Adler-Olsen | Opfer 2117 | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 8, 608 Seiten

Reihe: Carl-Mørck-Reihe

Adler-Olsen Opfer 2117

Der achte Fall für Carl Mørck, Sonderdezernat Q Thriller

E-Book, Deutsch, Band 8, 608 Seiten

Reihe: Carl-Mørck-Reihe

ISBN: 978-3-423-43664-9
Verlag: dtv Verlagsgesellschaft
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Wer ist Assad? Der achte Fall für das Sonderdezernat Q erzählt seine Geschichte.
An Zyperns Küste wird eine tote Frau aus dem Nahen Osten angespült: Auf der ›Tafel der Schande‹ in Barcelona, wo die Zahl der im Meer ertrunkenen Flüchtlinge angezeigt wird, ist sie ›Opfer 2117‹. Doch sie ist nicht ertrunken, sondern ermordet worden. Kurz darauf beschließt der 22-jährige Alexander in Kopenhagen, Rache zu nehmen für ›Opfer 2117‹, dessen Foto durch die Medien ging. Bis Level 2117 spielt er sein Game ›Kill Sublime‹ - dann will er wahllos morden. Als Assad vom Sonderdezernat Q das Bild der toten Frau zu Gesicht bekommt, bricht er zusammen. Denn er kannte sie nur zu gut. Ein hochemotionaler Fall für Carl Mørcks Team, der nicht nur Assad an seine Grenzen bringt.
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2
Joan Unbeirrt von all den Joggern, Inlineskatern und dem ganzen Trubel stand die Reporterin vor der hohen Anzeigetafel und war sich ihrer Wirkung vollkommen bewusst. Mit einer schnellen Kopfbewegung warf sie ihr Haar zurück, befeuchtete die Lippen und hielt sich dann das Mikrofon vor den Mund. Männer allen Alters gafften sie mit offenem Mund an – sie und vor allem ihre Brüste. »Wie viele Menschen wirklich ertrunken sind auf der Flucht nach Europa, das für viele von ihnen das Paradies und die Freiheit symbolisiert«, sagte sie, »das wissen wir nicht. Aber in den letzten Jahren ist die Zahl auf viele Tausende angestiegen, und allein in diesem Jahr sind schon über zweitausend Menschen umgekommen.« Sie drehte sich ein bisschen und deutete auf die leuchtende Zahl auf der Tafel. »Diese Ziffer hier oben zeigt an, wie viele Flüchtlinge bereits im Laufe dieses Jahres im Mittelmeer ertrunken sind. Und dies ist nur die Zahl der erfassten Opfer. Im letzten Jahr hatte es um diese Zeit sogar noch mehr Tote gegeben, im kommenden Jahr rechnen wir mit einer ähnlichen Zahl. Es ist beschämend, dass die Welt – Sie und ich, jeder Einzelne von uns – trotz dieser entsetzlichen Zahl weiterhin wegschaut. Und das wird sich auch nicht ändern, solange diese Toten anonym bleiben. Was ist schon eine Zahl?« Sie richtete ihre dramatisch schwarz geschminkten Augen direkt in die Kamera. »Tun wir Europäer nicht so, als ginge uns das alles nichts an? Wir wissen um die Zahl der Opfer, aber wir ignorieren sie. Wir blenden die Menschen hinter den Zahlen aus. Und deshalb werden wir von TV 11 unsere kommende Reportage einem Ertrunkenen widmen, dessen Leiche vor weniger als einer Stunde im östlichen Mittelmeerraum, in Zypern, an den Strand geschwemmt wurde. Wir wollen das Leben des Menschen zeigen, der auf der Flucht ins vermeintliche Paradies sein Leben gelassen hat. Das Leben eines Menschen aus Fleisch und Blut.« Sie blickte auf ihre funkelnde diamantbesetzte Armbanduhr. »Vor nicht einmal einer Stunde fand man die Leiche dieses Mannes am Strand von Ayia Napa. Er war von den Wellen an den Strand gespült worden und zwischen ebenso fröhlichen Badegästen gelandet wie ihnen.« Mit einer ausladenden Armbewegung deutete sie auf die Sonnenanbeter am Platja Sant Miquel. »Liebe Zuschauer, dieser junge Mann, von dem ich spreche, war der Erste, dessen Leichnam heute Morgen an den beliebten Badestrand Ayia Napa auf Zypern angeschwemmt wurde. Mit ihm stieg die Zahl auf der Tafel hinter mir auf genau zweitausendachtzig.« Sie legte eine Kunstpause ein und sah hoch zu der leuchtenden Ziffer. »Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Zahl weiter steigt. Das erste Opfer an diesem Morgen war jedenfalls dieser dunkelhäutige junge Mann mit zweifarbigem Adidas-Shirt und abgelaufenen Schuhen. Warum musste er im Mittelmeer sein Leben verlieren? Wenn wir hier in Barcelona über die friedlichen azurblauen Wellen blicken, können wir uns dann vorstellen, wie dasselbe Meer Tausende von Kilometern entfernt die verzweifelten Hoffnungen von Flüchtlingen auf ein besseres Leben vernichtet?« Sie unterbrach sich, und ihr Producer spielte Aufnahmen von Zypern ein. Die Strandbesucher konnten das Ganze auf einem Monitor neben dem Kameramann verfolgen, und bei dem Anblick verstummte das Gemurmel augenblicklich. Es waren heftige Bilder von der Leiche eines jungen Mannes, bäuchlings in den Wellen, der von ein paar Helfern an Land gezogen und umgedreht wurde. Dann wurde zurückgeschaltet. Jetzt war wieder die Reporterin in Barcelona auf dem Monitor zu sehen, die zwei Meter entfernt stand, bereit, den Bericht abzuschließen. »In wenigen Stunden wissen wir hoffentlich mehr über den jungen Mann. Wer er war, woher er kam, was ihn zu der gefährlichen Flucht über das Mittelmeer veranlasst hat. Gleich nach der Werbung sind wir zurück. Die Zahl auf der Tafel hinter mir wird weiter ansteigen.« Sie endete damit, dass sie auf die Leuchtziffern deutete und mit ernster Miene in die Kamera blickte, bis der Kameramann sich bedankte und abwinkte. Joan ließ den Blick über die Menge schweifen. Das konnte eine große Sache werden! Aber war das möglich – dass außer dem Fernsehteam und ihm selbst kein weiterer Pressevertreter anwesend war? Sollte er tatsächlich einmal im Leben rechtzeitig zur Stelle gewesen sein? Bei einer Story, von der er ahnte, dass sie groß werden konnte? Sein Bauchgefühl war stärker denn je. Wer könnte eine solche Möglichkeit ungenutzt lassen! Joan blickte hoch zu der »2080« auf dem Display. Und genau wie die jungen Typen, die auf die Brüste der Reporterin starrten, während diese sich eine Zigarette ansteckte und ein paar Worte mit dem Kameramann wechselte, stand auch Joan noch eine ganze Weile wie hypnotisiert da. Vor zehn Minuten war er fest entschlossen gewesen, sich in die Statistik derer einzureihen, die im Mittelmeer ertrunken waren, jetzt starrte er wie gebannt auf die Leuchtziffern. Ihre provokante Botschaft war mit einem Mal so real und präsent, dass ihm schwindlig wurde. Hatte er tatsächlich gerade noch – wie ein kleines Kind – den Fokus allein auf sich gerichtet gehabt? Hatte selbstmitleidig und resigniert aufgeben wollen, während dort draußen auf dem Meer Menschen um ihr Leben kämpften? Ja, kämpften! Die Wucht des Wortes haute ihn fast um. Und schlagartig begriff er, was er gerade erlebt hatte, in was er hineingezogen worden war. Vor Erleichterung kamen ihm die Tränen. Er war dem Tod so nahe gewesen. Aber das hier, das war womöglich das Licht, das ihn rettete – genau wie die Wahrsagerin prophezeit hatte! Das Licht, das ihm neuen Lebensmut brachte, diese Zahl über ihm, die vom Unglück der anderen zeugte und ihm die fantastische Möglichkeit einer bisher nicht geschriebenen Geschichte eröffnete. All das wurde ihm binnen einer Sekunde klar. Sollte er tatsächlich – im Sinne der Weissagung – seinen Fuß in allerletzter Sekunde aus dem Grab gezogen haben?   In den nächsten hektischen Stunden setzte Joan den Plan um, den er auf die Schnelle entwickelt hatte. Dieser Plan würde seine Karriere retten und ihm eine Existenzgrundlage für sein zukünftiges Leben verschaffen. Als Erstes checkte er die Flüge nach Zypern. Mit der Maschine um 16.45 Uhr nach Athen würde er einen Anschlussflug nach Larnaca erreichen, sodass er gegen Mitternacht am Strand von Ayia Napa stehen konnte. Aber die Preise! Allein der Hinflug kostete fast fünfhundert Euro. Woher sollte er die nehmen, er, der nicht mal seinen Cortado hatte zahlen können? Was blieb ihm also anderes übrig, als den Schlüssel zu nutzen, den seine Ex in den letzten Wochen immer wieder von ihm zurückgefordert hatte? Er schloss die Hintertür ihres Gemüseladens auf und ging schnurstracks zum Ladentisch, unter dem sie hinter ein paar Gemüsekisten eine kleine Geldkassette versteckte. In zwanzig Minuten würde sie von ihrer Siesta zurückkommen und den Leihschein lesen, den er auf der Theke hinterlegt hatte. Und in zwanzig Minuten würde er mit knapp sechzehnhundert Euro in der Tasche auf dem Weg zum Flughafen sein. * Durchdringende Schreie gellten vom Strand von Ayia Napa herauf. Die vielen Scheinwerfer tauchten den Sand in gleißendes Licht, alles war bis ins kleinste Detail ausgeleuchtet, sogar die Schaumkronen auf den Wellen blitzten weiß. Im Sand, nur wenige Meter von einer Gruppe uniformierter Rettungsarbeiter entfernt, lagen in einer Reihe dicht an dicht die Leichname, die man aus dem dunklen Meer gezogen hatte. Ihre Gesichter waren unter grauen Wolldecken verborgen. So schrecklich der Anblick war: Aus der Perspektive des Journalisten war er auch faszinierend. Streng bewacht von der Polizei stand etwa fünfzehn Meter weiter landeinwärts eine Gruppe von zwanzig bis dreißig traumatisierten Überlebenden, verzweifelt, erschöpft und vor Kälte zitternd, trotz der Wolldecken, die sie umgehängt hatten – die gleichen grauen Decken, die auch die Gesichter der Toten bedeckten. Außer diesen Decken war das leise Weinen der Überlebenden über das Schicksal derer, die es nicht geschafft hatten, aber auch über ihre eigene ungewisse Zukunft das Einzige, was sie jetzt noch miteinander verband. »Die, die dort oben stehen, das sind die, die Glück hatten«, kommentierte einer Joans prüfenden Blick. »Sie trugen Rettungswesten, sie wurden von den Rettungsbooten ein ganzes Stück weit draußen auf dem Meer geborgen. Es ist erst eine halbe Stunde her, seit unsere Leute sie fanden. Sie hielten sich dicht aneinandergedrängt, wie ein Fischschwarm – vermutlich, um nicht auseinandergetrieben zu werden.« Joan nickte und trat vorsichtig einen Schritt näher an die Reihe der Toten heran. Zwei Polizisten wollten ihn verjagen, aber als er ihnen seinen Presseausweis hinhielt, ließen sie ihn gewähren. Stattdessen richteten sie die Kraft ihrer Autorität auf die gaffenden Touristen und Partygänger in Strandkleidung, die das schreckliche Ereignis eifrig mit ihren Smartphones dokumentierten. Wie herzlos!, dachte Joan und packte seine Kamera aus. Er verstand kein Griechisch, schon gar nicht das zypriotische, aber die Körpersprache der Rettungsarbeiter war unmissverständlich. Gerade gestikulierten sie in Richtung der Wellen. Daraufhin dirigierte ein Kollege das Scheinwerferlicht zu einem länglichen Klumpen, der landeinwärts trieb. Als die Leiche schließlich nur noch etwa zwanzig Meter vom Ufer entfernt war, watete ein Mann von der Rettungswacht hinaus und zog daran wie an einem Kleiderbündel. Kaum lag der leblose Körper am Ufer, brachen zwei Frauen aus der Gruppe der Überlebenden aus. Schwankend drängten sie sich vor und...


Adler-Olsen, Jussi
Jussi Adler-Olsen veröffentlicht seit 1997 Romane, seit 2007 die erfolgreiche Serie um Carl Mørck vom Sonderdezernat Q. Er ist einer der erfolgreichsten Bestsellerautoren weltweit. Seine vielfach preisgekrönten Bücher erscheinen in über 40 Ländern und werden mehrfach verfilmt.

Thiess, Hannes
Hannes Thiess studierte in Frankfurt am Main, Edinburgh und Kiel Altnordistik, Germanistik und Politikwissenschaft. Seit 1996 übersetzt er für eine Reihe deutschsprachiger Verlage aus dem Schwedischen, Dänischen und Norwegischen Belletristik, Sachbücher sowie Kinder- und Jugendliteratur. Im dtv sind in seiner Übersetzung die Bücher von Jussi Adler-Olsen erschienen. Hannes Thiess lebt in Kiel.

Jussi Adler-Olsen wurde am 2. August 1950 in Kopenhagen geboren. Er studierte Medizin, Soziologie, Politische Geschichte und Film. Bevor er 1995 mit dem Schreiben begann, arbeitete er in verschiedensten Berufen: als Redakteur für Magazine und Comics, als Koordinator der dänischen Friedensbewegung, war Verlagschef im Bonnier-Wochenblatt TV Guiden und Aufsichtsratsvorsitzender bei verschiedenen Energiekonzernen. Sein Hobby: das Renovieren alter Häuser.
Mit seiner Thriller-Serie um Carl Mørck und seinen Romanen ›Das Alphabethaus‹, ›Das Washington-Dekret‹ und ›Takeover‹ stürmt er die internationalen Bestsellerlisten. Seine vielfach preisgekrönten Bücher erscheinen in 42 Ländern.


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