E-Book, Deutsch, 304 Seiten
Wilke Das Karlgeheimnis
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-649-64088-2
Verlag: Coppenrath
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Ein Fall für die Detektivin und mich
E-Book, Deutsch, 304 Seiten
ISBN: 978-3-649-64088-2
Verlag: Coppenrath
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Emil steckt so richtig in der Klemme! Erst nimmt ihm seine Lehrerin, die fiese Bertram, sein Notizbuch weg und jetzt verschwindet auch noch Karl auf geheimnisvolle Weise. Dabei ist er nicht nur der einzige Erwachsene, der Zeit für Emil hat, sondern auch Emils größter Fan. Emil ist nämlich Krimiautor. Aber dieser Fall ist für ihn allein zu knifflig. Zum Glück gibt es Finja! Die ist eine richtige Detektivin wie Sherlock Holmes und hat sogar einen Watson (ihren Hund). Ob sie gemeinsam das Rätsel lösen können?
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Irgendwann hat Karl zwischen meinen Schulbüchern mein eigentlich total geheimes Notizbuch gesehen und mich gefragt, was ich darin aufschreiben würde. Da habe ich ihm von meinem Krimi erzählt, den ich angefangen habe. Als Karl gehört hat, dass ich mal ein richtiger Schriftsteller werden will, ist er total ausgeflippt vor Begeisterung und hat gemeint, dass ich ihm unbedingt mal was aus meinem eigenen Buch vorlesen müsse. Deshalb sitze ich jetzt hier bei ihm auf der Treppe, und weil heute nicht viel los ist, hat Karl sich einen Kaffee gekocht und sitzt ausnahmsweise auf der Stufe über mir und guckt mir über die Schulter. Was blöd ist, weil ich besser lesen kann, wenn Karl weiter in seinem Büdchen räumt und nicht dauernd mitliest. Aber wenigstens unterbricht er mich nicht immer wegen so Kleinigkeiten wie einem p zu viel oder zu wenig. Trotzdem soll Karl nicht schon vorher wissen, wie die Geschichte weitergeht. Das nennt man Spannungsbogen. Schlimm genug, dass diese Finja einfach in meine Notizen geguckt hat. Bei Frau Wischnewski funktioniert das mit der Spannung nämlich schon ganz gut. Frau Wischnewski ist zufällig vorbeigekommen, weil sie sich die neue Fernsehzeitung kaufen wollte, und dann ist sie einfach dageblieben und hat auch zugehört. »Der arme Hund«, flüstert sie jetzt und schnappt selbst ein bisschen nach Luft. Sie beugt sich zu Paul runter und gibt ihm einen Hundekuchen, den sie vorher aus ihrer Kittelschürze gekramt hat. »Du musst keine Angst haben, das ist nur eine Geschichte, bestimmt geht alles gut aus«, flüstert sie und tätschelt seinen Kopf. Paul ist der Dackel von Frau Wischnewski, und sein Schmatzen verrät, dass er überhaupt keine Angst hat, sondern einfach noch mehr von diesem leckeren Hundeknabberzeug will. Karl hat mir erzählt, dass Paul eigentlich einmal der Name von Frau Wischnewskis Mann war. Paul Wischnewski. Mit dem war Frau Wischnewski verheiratet, seit sie ein junges Mädchen gewesen war. Sie hat für ihn gekocht und die Wohnung geputzt und mit ihm abends zusammen Fernsehen geguckt, wenn er müde von der Arbeit nach Hause kam. Aber der richtige Paul Wischnewski ist vor drei Jahren ganz plötzlich gestorben. Erst habe ich gedacht, ich könnte seinen Tod vielleicht in meinem Krimi verarbeiten. Ein guter Krimi braucht eine Leiche, und da wäre es praktisch gewesen, jemanden zu verwenden, der sowieso schon tot ist. Aber Karl wusste, dass dieser Paul nur an Herzversagen gestorben war. Ganz ohne Grund. Also er wurde nicht einmal besonders erschreckt oder so und es hat ihn auch niemand vergiftet. Er hat einfach in seinem Sessel vor dem Fernseher gesessen und irgendeine langweilige Musiksendung geguckt, als sein Herz plötzlich aufgehört hat zu schlagen. Vielleicht war dem Herz die Musik auch zu langweilig gewesen. Vielleicht war es auch einfach nur müde vom vielen Arbeiten. Das kann ich für meinen Krimi nicht gebrauchen. Deshalb kommt Paul Wischnewski darin gar nicht vor. Außerdem hätte es mir auch leidgetan, wenn Paul Wischnewski ermordet worden wäre, denn dann hätte ich Frau Wischnewski zu einer Verdächtigen machen müssen. Und dafür ist sie eigentlich viel zu nett. Weil aber die nette Frau Wischnewski keine Lust hatte, immer nur für sich alleine zu kochen, und auch abends nicht immer alleine Fernsehen gucken wollte, hat sie sich Paul aus dem Tierheim geholt. Also den anderen Paul. Den Dackel. Und der schmatzt und kaut jetzt an seinem Hundekuchen herum. »Psst!«, zischt Karl und rückt wieder dichter an mich heran. »’tschuldigung.« Frau Wischnewski steckt Paul schnell noch einen Krümel aus ihrer Schürzentasche zu. »Aber das ist doch wirklich gemein, so an dem armen Hund zu zerren.« »Darum geht es aber doch gar nicht.« Karl verdreht die Augen. »Darum geht es nicht?« Frau Wischnewski schnauft. »Aber natürlich geht es darum. Emil hat das doch eben selbst vorgelesen: Der Hund zappelte und röchelte.« Ich hole tief Luft. So macht das alles überhaupt keinen Spaß. Die spannende Stelle mit dem Finger kommt schließlich erst noch. Karl holt auch tief Luft. Dann stellt er seine Kaffeetasse so heftig auf den Boden, dass sie klirrt und ein Schluck Kaffee auf die Treppenstufe schwappt. »Es geht doch darum, WARUM der blöde Hund so störrisch ist und unbedingt in diesem Gebüsch bleiben will. Bestimmt hat er irgendwas gefunden, das da nicht hingehört.« Frau Wischnewski zuckt zusammen. Ihr Gesicht ist jetzt kalkweiß. Paul fiept. Frau Wischnewski fummelt noch einen Hundekuchen aus ihrer Tasche. »Er hat es nicht so gemeint«, murmelt sie. »Was habe ich nicht so gemeint?« Verwirrt guckt Karl von Paul zu mir, dann zu Finja und dann wieder zu mir. »Blöder Hund«, sagt Finja. »Du hast blöder Hund gesagt.« Frau Wischnewski stößt einen Schluchzer aus. Ich seufze. Und lege vorsichtshalber meinen Zeigefinger auf die Stelle, an der ich aufgehört habe zu lesen. Frau Wischnewski zieht geräuschvoll die Nase hoch. »Mein Paul ist nicht blöd. Er ist sogar ein ausgesprochen kluger Hund. Gell, Paul, das müssen wir uns nicht gefallen lassen?« Sie kramt wieder in ihrer Schürze. Diesmal zieht sie ein Taschentuch hervor, mit dem sie sich Tränen aus den Augen wischt. Dann schnäuzt sie sich so laut, dass Paul erschrocken den Kopf einzieht. »Autsch.« Finja hat mir ihren Ellenbogen in die Seite gestoßen. »Los, lies weiter!«, zischt sie. »Schnell!« Das ist gar nicht so einfach. Schließlich ist das meine erste öffentliche Lesung aus meinem Kriminalroman. Also eigentlich ist der Roman noch lange nicht fertig, es ist also meine erste öffentliche Lesung aus meinem noch nicht fertigen Roman, und weil ich die ganze Geschichte mit einem Bleistift in mein Notizbuch geschrieben habe, muss ich mich beim Vorlesen sehr konzentrieren, denn manchmal kann ich meine eigene Schrift nicht richtig entziffern. Das liegt daran, dass ich oft nur heimlich unter der Bettdecke schreiben kann, wenn ich eigentlich schlafen soll. Oder in der Schule unter dem Tisch, wenn die fiese Bertram mal nicht so genau hinguckt. Die fiese Bertram ist meine neue Lehrerin. Mama mag es nicht, wenn ich sie so nenne, deshalb sage ich zu Hause immer nur »Frau Bertram«, aber verglichen mit meiner alten Lehrerin ist sie wirklich richtig fies. Meine alte Lehrerin hieß Frau Sonntag, und die war tatsächlich immer wie ein sonniger sommerwarmer Sonntag. Sie las uns jeden Freitag spannende Geschichten vor, brachte uns manchmal Eis mit oder Kuchen, hatte Heimwehbonbons und Trostpflaster in ihrer Schublade und für besonders tolle Hausaufgaben bekam man einen witzigen Sticker für das Sammelalbum. Bei Frau Sonntag machte die Schule fast immer Spaß. Aber blöderweise mussten Mama und ich umziehen, weil Mama ihren Job verloren hatte und in ihrem neuen Job nicht mehr genug verdiente, um unsere Wohnung bezahlen zu können. Und weil Papa nicht mehr da war und ihr nicht mehr helfen konnte, die Wohnung zu bezahlen. Klingt alles ein bisschen kompliziert, und irgendwann schreibe ich die ganze Geschichte auch mal auf, damit man sie besser versteht, aber das wird ein ziemlich trauriges Buch, und damit kann man nicht so viel Geld verdienen. Deshalb habe ich beschlossen, zuerst einen Krimi zu schreiben. Mit Krimis kann man nämlich ziemlich reich werden. Oder mit Science-Fiction. Aber mit Aliens und solchen Sachen kenne ich mich nicht so gut aus. Karl hat gesagt, als Science-Fiction-Autor muss man ganze Welten ganz neu erfinden. Mit allen Ländern und Flüssen, allen Orten und Pflanzen und Außerirdischen und Weltraumtechnik und allem Pipapo. Das stelle ich mir ziemlich anstrengend vor. Mir reicht es ja schon, dass wir in einen anderen Stadtteil umgezogen sind und ich deshalb auch die Schule wechseln musste. Das ist mir genug neue Welt. Es gab in der alten Klasse eine Abschiedsparty für mich, und dann schenkte mir Frau Sonntag ein geniales Notizbuch, weil jetzt so viel Neues in meinem Leben passiert. »Damit du alles aufschreiben kannst«, sagte sie. »Bestimmt wird aus dir mal ein richtiger Schriftsteller.« Und jetzt sitze ich auf den Treppenstufen neben Karls Büdchen und lese den Anfang meines ersten richtigen Romans vor. Das heißt, ich hätte gerne vorgelesen, wenn ich nicht dauernd dabei gestört worden wäre. »Kannst du jetzt bitte weiterlesen?« Karl gibt mir einen Schubs. »Ich will echt wissen, was der Hund in dem Gebüsch zu suchen hatte.« »Bestimmt einen Jogger«, murmelt Finja. Ich gucke zu Frau Wischnewski rüber. Sie hat ihr Taschentuch wieder eingesteckt und zuppelt die ganze Zeit an ihrem Kopftuch rum. »Soll ich?«, frage ich vorsichtshalber. Frau Wischnewski wirft Karl noch einen vernichtenden Blick zu, dann verschränkt sie ihre Arme und nickt. Die Lockenwickler auf ihrem Kopf rascheln leise. »Okay.«...