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E-Book, Deutsch, 247 Seiten

Weber Der Fisch, der lieber eine Alge wäre

Das erstaunliche Zusammenleben von Tieren und Pflanzen

E-Book, Deutsch, 247 Seiten

ISBN: 978-3-406-66027-6
Verlag: C.H.Beck
Format: PDF
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Tiere und Pflanzen – das ist weit mehr als eine Geschichte von Fressen und Gefressenwerden. Häufig bilden sie Lebensgemeinschaften, in denen alle Beteiligten aufeinander angewiesen sind. Der Biologe Ewald Weber gibt dafür viele so erstaunliche wie faszinierende Beispiele. Sein Buch ist zugleich ein engagiertes Plädoyer dafür, die Vielfalt des Lebensnetzes zu bewahren.
Tiere bestäuben Blütenpflanzen und verbreiten deren Samen; in den Überflutungswäldern des Amazonasbeckens in Südamerika übernehmen diese Aufgabe sogar Fische. Seepocken sitzen als Mitesser auf Meeresschnecken, Kuhreiher auf Kühen; beide kommen so herum und finden Nahrung. Die Beziehungen zwischen Tieren und Pflanzen gehören zum Faszinierendsten in der Geschichte des Lebens. Dabei kommt es zu den erstaunlichsten und oft genug zu bizarren Erscheinungen. Zum Beispiel dem Fetzenfisch, dem Titelhelden dieses Buches. Mit seinen blattartigen Hautauswüchsen ist der Fetzenfisch perfekt getarnt. Er ahmt nicht nur Pflanzenteile nach, sondern sieht gänzlich wie eine Pflanze aus. Geheimnisvoll und scheinbar ohne Flossenbewegungen gleitet er durch den Algenwald.
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1;Cover;1
2;Titel;4
3;Impressum;5
4;Widmung;5
5;Inhalt;6
6;Vorwort;10
7;1 Die Natur, eine einzige Beziehungskiste;12
7.1;Unausstehlich;15
7.2;Glücklich verheiratet;17
7.3;Lebensnotwendig;22
7.4;Wenn jeder an sich denkt;24
7.5;Die Wissenschaft der Beziehungen;24
7.6;Die Mischung macht's;27
7.7;Leben bedeutet Veränderung;29
8;2 Blüten und Bestäuber: Wer tanzt mit wem?;32
8.1;Bestäuberdienst;33
8.2;Der Vater der Blütenbiologie;35
8.3;Planet der Insekten;37
8.4;Blütenmodelle;40
8.5;Wer tanzt mit wem?;43
8.6;Schlaue Bienen;46
8.7;Leuchtfeuer;48
8.8;Andere Länder, andere Sitten;50
9;3 Aufbruch zu neuen Plätzen;55
9.1;Früchte, Samen und ein großes Problem;56
9.2;Vogelbeeren;59
9.3;Fische im Baum;63
9.4;Asthöhle mit gelber Blume;65
9.5;Geisterfrüchte;68
9.6;Früchte telemetrieren;70
9.7;Die Fernfahrer;73
10;4 Gallenbildner, Minierer und die richtige Chemie;78
10.1;Mechanisch, chemisch und biologisch;80
10.2;Galläpfel und Schlafäpfel;82
10.3;Meister der Feinmechanik;84
10.4;Vielfalt an Berufen;87
10.5;Das Geheimnis des Klees;90
10.6;Die Senföl- Bombe;94
10.7;Funktionswechsel;96
10.8;Biologische und mechanische Lösungen;97
10.9;Wenn Pflanzen einander warnen;100
11;5 Von Elefanten, Giganten und anderen Vierbeinern;102
11.1;Viel Schlaf oder viel Fraß;104
11.2;Giraffen und ihre Akazien;108
11.3;Die kleinen Helfer;109
11.4;Tierische Neunzigtonner;111
11.5;Wenn Tiere ausfallen;114
11.6;Wie halten Pflanzen große Fresser fern?;119
11.7;Duldsame Gräser;122
12;6 Die Magie der Koevolution;124
12.1;Evolution, ganz leicht;126
12.2;Evolution im Tandem;130
12.3;Evolution als Single oder als Paar?;132
12.4;Als die Pflanzen bunt wurden;134
13;7 Raubpflanzen;136
13.1;Fliegenpapier, Klappfallen, Fallgruben, Staubsauger;138
13.2;Noch viel zu entdecken;143
13.3;Neue Rollenverteilung;146
13.4;Ein Leben zwischen Tentakeln;148
13.5;Vergleichende Morphologie;151
14;8 Diebe, Heiratsschwindler und Tarnkappen;154
14.1;Fälschungen;155
14.2;Blüten nicht für jeden Geschmack;157
14.3;Künstliche Blattläuse;160
14.4;Perfekt aussehen ist nicht von Vorteil;163
14.5;Mit Tipp- Ex den Kaladien auf der Spur;166
14.6;Im Tarnanzug;170
14.7;Todesgefahr in der Blüte;172
14.8;Seenadeln und Fetzenfische;175
14.9;Ist die Natur perfekt?;177
15;9 Im Dienste des Menschen;179
15.1;Drogen, Heilmittel, Gewürze, Pestizide;181
15.2;Bestäuberdienst;185
15.3;Natürliche Feinde sind stets willkommen;187
15.4;Was verbindet den Klettverschluss mit Stacheldraht?;190
15.5;Vielfalt für unsere Zukunft;192
16;10 Löcher im Netz;196
16.1;Wenn der Raps blüht;198
16.2;Weggespritzt und intensiviert;200
16.3;Leere Wälder;204
16.4;Störenfriede im System;208
16.5;Gemeinsam in den Artentod;211
17;11 Die Rettung der Vulkanpalme;214
17.1;Eine spektakuläre Rettung;217
17.2;Wenn Wildpferd und Wisent wieder übers Land ziehen;219
17.3;Projekt Isabela;223
17.4;Lebensräume aufwerten und vernetzen;227
17.5;Wie baut man einen neuen Regenwald?;229
18;Nachgedanke: Naturschutz ist Beziehungspflege;231
19;Anhang;232
19.1;Quellen;234
19.2;Bildnachweis;243
19.3;Verzeichnis der Pflanzen- und Tierarten;244
20;Zum Buch;247
21;Über den Autor;247


1
Die Natur, eine einzige Beziehungskiste
Es war einmal ein kleines Nagetier, das zählten die Zoologen zu den Zieseln. Es lebte in der Umgebung von Wien und zeichnete sich durch eine ganz besondere Vorliebe aus. Es interessierte sich nämlich für Mohnblüten. Flink huschte es auf der Wiese umher und suchte die grünen Stängel mit den roten Schirmen auf. Als es eines schönen Tages wieder zu einer Mohnblume trippelte, sich aufrichtete und mit einer Vorderpfote den Stängel festhielt, wurde es von einem geduldigen Naturfotografen beobachtet und abgelichtet, ohne dass es das bemerkt hätte. Seither ist die Begegnung zwischen dem possierlichen Tierchen und dem Mohn verewigt. Die gelungene Fotografie des Ziesels, für die sich der Wiener Naturfotograf Leopold Kanzler drei Tage auf die Lauer gelegt hatte, zeigt ein Wirbeltier, das mit einer Blütenpflanze in Wechselwirkung tritt. Man weiß nicht so recht, worauf diese Wechselwirkung hinausläuft, was der Ziesel mit der Mohnblüte vorhat. Wird er daran riechen, den Pollen sammeln oder schauen, ob sich ein Käfer in der Blüte versteckt? 1 Der Europäische Ziesel ist ein Nagetier, das im südöstlichen Europa lebt. Was auch immer geschehen mag, die Begegnungen der Arten und ihr Umgang miteinander sind so vielfältig wie die Arten selbst. In diesem Buch geht es um solche zwischenartlichen Beziehungen, die anderer Natur sind als etwa die Beziehungen von Wölfen untereinander, also zwischen Artgenossen. Auf uns selbst übertragen, wären nicht unsere zwischenmenschlichen Beziehungen das Thema, sondern der Umgang mit anderen Arten, angefangen vom Kraulen eines Hundes bis zum Pflücken einer Blume und dem Zubereiten eines Schweineschnitzels. Lassen Sie mich zunächst ein wenig bei dem Begriff «Art» verweilen. Was genau ist eine Art? Der Ziesel und der Mohn – genauer, Europäischer Ziesel und Klatsch-Mohn – sind zwei eindeutig voneinander unterscheidbare Arten, die zudem zwei vollkommen unterschiedlichen Reichen angehören, dem Tier- und dem Pflanzenreich. In anderen Fällen wird die Unterscheidung bereits schwieriger, wenn es etwa darum geht, den Klatsch-Mohn vom Saat-Mohn zu trennen. Selbst heute noch haben Biologen die größten Schwierigkeiten, den Begriff «Art» genau zu definieren. Schuld daran sind Wesen wie das Maultier, bekanntlich ein Mischling aus Pferd und Esel. Oder das Tigon, ein Mischling zwischen Tiger und Löwe; das Kunstwort ergibt sich aus den beiden englischen Wörtern «tiger» und «lion». Die beiden Großkatzen gehören doch eindeutig zwei voneinander unterscheidbaren Arten an, oder? Man braucht sich ja bloß das Fell anzusehen. Arten aber sollten sich nicht kreuzen können, das widerspricht dem Konzept einer Art. Selbst wenn es in diesen Fällen der Mensch ist, der Maultier und Tigon durch Kreuzung kreiert hat – Mischlinge entstehen auch in der Natur ständig. Eine Art ist etwas Abstraktes, eine künstliche Zuordnung von Lebewesen in ein Klassifikationssystem, das Biologen entwickelt haben. Sie stecken die Lebewesen in verschiedene Schubladen und bestimmen, zu welcher Art sie gehören. In der Natur gibt es aber nur Individuen. Wenn ich aus dem Fenster blicke, sehe ich ein Roggenfeld mit Tausenden von ähnlich aussehenden Grashalmen, Roggen eben, zweifellos eine bestimmte Art von Gräsern. Ein paar Eiben und Kiefern stellen zwei weitere Arten dar, und die Amsel, die jeden Morgen singt, gehört zur Art mit dem wissenschaftlichen Namen Turdus merula. Alles eindeutig voneinander unterscheidbare Arten. Das Problem besteht darin, dass die Individuen sehr vieler Arten mitunter so unterschiedlich sind, dass wir nicht mehr sicher sind, ob wir sie nicht zwei oder mehreren Arten zuordnen sollen. Zudem sind in der Natur Übergangsformen zwischen manchen Arten vorhanden, was die Abgrenzung ebenfalls nicht einfacher macht. Der Wundklee macht es vor. Wundklee, der am Strand vorkommt, sieht anders aus als Wundklee, der im Gebirge wächst, aber beide gehören zur Art «Wundklee», weil die Gestalt eben doch ähnlich ist. Von solchen schwierigen Fällen einmal abgesehen, ist klar, was eine Art ist: alle Individuen eines Tieres, einer Pflanze oder eines anderen Organismus, die denselben Aufbau haben und sich untereinander paaren und vermehren können. «Alles, was sich schart und paart, gehört zu einer Art», so steht es auf einem Schaukasten im Naturkundemuseum Berlin. All die vielen Tiere und Pflanzen, die in Bestimmungsbüchern abgebildet sind, stellen Arten dar. Die Arten sind die Elemente der belebten Natur auf unserem Planeten, und ihre Anzahl ist enorm. Die Spitzenposition nehmen dabei mit einer Million bekannter Arten die Insekten ein, aber selbst bei den Blütenpflanzen sind es an die 300.000 Arten. In einem Lebensraum wie einem Wald oder einer Wiese leben Hunderte von Arten auf engstem Raum zusammen: Pflanzen, Insekten, Spinnen, Säugetiere, Vögel, Pilze, Fadenwürmer und Mikroben. Da muss es zwangsläufig zu ganz unterschiedlichen Beziehungen zwischen den Arten kommen. Tatsächlich machen die Elemente selbst noch keine Natur aus. Erst durch die Beziehungsnetze zwischen den Arten wird die Natur zu dem, was sie ist. Vernetzt leben ist keine Erfindung des Menschen. So wie ein Schachspiel erst durch die Züge der Schachfiguren entsteht, ist auch in der Natur das Wechselspiel zwischen den unzähligen Arten von größter Bedeutung. Und eine wichtige Ursache für die Entstehung neuer Arten. Wie bei uns Menschen gehen sich gewisse Arten aus dem Wege, weil sie einander nicht ausstehen können, andere finden zueinander, helfen einander oder schließen gar einen Bund fürs Leben. Wiederum andere leben auf Kosten anderer, nutzen sie schamlos aus oder verdrängen sie ganz einfach und jagen sie vom Platz. Am besten lernen Sie die Vielfalt der Beziehungen kennen, wenn ich Ihnen ein paar besonders auffällige Beispiele vorstelle. Unausstehlich
Manchmal ist es ganz gut, wenn nicht immer alles peinlich sauber gehalten wird und ein Quäntchen Unordnung herrscht. So wie im Labor des schottischen Bakteriologen Alexander Fleming (1881–1955), wo Flaschen, Dosen und Gerät nicht immer steril und hermetisch wie heutzutage verschlossen waren. Fleming – auf Fotografien trägt er stets eine Fliege – arbeitete mit Staphylokokken, weitverbreiteten Bakterien, die etwa eitrige Wunden verursachen. Er kultivierte sie in Petrischalen, diesen flachen Glasschalen mit Deckel, die für ein mikrobiologisches Labor unentbehrlich sind. Sie werden sterilisiert und unter sterilen Bedingungen mit einem Nährmedium versehen, das anschließend mit Bakterienstämmen beimpft wird. So lassen sich Reinkulturen eines ganz bestimmten Bakteriums züchten. Die Bakterien vermehren sich und bilden auf dem Nährboden typische Kolonien wie runde Tupfer, oder die Oberfläche des Nährmediums trübt sich von den vielen Einzellern. Zu Kontaminationen mit anderen Mikroorganismen kann es trotz aller Vorsicht immer wieder kommen; die Labore der 1930er Jahre waren sicher nicht so modern eingerichtet wie die heutigen. Da braucht es nicht viel, und einige der allgegenwärtigen Pilzsporen gelangen unbeabsichtigt in eine Petrischale. Dies bemerkte auch Fleming am 28. September 1928, als er eine der Schalen hochhielt. Ein Schimmelpilz hatte sich gebildet und zeigte sich als runder Fleck wie bei einem angeschimmelten Stück Brot. Zum Glück warf der Wissenschaftler die Petrischale nicht verächtlich weg, sondern betrachtete sie aufmerksam. Merkwürdig, um den Schimmelpilz herum gediehen keine Bakterien, obwohl ansonsten der Nährboden durch die Bakterienkolonien ganz trüb war. Eine klare und bakterienfreie Zone, eine kreisrunde Aurora umgab den Pilz, in der Bakterien offensichtlich nicht wachsen konnten. Was war wohl der Grund? Der Pilz, Fleming erkannte ihn als eine Art von Penicillium, sonderte offenbar einen keimtötenden Stoff ab. Es sollten noch ein paar Jahre verstreichen, bis aus diesem Stoff das Penicillin entwickelt wurde – das erste weltweit angewandte Antibiotikum. Für die Medizin stellte das Präparat einen Segen dar, denn jetzt konnten Wundstarrkrampf und andere bakterielle Erkrankungen geheilt werden. Der Schimmelpilz sondert die antibiotische Verbindung freilich nicht für uns Menschen ab. Fleming selbst sagte einmal, man habe ihn «bezichtigt, das Penicillin erfunden zu haben. Erfinden ließ sich das Penicillin von keinem Menschen, denn es wurde vor undenklichen Zeiten von einem gewissen Schimmelpilz hervorgebracht.» Die Substanz ist für den Pilz eine Schutzvorrichtung, um ungehindert wachsen zu können. Er bildet eine giftige Zone um sich herum, einen Kreis, der von Bakterien nicht betreten werden darf. Erstaunlich ist, dass auch manche Pflanzen sich mit solch einer Schutzzone umgeben, indem sie hemmende Stoffe aussondern. Nur richten sich diese nicht gegen Bakterien, sondern gegen andere Pflanzen. Das Phänomen wurde schon vor Tausenden von Jahren beim Anbau von Getreide und anderen Kulturpflanzen beobachtet. Ständiger Anbau gewisser Feldfrüchte führt zu einer Ermüdung des Bodens, sodass der Ertrag bei weiterem Anbau derselben Pflanze sinkt – eine Folge der Ansammlung von Hemmstoffen im Boden. Auch dass Stoffabsonderungen mancher...


Ewald Weber, geb. 1960 in der Schweiz, lehrt Biologie an der Universität Potsdam.


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