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E-Book, Deutsch, 400 Seiten

Willms Mirabeau

oder Die Morgenröte der Revolution

E-Book, Deutsch, 400 Seiten

ISBN: 978-3-406-70499-4
Verlag: C.H.Beck
Format: PDF
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Verfolgt vom eigenen Vater, stets am Rande des Ruins mit Schulden jonglierend, legendär hässlich von Gestalt, aber atemberaubend erfolgreich bei den Frauen, ein Vulkan an Energie und Kraft, beredsam wie ein Gott - so zieht der junge Graf Mirabeau seine Kometenbahn durch das vorrevolutionäre Frankreich. Doch dann schlägt seine historische Stunde.
Als die Revolution beginnt, sind die Revolutionäre noch ohne Plan. Einer aber hat ihn: Honoré Gabriel de Mirabeau. Er will, dass aus dem absolutistisch regierten Frankreich Ludwigs XVI. endlich eine konstitutionelle Monarchie wird, in der dem Dynasten ebenso klare Grenzen gesetzt werden wie Parlament und Regierung. Nur so wird der König seinen Thron behalten können und die Revolution jenem Terror entgehen, dessen Exzesse Mirabeau hellsichtiger kommen sieht als jeder andere. Brennend vor Ehrgeiz zieht Mirabeau alle Register im Kampf um die Macht. Mit Bravour und glänzender Sachkenntnis erzählt Johannes Willms das abenteuerliche Leben eines Mannes, der an beiden Enden brannte und mit 42 Jahren an völliger Erschöpfung stirbt, kurz bevor die Revolution in ihre radikale Phase eintritt.
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Autoren/Hrsg.


Weitere Infos & Material


1;Cover;1
2;Titel;3
3;Zum Buch;400
4;Über den Autor;400
5;Impressum;4
6;Widmung;5
7;Inhalt;7
8;Prolog;9
9;Erstes Buch Unordnung und frühes Leid;13
9.1;Erstes Kapitel Familienbande;15
9.2;Zweites Kapitel Ein ungeliebter Stammhalter;35
9.3;Drittes Kapitel Kleine und große Fluchten;50
9.4;Viertes Kapitel Die Schule der Einsamkeit;69
10;Zweites Buch In den Vorzimmern der Macht;85
10.1;Erstes Kapitel Licht und Schatten der Freiheit;87
10.2;Zweites Kapitel Kritik und Krise;104
10.3;Drittes Kapitel In diplomatischer Mission;123
10.4;Viertes Kapitel «Ich, als Bürger, zittere um die königliche Gewalt»;142
10.5;Fünftes Kapitel «Immer zwischen Misthaufen und Palast»;161
11;Drittes Buch Richelieu der Revolution;185
11.1;Erstes Kapitel Die Mühen der Ebene;187
11.2;Zweites Kapitel Der Ancien Régime implodiert;211
11.3;Drittes Kapitel Der große Anlauf;233
11.4;Viertes Kapitel Im Sold des Königs;261
11.5;Fünftes Kapitel Als Frosch im Milchtopf;286
11.6;Sechstes Kapitel «Die politische Apotheke»;310
11.7;Siebtes Kapitel Die letzte Illusion;334
12;Anhang;359
12.1;Anmerkungen;361
12.2;Abbildungsverzeichnis;389
12.3;Personenregister;391


Zweites Kapitel Ein ungeliebter Stammhalter
Am 9. März 1749 wurde dem Marquis de Mirabeau in Bignon ein fünftes Kind geboren. Es war eine schwere Geburt, denn der Kopf des Neugeborenen war ungewöhnlich groß. Gabriel-Honoré war der zweite Sprössling männlichen Geschlechts. Gleichwohl fiel ihm die Rolle des Stammhalters zu, weil der am 16. März 1744 geborene Victor-Charles-François 18 Monate zuvor an den Folgen einer Vergiftung gestorben war; er hatte im Haus des manischen Vielschreibers ein Tintenfass ausgetrunken. Aus der frühen Kindheit Mirabeaus ist zu berichten, dass er mit drei Jahren an den Blattern erkrankte. Die Narben, die zurückblieben, entstellten sein Gesicht dauerhaft. Daran hat er sein Leben lang schwer getragen,[1] zumal die Blatternnarben Folgen hatten, die sein weiteres Schicksal beeinflussten. So rühmten sich die Riquettis, ein Geschlecht gutaussehender Männer zu sein. Wegen des von Blatternnarben verunstalteten Gesichts konnte Mirabeau diesem Ideal nicht entsprechen. Das war eine Ursache der Abneigung, die sein Vater gegen ihn hegte und die unter den Jahren stetig größer wurde, bis sie in Entzweiung und Feindschaft von Vater und Sohn einmündete. Die Saat dieses Zerwürfnisses ging schon in der Kindheit Mirabeaus auf. Das zeigen gelegentliche briefliche Äußerungen. Am 9. Oktober 1754 etwa schrieb der Marquis dem Bailli: «Dein Neffe ist so hässlich wie der von Satan.»[2] Es waren aber nicht nur die Blatternnarben, die den Vater verstörten. Das Kind hatte für ihn auch eine große Ähnlichkeit mit dem verachteten Schwiegervater, weshalb der Marquis behauptete, es sei dessen vollkommene «portraicture».[3] Schließlich nährte der Heranwachsende den Verdacht, er schlüge dem jüngsten Bruder, dem «schwarzen Schaf» der Familie, nach. Davon abgesehen liegen die ersten 15 Lebensjahre des Stammhalters im Dunklen, denn im regen Briefwechsel des Marquis mit dem Bailli wird der Neffe nur selten erwähnt.[4] Der Vater war mit seiner Schriftstellerei beschäftigt und schenkte dem Sohn auch deshalb wenig Aufmerksamkeit, weil dessen Erziehung einem M. Poisson anvertraut wurde, der ein Verwalter der Güter war. Diese Erziehungspraxis war nicht ungewöhnlich. Der Nachwuchs sollte in der Furcht vor Strafe und nicht im Erlebnis von Zuneigung groß werden. Das fasste der Marquis in die Maxime, es sei nicht ratsam, wenn die Väter Kameraden ihrer Söhne seien. Die Zugewandtheit des Vaters ebenso wie der Glanz im Auge der Mutter sind für ein Kind grundlegende Erlebnisse. Beide musste Mirabeau vermissen. Das würde böse Folgen haben, wie der Baron Carl Heinrich von Gleichen erkannte. Gleichen hatte sich in Bayreuth mit Louis-Alexandre de Mirabeau angefreundet und verkehrte häufiger in dessen Haus. «Wenn M. Mirabeau sich als ein schlechter Vater und Ehegatte präsentierte», schrieb er in seinen Erinnerungen, «muss man auch einräumen, dass er eine Frau hatte, die mit ihrem Betragen über die Stränge schlug, und einen ältesten Sohn, den man vor dem Schafott bewahren musste. Die despotische, erniedrigende und hasserfüllte Art und Weise, mit der dieser Sohn in seinem Vaterhaus behandelt und jeglicher Zuversicht beraubt wurde, nur weil er hässlich war und sich durch die ihm verhängten Strafen nicht zähmen ließ, erstickte in ihm das Ehrgefühl und den Ehrgeiz, die sich auf dem Grund seiner tapferen Seele finden lassen müssen, verstärkte die Wildheit seiner Leidenschaften und schärfte seinen Verstand, der sich von dem seiner Eltern nicht nur unterschied, sondern diesem auch überlegen war. Ich habe ihnen wiederholt gesagt, dass sie aus ihm einen großen Schurken statt einen bedeutenden Mann machten. Er wurde dann das eine wie das andere.»[5] Das Urteil wird durch den Mémoire bestätigt, den Mirabeau für den Vater Ende des Jahres 1777 aufschrieb. «Ich könnte von mir sagen», heißt es darin, «dass ich von meiner Kindheit, von meinen ersten Schritten in dieser Welt an, nur wenige Zeichen Ihres Wohlwollens empfangen habe; Sie behandelten mich schon mit Strenge, bevor ich diese rechtfertigte; Sie hätten deshalb schon sehr früh erkennen müssen, dass dies meine natürliche Leidenschaft anfachte, statt sie zu zügeln; dass es gleichermaßen einfach gewesen wäre, mich zu mäßigen oder mich zu verwirren; dass der erste Weg mich ans Ziel, der zweite aber mich von ihm abbrachte; dass ich nicht geboren war, um als ein Sklave behandelt zu werden.»[6] Mit 15 Jahren wurde Mirabeau unter dem Pseudonym eines M. de Pierre-Buffière, dem Namen eines Besitzes in der Nähe von Limoges, der den Schwiegereltern gehörte, im Februar 1764 in die Obhut eines neuen Erziehers in Versailles gegeben. Dieses Erziehungsexil währte kaum drei Monate. Danach bezog Pierre-Buffière Ende Juni 1764 das Pariser Internat eines Abbé Choquart. Den drei Jahren, die er sich hier aufhielt, verdankte Mirabeau im Wesentlichen seine Kenntnisse der alten und neuen Sprachen, von Zeichnen und Musik. Außerdem wurden Fechten, Reiten, Schwimmen und Tanzen gelehrt. Der Aufenthalt in diesem Internat, in dem er sich unter Gleichaltrigen bewegte, war der wahrscheinlich glücklichste Abschnitt in der Jugend Mirabeaus. Kaum 18 Jahre alt geworden, wurde er nach dem Vorbild von Vater und Großvater ins Militär gesteckt. Der Marquis bestimmte dafür ein Kavallerieregiment, das in Saintes an der Charente stationiert war. In der Kleinstadt traf Mirabeau im Juli 1767 ein. Das Regiment war mit Bedacht gewählt, denn dessen Chef, ein Oberst de Lambert, war ein Anhänger der Physiokratie und damit in gewisser Weise ein Schüler des Ami des hommes. Zunächst schien alles zur Zufriedenheit des Vaters zu verlaufen, der sich im April 1768 an Kriegsminister Choiseul wandte, dem Sohn eine Offiziersstelle zu geben. Kaum drei Monate später erhielt der Marquis vom Regimentschef die Nachricht, sein Sohn, der frischgebackene sous-lieutenant, sei von seiner Einheit und aus Saintes verschwunden, nachdem er beim Spiel 80 louis an Schulden gemacht habe. Diese Nachricht, so schrieb der Vater seinem Bruder, dem Bailli, habe ihn nicht sonderlich aufgeregt. «Ganz im Gegenteil war ich beinahe beruhigt, dass er sich einer Eskapade schuldig gemacht hatte, wie sie so ähnlich auch anderen unterlaufen könnte.»[7] Diese milde Reaktion des Marquis überrascht. Erinnerte er sich der eigenen Schulden, die er in diesem Alter machte? Oder hatte er bei seinem Sohn mit Schlimmerem gerechnet? Um die anfängliche Gelassenheit des Alten war es jedoch geschehen, sobald er von einem Freund, dem Duc de Nivernois, an den sich der Sohn mit der Bitte um Vermittlung beim Vater gewandt hatte, erfuhr, dass dieser sich in Paris aufhielte. Dem Schreiben, das der Sohn an den Duc gerichtet hatte, war andeutungsweise zu entnehmen, dass er mit seinem Vorgesetzten, Oberst de Lambert, in einen gravierenden Konflikt geraten sei, dessen Austragung größtes Aufsehen erregen würde, weshalb er die Flucht vorgezogen habe. Was diese Andeutungen besagen, ist nicht zweifelsfrei zu ergründen. Eine Vermutung ist, der erst 26jährige Oberst de Lambert und der sous-lieutenant Mirabeau seien Rivalen um die Gunst einer Schönen gewesen. Eine andere ist, de Lambert habe ihm ins Gewissen geredet, weil er im Sturm der Gefühle ein Eheversprechen abgelegt habe, dessen Vollzug nach den geltenden Standesregeln als gravierender Fehltritt angesehen worden wäre. Dafür spricht auch die Reaktion des Vaters, der bei Minister Choiseul einen Lettre de cachet für Pierre-Buffière erwirkte, der dessen sofortige Arretierung und unbefristete Inhaftierung in der Festung auf der Île de Rhé vor La Rochelle befahl. Das war eine drastische, aber auch sehr wirksame Maßnahme, um den Stammhalter wie dessen Familie vor einer Schande zu bewahren, in die sie sich durch den jüngsten Bruder des Marquis schon einmal gestürzt sah.[8] Die Haft, von der nicht die Rede sein konnte, denn Pierre-Buffière konnte sich auf der Insel und sogar in dem gegenüber auf dem Festland gelegenen La Rochelle frei...


Johannes Willms war Feuilletonchef und Kulturkorrespondent der "Süddeutschen Zeitung" in Paris. Er hat zahlreiche Werke zur Geschichte Frankreichs vorgelegt.


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