Bach | Die Erfindung der Globalisierung | Buch | 978-3-593-39848-8 | sack.de

Buch, Deutsch, Band 966, 270 Seiten, Format (B × H): 146 mm x 215 mm, Gewicht: 344 g

Reihe: Campus Forschung

Bach

Die Erfindung der Globalisierung

Entstehung und Wandel eines zeitgeschichtlichen Grundbegriffs

Buch, Deutsch, Band 966, 270 Seiten, Format (B × H): 146 mm x 215 mm, Gewicht: 344 g

Reihe: Campus Forschung

ISBN: 978-3-593-39848-8
Verlag: Campus Verlag GmbH


Der Begriff der Globalisierung wird erst seit der Mitte des 20. Jahrhunderts verwendet. Wie er entstand und sich im Lauf der Zeit veränderte, vollzieht Olaf Bach hier begriffsgeschichtlich nach. Er zeigt, wann und warum der Terminus zur Beschreibung eines Prozesses plausibel wurde und welche politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Phänomene es damit neu zu begreifen galt. Dabei rekonstruiert er die sozialgeschichtliche, imaginäre und temporale Bedeutung des Begriffs, der unser heutiges Bild der einen Welt, ihres Gewordenseins und ihrer Zukunft prägt.
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Inhalt
1. Einführung

2. Theoretische Grundlagen
2.1 Fluchtpunkte des begriffsgeschichtlichen Erklärungsinteresses
2.1.1 Bewegungsbegriffe - Der zeitliche Gehalt von Begriffen
2.1.2 Erfahrungsraum und Erwartungshorizont - Der imaginäre Gehalt von Begriffen
2.1.3 Gegenbegriffe - Der polemische Gehalt von Begriffen
2.2 Begriffsgeschichte im Kontext theoretischer Alternativen
2.2.1 Begriffe zwischen langer Dauer und innovativer Sprachschöpfung: Begriffsgeschichte und Intellectual History
2.2.2 Begrifflicher Wandel als Ideenevolution
2.2.3 Grundbegriff und Diskurs
2.3 Fazit: Methodisch-theoretische Grundlagen einer Begriffsgeschichte der Globalisierung

3. Begriffsvorgeschichte und Nachkriegskontext der Globalisierungsrede

4. Abgrenzungen des Untersuchungsbereichs
4.1 Wortformen und Sinnbereich der sozio-geographischen Globalisierung
4.2 Sprachräumliche Abgrenzung und Quellengrundlagen
4.3 Das Begriffswort ›Globalisierung‹ in englischen, französischen und deutschen Wörterbüchern

5. Die Globalisierungsrede bis Ende der 1980er Jahre
5.1 Gesamtschau
5.1.1 Der Beginn der Globalisierungsrede in den 1940er Jahren: Zwischen Weltkriegserfahrung und Weltfriedenserwartung
5.1.2 Die 1950er und 1960er Jahre: Schlaglichter auf neuartige Erfahrungen von Globalität
5.1.3 Die 1970er und 1980er Jahre: Bedeutungsverstetigungen und Begriffsinnovationen 109
5.2 Die Globalisierungsrede in der Wirtschaft
5.2.1 Globale Visionen zwischen Gestaltungsaufgabe und früher Globalisierungskritik: Debatten um die Multinational Corporation
5.2.2 Globalisierung als Paradigma des Managementdenkens: Die Globalization of Markets
5.2.3 Die Globalisierungsrede in der Financial Revolution
5.3 Zusammenfassung: ›Globalisierungen‹ der Nachkriegszeit

6. Die Globalisierungsrede seit 1990
6.1 Grundzüge des Globalization Rush
6.2 Antagonismen der Globalisierungsrede
6.2.1 Begriffskritik der ›Globalisierung‹
6.2.2 Kritik und Antikritik der Globalisierungsprozesse
6.3 Zum Begriffsfeld der Globalisierungsrede
6.3.1 Polemische Gegenbegriffe: Globalismus, Neoliberalismus, Imperialismus
6.3.2 Imaginative Nebenbegriffe

7. Fazit: Sozialgeschichtliche, temporale und imaginäre Dimensionen der Globalisierungsrede

Tabellen- und Abbildungsverzeichnis
Literatur
Register


1. Einführung
Diese Arbeit erzählt die Geschichte der Globalisierungsrede seit der Mitte des 20. Jahrhunderts. Ausgehend vom Neologismus ›Globalisierung‹ wird gezeigt, wann, in welchen Kontexten und mit welchen Erfahrungen und Erwartungen dieser Prozessbegriff zuerst plausibel wurde, welche Phänomene es dabei zu begreifen galt und welche Konflikte sich in der Globalisierungsrede niederschlugen und um den Begriff geführt wurden.
Die relative Neuheit des Begriffswortes - erste Belege im Englischen finden sich seit den späten 1940er Jahren - provoziert die These, dass auch die bezeichneten Phänomene der Globalisierung eine völlig neue Qualität hätten. So bemerkte der Historiker David Armitage gelegentlich, dass "the very novelty of the term […] encourages the belief that globalization itself must also be quite recent", denn: "without the word itself to affirm its existence neither the process nor the condition of globalization could exist." Das Wort an sich wird so zum Beleg dafür, dass es auch die bezeichnete Sache vorher noch nicht gab. Mag es auch historische Vorläufer geben: Das Globale, um das es jetzt geht, wird als neu verstanden und entsprechend auf den Begriff gebracht. Erst als man mit hergebrachten Semantiken nicht mehr weiterkommt, besteht Anlass zur Neuschöpfung des Begriffs - und erst als der Begriff in der Welt ist, kann man ihn weiterdenken, aufwerten und die Globalisierung in ihrer ganzen Tragweite erfassen.
Einer solchen These steht jene Position gegenüber, die gerade den Neuheitscharakter der Globalisierung bestreitet. Hierfür lassen sich sowohl auf der ›realhistorischen‹ wie der semantischen Ebene Argumente anführen: Realhistorisch lassen sich für die meisten der in der Globalisierungsrede verhandelten Phänomene Vorläufer ausmachen. Oft wird etwa auf das hohe Maß weltwirtschaftlicher Verflechtung vor dem Ersten Weltkrieg verwiesen. Im Bereich der Sprache andererseits kann auf eine Vielzahl von Weltbegriffen und darauf bezogene Semantiken verwiesen werden, die diese historischen Globalisierungen begleiteten. Verficht man diese Sichtweise, dann ist der Neologismus Globalisierung im besten Fall eine sprachlich nicht sonderlich elegante und letztlich nicht notwendige Neuschöpfung - ein neuer Schlauch für den alten Wein -, im schlimmsten Fall aber ein Versuch, die soziale Welt mit (mutmaßlich ideologischen) Motiven neu zu beschreiben. Das Wort und seine Bedeutung belegen weder den Neuheitscharakter der Globalisierung, so diese Position, noch zeigen sie einen bestimmten, noch zu erklärenden Wandel an, sondern: Alles, was heute Globalisierung genannt werde, war bereits vorher da, und das Wort sei eine Leerformel.
Der Ausgangspunkt dieser Arbeit liegt zwischen diesen Extremen: Einerseits geht sie von der Annahme aus, dass sprachlicher Wandel sozialen Wandel abbildet und ein Neologismus auf diese Weise das vormalig Unbeschreibbare oder Unbeschriebene anzeigt. Andererseits wirken Bezeichnungen auf die soziale Welt zurück. Ein neues Wort zeigt nicht nur an und registriert, sondern mittels der dadurch geschaffenen Ausdrucksmöglichkeiten entfaltet es in seinem Gebrauch verändernde Wirkungen. Sobald der Globalisierungsbegriff eine Geschichte hat - und genau dies zeigt diese Arbeit -, wird aus der eben formulierten Kritik am Begriff selbst ein Teil der historischen Entwicklung in der Gegenwart, der zu beschreiben und zu erklären ist. Begriffsgeschichtlich zu füllen ist daher die Forschungslücke zwischen den Extrempositionen des ›alles war schon da‹, bevor von den entsprechenden Prozessen von ›Globalisierung‹ überhaupt gesprochen wurde, einerseits und der Vorstellung, allein die Emergenz eines neuen Begriffswortes ›mache alles neu‹. Mag auch dieses oder jenes Phänomen in sehr ähnlicher Weise in historischen Zeiten bestanden haben: Die Verdichtung teilweise weltweiter Verflechtungen etwa im späten 19. Jahrhundert entwickelte Begriffe, Semantiken und Symbole, um diese zu erfassen, doch brachte sie keinen umfassenden Prozessbegriff hervor, der mit dem zeitgeschichtlichen Globalisierungsbegriff gleichgesetzt werden könnte.
Die vorliegende Studie steht damit nicht zuletzt im Kontext der Diskussion um die Geschichtlichkeit bzw. den epochalen Charakter der Globalisierung. Diese entzündete sich auf breiter Front an der manchmal impliziten, oft aber auch offensiv geäußerten Vorstellung, dass es sich bei der Globalisierung um einen epochalen Umbruch handele und die Menschheit die Schwelle zu einem global age überschritten habe. Wirtschaftliche, politische und kulturelle Entwicklungen der Gegenwart, so diese Sichtweise, zeichneten sich entsprechend durch eine markante Diskontinuität aus, die sich aus der Wendung ins Globale ergebe. Diese Vorstellung war nie unumstritten. Tatsächlich wurde in den folgenden Debatten häufig auf die vielfältige geschichtliche Verwurzelung der mit ›Globalisierung‹ bezeichneten Phänomene verwiesen. Der Globalisierung am Ende des 20. Jahrhunderts wurde so eine historische Globalisierung gegenübergestellt, wobei viele Verfechter dieser ›historischen‹ These wie erwähnt auf die Zeit der Jahrhundertwende um 1900 verwiesen. Aus begriffsgeschichtlicher Perspektive sei sogleich hinzugefügt: Diese Anwendung des Globalisierungsbegriffs auf eine historische Epoche und seine Zurückverlagerung in eine Zeit, die diesen Begriff noch nicht kannte, stellte dabei selbst bereits eine Weiterentwicklung des Begriffs dar.
Ohne Zweifel muss von einer gewissen (wenn auch ihrerseits umstrittenen) historischen Tiefe der verschiedenen Phänomene weltweiter politischer, wirtschaftlicher und kultureller Interdependenz ausgegangen werden. Der Begriff der Globalisierung ist jedoch eine Erscheinung der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Dies verweist auf die Neuheit des Begriffs gegenüber historischen ›Globalisierungen‹; gegenüber vielfach anzutreffenden Vorstellungen, der Begriff sei erst seit den 1980er oder 1990er Jahren in Gebrauch, verweist die Untersuchung auf eine größere Reife der Globalisierungsrede.
Theoretisch-methodisch folge ich in meiner Untersuchung dem Paradigma der Begriffsgeschichte nach Reinhart Koselleck, das in Kapitel 2 ausführlich diskutiert und in den Kontext alternativer theoretischer Erklärungsansätze gestellt wird, wobei das Unterkapitel 2.3 daraus abgeleitete Hypothesen für die Untersuchung der Globalisierungsrede formuliert. Die grundlegende Annahme lautet, dass Sprache und Begriffe einerseits und die soziale und materielle Wirklichkeit andererseits in einem vor allem historisch zu verstehenden Bedingungsverhältnis zueinander stehen. Begriffe dienen der Erfassung von Objekten und Sachverhalten; Begriffe und ihre Gebrauchsweisen und Kontexte sind aber auch mitentscheidend dafür, was in einer bestimmten Situation gesagt werden kann - auch und gerade dann, wenn es zu sprachlichen Innovationen kommt. Diese Konstellationen unterliegen dabei den Bedingungen von Kontinuität und historischem Wandel. Begriffe bilden also nicht einfach die Wirklichkeit ab. Sie wirken vielmehr auch auf die sachliche Ebene zurück, etwa auf die Beschreibung von Handlungsoptionen, auf Einstellungen, auf die politische und wirtschaftliche Programmatik von Akteuren. Gleichzeitig werden Begriffe besetzt: Deutungsansprüche können umkämpft werden; sie bauen auf die Plausibilität der mit den Begriffen verbundenen Implikationen; und sie haben eine Geschichte, die vergessen, je nach Kontext und Intention aber auch mitgesagt oder ausgeklammert werden kann. Dementsprechend untersuche ich in diesem Buch die Globalisierungsrede, das heißt den Gebrauch der Globalisierungsbegrifflichkeit in ihren zeitgeschichtlichen Zusammenhängen. Dies bedeutet, dass nicht alleine nach dem Prozessbegriff der Globalisierung, sondern auch nach dem Gebrauch der Verbform ›globalisieren‹ gefragt wird, die der Nominalform teilweise zeitlich vorgelagert ist.


Bach, Olaf
Olaf Bach, Dr. oec. HSG, Historiker und Wirtschaftswissenschaftler, ist Berater einer globalen Strategieberatungsgesellschaft sowie Lehrbeauftragter an der Universität St. Gallen.

Olaf Bach, Dr. oec. HSG, Historiker und Wirtschaftswissenschaftler, ist Berater einer globalen Strategieberatungsgesellschaft sowie
Lehrbeauftragter an der Universität St. Gallen.


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