Decker | Wir von der anderen Seite | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 336 Seiten

Decker Wir von der anderen Seite

Roman

E-Book, Deutsch, 336 Seiten

ISBN: 978-3-8437-2165-3
Verlag: Ullstein HC
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



'Anika Decker hat den Durchblick! Beinhart komisch, liebevoll bissig, zum Heulen melancholisch erzählt sie mit großer Liebe über dieses merkwürdige und unberechenbare Wesen: den Menschen.' Iris Berben'Zum ersten Mal sehe ich mich im komplett im Spiegel. Ich bin dünn und bucklig, meine Muskeln sind verschwunden, meine Haut ist gelb von der angeschlagenen Leber. Irgendjemandem sehe ich ähnlich. Wem denn nur? Dann fällt es mir ein: Ich sehe aus wie Mr. Burns von den Simpsons! Immerhin noch Körbchengröße C. Ihr seid die echten Survivor!' Als Rahel Wald aus einem heftigen Fiebertraum erwacht, versteht sie erst mal gar nichts. Wo ist sie, warum ist es so laut hier, was sind das für Schläuche überall. Nach und nach beginnt sie zu verstehen: Sie ist im Krankenhaus, sie lag im Koma. Doch richtig krank sein, hatte sie sich irgendwie anders vorgestellt: feierlicher, ja, heiliger. Als Komödienautorin kennt sich Rahel durchaus mit schrägen Figuren und absurden Situationen aus, aber so eine Reise von der anderen Seite zurück ins Leben ist dann doch noch mal eine eigene Nummer. Vor allem, wenn der Medikamentenentzug Albträume und winkende Eichhörnchen hervorruft. Zum Glück kann sie sich auf die bedingungslose Unterstützung ihrer verrückten Familie verlassen, die immer für sie da ist. Und noch etwas wird Rahel immer klarer: Ihr Leben ist viel zu kostbar, um es nach fremden Erwartungen auszurichten. Von jetzt an nimmt sie es selbst in die Hand.'Wäre ich ein Mensch, hätte ich beim Lesen mehrfach geweint. Ein großartiges Buch. Berührend und lustig, albern und unendlich traurig.' Sibylle Berg'Was war das für eine Freude, Dein Buch zu lesen – ich habe laut gelacht und ins Papier geweint.' Katja Riemann 'Das ist die Chronologie von zwei Kämpfen. Der Kampf um das Überleben und der Kampf um die eigene Unabhängigkeit. Hart und mutig und traurig und schön.' Helene Hegemann 'Voller Kraft und Klarheit, voller Emotionalität und mit ihrem unvergleichlichen Humor nimmt uns Anika Decker mit auf eine sehr berührende Reise.' Alexandra Maria Lara 'Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen Anika Decker hat ihr Leben lang die blumige, verschnörkelte, schonungslos entlarvende orientalische Literatur studiert, so sehr geht Rahels Geschichte unter meine Haut. Ich wollte mal drüberfliegen und gucken, was Anika so geschrieben hat, und stelle nach einer Stunde fest, dass mein Flat White längst kalt ist. So fesselnd, berührend und witzig, den Flat White schuldest du mir trotzdem.' Numan Acar'Anika Decker und mich verbindet die Liebe zum Erzählen von Geschichten. Ihr erster Roman ist berührend, unterhaltsam und klug. Lacht laut und heult leise!' Bora Dagtekin 'Puh. Und wow. Und puh. Und hahahaha. Und autsch. Und oh Mann, oh Mann, oh Mann. Wie sehr hast Du mich gerade mit deinem Wahnsinns-Buch im schweigenden Zug zum Lachen gebracht. Könntest Du nicht so gut schreiben, hätte ich die ganze Zeit durchgeheult! Danke!' Palina Rojinski
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Intensivstation
Eine Krankenschwester wäscht einen ausgemergelten, blassen Körper, seift mit einem Waschlappen den Bauch und die Beine ein. Die Hüftknochen ragen aus dem Becken wie zwei Elchschaufeln. Daneben liegt eine dürre, adrige Hand. Wer ist das? Der Lappen wäscht weiter. Ich will das nicht weiter angucken und versuche, mich wegzudrehen. Ich bin so verdammt steif. Ich stütze die Hand ab. Die knochigen Finger neben dem Knochenkörper bewegen sich auch. Noch mal. Und noch mal, dann verstehe ich: Das ist meine Hand. Ich bin das knochige Ding, das da gewaschen wird. Ich will etwas sagen, aber irgendein großer Stab steckt in meinem Hals. Kann mal jemand den Stab da rausholen? Der Lappen ist verschwunden, anscheinend bin ich fertig gewaschen. Wie laut es hier ist, und überall piepst es elektronisch. Legt man hier Leute zum Sterben hin? Ich weine. Die Düsterkeit kommt und zieht mich weg. Nach wirren Fieberträumen wache ich auf. Dieses ständige Gepiepse macht einen völlig irre. Schemenhaft nehme ich meine Eltern wahr und daneben meinen Bruder Juri, riesengroß und dürr. Sie lächeln mich an mit Tränen in den Augen, sie halten meine Hand. Hinter ihnen steht ein Arzt. Ich hoffe, der will mir nicht auch noch die Hand halten. Meine Haut brennt. Als ich etwas sagen will, klemmt wieder dieser komische Stab in meinem Hals. Was ist denn bloß los? Juris braune Locken flirren vor den Deckenleuchten wie ein Heiligenschein um seinen Kopf. Er sieht mir in die Augen, fängt vorsichtig an zu reden. Dass ich auf der Intensivstation sei, sagt er, und noch ein bisschen schwach, aber ich solle mir keine Sorgen machen. Oh Gott, irgendwas Schreckliches muss passiert sein. Hat mir jemand was amputiert? Amputation ist eine meiner Urängste, das Schlimmste, was ich mir vorstellen kann. Bestimmt hat mir jemand was amputiert. Hoffentlich nur einen von den unwichtigen Fingern. Juri scheint meine Gedanken gelesen zu haben und erklärt, dass ich unversehrt sei. Es sei alles noch dran. Und das Ding in meinem Hals sei ein Tubus, weil ich noch nicht selber atmen könne. Ich solle mir keine Sorgen machen, morgen käme der sowieso raus. Der Arzt im Hintergrund nickt. »Es ist nur leider so«, sagt mein Bruder, »dass dir jemand vom Personal gestern aus Versehen die Ohren abgeschnitten hat.« Wie bitte? Warum das denn?! Aber ich höre doch was. Und dann fällt bei mir der Groschen: Er hat einen Witz gemacht! Ich muss grinsen. So ein Schwachsinn, klar hab’ ich Ohren! Meine Mutter schreit auf, als sie mein Lächeln sieht. Alle lachen gelöst und freuen sich wie verrückt über meine ziemlich lahme Auffassungsgabe. Das heißt wohl, dass ich keinen Hirnschaden habe, kriege ich noch mit. Noch nie in meinem Leben war ich so müde. Ich drifte ab und gerate in eine dunkle Wohnung. Tack, tack, tack ist das einzige Geräusch in dem schmuddeligen Raum. Durch die Schlitze in einer französischen Tür kann ich sehen, dass draußen die Sonne scheint. Es riecht nach Süden, aber hier drin ist es kalt. Meine Finger hämmern unaufhörlich auf der Tastatur eines Computers. Ich muss das Drehbuch fertig schreiben, unbedingt. Hinter mir höre ich ein kratzendes Geräusch und kurz darauf ein kehliges Lachen. Ich weiß, ich darf nicht hinsehen, sonst passiert etwas Schreckliches. Um Gottes willen nicht umdrehen! Dann wieder das höhnische, nach Aufmerksamkeit heischende Lachen. Ich nehme all meinen Mut zusammen und drehe mich mit einem Ruck nach hinten um. In einem kleinen Käfig hockt ein verfilztes, mit schorfigen Krusten übersätes Wesen. Bei seinem Anblick läuft es mir kalt den Rücken herunter. Wer ist das? Ein stechender Schmerz in meinem Hals holt mich zurück. Irgendwas brennt auf meiner Haut, als würde jemand Zigaretten auf mir ausdrücken, falls sich das so anfühlt. Ich blinzele und sehe eine Frau in Weiß mit langem blonden Haar. Möglichkeit eins: Das ist eine Ärztin. Möglichkeit zwei: Ich bin endlich im Himmel, und ein Engel ist mir erschienen. Ich höre Juri reden: »Gleich hast du’s geschafft, nur noch ganz kurz … Du bist tapfer, Schwesterchen.« Ein Schmerz wie von Feuer. Juri neben mir streichelt meine Hand. Tja, wohl doch nicht im Himmel, also Möglichkeit eins. Die Ärztin, aka kein Engel, jammert: »Ich komme so schlecht an der Sehne vorbei, es flutscht immer weg.« Das klingt für meine Begriffe nicht gut. Und wieder spüre ich den Feuerschmerz. Mein Bruder redet mit warmer Stimme auf mich ein. Gleich habe ich’s geschafft. »Was denn eigentlich?« Ich höre mich lallen wie ein Voll­alki. Die Ärztin erklärt knapp, dass ich einen Zugang an den Hals genäht bekomme. Offenbar ohne Betäubung, sonst würde es nicht so verdammt wehtun. Was zum Teufel ist überhaupt ein Zugang? Immer wenn ich mich versuche zu konzentrieren, zersplittern meine Gedanken in tausend Teile. »Die gute Nachricht ist aber, dass der blöde Tubus raus ist«, versucht mein Bruder mich aufzumuntern. Ich habe keine Ahnung, wovon er redet. Als die Ärztin fort ist, bettele ich Juri mit meiner Besoffski-Stimme an, mich nach Hause mitzunehmen. »Olli kann dir doch helfen? Ich will hier weg, ich muss mein Drehbuch fertigschreiben. Die warten doch alle auf mich!« Mein Bruder lächelt mich lieb an. Ich bin anscheinend nicht in Berlin, wo ich wohne, sondern in der Stadt meiner Eltern. Wir wollten zusammen Weihnachten feiern. Um das Drehbuch soll ich mir jetzt keine Sorgen machen, das ist fertig und wird schon gedreht. Trotzdem, er versteht, dass ich hier bald rauswill. Unbeirrt lalle ich weiter. Er soll mich gleich mitnehmen, damit ich mich auf das Sofa meiner Eltern kuscheln kann. »Mama kocht mir Suppe und päppelt mich auf. Dann feiern wir schön Weihnachten, so wie wir es bestimmt wollten, mit Plätzchen und Braten und Knödeln, und alles wird gut.« Mir fällt noch was ein: »Ich habe so viele Geschenke für euch alle. Kannst du die vielleicht einpacken? Das hab’ ich nicht mehr geschafft. Und zu Hause in Berlin ist Olli dann da und hilft mir. Vielleicht kann ich das Drehbuch ja auch im Liegen zu Ende schreiben?« Ich glaube, ich lalle immer noch. Meine Zunge wiegt mindestens zehn Kilo. Ich schaue zu meinem Bruder hoch. Jetzt sieht er plötzlich sehr traurig aus. Leicht panisch beharre ich darauf, dass er mich hochhievt, damit ich schon mal packen kann. Juri hat Tränen in den Augen, glaube ich. Er atmet tief aus und erklärt mir, dass ich erst mal zu Kräften kommen müsse. Es habe mich ganz schön erwischt. »Ich will aber nach Hause!« Eben waren wir uns doch einig, dass ich hier wegmuss. »Juri, bitte. Oder ruf Olli an. Olli kann …« Vor lauter Verzweiflung fange ich an zu weinen. Irgendein Gerät piepst wieder. Juri setzt sich sofort zu mir ans Bett. Er sieht mich ernst an und verspricht, mich noch heute Nacht hier wegzuholen. Er habe einen ganz tollen Plan, aber der funktioniere nur im Dunkeln: »Ich gehe jetzt los, Nachtsichtgeräte besorgen und den Grundriss. Wir seilen uns von der Hauswand ab. Ruh du dich aus, du musst nachher fit sein, okay?« Gott sei Dank. Ich frage sicherheitshalber, ob er mich eventuell Huckepack nehmen könne, nur falls ich nicht den ganzen Weg schaffe. Und können wir ein paar Infusionen klauen, so für die erste Zeit? Die Antwort versuche ich noch mitzubekommen, aber keine Chance. Ich dämmere weg. Als ich aufwache, bin ich allein. Es ist unfassbar laut hier auf dieser Intensivstation. Es gibt keinen Unterschied zwischen Tag und Nacht, unaufhörlich piepsen alle möglichen Geräte vor sich hin. Hier und da hört man jemanden vor Schmerzen stöhnen oder schreien. Sehen kann ich niemanden, weil mein Bett mit weißen Vorhängen umzäunt ist. Es wäre ein super Set-up für einen Stanley-Kubrick-Film oder irgendeine Quälvariante von »Big Brother«. Ich bin wirr im Kopf und fühle mich fiebrig. Meine Haut ist so empfindlich. Ich würde so gerne wieder einschlafen, aber es geht nicht. Alles tut mir weh und umdrehen ist nicht, wegen der vielen Schläuche. Ich gucke an mir herunter. Wirklich verdammt viele Schläuche. Ein paar führen unter mein Krankenhaushemd. Ich traue mich aber nicht nachzusehen, wohin genau. Am Hals sind welche mit kleinen Plastikventilen vorne dran, das hat mir vorhin die Ärztin erklärt. Immer wieder, wenn ich hinunterlinse, falle ich Idiot kurz darauf rein und freue mich, dass ich tolle neue Rastazöpfe mit Perlen habe. Immer wieder drifte ich in erschreckend reale Albträume ab. So müssen sich Verrückte fühlen. Ich merke, dass ich anfange, Unsinn vor mich hin zu brabbeln, wie »bitte verlass mich nicht« zu irgendeinem Pfleger, aber ich kann es nicht verhindern. Danach schäme ich mich. Vorhin, gestern oder wann auch immer, war ich mir ganz sicher, dass jemand mit einer Waffe direkt hinter der Trennwand steht. Ich war der festen Überzeugung, die Klinik sei evakuiert worden, aber mich hatte man vergessen. Stundenlang muss ich, starr vor Angst, so dagelegen haben. Ich flüsterte immer wieder: »Bitte schießen Sie nicht! Ich bin auf Ihrer Seite!« Wieder und wieder flüsterte ich das als Mantra...


Decker, Anika
Anika Decker, geboren 1975 in Marburg, lebt und arbeitet als Drehbuchautorin und Regisseurin in Berlin. 2007 gelang ihr mit ihrem sensationellen Drehbuchdebüt Keinohrhasen der Durchbruch, der Film zählt zu den 15 erfolgreichsten deutschen Filmen aller Zeiten, auch die Fortsetzung Zweiohrküken war ein Publikumserfolg. 2015 debütierte Anika Decker als Regisseurin, der Film Traumfrauen nach eigener Vorlage war eine der erfolgreichsten Kinoproduktionen des Jahres. Darauf folgte ihre zweite Regiearbeit High Society, die auf Anhieb auf Platz eins der Kinocharts landete. Ihr erster Roman Wir von der anderen Seite schaffte es sofort auf die Bestsellerliste.

Anika Decker, geboren 1975 in Marburg, lebt und arbeitet als Drehbuchautorin und Regisseurin in Berlin. 2007 gelang ihr mit ihrem Drehbuchdebüt Keinohrhasen der Durchbruch, der Film zählt zu den 15 erfolgreichsten deutschen Filmen aller Zeiten. Danach folgte das Drehbuch zu RubbeldieKatz, was auch ein großer Publikumserfolg war. 2015 debütierte Anika Decker als Regisseurin, der Film Traumfrauen nach eigener Vorlage war eine der erfolgreichsten Kinoproduktionen des Jahres. Darauf folgte ihre zweite Regiearbeit High Society, die auf Anhieb auf Platz eins der Kinocharts landete. Wir von der anderen Seite ist Anika Deckers erster Roman.


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