Weickelt | Esta Sola. Sind Sie allein? | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 387, 406 Seiten, Format (B × H): 121 mm x 187 mm

Reihe: Lindemanns Bibliothek

Weickelt Esta Sola. Sind Sie allein?

Ein Jahr durch Südamerika
2. Auflage 2022
ISBN: 978-3-96308-154-5
Verlag: Lindemanns VERLAG & AGENTUR
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)

Ein Jahr durch Südamerika

E-Book, Deutsch, Band 387, 406 Seiten, Format (B × H): 121 mm x 187 mm

Reihe: Lindemanns Bibliothek

ISBN: 978-3-96308-154-5
Verlag: Lindemanns VERLAG & AGENTUR
Format: EPUB
Kopierschutz: Adobe DRM (»Systemvoraussetzungen)



Dieses Reisenotizbuch zeichnet ein Bild von Südamerika, wie es eine 65-Jährige während eines Jahres erlebt hat. „¿Esta sola?“, „Sind Sie allein?“, fast täglich wurde sie das gefragt. Denn allein als Frau zu reisen ist nicht üblich in Südamerika. Elke Weickelt besuchte Argentinien, Chile, Paraguay, Bolivien, Peru und Ecuador. Sie lernte fremde Kulturen kennen, das Miteinander in enger Verbindung mit der Natur, mit Mutter Erde, „Pachamama“, wie die Indigenen sagen. Die Ärztin im Ruhestand erzählt von ihren Begegnungen mit Flashpackern, dem Selfie-Wahn der Touristen, einem Künstler in Ecuador und dem Paradies für Tiere, den Galapagosinseln. Sie erinnert sich an zwei Wochen Eingeschlossensein in Ecuador in einem kleinen Anden-Dorf während der politischen Unruhen und einem Generalstreik, der ein ­ganzes Land lahm legt. Sie schildert das Leben im Amazonas-Regenwald, geht zur Hand in Tierauffangstationen und ist immer wieder unterwegs mit Einheimischen zwischen den schmelzenden Gletschern in Patagonien und dem Nirwana weißer Salzwüsten.

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Autoren/Hrsg.


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Argentinien
Buenos Aires Der Billigflug wird dreimal verschoben. Meine Planung, nicht gerade um Mitternacht in Buenos Aires, einer völlig fremden Großstadt in Südamerika, anzukommen, misslingt total. Gelandet bin ich um 23.10 Uhr in der Nacht. Von Frankfurt mit einer Zwischenlandung in Santo Domingo und einer zweiten Zwischenlandung in Panama City plus Wartezeiten dauert es 18 Stunden bis nach Buenos Aires. Aber was soll es, ich bin unterwegs. Der Flug über den Panamakanal und die Anden ist fantastisch und entführt mich auf einen fernen Kontinent. Nachts anzukommen, ist dann doch nicht so schlimm, zumal ich mir ein Taxi zum Hotel vorbestellt hatte. Aber aufgeregt bin ich und finde es irgendwie mutig von mir, mit 65 Jahren und Mini-Koffer, ich habe insgesamt acht kg dabei, allein in die Welt zu ziehen. Das meiste in meinem Koffer sind Medikamente. Da will ich autark sein. Den Rest, so glaube ich, kann ich überall kaufen, wenn ich etwas brauche. Eine Sommer- und eine Winterhose, eine Regen- und Windjacke für jedes Wetter und ansonsten ein paar Basics und gute Schuhe – das muss reichen. Mütze, Schal und Handschuhe sind natürlich unverzichtbar. Mir wird plötzlich bewusst, dass ich hier niemanden kenne und auf mich allein gestellt bin. Nur Mut. Die Einreise ist einfach. Ich erhalte ein Touristenvisum für drei Monate. Im Flughafen von Buenos Aires gibt es vier Geldautomaten und alle sind leer. Das ist erst mal ein Schock, schließlich brauche ich argentinische Pesos. Ich erfahre, dass es kein Geld gibt, Inflation. Die Inflationsrate liegt bei 54 %, so hoch wie in den letzten 28 Jahren nicht. Das Land ist total verschuldet. Zweistellige Inflationsraten sind nicht ungewöhnlich hier. Wie soll ich nun das Taxi bezahlen? Da muss ich wohl an meine kleine Dollarreserve gehen und zahle natürlich zu viel. Fängt ja gut an. In den nächsten Tagen ist mein dringendstes Bedürfnis, alle möglichen Bankautomaten auszuprobieren, um an Geld zu kommen. Schon vor Öffnung der Banken stehen die Leute in langen Warteschlangen davor. Als ich endlich eine Bank finde, gibt es nur 200 Euro umgerechnet und das in kleinsten Scheinen. Im Hotel packe ich ein Riesenbündel aus, das in kein Portemonnaie geht und auch nicht in den Geldgürtel – es ist einfach zu dick. Ich werde diesen Geldautomaten die nächsten Tage ein paar Mal erleichtern. In dieser Situation gibt mir das Geld Sicherheit. Die vielen Scheine auf dem Bett kommen mir vor wie Donald Ducks Geldspeicher. Das Hotel ist wunderschön in altem Kolonialstil mit großem Innenhof mitten im Zentrum von Buenos Aires in der Avenida de Mayo. Und es ist nicht mal laut – oh Wunder. Buenos Aires hat circa drei Millionen Einwohner. Auf der Plaza de Mayo finden jeden Tag Demonstrationen statt, große und kleine, die Argentinier sind diesbezüglich ein sehr aktives Volk. Am zweiten Tag gibt es einen Marathon bei strömendem Regen. Es stürmt und schüttet den ganzen Tag. Wasser fließt ins Hotel, Stromausfall. Der ganze Innenhof ist überschwemmt. In die Zimmer kommt es nicht, aber trockenen Fußes kommt man auch nicht auf die Straße. Die Leute nehmen es cool. Offensichtlich ist es nicht das erste Mal. Bei uns würde man anders reagieren. Ich helfe beim Wasser entfernen mit Eimern. Improvisation ist angesagt, das können sie mit einer selbstverständlichen Gelassenheit, die uns wohl völlig abgehen würde. Die nächsten Tage herrscht Unwetter: Flüge fallen aus und das Fußballspiel. Wenn ein Fußballspiel in Argentinien ausfällt, ist das für die Leute eine der größten Katastrophen, die sie sich vorstellen können, lerne ich. Die Argentinier sind verrückt nach Fußball. Im 19. Jahrhundert wurde er von englischen Einwanderern nach Argentinien gebracht. Darauf verweist der Name eines der wichtigsten Vereine: River Plate. 1986 holte die argentinische Nationalmannschaft den Weltmeistertitel gegen Deutschland. Ich verstehe nichts von Fußball, aber man kann sich dem nicht entziehen, wenn man hier Kontakt zu den Menschen haben will und man muss sich dafür interessieren, weil es ihr Leben so bestimmt. Genauso populär wie River Plate ist der auch aus Buenos Aires stammende Verein Boca. Die Begegnung der beiden Clubs gilt als Kampf zwischen zwei Klassen: Boca, der Arbeiterklasse, und River Plate, der Mittel- und Oberschicht. Bei vielen dieser Begegnungen gibt es Gewaltaktionen der Fans schon vor der Begegnung. Das habe ich unmittelbar miterlebt, zumal es fast das einzige beherrschende Thema der Nachrichten war und auch das Gesprächsthema überall. Es ging dann so aus, dass das Spiel nach Madrid verlagert werden musste, um überhaupt gewaltlos über die Bühne gehen zu können. Ich besuche den Stadtteil La Boca. Bei einer großen Stadtrundfahrt kann man überall aussteigen und dann in den nächs­ten Bus wieder einsteigen. Diese Touristenbusse fahren alle 20 Minuten. Das ist prima und bequem. Vor La Boca wurde ich gewarnt. Der Stadtteil liegt im Armenviertel von Buenos Aires und es wird dort wohl viel gestohlen. Überfälle soll es auch geben in den Randgebieten des Viertels. Das Zentrum ist fantastisch. Es ist ein einziges Kunstwerk mit bunt angestrichenen Wellblechhäusern. Eine Touristenattraktion mit vielen Restaurants und Bars. Man kann draußen sitzen und es werden Kunstwerke und Souvenirs verkauft. La Boca liegt am Riachuelo-Fluss und hat ein Museum für Moderne Kunst: Fundacion Proa mit dem Blick auf die alten Hafenanlagen. Als ich die Touristengassen mit den bunten Häusern verlasse, wird es öde und die Armut ist unübersehbar. Schaut man hin, sieht man viel Armut in Buenos Aires. Ich habe schon viel auf meinen Reisen gesehen, aber dass ein Säugling im Bordstein der Straße liegt, das habe ich auch noch nie gesehen. Keiner kümmert sich, es scheint niemanden aufzuregen. Die Eltern lehnen an einer Häuserwand, offensichtlich vollgepumpt mit Drogen. Ich spreche einen Polizisten an, aber der tut auch nichts, die Leute gehen daran vorbei. Kann ich etwas machen? Heute gibt es eine Demonstration von Frauen auf der Avenida de Mayo. Es sind viele. Sie kämpfen für Gleichberechtigung, für Abtreibung. Hinterher kommen die Frauen, die gegen Abtreibung sind. Und Gewalt gegen Frauen, das Thema Femizid wird auf den Plakaten aufgegriffen. Dazu erfahre ich später mehr. Die Frauenbewegung ist hier sehr aktiv. Es geht um Themen, die uns in Europa so intensiv vor vielen Jahren beschäftigt haben. Die Argentinier denken viel nach, diskutieren über gesellschaftlichen Wandel, sind kritisch, mutig und energiegeladen und machen ihren Mund auf: klar, deutlich, rigoros, modern, offen. So erlebe ich es jedenfalls. Das hätte ich nicht gedacht. Buenos Aires ist auch eine laute Stadt, ein Moloch, voll, hektisch, schlechte Luft, viel Verkehr, aber immer spannend. Eine anstrengende Stadt, am frühen Abend, ich bin müde und schlafe viel. Meine vornehme Zurückhaltung und mein defensives Auftreten, empfohlen in allen Reiseführern, besonders für allein reisende Frauen, gebe ich nach zwei Tagen auf. Erstens bin ich das nicht, zweitens bin ich allein und will Kontakt haben und drittens: Wenn ich die Menschen nicht anspreche, dann lerne ich auch kein Spanisch. Mein Spanisch ist in der ersten Zeit miserabel. Ich habe einen Fernseher im Zimmer und die Idee, beim Fernsehen mit einem Wörterbuch spanisch zu lernen. Es ist mir wichtig, wann immer möglich, die Nachrichten zu sehen. Sehr rasch kenne ich Worte wie Mord, Raub, Verhaftung, Opfer, Femizide, Vergewaltigung auf Spanisch. Das ist das wesentliche Vokabular der Nachrichtensendungen. Sie bringen immer wieder die gleichen Bilder dazu, stundenlang, den ganzen Tag, das ist eine Art Gehirnwäsche. Es wird den ganzen Tag immer wieder über Verbrechen gesprochen in vielen Gesprächsrunden. Reißerische Szenen, Mord, Überfälle, Raub und sonstige Katastrophen werden ständig wiederholt. Keine gute Idee, um Spanisch zu lernen und nicht gut für die Psyche. Derzeit findet hier der Weltkongress der Psychoanalytiker statt. Ich erfahre, dass es in Buenos Aires mehr davon gibt als in jeder anderen Stadt der Welt. Am nächsten Morgen ist überall Polizei und alles Mögliche ist abgesperrt, auch immer wieder die Avenida de Mayo. Es gibt noch mehr Demonstrationen. Es findet hier in einer Woche der G7-Gipfel statt, das internationale Treffen von sieben Außenministern. Kein Wunder, die viele Polizei. Ich flüchte zum Recoleta Friedhof. Mit der U-Bahn ist das völlig unkompliziert. Dieser Friedhof liegt in einem der teuersten und wohlhabendsten Viertel von Buenos Aires. Eine Ruhestätte vieler prominenter Einwohner mit eindrucksvollen Gräbern und Mausoleen. Es ist wie eine eigene Stadt, durch die man stundenlang spazieren kann. Am nächsten Tag lautet die Schlagzeile: Bombe auf dem Recoleta-Friedhof. Diese Bombe an einem Grab, an das ich mich gut erinnern kann, vor dem ich lange gestanden habe, muss kurz nachdem ich den Friedhof verlassen habe explodiert sein. Glück gehabt. Es wurde niemand verletzt. Dieses Erlebnis beschäftigt mich aber doch noch ein paar Tage. Es ist alles ziemlich ungewohnt hier und man muss doch wohl immer auf der Hut sein. Das ist anstrengend. Kein Wunder, dass ich so viel schlafe. Das kommt mir aber entgegen, weil ich nicht allein im Dunkeln durch diese Stadt gehe. Ich bin erst mal sehr vorsichtig. Es gibt so viel zu sehen, was mich veranlasst, zwei Wochen zu bleiben. Ich möchte alles sehr langsam machen und auch viel ausruhen, in Cafés sitzen und nur alles beobachten, ohne mich zu bewegen. Ich habe Geburtstag und überlege, was ich mir da Gutes tun kann und...



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