Berkouwer | Summer Girls | E-Book | www.sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 352 Seiten

Berkouwer Summer Girls

Thriller
1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-641-21901-7
Verlag: Penguin
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Thriller

E-Book, Deutsch, 352 Seiten

ISBN: 978-3-641-21901-7
Verlag: Penguin
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Die Profilerin Lot van Dijk wird aus Amsterdam in eine verschlafene Gemeinde auf dem Land versetzt. Die männlichen Kollegen nehmen die junge Frau nicht ernst, und abgesehen von ausgebrochenen Pferden gibt es für die Polizei nur selten etwas zu tun. Doch dann wird in einer Waldhütte nach einem Sturm eine Leiche gefunden. Lot sieht ihre Chance, sich zu behaupten, und erstellt ein Täterprofil. Es weist eindeutig auf einen Serienkiller hin, aber sie wird nur müde belächelt. Bis im Wald ein zweites ermordetes Mädchen gefunden wird. Denn nun liegt es an Lot, den Mörder aufzuhalten, bevor er sein nächstes Opfer findet …

Jobien Berkouwer arbeitete fünfzehn Jahre in verschiedenen Abteilungen der niederländischen Polizei, unter anderem als Hauptkommissarin. Heute ist sie als Profilerin tätig und berät außerdem Firmen und Privatpersonen im Umgang mit Stalkern, Erpressung und Drohungen. Sie ist verheiratet, hat einen Sohn und lebt in Amsterdam.
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3

Jaap biegt ab und fährt über den Waldweg. Überall herrscht Chaos; der Sturm hat gewütet, wie ein Angriff auf die Natur. Ruhig steuert Jaap den Wagen zwischen riesigen umgewehten Bäumen und mit Regenwasser vollgelaufenen Kuhlen hindurch.

»Mach schon, ein bisschen schneller«, flüstert Lot. »Der Mann wartet schließlich immer noch.«

Eine Leiche in einem unbewachten Wald – die Sache gefällt ihr nicht. Der Tatort muss abgeriegelt werden; sie will die nackte Wahrheit sehen, bevor jemand alle Spuren verwischt.

Am Tatort findet sich die Geschichte des Täters, hat Magnus immer gesagt. Lot will diese Geschichte am liebsten pur und unverändert begutachten, ohne Störenfriede, die das nicht zu schätzen wissen und aus Neugierde über alles hinwegtrampeln.

»Immer mit der Ruhe, junge Dame«, meint Jaap. »Du siehst doch, dass der ganze Weg versperrt ist.«

»Halt an.«

»Was?«

»Halt den Wagen an«, befiehlt sie.

Seufzend tritt Jaap auf die Bremse. »Was hast du denn vor? Du willst doch nicht etwa …«

Sie nickt. »Zu Fuß weiter.«

Er hat noch immer diesen amüsierten Blick – jetzt aber mehr aus Unglauben als aus Freude. Er hält beide Hände hoch. »Du denkst doch wohl nicht, ich würde aus Versehen die Leiche überfahren?«, fragt er lachend.

»Vom Auto aus sehen wir gar nichts, zu Fuß geht das besser.«

Sie steigen aus. Eine Wagentür fällt zu, dann noch eine. Die Scheinwerfer hat Jaap brennen lassen, als Orientierungspunkt. Jetzt, wo sich der Sturm gelegt hat, hüllt sich der Wald in ein düsteres Schweigen. Die Morgendämmerung weckt ein paar Vögel, aber sonst ist nichts zu hören.

»Wo steckt der Mann?«, flüstert Lot – die Hand hat sie an ihrer Waffe.

»Der Täter kann hier schließlich auch noch rumlaufen.«

Lot schaut kurz zu ihrem Kollegen hinüber. »Sag mal, willst du hier für ein bisschen zusätzlichen Stress sorgen oder was? Das brauchst du mir echt nicht zu sagen, Mann.«

In der Mitte des Pfades schmatzt der schlammige Waldboden unter ihren Füßen, während am Rande heruntergefallene Äste unter ihrem Gewicht brechen. Dann sieht Lot, wie ein Ungetüm zwischen den Bäumen zum Vorschein kommt. Sie hält den Atem an. Intuitiv legt sie ihre Hand auf den Holster an ihrem Gürtel.

Täter oder Melder?

Seine Gestalt ist kräftig und muskulös, sein Schritt selbstsicher. Er hat sie noch nicht gesehen.

Täter oder Melder?

Hinter ihm schießt plötzlich ein Tier auf vier Pfoten hervor. Lautes Gebell hallt durch den Wald. Die Gestalt entdeckt sie und beginnt zu winken.

»Boris!«, ruft er. »Hierher.«

Boris hört nicht auf ihn und sprintet Lot entgegen. Sie mag Hunde nicht besonders, hat sie noch nie gemocht, und schon gar nicht, wenn sie ihr bellend entgegenrennen. Sie hofft inständig, dass das Tier seinem Herrn gehorchen wird.

»Hierher, Leute«, ruft die Gestalt und zeigt mit dem Daumen in eine Richtung. »Ich dachte schon, ihr kommt gar nicht mehr. Ihr müsst noch ein Stück mit.«

Der Melder, er ist der Melder.

Kurz bevor der Hund bei Lot ankommt, ruft der Mann: »Boris!« Und mit einem kräftigen Händeklatschen mahnt er das Tier zur Ruhe. Der Hund bleibt schwanzwedelnd stehen.

Der Mann wartet, bis sie beide bei ihm sind, und streckt ihnen dann die Hand entgegen. Jaap und Lot schauen ihn mit routiniert prüfendem Blick an. Was für ein Typ Mensch ist das? Hat er eine Waffe bei sich? Wie sehen seine Kleider aus? Was ist in seinem Blick zu lesen?

Lot registriert den Schlamm auf seiner Kleidung, auf seinen Schuhen. Wer eine Straftat meldet, wird dadurch per se verdächtig. Das sind die übermütigsten Täter, die einem begegnen können, das weiß sie so gut wie kein anderer. Die leben im Glauben, unangreifbar zu sein. Eine Beleidigung für ihren Beruf und ihr Können. Sie schüttelt ihm die Hand, spürt seine Stärke und Entschlossenheit. Jaap tut es ihr nach.

Der Mann in der Militäruniform stellt sich tatsächlich als Zacharias vor. Lot nickt. Weiter; er scheint vorerst in Ordnung zu sein.

Zacharias dreht sich um, und die beiden Polizisten klettern ihm nach, über Äste und umgewehte Baumteile.

»Markierst du die Strecke?«, flüstert Lot.

Jaap hat das Absperrband schon in der Hand. »Yep«, erwidert er.

Zacharias räuspert sich. »Mein Zelt steht etwa hundert Meter von hier entfernt.«

Lot sieht auf und bleibt kurz stehen. »Ihr Zelt?«

»Ja, das klingt vielleicht ein bisschen seltsam«, sagt er und schaut sich kurz nach den beiden um, »aber das mache ich im Sommer öfters mal. Wildcampen.«

»Wild …«, stammelt Jaap, der gerade seinen festgeklemmten Fuß aus ein paar Ästen befreit, »… campen?« Lot stupst ihn im Weitergehen neckisch in die Seite. »Nicht jeder ist so auf Pauschalurlaub aus wie du, Kollege.«

Zacharias zieht die Schultern hoch und lacht etwas unbehaglich. »Es wäre mir ein wenig feige vorgekommen, vor dem Unwetter der letzten Tage zu flüchten, schließlich war ich ja mal Soldat, aber wenn ich das gewusst hätte …«

»Wo liegt die Leiche?«

»Nun ja, liegt …« Er deutet in eine Richtung. »Noch ein Stück weiter, wir sind fast da.«

»Wie haben Sie die Leiche eigentlich gefunden?«, fragt Lot. »Das Wetter lädt ja nicht gerade zu längeren Spaziergängen ein.«

»Mein Hund hier …«

»Boris.«

»Ja, Boris. Ich hörte plötzlich einen Riesenlärm, und Boris ist total durchgedreht, wirklich, wie ein kleines Kind. Da half es auch nichts mehr, ihm zu sagen, dass er weiterschlafen soll …«

»Was denn für einen Riesenlärm?«, will Jaap wissen.

»Eine Art Urgeräusch, ein dumpfes Krachen. Wir also aus dem Zelt raus, Boris und ich. Dann ein Stück gelaufen. Und natürlich war ich auch neugierig, woher dieses Geräusch kam. Es stellte sich heraus, dass am Waldrand ein Baum auf eine dieser ganz alten Salzhütten gestürzt war.«

Lot kann plötzlich seine Fahne riechen. Zacharias hat gestern ganz schön einen gebechert.

Sie schaut zu Jaap hinüber. »Was ist denn eine Salzhütte?«

Jaap bewegt den Arm ein wenig hin und her. »Die gibt es hier überall; früher hat man in dieser Region viel Salz abgebaut. Die Hütten stehen nun meist leer, gelten als Denkmäler, glaube ich.«

»Ich war also neugierig und ging hin«, berichtet Zacharias weiter. »Vor allem wollte ich sehen, ob da noch jemand drin war, verstehen Sie, ob jemand Hilfe brauchte.«

»Was hätte denn jemand in einer Salzhütte zu suchen?«, fragt Lot.

»Was weiß ich; vielleicht bin ich auch aus übertriebenem berufsbedingtem Eifer losgezogen.«

Übertriebener berufsbedingter Eifer. Oder Neugierde. Oder Täterwissen.

»Und was haben Sie da gesehen?«

»Erst habe ich an die Tür geklopft, aber als ich nichts hörte, habe ich durch einen Spalt geschaut, der durch den Sturz des Baumes entstanden war. Ich habe mit der Taschenlampe hineingeleuchtet, und da …«

Jaap hustet ungeduldig. »Was haben Sie da gesehen?«

»Den Leichnam eines Mädchens, der an einem Haken hing«, sagt Zacharias plötzlich in hastigem, sachlichem Ton. »Wie in einer Schlachterei.«

Jaap sucht Augenkontakt mit Lot. Sein Blick macht die Worte des Mannes lebendig; ihr wird eiskalt, als sie sich vorstellt, wie das Mädchen aussehen muss.

Dann schaut Lot zu dem Soldaten hinüber. Seine kühle und distanzierte Haltung gehört vielleicht zu seinem Beruf. Da hängt eine Leiche. Und so sah das aus.

Sie fragt sich, wo er wohl gedient hat. Wie viele Leichen er schon gesehen hat.

Sie nähern sich der verfallenen Salzhütte am Waldrand, hinter der sich die unendliche flache Landschaft erstreckt. Die Weite, die normalerweise das schöne Gefühl von Raum entstehen lässt, in das sich Lot bei ihrem Umzug hierher verliebt hat. Jetzt wirkt diese Weite sehr einsam auf sie. Die tote Frau ist hier mutterseelenallein, in einer Art Niemandsland.

Jedes Wort von Zacharias stellt sich als wahr heraus: Ein riesiger Baum hat sich in das Dach gebohrt. Es sieht bedrohlich aus – im Moment ist lediglich ein Teil des Daches eingedrückt, aber wenn der Stamm ganz bricht, kann es gut sein, dass das Häuschen völlig in sich zusammenstürzt.

»Zentrale, wir sind vor Ort«, ruft Lot in das Funkgerät.

Ein vages Geräusch erklingt. Die Antwort kann Lot nicht verstehen, aber es klang ungefähr wie »Danke, alles klar«. Lot legt die Hand wieder an die Waffe, als Vorsichtsmaßnahme, genau wie Jaap. »Better safe than sorry«, sicher ist sicher. Der Täter kann sich hier überall herumtreiben.

Mit gespannten Armen geht sie auf das Häuschen zu, der Soldat folgt ihr. Sie schaut sich kurz um, sieht seine schlammverschmierten Schuhe und spürt, wie sich ihr der Magen zusammenkrampft, wenn sie daran denkt, wie viel Beweismaterial er mit diesen Tretern vernichten kann. Oder während seiner Entdeckungstour bereits vernichtet hat.

»Warten Sie kurz hier«, sagt Jaap zu ihm.

An der Tür der Hütte befindet sich ein Schloss. Mit zusammengekniffenen Augen spähen die Polizisten durch den Spalt nach drinnen, genau wie vorher der Soldat. Es sieht nicht gut aus. Jaap macht einen Schritt zurück, schaut Lot fragend an. Die nickt zustimmend.

Mit einem kräftigen Hieb tritt er die Holztür ein. Das Schloss springt auf. Dann hört sie das Summen der Insekten, die immer als Erste zur Stelle sind. Vorsichtig...


Berkouwer, Jobien
Jobien Berkouwer arbeitete fünfzehn Jahre in verschiedenen Abteilungen der niederländischen Polizei, unter anderem als Hauptkommissarin. Heute ist sie als Profilerin tätig und berät außerdem Firmen und Privatpersonen im Umgang mit Stalkern, Erpressung und Drohungen. Sie ist verheiratet, hat einen Sohn und lebt in Amsterdam.



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