bezeichnete man Tiere, die dort bleiben konnten, wo sie geboren worden waren) hatte Minki natürlich nie in einem Tierheim leben müssen. „Ich hatte einen Freund dort“, erklärte sie auf seinen fragenden Blick hin. „Ein Freund?“ Merkwürdige Bilder spukten in Filburs Kopf umher und er verstand die Gefühle nicht, die sie bei ihm auslösten. Aber jetzt war keine Zeit, darüber nachzudenken. „Du vergisst etwas“, sagte er. „Wir gehen natürlich bei Nacht.“ Die anderen beiden sagten nichts mehr,...


Nicole Wagner ist Studentin der lateinischen und englischen Philologie. Sie schreibt Geschichten seitdem sie vierzehn ist, wobei sie sich vornehmlich dem Bereich fantastischer Kinder- und Jugendliteratur widmet. Ihr erstes vollendetes Manuskript "Val und die Löwenstatue" veröffentlichte sie im Jahr 2015 beim Self-Publishing-Verlag Paramon.


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