Wilks Wolf Shadow - Verlockende Gefahr
1. Auflage 2010
ISBN: 978-3-8025-8408-4
Verlag: LYX
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
E-Book, Deutsch, Band 01, 432 Seiten
Reihe: Wolf-Shadow-Reihe
ISBN: 978-3-8025-8408-4
Verlag: LYX
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Eileen Wilks wurde in Texas geboren und lebt seit über dreißig Jahren in der westtexanischen Stadt Midland. Seit 1996 schreibt sie Liebesromane, die regelmäßig auf die amerikanische Bestsellerliste gelangen, und wurde mehrfach für den RITA Award und den Romantic Times Award nominiert.
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6 Die Wohnung der Fuentes befand sich in La Mesa. Der schlichte zweistöckige Gebäudekomplex bildete ein Rechteck mit einem Swimmingpool und einem Anwohnerparkplatz in der Mitte. Irgendein Möchtegern-Poet hatte den Wohnkomplex „Die Oase“ getauft, aber diesem Namen wurde er nicht gerecht. Lediglich zwei riesige Palmen standen an der Straße. Keine Gärten, Verandas oder Balkone. Nichts Grünes. Wenigstens waren die Häuser nicht rosa angestrichen. Lily seufzte, als sie nach einer freien Parklücke suchte und an ihr eigenes winziges Apartment dachte. Sie hatte sich mit der hässlichen Pillenfarbe des Hauses und dem Platzmangel arrangiert, weil es nur drei Blocks vom Strand entfernt war, aber manchmal packte sie doch der Wohnungsneid. Schließlich musste sie das Auto zwei Straßen weiter abstellen, aber so hatte sie Gelegenheit zu einem schönen Spaziergang. Es war ein sonniger, makelloser Tag, wie man ihn häufig im Herbst erlebte. Genau wegen dieses Wetters zogen die Leute nach Kalifornien. Lily hatte plötzlich das überwältigende Bedürfnis, in der Erde zu wühlen. Sie hatte zwar keinen eigenen Garten, nur ein paar Blumentöpfe, aber die Großmutter ließ ihr freie Hand auf ihrem Anwesen. Vielleicht konnte sie sich später noch ein Stündchen dafür abzwacken. Lily klingelte bei Rachel und musste eine ganze Weile warten, bis die junge Frau sie über die Sprechanlage zu sich nach oben bat. Ihr Apartment befand sich im zweiten Stock, an einer Ecke des Gebäudes. Das Treppenhaus mit den schmucklosen Betonstufen führte zu einem Flur mit zwei Wohneinheiten. Lily wollte danach noch mit den Bewohnern von 41C sprechen, um in Erfahrung zu bringen, was sie über Rachel und Carlos Fuentes wussten. Sie drückte auf den Klingelknopf und wartete. Als sie sich gerade überlegte, ob sie noch einmal klingeln sollte, ging die Tür auf. Rachel Fuentes sah furchtbar aus. Ihr Gesicht war fleckig, und ihre großen Augen, die am vergangenen Abend noch so gestrahlt hatten, waren glanzlos und gerötet und hinter einer rahmenlosen Brille verborgen. Sie trug einen ausgeleierten Trainingsanzug, den sie wohl irgendwann zusammen mit etwas Rotem gewaschen hatte, denn er hatte einen merkwürdigen violetten Farbton. Ihr prächtiges Haar hatte sie im Nacken zu einem unordentlichen Knoten zusammengeschlungen. „Ich schätze, ich muss mit Ihnen reden.“ „Sie machen eine schwere Zeit durch, ich weiß. Entschuldigen Sie die Störung.“ „Kommen Sie herein.“ Trotz des angenehmen Wetters war die Klimaanlage eingeschaltet. Es war ausgesprochen kühl in dem Apartment, das um einiges größer war als Lilys – aber darin unterschied es sich nicht von vielen anderen. Es war allerdings auch viel unordentlicher als ihres; nicht schmutzig, aber wie bei einem Ordnungsfanatiker sah es dort nicht gerade aus. Und es war sehr viel bunter. Alle Farbe, die Rachel in ihrer Trauer verloren hatte, schien in ihrem Apartment fortzuleben. Die Wände erstrahlten in einem warmen changierenden Goldton. Auf der roten Couch lagen orange, gelbe und lindgrüne Kissen. Die Stühle um den Esstisch waren alle unterschiedlich gestrichen. An den Wänden hingen Gemälde; keine Drucke, sondern echte Ölbilder: eine abwechslungsreiche, leicht surreale Landschaft und ein grinsender blauer Hund inmitten von abstrakten bunten Figuren. „Haben Sie den Raum selbst eingerichtet?“, fragte Lily. „Was?“ Rachel stutzte und blieb mitten in ihrem hübschen Wohnzimmer stehen. „Oh. Ja. Carlos steht auch auf kräftige Farben, aber er interessiert sich nicht … er hat sich nicht für Einrichtungsfragen interessiert.“ „Ich bin beeindruckt.“ Und das war sie wirklich. Für Lilys Geschmack war das Interieur zwar ein bisschen zu knallig, aber man brauchte schon das Auge eine Künstlers, um derart viele kräftige Farben auf kleinem Raum so zu kombinieren, dass sie ein harmonisches Ganzes ergaben. Hier ist wahre Leidenschaft am Werk gewesen, dachte Lily. Doch das überraschte sie nicht – die Harmonie und Ausgeglichenheit, die das Apartment ausstrahlte, hingegen schon. Sie wusste nicht, ob Rachel sie überhaupt gehört hatte. Die junge Frau stand mit hängenden Armen neben der Couch und sah sich suchend um, als könnte ihr das Sofa oder der Tisch sagen, was sie zu tun hatte. Wie sollte sie sich gegenüber der Polizeibeamtin verhalten, schien sie zu überlegen, die gekommen war, um sie zum Tod ihres Ehemannes zu befragen. Lily versuchte, ihr zu helfen. „Ihre Schwester ist nicht da?“ „Sie musste arbeiten gehen.“ „Würden Sie lieber mit mir sprechen, wenn sie dabei ist?“ „Ich will es hinter mich bringen. Und es gibt da ein paar Dinge … über die ich besser reden kann, wenn sie nicht dabei ist. Sie bevormundet mich manchmal ein wenig.“ Rachel zuckte mit den Schultern. „Sie ist meine große Schwester, verstehen Sie?“ „So eine habe ich auch. Sie ist okay, aber sie vergisst nie, dass sie die Ältere ist. Ich glaube, sie hat immer noch nicht begriffen, dass ich mir mittlerweile allein die Schuhe zubinden kann.“ Ein Fünkchen Heiterkeit glomm kurz in Rachels dunklen Augen auf. „Kommt mir bekannt vor. Della will mir helfen, aber von Carlos hat sie nicht viel gehalten. Und Rule hat sie wirklich gehasst – eigentlich nicht ihn persönlich – sie hat es gehasst, dass ich eine Affäre mit ihm hatte. Im Moment kann ich sie nur schwer ertragen.“ „Ihre Eltern leben nicht hier?“ „Nein, meine Mutter ist zurück nach Tucson gezogen, als mein Vater verschwunden ist. Keiner von uns weiß, wo er steckt. Sie …“ In Rachels Gesicht spiegelten sich Schmerz und Schuldbewusstsein. „Della hält mir eine Standpauke nach der anderen. Ich hasse das. Und ich finde es absolut unerträglich, dass sie mich für eine Art Ehebrecherin hält. So war das doch gar nicht!“ „Wie war es denn?“ Rachel schaute Lily lange und fest an, doch dann schluckte sie. „Ich muss wohl mit Ihnen darüber reden. Ich will, dass Sie ihn fassen. Wer auch immer der Täter ist, ich will, dass er seine Strafe bekommt. Carlos … Er war ein Chaot.“ Sie lachte bitter. „Ein schlimmerer Chaot als ich, ob Sie es glauben oder nicht. Aber das hat er nicht verdient. Er hat es nicht verdient, so zu enden.“ „Nein, das hat er nicht. Vielleicht können wir uns setzen, und Sie erzählen mir ein bisschen von sich.“ „Oh, natürlich.“ Rachel plumpste auf die Couch. „Ich hätte Ihnen … Ich weiß gar nicht, wo mir der Kopf steht.“ Der Sessel der Couch gegenüber war gelb und lindgrün gestreift. Lily warf die Zeitung, die darauf lag, auf den Boden. „Dieses Gefühl wird wohl noch ein Weilchen anhalten, fürchte ich“, sagte sie, als sie sich setzte. „Vermutlich.“ Eine lange Strähne hatte sich aus Rachels Haarknoten gelöst. Sie strich sie sich hinters Ohr, beugte sich vor und schob die Hände zwischen die Knie. „Sie wollen wissen, wer es getan hat? Wer ihn getötet hat? Das kann ich Ihnen nicht sagen, aber Rule war es auf jeden Fall nicht.“ „Davon scheinen Sie ziemlich überzeugt zu sein.“ „Er hat doch nicht …“ Rachel musste innehalten und schlucken. „Ich könnte Ihnen jetzt sagen, dass er doch nicht mit mir im Club hätte scherzen und lachen können, wenn er gerade meinen Mann umgebracht hätte, aber das wäre für Sie einfach nur meine Meinung, nicht wahr? Und Sie würden es auch ganz normal finden, dass ich so etwas sage. Sonst wäre ich ja schuld an Carlos’ Tod. Aber das bin ich so oder so, nicht wahr?“ Lily schnürte es vor Mitleid die Kehle zusammen. „Warum sagen Sie das?“ „Ein Lupus hat Carlos getötet.“ Rachel sprang auf und begann im Zimmer auf und ab zu gehen. „Rule war es nicht, aber es war ein Lupus, also muss es etwas mit Rule zu tun haben. Oder mit dem Club. Oder mit mir. Aber ich komme trotzdem nicht dahinter, sosehr ich mich auch anstrenge.“ „Sie denken ziemlich klar, würde ich sagen.“ Rachel sah Lily gekränkt an. „Ist das ein Kompliment oder ein Vorwurf? Vielleicht sollte ich völlig aufgelöst sein.“ „Wir trauern alle auf unterschiedliche Weise.“ Und Lily hatte keinen Zweifel daran, dass die junge Frau trauerte. „Besaß Ihr Mann eine Waffe, Ms. Fuentes?“ „Ja, er …“ Sie rieb sich die Stirn. „Haben Sie nicht gestern etwas von einer Waffe gesagt?“ „Habe ich.“ Aber da war Rachel überhaupt nicht aufnahmefähig gewesen. „Wir haben eine Waffe in der Nähe der Leiche gefunden. Wir überprüfen gerade die Seriennummer, aber Sie würden uns helfen, wenn Sie uns sagen könnten, was für eine Waffe Ihr Mann gehabt hat.“ „Eine Pistole. Eine Zweiundzwanziger.“ „Hat er sie oft bei sich gehabt?“ „Nein, aber wenn wir ins Hell gegangen sind, dann schon. Das ist ein gefährliches Viertel.“ Lily zog die Augenbrauen hoch. „Sie sind...