Becker / Gertenbach / Laux | Grenzverschiebungen des Kapitalismus | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 384 Seiten

Becker / Gertenbach / Laux Grenzverschiebungen des Kapitalismus

Umkämpfte Räume und Orte des Widerstands

E-Book, Deutsch, 384 Seiten

ISBN: 978-3-593-40849-1
Verlag: Campus
Format: PDF
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Selbst wenn der weltweite Kapitalismus in der Finanzkrise strauchelt, seine Existenz ist nicht gefährdet. Seit Längerem jedoch löst der Versuch, immer neue Lebensbereiche verwertbar zu machen, wie auch der Rückzug der Investoren aus unrentablen Bereichen soziale Kämpfe aus. Wo sich die Grenzen des Marktes verschieben, kommt es zu neuen Fronten des Kapitalismus. Ob in der zunehmend ökonomisierten Wissenschaft, im Projekt des Grünen Kapitalismus, in Fragen digitalen Eigentums oder bei Einzelnen, die Konsum und Leistung verweigern - kapitalistische Wertschöpfung und Vergesellschaftung trifft öfter als vermutet auf innere Grenzen, auf Eigensinn und Widerstand. In dieser Dynamik liegen die neuen Potenziale der Kapitalismuskritik.
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Weitere Infos & Material


1;Inhalt;6
2;Grenzverschiebungen des Kapitalismus – Einleitung – Karina Becker, Lars Gertenbach, Henning Laux und Tilman Reitz;10
3;I.Grenzen definieren: Standpunkte der Kritik;34
4;Grenzüberschreitung als Norm? – Zur »Vereinnahmung« von Gegenstrategien im Kapitalismus und den Konsequenzen für eine Soziologie des Widerständigen – Silke van Dyk;34
5;Ein Spiel zwischen Nähe und Distanz – Formen der Kritik unter nachmetaphysischen Bedingungen – Ulf Bohmann, Lars Gertenbach und Henning Laux;56
6;Dagegen sein im System der Neutralisierungen – Der Kapitalismus gegen seine Befürworter verteidigt – Susanne Draheim und Tilman Reitz;76
7;Autologie, Subversion und der Kapitalismus in den Köpfen – Michael Beetz;104
8;II: Grenzen beobachten: Problemzonen kapitalistischer Expansion;121
9;Wissenschaft ist Arbeit – Beschäftigung an der Hochschule – ein blinder Fleck von Hochschulreform und Reformkritik – Matthias Neis;121
10;Kapitalismus 2.0 – Anne Barron;138
11;Die Überwindung ökologischer Grenzen – Die Rolle der ökologischen Kritik in der Dynamik des Kapitalismus – Thomas Barth;165
12;Schönheit und die inneren Widersprüche des Kapitalismus – Cornelia Koppetsch;187
13;Markt, Gesundheit und eigensinniges Handeln – Der betriebliche Arbeits- und Gesundheitsschutz als umkämpftes Terrain – Karina Becker, Ulrich Brinkmann und Thomas Engel;203
14;An den Grenzen der Verwertbarkeit – Erschöpfung im flexiblen Kapitalismus – Stefanie Graefe;230
15;III. Grenzen setzen, Grenzen verschieben: Eigensinn, Subversion und Widerstand;254
16;Alchimisten des Widerstands? Lumpen, Pauper und Prekäre im Spiegel antikapitalistischer Kritik – Peter Bescherer;254
17;Die Internalisierung des Reservearmeemechanismus – Grenztransformationen am Beispiel der strategischen Nutzung von Leiharbeit – Hajo Holst und Oliver Nachtwey;281
18;Migration als Ausnahme? Grenzen, Arbeit und Bürgerrechte im globalen Kapitalismus – Manuela Bojadžijev;301
19;Der Geist der Askese und die konsumistische Ethik – Jens Hälterlein;319
20;Widerspenstige Körper: Kapitalismuskritik im Tanz – Vera Trappmann;340
21;Legitimationsprobleme im Spätkapitalismus revisited – Oliver Nachtwey;360
22;Autorinnen und Autoren;381


Die Überwindung ökologischer Grenzen (S. 164-166)

Die Rolle der ökologischen Kritik in der Dynamik des Kapitalismus

Thomas Barth

1. Auf dem Weg zum grünen Kapitalismus

»Der Kapitalismus wird grüner: Warum es sich lohnt, ein Rebell zu werden « war Ende des Jahres 2008 in der Literaturbeilage der Zeit zu lesen (Heidbrink 2008). Den neuen Farbanstrich verdankt der gegenwärtige Kapitalismus, so der Tenor des Beitrags und der diskutierten Literatur, vor allem den konsumierenden – durch ihren Konsum rebellierenden – Massen und der dadurch wachsenden Nachfrage nach umweltfreundlichen Produkten. Das Magazin der Süddeutschen Zeitung stellte wenig später – nun mit Bezug auf die aktuelle Krise – bei der Diskussion des Zusammenhangs von Umweltschutz und Wirtschaft fest, dass »ausgerechnet grüne Ideen […] der deutschen Wirtschaft Superkräfte [verleihen], die im Kampf gegen die Krise helfen können« (Waechter 2009).1 In diesem zweiten Artikel wird dann eher der ökologisch intervenierende Staat in den Fokus gerückt, der die Wirtschaftsunternehmen zwangsweise oder durch Anreize zur produktiven Aufnahme ökologischer Forderungen führt.

Beide Texte diskutieren, wenn auch mit unterschiedlicher Schwerpunktsetzung, die Möglichkeit einer produktiven Versöhnung von Ökonomie und Ökologie. Diese Verbindung zwischen zwei Logiken, die bis in die späten 1980er Jahre nur als sich wechselseitig ausschließende denkbar waren, gewinnt eine neue Attraktivität, seit die Dimensionen der Weltwirtschaftskrise immer deutlicher hervortreten. Als ein umfassender Lösungsvorschlag für die aktuellen Probleme, die schon seit langem heraufdämmern, nun aber in der Krise spürbarer werden und gebündelt zusammen wirken, ist ein Grüner New Deal (GND) im Gespräch.

Das Ziel lautet, durch eine Umstellung der Wirtschaftsweise auf grüne Technologien und Pro duktionsweisen für das Problembündel von Finanzkrise, knapper (teurer!) werdenden fossilen Ressourcen, hoher Arbeitslosigkeit und Klimawandel eine Lösung zu finden.2 Im Folgenden wird argumentiert, dass die Annäherung von Ökonomie und Ökologie – die in der Diskussion um den GND nur ihren aktuellen Ausdruck findet – als eine doppelte Grenzverschiebung im Verhältnis des Kapitalismus zu seiner Umwelt verstanden werden kann. Einerseits gingen ökologische Forderungen produktiv in den Akkumulationsprozess ein, womit andererseits Natur selbst in völlig neuer Weise verwertbar wurde.

Es handelt sich also um eine doppelte Grenzverschiebung, weil es sowohl um einen Wandel im normativen Charakter des Kapitalismus als auch um veränderte materielle Verhältnisse der kapitalistischen Gesellschaft zu ihrer natürlichen Umwelt geht. Damit ist der grundsätzliche Gedanke verbunden, dass der Kapitalismus auf Kritik an ihm produktiv zu reagieren vermag. Diese Annahme ist in den letzten Jahren besonders prominent von Boltanski und Chiapello vorgetragen worden, von deren Konzept ich deshalb zunächst ausgehen will (2).

Dabei werden sich jedoch zwei Probleme ergeben: Zum einen lässt sich die ökologische Kritik nicht einfach in den von Boltanski und Chiapello aufgespannten Raum von Sozial- und Künstlerkritik einordnen (3). Zum anderen bleibt die Frage danach prekär, in welcher Weise Kritik produktiv aufgenommen wird. Hier will ich zeigen, dass die Rolle des Staates nicht vernachlässigt werden darf (4). Ich werde mich dabei vorwiegend auf Entwicklungen in der bundesdeutschen Ökologiebewegung und Umweltpolitik beziehen.


Die Herausgeber lehren und forschen am Institut für Soziologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena.


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