Buch, Deutsch, 384 Seiten, Großformatiges Paperback. Klappenbroschur, Format (B × H): 143 mm x 214 mm, Gewicht: 473 g
Umkämpfte Räume und Orte des Widerstands
Buch, Deutsch, 384 Seiten, Großformatiges Paperback. Klappenbroschur, Format (B × H): 143 mm x 214 mm, Gewicht: 473 g
ISBN: 978-3-593-39150-2
Verlag: Campus Verlag GmbH
Autoren/Hrsg.
Fachgebiete
- Sozialwissenschaften Soziologie | Soziale Arbeit Spezielle Soziologie Politische Soziologie
- Sozialwissenschaften Politikwissenschaft Politische Systeme
- Wirtschaftswissenschaften Volkswirtschaftslehre Internationale Wirtschaft Wirtschaftliche Globalisierung
- Sozialwissenschaften Politikwissenschaft Politische Kultur Politische Soziologie und Psychologie
- Wirtschaftswissenschaften Volkswirtschaftslehre Wirtschaftssysteme, Wirtschaftsstrukturen
Weitere Infos & Material
InhaltEinleitung:Grenzverschiebungen des KapitalismusKarina Becker, Lars Gertenbach, Henning Laux und Tilman Reitz9I. Grenzen definieren: Standpunkte der KritikGrenzüberschreitung als Norm?Zur "Vereinnahmung" von Gegenstrategien im Kapitalismus undden Konsequenzen für eine Soziologie des WiderständigenSilke van Dyk33Ein Spiel zwischen Nähe und DistanzFormen der Kritik unter nachmetaphysischen BedingungenUlf Bohmann, Lars Gertenbach und Henning Laux55Dagegen sein im System der NeutralisierungenDer Kapitalismus gegen seine Befürworter verteidigtSusanne Draheim und Tilman Reitz75Autologie, Subversion und der Kapitalismus in den KöpfenMichael Beetz103II. Grenzen beobachten: Problemzonen kapitalistischer ExpansionWissenschaft ist ArbeitBeschäftigung an der Hochschule - ein blinder Fleck von Hochschulreform und ReformkritikMatthias Neis120Kapitalismus 2.0Anne Barron137Die Überwindung ökologischer GrenzenDie Rolle der ökologischen Kritik in der Dynamik des KapitalismusThomas Barth164Schönheit und die inneren Widersprüche des KapitalismusCornelia Koppetsch186Markt, Gesundheit und eigensinniges HandelnDer betriebliche Arbeits- und Gesundheitsschutz als umkämpftesTerrainKarina Becker, Ulrich Brinkmann und Thomas Engel202An den Grenzen der VerwertbarkeitErschöpfung im flexiblen KapitalismusStefanie Graefe229III. Grenzen setzen, Grenzen verschieben: Eigensinn, Subversion und WiderstandAlchimisten des Widerstands?Lumpen, Pauper und Prekäre im Spiegel antikapitalistischer KritikPeter Bescherer253Die Internalisierung des ReservearmeemechanismusGrenztransformationen am Beispiel der strategischen Nutzung vonLeiharbeitHajo Holst und Oliver Nachtwey280Migration als Ausnahme?Grenzen, Arbeit und Bürgerrechte im globalen KapitalismusManuela Bojadzijev300Der Geist der Askese und die konsumistische EthikJens Hälterlein318Widerspenstige Körper: Kapitalismuskritik im TanzVera Trappmann339Legitimationsprobleme im Spätkapitalismus revisitedOliver Nachtwey359Autorinnen und Autoren380
Grenzverschiebungen des KapitalismusEinleitungKarina Becker, Lars Gertenbach, Henning Laux und Tilman Reitz1. Krise des Kapitalismus?Nach dem Ausbruch der globalen Finanzkrise schienen die Zeiten für Kapitalismuskritik günstig: Allerorten war zu hören, dass die Tage des neoliberalen Marktradikalismus gezählt seien, die Forderung nach "mehr Markt und Selbstregulation" klang angesichts des Ausmaßes der Krise wie das naive Motto einer vergangenen Zeit. Gab es vor dem Beinahe-Kollaps der Finanzmärkte, wenn man der vorherrschenden Politik glaubte, keine Alternative zu Freihandel, Standortkonkurrenz und der Ökonomisierung des Sozialen, überstürzten sich jetzt Forderungen nach staatlichen Eingriffen und rekordverdächtige Eilzustellungen von Rettungspaketen. Konnte es davor kaum schnell genug gehen mit der Ausweitung marktförmiger Logik, schien nun ausgemacht, dass der Markt wieder staatlich "gebändigt", "kontrolliert", "beaufsichtigt" und "reguliert" werden muss, um seine Eigendynamik nicht zu sehr von der Gesellschaft zu entkoppeln.Weshalb also nicht weiter gehen, solange der kritische Moment anhält? Wenngleich sich die politische Krisenverarbeitung in der Logik eines "Bastard-Keynesianismus" (Robinson 1974) erschöpft, der vom originären Linkskeynesianismus weit entfernt ist (Schui 2009), sind im Windschatten des zurückkehrenden Staates auch kapitalismuskritische Konzeptionen erneut in die (mediale) Öffentlichkeit gelangt. In jedem Fall herrscht weitgehend Einigkeit, dass die ökonomische Krise strukturelle Ursachen hat, die nicht mit der personalisierenden Kritik bestimmter Berufsgruppen beseitigt sind. Statt einzelner Manager waren es häufig Züge des kapitalistischen Finanz- und Wirtschaftssystems insgesamt, die in den Parteien und Gazetten attackiert wurden. Die Zeit diagnostizierte den "Ruin des kapitalistischen Heilsversprechens" (25.9.08), die Süddeutsche Zeitung platzierte ihre Serie zum "Kapitalismus in der Krise" ausgerechnet im liberalistischen Wirtschaftsteil, ein Bischof namens Marx hat ein mahnendes Buch über das Kapital veröffentlicht, Ökonomen, Philosophen und Soziologen fordern ein radikales Umdenken. Es sieht mithin so aus, als böte das bewährte Zusammenspiel von Krise und Kritik gegenwärtig ungeahnte Chancen.Ein genauerer Blick ins publizistische und politische Feld relativiert diesen Eindruck jedoch rasch - und das nicht erst seit dem Wahlsieg der FDP, in dem man zur Not noch die Angst vor einer "sozialistischen" Krisenbewältigung erkennen könnte. Denn einerseits hatte die neue Kapitalismuskritik zumindest in Deutschland bereits vor dem Ausbruch der Krise einen Höhepunkt erreicht; ihren Hintergrund bildeten steigende Staatseinnahmen, die Erfolge der Linkspartei und der anti-neoliberale Impuls der Bundestagswahl 2005. Andererseits haben sich seit dem Sommer 2008 die Spielräume für politische Phantasie eher verengt. Die Agenda ist - nicht nur in Deutschland - von der hektischen Rettung und Renovierung kapitalistischer Profitwirtschaft dominiert. Eine wirkliche Debatte über ihren Umbau oder ihre Eingrenzung findet nicht statt. Ob mit Hayek und Friedman oder wieder mit Keynes beziehungsweise erhöhten Staatsausgaben, einstweilen behält Jacques Rancières Beobachtung ihre Gültigkeit:"Vom als überkommen erklärten Marxismus übernimmt der als herrschend angenommene Liberalismus das Thema der objektiven Notwendigkeit, die mit den Zwängen und Launen des Weltmarkts gleichgesetzt wird. [...] Die absolute Gleichsetzung der Politik mit der Verwaltung des Kapitals ist nicht mehr das beschämende Geheimnis, das die 'Formen' der Demokratie maskieren würden, sie ist die erklärte Wahrheit, mit der sich unsere Regierungen legitimieren." (Rancière 2002: 122)Die Fortdauer dieser "post-politischen" beziehungsweise "post-demokratischen" (vgl. Crouch 2008; Rancière 1997) Konstellation legt nahe, dass der Neoliberalismus keineswegs endgültig abgetreten ist; unterhalb der großen Erklärungen, auf der Gesetzes- und Verwaltungsebene wir