Castello / Brodersen | Unterricht und Förderung bei Depressionen | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 145 Seiten

Castello / Brodersen Unterricht und Förderung bei Depressionen

Psychologisches Wissen für Lehrkräfte

E-Book, Deutsch, 145 Seiten

ISBN: 978-3-8444-2980-0
Verlag: Hogrefe Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Dieses Buch vermittelt psychologisch fundiertes Wissen und praxisrelevante Handlungsstrategien für die Gestaltung des Unterrichts und pädagogischer Situationen außerhalb des Unterrichts. Der Band bietet zunächst einen Überblick zu den häufigsten Symptomen bei Depressionen von Kindern und Jugendlichen, insbesondere solche, die schulische Auswirkungen haben.
Anschließend steht die Unterstützung und Förderung von betroffenen Schülerinnen und Schülern im Mittelpunkt, damit diesen die Teilnahme am Unterricht erleichtert wird. Evidenzbasierte Programme zur pädagogischen Prävention depressiver Entwicklungen sowie unterrichtsnahe Möglichkeiten zum Umgang mit motivationalen Beeinträchtigungen und kognitiven Auswirkungen von Depressionen werden vorgestellt. Weitere Themenfelder sind die Förderung realistischen Denkens, Stärkung des Selbstmitgefühls bei Schülerinnen und Schülern und Möglichkeiten zur Bewältigung emotionsbezogener Symptome. Abschließend werden wichtige Fragen zum Umgang mit einem Verdacht auf Suizidalität und zur Kooperation mit schulischen und außerschulischen Partnern beantwortet.
Castello / Brodersen Unterricht und Förderung bei Depressionen jetzt bestellen!

Zielgruppe


Lehrkräfte, Schulpsycholog_innen, Sozialpädagog_innen und andere pädagogische Fachkräfte an Schulen.

Weitere Infos & Material


|27|2  Beeinträchtigungen im schulischen Alltag
Depressive Symptome machen sich in allen Lebensbereichen der Betroffenen bemerkbar und auch vor dem schulischen Alltag nicht Halt. Das vorliegende Kapitel gibt einen Überblick darüber, inwieweit sich kognitive und motivationale Prozesse, das emotionale Erleben und das Sozialverhalten von Kindern und Jugendlichen mit Depressionen verändern und schulische Leistungen sowie die Integration in den Klassenverband beeinflussen. 2.1  Kognitive Leistungsfähigkeit
Hinsichtlich schulischer Leistungen fallen kognitive Beeinträchtigungen, wie sie bei einer Depression in Erscheinung treten, besonders ins Gewicht: Sich auf eine Aufgabe zu konzentrieren und die Aufmerksamkeit über einen längeren Zeitraum aufrechtzuerhalten, fällt Kindern und Jugendlichen mit Depressionen häufig besonders schwer (z.?B. Han et al., 2012). Ebenso ist die Geschwindigkeit, mit der Informationen verarbeitet werden, reduziert (Snyder, 2013). Der Schulunterricht stellt allerdings hohe Anforderungen an genau jene Fähigkeiten. Zudem sind Schülerinnen und Schüler im Unterricht vielfach mit Situationen konfrontiert, in denen sie spontane und impulsive Reaktionen zurückhalten müssen, um zunächst ein klares Aufgabenziel herauszuarbeiten und dieses konsequent zu verfolgen. Dazu gehört auch, dass Ablenkungen – beispielsweise durch Sitznachbarn, eine laute Geräuschkulisse oder aufkommende Gedanken – ignoriert werden, aufeinander aufbauende Handlungsschritte geplant und bezüglich verschiedener Verhaltensalternativen Entscheidungen getroffen werden müssen. Diese Prozesse (kognitive Operationen) werden den sogenannten exekutiven Funktionen zugeordnet (z.?B. Aron, 2008; Miyake et al., 2000; Thompson-Schill, Bedny & Goldberg, 2005). Unter die exekutiven Funktionen fallen also Kontroll- und Regulationsprozesse zur Steuerung von Verhalten. Bei Menschen mit Depressionen sind diese exekutiven Funkti|28|onen jedoch häufig beeinträchtigt (Snyder, 2013), d.?h., Prozesse der Planung, Entscheidung und Überprüfung von Handlungen fallen den Betroffenen schwer. Konsistent dazu zeigen sich auf neuropsychologischer Ebene Veränderungen im vorderen Bereich des Gehirns (im präfrontalen Kortex); dieser spielt für die Steuerung der exekutiven Funktionen eine entscheidende Rolle (z.?B. Levin, Heller, Mohanty, Herrington & Miller, 2007; siehe Kapitel 5.3.1). Für den Schulalltag heißt das, dass es Kindern und Jugendlichen mit Depressionen schwerfällt, dem Unterrichtsgeschehen zu folgen, die Lerninhalte adäquat zu verarbeiten und Aufgabenstellungen zielgerichtet zu erledigen: Leistungseinbußen sind häufig die Folge. 2.2  Denkmuster und kognitive Schemata
Neben den genannten kognitiven Beeinträchtigungen wie mangelnder Merk- und Konzentrationsfähigkeit, die sich direkt auf schulische Leistungen auswirken, weisen Kinder und Jugendliche mit Depressionen häufig auch bestimmte Denkmuster und Überzeugungen auf, die sich ebenfalls im Unterricht bemerkbar machen: Diese dysfunktionalen Kognitionen, die in Kapitel 1.2 dargestellt wurden (z.?B. Gedankenlesen, Alles-oder-nichts-Denken) beeinflussen zum einen das Verhalten im Unterricht selbst; zum anderen wirken sie sich darauf aus, wie Schülerinnen und Schüler mit Leistungsergebnissen (z.?B. der Note in einer Klassenarbeit) umgehen. So wird die Annahme einer Schülerin oder eines Schülers, dass der Lehrer sicher denke, man wisse die Antwort ohnehin nicht (Denkmuster: Gedankenlesen), sich künftig wahrscheinlich eher mit Wortmeldungen zurückhalten. Auch eine Schülerin oder ein Schüler, die bzw. der eine falsche Antwort gegeben hat und der Meinung ist, sie bzw. er sei nun völlig gescheitert (Denkmuster: Alles-oder-nichts-Denken), wird voraussichtlich eher frustriert sein und Situationen, in denen Ähnliches noch einmal auftreten könnte, lieber vermeiden wollen. Als Lehrkraft ist es von entscheidender Bedeutung, sensibel für derartige Denkmuster zu sein. Sie als übertrieben oder falsch darzustellen, ist in der Regel wenig hilfreich. Vielmehr sollte es das Ziel sein, die Gedanken und Schemata der Schülerinnen und Schüler anzuerkennen und anzunehmen (im Sinne einer Validierung) und den Schülerinnen und Schülern selbst die Möglichkeit zu bieten, alternative Denkmuster zu entwickeln. Denkmuster und subjektive Theorien gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern zu hinterfragen und auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen, sind dabei hilfreiche pädagogische Ansätze (vgl. Kapitel 3 und 6). |29|2.3  Motivation und Interesse
Motivation ist zunächst einmal ein abstrakter Begriff, mit dem erklärt werden soll, weshalb eine Person sich so verhält, wie sie sich verhält: Warum verfolgt jemand ein Ziel über eine lange Dauer und investiert viel, um auftretende Hindernisse zu überwinden, widmet sich dagegen aber einem anderen Ziel mit wenig Ausdauer und lässt davon ab, sobald es anstrengend wird? Offensichtlich gibt es für unser Verhalten so etwas wie einen Antrieb. Der Begriff Motivation kann als ein solcher Antrieb für Verhalten verstanden werden. Für den Unterricht bedeutet das, dass Schülerinnen und Schüler vor allem dann bereit sind, sich ausgiebig mit den Inhalten auseinanderzusetzen und sich bei Aufgaben anzustrengen, wenn sie einen starken Antrieb spüren. Dieser Antrieb kann sich dabei auf ganz unterschiedliche Aspekte beziehen: Wird das Thema als interessant empfunden, möchte man seine Fähigkeiten verbessern, macht der Unterricht Spaß, will man eine gute Note erreichen? Dann werden Motivation und Anstrengungsbereitschaft groß sein (für eine Differenzierung zwischen inneren und äußeren Antriebsfaktoren siehe Kapitel 4.1). Bei Kindern und Jugendlichen mit Depressionen stellt man häufig fest, dass sie das Interesse an Themen verlieren, mit denen sie sich vorher gern beschäftigt haben. In der Folge sinken die Anstrengungsbereitschaft und die Lernmotivation (die als Wunsch bezeichnet werden kann, „bestimmte Inhalte oder Fertigkeiten zu lernen“, Schiefele, 1996, S. 50). Die betroffenen Schülerinnen und Schüler fühlen sich träge und antriebslos. Resultieren kann das in allgemeiner Schulunlust (siehe Kapitel 1.2). 2.4  Fähigkeitsselbstkonzept
Werden Kinder und Jugendliche mit Depressionen nach der Einschätzung ihrer eigenen Fähigkeiten gefragt, stellt man fest, dass die Betroffenen sich häufig wenig zutrauen und ihre Fähigkeiten als gering einschätzen: Sie haben ein niedriges Fähigkeitsselbstkonzept (Stiensmeier-Pelster & Schöne, 2008). Dieses ungünstige Fähigkeitsselbstkonzept steht gemeinsam mit den oben genannten kognitiven Beeinträchtigungen in unmittelbarer Wechselwirkung zu den Rückmeldungen, die betroffene Schülerinnen und Schüler zu ihren Leistungen erhalten. Schneiden sie beispielsweise aufgrund mangelnder Konzentrationsfähigkeit in Leistungstests schlecht ab, fällt auch das Feedback entsprechend negativ aus, was die selbst gerichtete negative Bewertung noch verstärkt. Eine Herausforderung im Unterrichtsalltag ist es daher, derartige problematische Feedbackschleifen zu durchbrechen, indem bei den Rückmeldungen beispielsweise darauf geachtet wird, die Anstrengung |30|als Einflussfaktor für gute Schulleistungen zu betonen. Schließlich ist die Anstrengung eine Komponente, die die Schülerinnen und Schüler unabhängig von ihren Fähigkeiten beeinflussen können. Die Überzeugung, dass mit größerer Anstrengung auch ein größerer Lernerfolg zu erreichen ist, trägt also dazu bei, dass Schülerinnen und Schüler eher bereit sein werden, viel in die Vorbereitung auf Leistungserhebungen wie eine Klassenarbeit zu investieren. Das Abschneiden in der Klassenarbeit wird dann wiederum zu einem großen Teil auf das Ausmaß eigener Anstrengung zurückgeführt, wodurch letztlich die Bemühungen für die nächste Klassenarbeit erneut angepasst werden. Man spricht bei dieser Art der Ursachenzuschreibung von einem günstigen Attributionsstil, der sich positiv auf die Lernmotivation auswirkt. In Kapitel 4.2 wird die Förderung eines günstigen Attributionsstils ausführlicher erläutert. 2.5  Emotionen und Lernen
Auch das emotionale Befinden in Lern- und Leistungssituationen wirkt sich auf die Leistungsergebnisse aus (Frenzel, Götz & Pekrun, 2009). Man kann im Wesentlichen von...


Ihre Fragen, Wünsche oder Anmerkungen
Vorname*
Nachname*
Ihre E-Mail-Adresse*
Kundennr.
Ihre Nachricht*
Lediglich mit * gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Wenn Sie die im Kontaktformular eingegebenen Daten durch Klick auf den nachfolgenden Button übersenden, erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Ihr Angaben für die Beantwortung Ihrer Anfrage verwenden. Selbstverständlich werden Ihre Daten vertraulich behandelt und nicht an Dritte weitergegeben. Sie können der Verwendung Ihrer Daten jederzeit widersprechen. Das Datenhandling bei Sack Fachmedien erklären wir Ihnen in unserer Datenschutzerklärung.