Brock | Das schöne Fräulein Li | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, Band 7, 208 Seiten

Reihe: Es geschah in Berlin...

Brock Das schöne Fräulein Li

Kappes siebenter Fall. Kriminalroman (Es geschah in Berlin 1922)
1. Auflage 2013
ISBN: 978-3-95552-006-9
Verlag: Jaron
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark

Kappes siebenter Fall. Kriminalroman (Es geschah in Berlin 1922)

E-Book, Deutsch, Band 7, 208 Seiten

Reihe: Es geschah in Berlin...

ISBN: 978-3-95552-006-9
Verlag: Jaron
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Berlin 1922: Auf der Oberbaumbrücke wird die Leiche eines jungen Chinesen gefunden, der brutal zu Tode geprügelt wurde. Der anfangs nur wenig beachtete Fall gewinnt an Brisanz, als kurze Zeit später drei weitere Morde an Chinesen verübt werden, die in der Bevölkerung für Aufregung und Entrüstung sorgen. Kommissar Hermann Kappe begibt sich auf Spurensuche und wagt sich dabei in die exotische Welt der Berliner Chinesen vor, an deren Lebensart und Kultur er zunehmend Gefallen findet. Besonders fasziniert ist er von der Nichte eines chinesischen Großhändlers, der möglicherweise in die Mordserie verstrickt ist. Das bezaubernde Fräulein Li bringt sein bisheriges Leben gehörig ins Wanken.

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SECHS
«DIE BEIDEN MITARBEITER WONGS sitzen in Untersuchungshaft. Ihre Geständnisse lassen keinen Zweifel an ihrer Täterschaft in zwei Mordfällen aufkommen», sagt von Canow. Er trägt an diesem Montagmorgen im Besprechungsraum einen taubenblauen Anzug und eine elegant gestreifte Krawatte. An den in U-Form zusammengestellten Tischen sitzen nicht nur sämtliche Ermittler der Kriminalpolizei, die mit den Morden zu tun hatten, sondern auch Schutzpolizisten und der Rechtsmediziner Dr. Schmidt. «Uns ist es gelungen, meine Herren, zwei der vier Chinesen-Morde aufzuklären», fährt von Canow fort. «Sie wissen, das Vorgehen war nicht einfach, es war… na, sagen wir… auch mal etwas ungewöhnlich. Aber wir alle müssen nun anerkennen, dass es zum Erfolg führte. Nun geht es darum, nicht nachzulassen und auch die anderen beiden Chinesen-Morde rasch zu klären. Deshalb habe ich Sie hier zusammenkommen lassen. Wir sollten gemeinsam nochmals die einzelnen Taten durchsprechen und vielleicht neue Ansatzpunkte finden.» Vergeblich hat Kappe darauf gewartet, dass von Canow seinen Namen erwähnt. Schließlich war es sein Tipp, der alles ins Rollen brachte. Aber gedankt wird es ihm nicht. Ungeklärt sind noch die Morde auf der Oberbaumbrücke und in der Danziger Straße. «Auf der Brücke», sagt Kappe nun, «haben wir bei dem Toten noch den Jade-Anhänger gefunden. Das könnte darauf hindeuten, dass dieser Mord nicht auf das Konto einer verfeindeten Chinesen-Gruppe geht. In der Danziger Straße haben wir zwar keinen Anhänger gefunden, aber diesen könnte der aus dem Fenster Gestoßene auch verloren haben, und jemand hat ihn mitgenommen.» Von Canow wirft ein, dass sich die beiden Täter nicht zu den Anhängern äußern wollten. «Wir haben keinen Beleg dafür, dass die Mitnahme dieser Anhänger etwas damit zu hat, dass eine Bande hinter den Taten steckt.» «Alles deutet aber darauf hin», sagt Kappe trotzig. «Bewiesen ist nichts», widerspricht Dr. Kniehase. «Interessant wird es aber, wenn man sich die Begehungsweise der Morde ansieht. Das Verhältnis von Täter und Opfer.» «Das geht doch aber nur, wenn man auch einen Täter hat», kritisiert Galgenberg. «Nein, ich meine, wie nah sich Täter und Opfer kamen bei der Tat.» Den Gesichtern der zum Teil altgedienten Beamten sieht man an, dass sie mit dieser Aussage Dr. Kniehases nicht so recht etwas anzufangen wissen. «Wenn ich ergänzen darf? Ich habe mir die Begehungsweise der Morde genauer angeschaut», sagt nun Dr. Schmidt. Der Rechtsmediziner referiert darüber, dass seiner Ansicht nach drei Taten eine gewisse Ähnlichkeit miteinander aufweisen. Zwar wurden sie mit ganz unterschiedlichen Waffen begangen, aber dennoch gebe es Parallelen. «Jemanden erschießen kann man mit großer Distanz. Um jemanden zu erstechen, muss man schon näher herankommen. Auch jemanden aus dem Fenster zu werfen erfordert körperliche Interaktion. Doch in all diesen Fällen ist die Interaktion ungleich geringer als bei dem Fall auf der Brücke. Um jemanden derart totzutreten, muss man sich minutenlang mit großem Kraftaufwand mit seinem Opfer beschäftigen.» «Was Dr. Schmidt damit sagen will», ergänzt Dr. Kniehase, «diese Tat erfordert ein großes Maß an Hass. Ein Auftragsmörder würde jemanden erschießen. Aber um jemanden, so wie dort geschehen, tottreten zu können, muss man ihn schon sehr hassen. Und es ist fraglich, ob die chinesischen Händler ihre Konkurrenten, auch wenn sie diese aus dem Weg räumen wollten, derart hassten.» «Zumal», ergreift Dr. Schmidt wieder das Wort, «alle Verletzungen des Toten auf der Brücke darauf hindeuten, dass er von einem Täter so zugerichtet worden ist, der groß und schwer ist. Sämtliche Rippen wurden ihm gebrochen und sind zersplittert. Das ist gerade bei einem relativ jungen Menschen, dessen Rippen noch flexibel sind, nicht so einfach. Es bedarf größter Gewalteinwirkung. Insgesamt sind die Verletzungen vergleichbar mit denen eines Menschen, der von einem Auto bei Tempo fünfzig erfasst wird. Das Opfer war für chinesische Verhältnisse recht groß und kräftig. Doch der Täter war offenbar noch schwerer und hat mit einer Wucht zugetreten, die von kleinen, eher schmächtigen Menschen nicht zu erwarten ist. Deshalb ist es eine Überlegung wert, ob der Täter nicht vielleicht ein Deutscher oder zumindest kein Chinese war.» «Wenn wir davon ausgehen, dass der Täter auf der Oberbaumbrücke kein Chinese war, dann fallen Streitigkeiten unter den Händlern als Motiv weg, und wir müssen in eine ganz andere Richtung ermitteln», sagt Kappe. Es ärgert ihn, dass Dr. Kniehase ihn nicht eingeweiht hat. Trotzdem muss er zugeben, dass an dessen Hypothese etwas dran sein könnte. So gern Kappe auch Bier trinken geht – auf das Frischgezapfte an diesem Montagabend hätte er gerne verzichtet. Zweimal hat er den Termin verschoben. Nun aber muss er durch. Er muss sich mit Liepe und Kutzmutz treffen. Und er muss sein Versprechen einlösen. Die beiden aber werden darauf bestehen. Sie werden Details wissen wollen, genaueste Beschreibungen. Irgendwie ist er es ihnen, zumindest Kutzmutz, auch schuldig. Ohne seine Alibis hätte er die Stunden mit Fräulein Li, und in letzter Zeit waren es derer viele, nicht genießen können. Aber wie diese vonstatten gingen, nein, das will er, obwohl versprochen, nicht erzählen. Andere Männer, Kappe weiß das, gehen gemeinsam in gewisse Etablissements und schämen sich nicht, das Intimste, Innigste zwischen zwei Menschen vor aller Augen zu vollführen. Er aber ist nicht so jemand. Er will nicht einmal darüber reden. Aber er wird nicht umhinkommen. Kutzmutz zieht mit je einem Zeigefinger links und rechts unterhalb der Brauen seine Augen zu Schlitzen zusammen und versucht sich in einer fiepsigen Stimmlage. «Na, war es nett? Hatten Sie Spaß, mein Herr?» Liepe kann sich vor Lachen kaum halten. Kappe wischt sich Bierschaum aus dem Bart. Gut, dass er den beiden gesagt hat, dass er früh nach Hause muss, weil Klara mit dem Abendessen wartet. Er mag es nicht, wenn sich jemand über Fräulein Li lustig macht. Gewiss, vor ein paar Wochen noch hätte er das genauso getan – aber jetzt? «Komm, sag schon!», macht nun Liepe weiter. «Wie is so ’ne Chinesin? Wie fühlt sich so eine an?» «Gut!», sagt Kappe und bestellt nochmals Bier für alle. «Du brauchst dich doch nicht zu schämen, weil du auf so ’ne süße, kleine Asiatin stehst. Der Mann: der Eroberer des Unbekannten!» Kutzmutz lacht. «Das war schon immer so. Schlimm nur, dass sich, wie du erzähltest, auch deutsche Frauen mit Chinesen-Männern einlassen. So was gehört verboten. Aber so ’ne süße Kleine, die is sicher wie ein Kind, oder?» «Hör auf! Das ist ja Unsinn. Fräulein Li is ’ne Frau, und zwar ’ne sehr gebildete, aber beileibe kein Kind! Was denkst du denn von mir? Nur weil sie nicht so dick ist wie deine …» Weiter kommt Kappe nicht, denn Kutzmutz steht auf und will ihn am Kragen packen. «Jetzt hört auf! Habt euch nicht so!», versucht Liepe zu schlichten. Kutzmutz setzt sich wieder. «Is ja schon gut! Der ist wohl echt getroffen. Nix mit schneller Affäre. Der hat sich verliebt. Schöne Scheiße! Weiß Klara davon?» Kappe trinkt und schüttelt den Kopf. Schließlich erzählt er noch zwei, drei Gemeinplätze, sagt, dass Fräulein Li sehr schöne Haut habe, zärtlich und anschmiegsam sei, und spielt dann wieder den verzweifelten Ehemann, der nicht weiß, was er tun soll. Kappe kommt später als angekündigt nach Hause. Klara hat Rindsrouladen mit Nudeln gemacht. Eines von Kappes Lieblingsgerichten. Vielleicht, hat sie gedacht, könnte sie beim Essen mit ihrem Hermann ins Gespräch und sogar ins Reine kommen. Kappe freilich fürchtet nichts mehr als derartige Ehegespräche, zumal er sich schuldig fühlt. Kaum hat er Klara einen Kuss auf die Wange gehaucht – noch vor einigen Monaten hätte er sie fest umarmt –, sagt er auch schon, dass er müde sei, ausgelaugt vom Tag und von den Kollegen. «Und außerdem hast du schon wieder getrunken», fällt ihm Klara ins Wort. «Nur mit Liepe ein Bier», sagt er. «Eins?», fragt Klara. Kappe antwortet nicht, sondern begrüßt Margarete und Hartmut, die artig am Tisch sitzen. «Und was macht der Chinesen-Fall?», fragt Klara, als die Kinder im Bett sind. Kappe ist erst mürrisch, denkt dann aber, lieber über Chinesen reden als über seine Ehe. «Zwei Morde sind geklärt», erzählt er schließlich. «Das stand ja auch in den Zeitungen.» «Der hier auf der Brücke auch?», will Klara wissen. «Nein, der nicht. Wir gehen davon aus, dass hinter dem was anderes steckt als die Konkurrenz zwischen den Händlern.» «Nämlich?», hakt sie nach. «Was Persönliches! Der wurde von jemandem voller Wut totgetreten. Das ist eine bestialische Art, jemanden umzubringen. Das gibt es selbst im Tierreich nicht, dass man ein am Boden liegendes Lebewesen aus Wut noch weiter malträtiert.» «Also Eifersucht!», schlussfolgert Klara. Der Einwurf kommt so plötzlich, dass Kappe seine Flasche Bötzow, aus der er sich gerade nachgießen will, wieder auf den Tisch stellt. «Wie kommst du denn darauf?» «Na, das liest man doch immer in diesen Romanen», erklärt Klara. «Und du sagst doch selbst, das sei ein starkes Motiv.» «Ja, schon», sagt...


Peter Brock wurde 1966 in Pforzheim geboren, studierte in München Journalistik und lebt als Redakteur in Berlin. Er arbeitete unter anderem für die "Süddeutsche Zeitung" und den "Spiegel" und ist nun als stellvertretender Ressortleiter bei der "Berliner Zeitung" für Berlin und Brandenburg zuständig.



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