Wise | Wendy, Darling – Dunkles Nimmerland | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 368 Seiten

Reihe: Dunkles Nimmerland

Wise Wendy, Darling – Dunkles Nimmerland


1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-98666-460-2
Verlag: Cross Cult Entertainment
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

E-Book, Deutsch, 368 Seiten

Reihe: Dunkles Nimmerland

ISBN: 978-3-98666-460-2
Verlag: Cross Cult Entertainment
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Eine feministische Neuinterpretation dessen, was mit Wendy nach Neverland geschah.

Nimmerland ist ein Paradies für Kinder. Keine Regeln, keine Erwachsenen, nur endlose Abenteuer und verwunschene Wälder – alles angeführt von dem charismatischen Jungen, der nie alt werden würde.

Doch Wendy Darling wurde erwachsen. Sie verließ Nimmerland und wurde eine Frau, eine Mutter und eine Überlebenskünstlerin. Und jetzt ist Peter Pan zurückgekehrt, um eine neue Wendy für seine verlorenen Jungs zu holen – Wendys Tochter!

Sie muss Peter zurück nach Nimmerland folgen, um ihre Tochter zu retten und sich endlich der Dunkelheit im Herzen der Insel zu stellen.

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DARLING
LONDON 1931
Da ist ein Junge vor dem Fenster ihrer Tochter. Wendy spürt es wie ein Rinnsal aus Sternenlicht, das durch eine Ritze hereinsickert, eine Veränderung im Druck und der Zusammensetzung der Luft. Sie weiß es mit derselben Sicherheit, mit der sie ihr eigenes Fleisch und Blut kennt, und weil sie es weiß, rennt sie los. Hinter ihr fällt klappernd ihre Haarbürste zu Boden; ihre bloßen Füße fliegen über hochflorige Läufer und klatschen auf Holzdielen, am Zimmer ihres Mannes vorbei zur Tür ihrer Tochter. Das ist nicht einfach irgendein Junge, es ist der Junge. Peter. Jeder Zentimeter ihrer Haut kribbelt alarmiert; die feinen Härchen in ihrem Nacken sind aufgerichtet – der jahrelang zwischen ihren Rippen verborgene Sturm bricht sich Bahn. Peter. Hier. Jetzt. Nach so langer Zeit. Sie will rufen, aber sie weiß nicht, was, und als Wendy schlitternd zum Stehen kommt, sind ihre Zähne gebleckt. Es ist keine Grimasse, kein Grinsen, sondern ein animalisches Hecheln, panisch und wild. Janes Tür steht ein Stückchen offen. Ein schmaler Streifen Mondlicht – unnatürlich hell, als würde er aus Nimmerland nach London geleitet – ergießt sich über den Boden. Er berührt Wendys Zehen, als sie – einen Moment lang unfähig einzutreten – durch den Spalt späht. Obwohl sie reglos dasteht, rast ihr Puls. Vor jenem zu hellen Licht hebt sich die vertraute Silhouette ab: ein schmächtiger Junge mit in die Hüften gestemmten Fäusten, stolzgeschwellter Brust und hochgerecktem Kinn, die Haare zerrauft. Das ist unverkennbar Peter, wie er direkt vor dem Fenster im ersten Stock schwebt. Sie blinzelt, doch das Bild bleibt bestehen, verschwindet nicht wie jeder andere Traum zwischen heute und damals. Zwischen dem Mädchen, das sie war, und der Frau, die aus ihr geworden ist. Natürlich, denkt Wendy, denn das hier mag zwar nicht das Haus sein, in dem sie aufgewachsen ist, doch trotzdem ist es ihr Heim. Natürlich hat er sie gefunden, und natürlich hat er sie jetzt gefunden. Dem Gedanken folgt Verbitterung – hier und jetzt, nach so langer Zeit. Nein, nein, bitte nicht, denkt sie gleichzeitig, doch schon klopfen überlange Finger an die Scheibe. Ohne ihre Erlaubnis abzuwarten, schwingt das Fenster auf. Peter kommt herein und Wendys Herz stürzt ins Bodenlose. Einmal eingeladen, stets willkommen – das ist sein Motto. Peter bemerkt Wendy nicht, als sie die Tür zum Flur ganz aufstößt. Er fliegt eine Runde an der Decke und sie versucht mit schierer Willenskraft, ihre Tochter zum Weiterschlafen zu bringen, ihre Zunge zu zwingen, sich vom Gaumen zu lösen. Ihre Beine zittern, halten sie auf der Türschwelle fest, wollen einknicken und sie fallen lassen. Er kommt einfach ungeniert herein, ihr eigener Körper hingegen verrät sie, weigert sich in ihrem eigenen Haus, einen Schritt ins Zimmer ihrer Tochter zu tun. Das ist unfair. So war es immer bei allem, was Peter betraf, und nichts hat sich daran geändert. Nach Jahren des Wünschens und Wartens, der Lügen und Hoffnungen ist er schließlich hier. Und nicht ihretwegen. Peter landet am Fußende von Janes Bett. Die Decken verformen sich kaum unter seinem Gewicht; die Hülle eines Jungen, doch inwendig leer. Vielleicht liegt es an der Bewegung oder dem Licht, das aus dem Flur hinter Wendy hereindringt, aber Jane kommt halb zu sich, reibt sich die Augen. Wendy bleibt ein Warnruf im Hals stecken. »Wendy«, sagt Peter. Als sie ihn ihren Namen aussprechen hört, wird Wendy wieder zum Kind, ihre Zehen heben sich vom Boden, setzen zum Flug an, drauf und dran, ein grandioses, glanzvolles Abenteuer anzutreten. Nur dass er nicht sie ansieht, sein Blick ruht auf Jane. Wendy beißt sich auf die Wange, beißt zu, statt zu schreien. Hat er überhaupt eine Ahnung, wie lange das her ist? Der rot-salzige Geschmack ihres Blutes löst ihr endlich die zugeschnürte Kehle. »Peter. Ich bin hier.« Sie schreit nicht, wie sie es sich wünscht, bringt bloß ein halb geflüstertes, abgehacktes Etwas hervor. Peter dreht sich um, seine Augen so hell wie das Mondlicht hinter ihm. Sie verengen sich. Zuerst Misstrauen, dann ein Stirnrunzeln. »Lügnerin«, sagt er, dreist und selbstbewusst. »Du bist nicht Wendy.« Er macht Anstalten, zum Beweis auf Jane zu zeigen, aber Wendys Antwort lässt ihn innehalten. »Doch, ich bin’s.« Hört er das Beben darin, sosehr sie sich auch bemüht, ihre Stimme fest klingen zu lassen? Sie sollte Ned rufen, ihren Mann, der unten in seinem Arbeitszimmer entweder in seinen Büchern versunken oder über ihnen eingeschlafen ist, sodass er gar nicht mitbekommen hat, wie sie den Flur entlanggerannt ist. Es ist das, was ein vernünftiger Mensch täte. Ein Eindringling ist in ihrem Zuhause, im Zimmer ihrer Tochter. Jane ist in Gefahr. Wendy schluckt, sie steht Peter allein gegenüber. »Ich bin es, Peter. Ich bin erwachsen geworden.« Peters Miene verwandelt sich in ein höhnisches Grinsen. Jane ist vergessen, seine gesamte Aufmerksamkeit gilt nun Wendy. Jane schaut verwirrt zwischen ihnen beiden hin und her. Wendy will ihrer Tochter sagen, sie solle weglaufen. Sie möchte ihr sagen, sie solle weiterschlafen: dass es nur ein Traum sei. Doch die bissige Schärfe in Peters Stimme ärgert sie, lenkt sie ab. »Warum hast du das gemacht?« Wieder überläuft es Wendy heiß und kalt. Sein wie immer hochmütig verzogener Mund, seine lodernden Augen fordern sie heraus, etwas zu riskieren, provozieren sie, sich seinem Wort zu widersetzen, das doch Gesetz ist. »Das passiert eben.« Wendys Stimme wird fester, der Zorn triumphiert über die Angst. »Jedenfalls den meisten von uns.« Peter. Hier. Real. Kein wilder Traum, bewahrt als Schutzpanzer gegen die Welt. Als Wendy es endlich fertigbringt, ganz ins Zimmer ihrer Tochter zu treten, ziehen die Jahre an ihr vorbei. Und jener Schutzpanzer, poliert und geflickt und im Laufe der Zeit dicht geschlossen, bekommt einen Sprung. Einen schrecklichen Augenblick lang ist Jane vergessen. Wendy wird zu einem Geschöpf, das vollkommen aus Wünschen besteht, sie sehnt sich danach, dass der kalte Ausdruck auf Peters Gesicht schmilzt, verzehrt sich danach, dass ihr Freund ihre Hand nimmt und sie bittet, mit ihm davonzufliegen. Doch seine Hand bleibt fest in seine Hüfte gestemmt, das Kinn gereckt, damit er von seinem Platz auf dem Bett auf sie herabschauen kann. Wendy macht einen zweiten Schritt und ihr Panzer ist wieder da, wo er hingehört. Beim dritten brodelt der Zorn stärker als die Sehnsucht – wie dunkles Wasser, das unter einer dicken Eisschicht gefangen ist. Wendy presst die Arme an ihre Seiten, um zu verhindern, dass einer davon zum Verräter wird und sich nach Peter ausstreckt. Sie ist nicht mehr das einsame Mädchen mit dem gebrochenen Herzen. Sie ist das, was sie im Laufe der Jahre aus sich gemacht hat. Selbst als Michael und John alles vergaßen, hielt sie an der Wahrheit fest. Sie wurde wegen ihrer Wahnvorstellungen weggesperrt und hat es überlebt, die Spritzen, Beruhigungsmittel und Wasserkuren überstanden, die sie vor sich selbst retten sollten. Sie hat gekämpft, nie klein beigegeben: Sie hat Nimmerland nicht losgelassen. Elf Jahre ist das her, St. Bernadette mit seinen Eisenzäunen und hohen Mauern voll stirnrunzelnder Schwestern und brutaler Aufseher. Ein Ort, der dafür sorgen sollte, dass es ihr besser ging, dass sie geheilt wurde, obwohl Wendy weiß, dass sie überhaupt nie krank war. Und hier vor ihr steht der Beweis, am Bettende ihrer Tochter. Wendy richtet sich auf, ihre Kieferpartie verhärtet sich und sie sieht Peter in die Augen. In den vergangenen elf Jahren hat sie für sich, ihren Mann und ihre Tochter ein Leben aufgebaut. Sie ist nicht mehr jenes verlorene, verletzte Mädchen und über die Wendy, zu der sie geworden ist, hat Peter keine Macht. »Peter …«, hört Wendy ihre eigene Stimme, streng, mahnend. Die Stimme einer Mutter, aber nicht von der Art, die sie für Peter immer sein sollte. Ehe sie noch irgendetwas sagen kann, schüttelt er schon den Kopf. Ein einzelner abrupter Ruck, der ihre Worte vertreibt wie eine ihn umkreisende, surrende Mücke. Sein Gesichtsausdruck wirkt gleichzeitig gelangweilt und ärgerlich. »Du bist eine Spielverderberin.« Damit dreht er sich um, eine flüssige, elegante Bewegung. Peter verschwimmt und Wendy glaubt schon, dass er gehen will, doch stattdessen packt er Janes Hand. »Macht nichts. Nehm ich halt dafür diese Wendy.« Peter springt, zerrt Jane in die Luft. Die stößt einen erschrockenen Schrei aus und aus Wendys Kehle hallt sein Echo wider – eine...


A.C. Wise ist die Autorin von "Hooked" und des Bestsellers "Wendy, Darling". 2020 wurden beim Nebula Award Werke von ihr in den Kategorien Beste Novelle und Beste Kurzgeschichte nominiert. 2021 stand sie auf der Shortlist für den Bram Stoker Award, zudem war sie zweimal Finalistin für den Sunburst Award und Finalistin für die Lambda Literary Awards. Ursprünglich aus Kanada stammend, lebt sie heute in Pennsylvania, USA und arbeitet als Stipendiatin an der Penn Academy of Fine Arts in Philadelphia.



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