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E-Book

E-Book, Deutsch, 384 Seiten

Alexander Machtverfall

Merkels Ende und das Drama der deutschen Politik: Ein Report

E-Book, Deutsch, 384 Seiten

ISBN: 978-3-641-27539-6
Verlag: Siedler
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Ein Jahr nach der Bundestagswahl: Der Topseller über Merkels Ende jetzt als aktualisiertes TaschenbuchZum Ende ihrer Amtszeit hatte Angela Merkel ihre wohl größte Herausforderung zu bestehen. Doch die Kanzlerin, die in Notsituationen oft zur Hochform aufgelaufen war, geriet in dieser Krise an die Grenzen ihrer Autorität. In seinem brillant geschriebenen Buch, das zum Bestseller wurde, hat Robin Alexander den spektakulären Machtverfall einer Kanzlerin und zugleich das Ende einer ganzen Ära beschrieben.Er erzählt die Geschichte hinter den Kulissen: vom harten, langen Kampf in den inneren Machtzirkeln der Republik und vom Showdown um Merkels Nachfolge, der die Union zerrissen hat - und zur Wahlniederlage im September 2021 entscheidend beitrug. Ein glänzend recherchiertes Buch, das zeigt, wie nah in der Politik der unbedingte Wille zur Macht und die Machtlosigkeit beieinander liegen.
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Laschets Exit
Als Markus Söder und Armin Laschet zum ersten Mal über ihre ­Rivalität beim Kampf ums Kanzleramt reden, tun sie das in Gegenwart eines weiteren ambitionierten Provinzpolitikers: ­Friedrich ­August II. von Sachsen, er steht direkt unter ihnen auf dem ­Dresdner Neumarkt. Der König fiel zwar schon vor fast 170 Jahren aus einer Postkutsche und starb, aber seine Bronzestatue glänzt wie eh und je in der sommerlichen Abendsonne. Söder und Laschet machen gerade eine Pause, sie stehen auf dem Balkon des Nobelhotels »Steigenberger de Saxe«. Am König vorbei können sie bis zur Frauenkirche sehen. Laschet zündet sich ein Zigarillo der Marke »Buena Vista« an, zu Deutsch: gute Aussicht. Passt ja. Im Steigenberger Hotel tagen an diesem 26. August 2019 die Parteiführungen von CDU und CSU. Sie streiten über den Ausstieg aus der Kohleindustrie, Söder will ihn um ein paar Jahre vorziehen, weil auch in Bayern gerade viele Bürgerkinder jeden Freitag fürs Klima demonstrieren. Laschet will das nicht, er regiert das Bundesland, das bei der Stilllegung von Braunkohlekraftwerken bis 2030 die Hauptlast trägt. Im Konferenzraum »Frauenkirche 1/2« führt Angela ­Merkel zwar immer noch das Wort, aber die Kanzlerin ist angeschlagen, sie hat in den vergangenen Wochen bei mehreren öffentlichen Auftritten am ganzen Körper gezittert. Und Annegret Kramp-Karrenbauer, die sie sich als Nachfolgerin wünscht, hat als CDU-Vorsitzende schon viel Autorität verloren. Der Kampf um Merkels Erbe wird noch nicht offen ausgetragen, aber die beiden potenziellen Nachfolger beschnuppern sich in der Sitzungspause auf dem Hotelbalkon wie junge Hunde. Laschet fragt Söder, warum er ihm nicht einfach offen sage, dass er Bundeskanzler werden wolle. Mit großer Geste weist es Söder von sich: Kanzler? Er? Niemals! In Bayern sei es viel zu schön. Sein Ehrgeiz liege allein darin, die CSU wieder groß zu machen. Als CSU-Vorsitzender könne er bundesweiten Ambitionen aber natürlich nicht öffentlich abschwören. Die Parteimitglieder erwarteten vom bayerischen Ministerpräsidenten nun mal, dass er mit der CDU auf Augenhöhe verhandele. Mehr sei da wirklich nicht dran. Dann kontert Söder: Aber er, Laschet, könne doch einfach bekennen, dass er Bundeskanzler werden wolle. Woraufhin Laschet alles abstreitet: Kanzler? Auf keinen Fall! Nordrhein-Westfalen liege ihm sehr am Herzen. Seine Aufgabe, das Land voranzubringen, habe er doch gerade erst begonnen. Ihn ziehe es überhaupt nicht nach Berlin. Offen sagen könne er das leider nicht, denn die Landeskinder an Rhein und Ruhr erwarteten doch, dass der Ministerpräsident des größten Bundeslandes als kanzlerfähig gelte. Mehr sei da wirklich nicht dran. So ging das eine ganze Weile hin und her. Beide auf dem ­Balkon in Dresden schworen wortreich, nicht das geringste Interesse an einer Kanzlerkandidatur zu haben. Einige ihrer Unionskollegen standen ganz in der Nähe und konnten das Gespräch mithören; deshalb ist es überliefert. Keiner der Umstehenden glaubte den beiden auch nur ein einziges Wort. Söder und Laschet sich gegenseitig wohl auch nicht. Trotzdem spielten sie einander den Arglosen vor. Bloß nicht zu früh eigene Ambitionen erkennen lassen. Auf den richtigen Moment warten, wie Radrennfahrer, die erst aus dem Windschatten starten, wenn sie wissen, dass sie den Sprint gewinnen können. Söder startet im März 2020. Er folgt keiner strategischen Planung, er handelt intuitiv in der heraufziehenden Krise. Söder spürt, dass die Rolle des entschlossenen Corona-Bekämpfers ihn ganz in die Nähe der Kanzlerin bringt und an die Spitze des Beliebtheitsrankings. Laschet bemerkt Söders Antritt zu spät. Vielleicht, weil er abgelenkt ist. Annegret Kramp-Karrenbauer hat im Februar ihren Rückzug als Parteichefin und den Verzicht auf die Kanzlerkandidatur verkündet. Das hat Laschets Plan über den Haufen geworfen. Er wollte Kramp-Karrenbauer die Kanzlerkandidatur abnehmen – aber erst zu einem viel späteren Zeitpunkt. Sie sollte noch ein paar ­Monate den Gegenwind abbekommen, bevor er sie zur Seite schieben würde. Auch die Einbindung von Friedrich Merz, auf die Laschet gesetzt hat, ist gescheitert. Und dann startet auch noch Norbert ­Röttgen völlig überraschend eine Solotour zum Parteivorsitz. Laschet hat Mühe, seine gute Ausgangsposition im Rennen um die Merkel-Nachfolge zu halten. Immerhin konnte er seinen alten Kontrahenten Jens Spahn in sein Führungsteam einbinden. Aber die Manöver haben seine ganze Aufmerksamkeit gebunden. Laschet versteht am Anfang lange nicht, welche Dimension die Corona-Krise hat. Und er muss mitansehen, dass Söder an ihm vorbeizieht. Ende März ist er Laschet in den Umfragen bereits enteilt. Der muss nun kontern, selbst raus aus dem Windschatten. Und damit voll rein in den Gegenwind. Jetzt, im Frühjahr 2020, wird nicht nur die Rivalität der beiden Ministerpräsidenten offen sichtbar – es zeigt sich in der Krise, wie unterschiedlich sie ticken und Politik verstehen. Jetzt werden Strategien und Charaktereigenschaften sichtbar, die ein Jahr später den Showdown um die Kandidatur bestimmen werden – und offenbaren, wie sie im Falle eines Wahlsiegs als Kanzler regieren würden. Armin Laschet fasst einen Plan: Söder hat die Deutschen in den Lockdown geführt – er, Laschet, will sie nun aus dem Lockdown herausführen. Irgendwann müssen Schulen, Theater und Läden ja wieder öffnen. Und diesmal will er derjenige sein, der das zuerst auf seine Fahnen geschrieben hat. So ruft Laschet Merkel an und verkündet, die Debatten über die richtige Corona-Strategie offener als bisher führen zu wollen. Ganz schlechte Idee, antwortet ihm die Kanzlerin. Die Leute sollen nicht über den Lockdown diskutieren, sondern weiter brav im Lockdown bleiben. Merkel warnt die Deutschen vor »Ungeduld«. Dazu nimmt sie per Telefon einen Podcast auf, direkt aus ihrer Wohnung, in der sie in Quarantäne sitzt. Der besondere Klang, der Ältere an eine Radioübertragung im Zweiten Weltkrieg erinnert, passt zur Dramatik der Botschaft. Wie lange »diese schwere Zeit« anhalte, könne niemand mit gutem Gewissen sagen, verkündet die Kanzlerin und schwört die Menschen auf Durchhalten ein: »Noch geben uns die täglichen Zahlen der Neuinfektionen leider keinen Grund, nachzulassen oder die Regeln zu lockern.« Natürlich könnte die Regierung, während das Land im Lockdown ausharrt, schon eine Exitstrategie planen. Aber so funktioniert Politik nicht, jedenfalls nicht bei Merkel. Die Kanzlerin ­regiert kleinteilig, von Tag zu Tag. Pläne sind hinderlich, verbauen nur Raum für Manöver. Weil ständig neue Probleme auftauchen, hält sich Merkel lieber alles offen. Dieser radikal reaktive Regierungsstil hat sich in den großen, unvorhergesehenen Krisen, die ihre Amtszeit prägten, bewährt. Und genauso wie die Eurokrise, die Finanzkrise und die Flüchtlingskrise bearbeitet sie jetzt die Corona-­Krise. Die Politiker müssten mit einer Stimme sprechen, erklärt sie ­Laschet am Telefon. Unterschiedliche, einander widersprechende Meinungen sorgten in der Bevölkerung nur für Verunsicherung. ­Laschet glaubt, das Gegenteil sei richtig: Nur wenn die Bürger sehen würden, dass ihre Belastungen von der Politik wahrgenommen werden, vertrauten sie den Vorgaben. Die Glaubwürdigkeit der Corona-­Maßnahmen werde durch Streit darüber nicht erschüttert. In einer Demokratie würde eine kontroverse Debatte überhaupt erst die Legitimation schaffen für so weitreichende Eingriffe in Grundrechte. Aber Laschet dringt bei der Kanzlerin damit nicht durch. Merkel hält sein Menschenbild für naiv. Und ihn wohl auch. Den Ärger darüber merkt man Laschet in jeder Zeile seines Gastbeitrags an, den er am 29. März in der Welt am Sonntag veröffentlicht. Es ist der Startschuss für die von ihm gewollte Öffnungsdebatte: »Der Satz, es sei zu früh, über eine Exitstrategie nachzudenken, ist falsch.« Eine Abrechnung mit Merkel. »Das Gerede von der Alternativlosigkeit, das nun wieder ungeahnte Popularität genießt, wird der Komplexität dieser Herausforderung nicht gerecht«, schreibt er. »Alternativlosigkeit« ist ja das Merkel-Motto schlechthin, auch wenn die Kanzlerin den Begriff nicht mehr benutzt, seit er 2010 zum Unwort des Jahres gewählt wurde. Auch die AfD hat sich als Anti-Merkel-Partei ganz bewusst für ihren Namen entschieden: »Alternative für Deutschland«. »Es gibt immer Alternativen«, stellt Laschet jetzt fest. »Keine Krise rechtfertigt es, im Vorfeld solcher massiven Eingriffe nicht das Für und Wider zu überdenken und abzuwägen. Selbst in der größten Krise gilt unsere Verfassung. Rechtsstaatlichkeit und Demokratie gelten immer.« Das ist ein starkes Stück. ­Laschet zweifelt damit implizit die Verfassungsmäßigkeit der Corona-Maßnahmen an. Sein Text zielt jedoch nicht nur auf Merkel, sondern auch auf seinen direkten Kontrahenten Söder. »Nicht die schnellste Entscheidung ist die beste«, schreibt er, »sondern diejenige, die wirksam ist und gleichzeitig dem Verfassungsprinzip der Verhältnismäßigkeit entspricht. Wir als Politiker sind deshalb gut beraten, nicht dem Rausch des Ausnahmezustands und der Tatkraft zu verfallen, sondern auch in dieser Stunde der Exekutive Maß und Mitte zu wahren.« Laschets Gastbeitrag ist am Samstagabend gerade erst in Druck gegangen, da erschüttert die Nachricht von einer Tragödie das politische Berlin. Der hessische CDU-Finanzminister Thomas Schäfer hat sich am selben...


Alexander, Robin
Robin Alexander, geboren 1975, zählt zu den Topjournalisten im politischen Berlin. Er war Redakteur bei der „taz“ und Reporter bei „Vanity Fair“, bevor er 2008 zur „Welt“-Gruppe wechselte. 2013 wurde er mit dem renommierten Theodor-Wolff-Preis ausgezeichnet. Seit 2019 ist er stellvertretender Chefredakteur Politik der „Welt“. Sein Buch „Die Getriebenen. Merkel und die Flüchtlingspolitik“ (Siedler 2017) stand wochenlang an der Spitze der Bestsellerliste und bildet die Grundlage für das gleichnamige ARD-Dokudrama, das 2020 ein Millionenpublikum erreichte. "Machtverfall" (2021) war ebenfalls ein großer Erfolg bei Publikum und Kritik und bestätigte seinen Ruf als herausragender politischer Kommentator. Robin Alexander lebt mit seiner Frau und drei Kindern in Berlin.


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