Dee | John Sinclair - Folge 1910 | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, Band 1910, 64 Seiten

Reihe: John Sinclair

Dee John Sinclair - Folge 1910

Der Schrecken von San Diego
1. Auflage 2015
ISBN: 978-3-7325-0910-2
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection

Der Schrecken von San Diego

E-Book, Deutsch, Band 1910, 64 Seiten

Reihe: John Sinclair

ISBN: 978-3-7325-0910-2
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection



Das schaurige Heulen des Windes erfüllte die Nacht. Der Sand klebte unter Alans nackten Füßen. Vor ihm erstreckte sich der Pazifik wie ein riesiger schwarzer Spiegel. Selbst das Mondlicht schienen die dunklen Fluten zu verschlucken. Und während Alan über den Strand Richtung Wasser schritt, ahnte er, dass in dieser Nacht alles anders sein würde. Er wollte schreien, aber es war, als ob ihm jemand die Kehle zudrückte. Er wollte umkehren, aber etwas zwang ihn, weiterzugehen...

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Noch einmal blickte Alan zurück zum Beachclub. Er müsste längst geschlossen haben, doch hinter den Fenstern sah Alan flackerndes Kerzenlicht und, er erkannte in dem Schein die vielen Gestalten. Einige davon kamen ihm bekannt vor. Das war doch Carl! Alans Bruder Carl, der erst vor zwei Wochen gestorben war! Die angespülten Reste, die das Meer schließlich wieder ausgespuckt hatte, hatten nicht mehr an einen Menschen erinnert. Nur noch an unförmige Fleischklumpen, die auch von einem Tier hätten stammen können, wenn die Forensiker sie nicht eindeutig Carl zugeordnet hätten. Alan erinnerte sich an die Beerdigung, daran, wie er die ganze Zeit auf den Sarg gestarrt und sich vorgestellt hatte, was von Carl jetzt darin lag: ein paar Fleischfetzen, nicht mehr. »Carl …«, murmelte er, aber etwas zwang ihn, den Kopf wieder nach vorne zu drehen und den Blick auf den Pazifik zu wenden. Genau so, wie etwas seine Schritte lenkte. Du willst da nicht rein!, dachte er. Nicht heute Nacht. Und überhaupt nicht in der Nacht! Wenn Alan surfte, war helllichter Tag. Es schien die Sonne. Er hatte die Musik der Wellen im Kopf. Doch heute Nacht hatte er das Gefühl, als sei ein anderer in seinem Kopf. Er hatte ihn hierhergeführt, und nun stand er hier am Strand, und die ersten Wellen schnappen gierig nach seinen Füßen. Heute Nacht war das Meer nicht wie sonst seine Freundin. Es war etwas Monströses. Etwas Gefährliches. Und Alan spürte, dass es nicht nur sein Leben wollte, sondern auch seine Seele. Trotzdem wehrte er sich nicht. Willenlos ließ er das Surfbrett ins Wasser gleiten. Dann legte er sich darauf und ruderte mit den Armen hinaus auf die See. Er fragte sich, was er hier sollte. Weit und breit war keine Welle zu sehen. Noch immer lag der Pazifik spiegelglatt vor ihm. Alan fragte sich besser nicht, was unter der schwarzen Oberfläche lauerte. Er wollte es nicht wissen. Noch einmal blickte er zurück. Carl und die anderen standen jetzt am Ufer. Er konnte sie jetzt besser erkennen. Das war gar nicht Carl. Oder nicht der Carl, den er gekannt hatte. Der Mann am Ufer, der ihn entfernt an seinen Bruder erinnerte, war eine blutige Karikatur, zusammengesetzt aus dem, was das Meer vor ein paar Wochen ans Ufer gespült hatte. Und auch die anderen Leute an seiner Seite waren nicht lebendig. Wie durch ein scharfes Fernglas sah er ihre aufgedunsenen Leiber, blanke Knochen, die sich durch fauliges Fleisch gebohrt haben. Das Licht der Laternen tanzte auf ihren Gesichtern, als stünden sie in Flammen. Er blickte in augenlose Höhlen, sah gebleckte Zähne in lippenlosen Mündern. Regungslos sahen sie zu, wie er immer weiter hinausschwamm. Und plötzlich wusste er, dass sie auf ihn warteten. Und dass er, wenn er zurückkehrte, genauso tot sein würde wie sie. *** »Alan, wach auf! Bitte wach auf!« Als er die Augen aufschlug, schrie er noch immer. Erst ganz allmählich drang die Stimme seiner Lebensgefährtin in sein Bewusstsein. Und allmählich begriff er, dass er wieder mal nur geträumt hatte. Wie jede Nacht in den letzten Wochen. Alan Rockmayer war kein Mann, der etwas auf Träume gab. Schon gar nicht auf Albträume. Er war jemand, der mitten im Leben stand. Wenn überhaupt, dann hatte der braungebrannte, muskulöse Surfer mit den hellblauen Augen und schulterlangen schwarzen Haaren seinen Traum mit seiner eigenen Surfschule verwirklicht. Doch der Mann, der nun neben Brenda Hamilton erwacht war, erinnerte kaum mehr an den athletischen, immer optimistischen Menschen, mit dem sie seit einem halben Jahr Bett und Wohnung teilte. Im Licht der Nachttischlampe wirkten seine Wangen eingefallen. Die Augenlagen in tiefen Höhlen. Er schaute sie an wie ein Drogensüchtiger auf Entzug. »Bitte – bitte hilf mir, Brenda!«, stammelte er und streckte die Arme nach ihr aus. Als sie sich an ihn drückte, spürte sie, dass er schweißgebadet war. Und dennoch hatte er kein Fieber. Seine Haut war eiskalt. »War es wieder der Traum?«, fragte sie. Er nickte und drückte sich noch enger an sie. Seit Wochen ging das nun schon so. Jede Nacht wachte er mehrmals schreiend auf. Und jedes Mal war der Traum schrecklicher, und es dauerte noch länger, bis Alan in die Wirklichkeit zurückfand. »Ich habe Carl gesehen«, stammelt er. »Carl?« Also hatte der Albtraum eine weitere Steigerung des Schreckens für ihn erreicht. Alan hatte ihr von den Schatten hinter den Fenstern des Beachclubs erzählt, die er im Traum so furchterregend empfunden hatte. Sie strich ihm beruhigend über die Haare und küsste ihn. »Es war nur ein Traum, ein dummer Traum …«, flüsterte sie ihm ins Ohr. Er stieß sie plötzlich weg. »Nein, es war mehr als ein Traum! Ich schwöre dir, ich habe Carl erkannt! Und er wollte mir etwas mitteilen!« »Unsinn! Du hast geträumt. Wie jede Nacht.« Sie rieb sich den Ellenbogen. So hart hatte er sie noch nie angefasst. Und die Art, wie er sie nun ansah, gefiel ihr auch nicht. So, als machte er sie dafür verantwortlich, dass er seit Wochen keinen Schlaf mehr fand. »Nein, das war mehr als ein Traum. Ich schwöre dir, ich habe Carl gesehen. Es war schrecklich. Er war nur noch ein aus Leichenteilen zusammengesetzter Zombiefreak.« Er griff zu der Zigarettenpackung neben sich auf dem Nachttisch und steckte sich einen Glimmstängel zwischen die Lippen. Seine Hände zitterten, als er ein Streichholz entzündete. Erst als er einen tiefen Zug genommen und den Rauch wieder ausgestoßen hatte, fuhr er fort: »Ich schwöre dir, Brenda, er wollte mir irgendetwas sagen. Ich habe gesehen, wie er mir zuwinkte … Die letzten Sekunden sind wie weggewischt. Ich erinnere mich nicht, was danach geschah.« Brenda sah ihn verzweifelt an. »Du machst mir Angst, Alan. Du musst zu einem Psychiater. Ich verstehe ja, dass dich der Tod deines Bruders mitgenommen hat. Aber es war ein Hai, der ihn getötet hat. Daran ist nichts Übernatürliches. Er ist tot. Und deine Träume sind nichts anderes als … Träume.« Automatisch reichte er ihr die Zigarette. Auch Brenda nahm einen tiefen Zug. »Ich wollte, du hättest recht«, sagte er. »Wenn es so einfach wäre …« »Versprich mir, dass wir gleich morgen früh einen Arzt aufsuchen.« »Einen Seelenklempner? Du glaubst also wirklich, ich bin verrückt?« »Nein, nur ein bisschen mit den Nerven herunter.« »Morgen früh kommen ein paar neue Schüler.« »Du meinst Schülerinnen?«, Brenda lächelte. Sie wusste genau Bescheid. »Dann müssen die Damen halt mit mir vorlieb nehmen. Ich werde dich vertreten.« Brenda war eine sehr gute Wellenreiterin, dennoch nahm Alan sie gerne auf den Arm, wenn sie in seiner Schule aushalf. »Die werden sich bedanken, wenn du Ihnen beibringst, welches Make-up man am besten beim Surfen benutzt und welche Sonnencreme wasserresistent ist.« Brenda musste grinsen und knuffte ihm in die Seite. Sie war froh, dass er seinen Humor wiedergefunden hatte. Offensichtlich war der Traum doch nicht so schlimm gewesen. »Wie wär’s, wenn du die Zigarette zu Ende rauchst und dann das Licht wieder ausschaltest?« Der Wecker zeigte kurz nach Mitternacht an. Alan nickte. »Mach ich. Aber vorher muss ich unter die Dusche. Ich bin nassgeschwitzt.« Bevor er das Zimmer verließ, drehte er sich noch einmal zu ihr um: »Es tut mir leid, dass ich gerade etwas grob zu dir war.« »Ist schon in Ordnung, Liebling. Hauptsache, du gehst morgen zu einem Arzt. Versprichst du es?« »Versprochen.« Sie sah ihm nach, wie er hinausging und löschte seufzend das Licht. Alan schlurfte ins Bad und drehte die Dusche auf. Aber er ging nicht darunter. Er hatte Brenda nur beruhigen wollen. Sie ging ihm auf die Nerven mit ihrer ewigen Forderung, sich einem Arzt anzuvertrauen. Was wusste sie denn schon! Das, was er Nacht für Nacht erlebte, konnte kein Arzt der Welt verstehen. Er verstand es ja selbst nicht. Er wusste nur, dass es an seine Substanz ging. Und dass es mehr zu bedeuten hatte. Carl! Er hatte ihn gesehen. Und er hatte ihm zugewinkt. Auf nackten Sohlen schlich Alan Rockmayer zur Eingangstür des Holzbungalows. Er schlüpfte nach draußen und schloss die Tür leise hinter sich. Der kleine Pfad vor dem Bungalow führte direkt zum Strand. Der Mond schien hell in dieser Nacht. Anders als in seinem Traum. Aber ansonsten hatte er das Gefühl, dass alles fast genauso war. Carl hatte ihm zugewinkt. Weil er ihm etwas zu sagen hatte? Wollte er ihm mitteilen, was wirklich mit ihm passiert war? Wer ihn getötet hatte. Alan glaubte nicht an die Version, dass ihn ein Haifisch angegriffen hatte. Haifischbisse sahen anders aus. Und Haifische kotzten ihre Opfer auch nicht wieder aus. Sie verschlangen sie mit Haut und Haaren. Wie von selbst – wie im Traum! – setzte er einen Fuß vor den anderen. Es zog ihn zum Strand. Es war völlig windstill. Anders als im Traum. Wenigstens das! Ein beruhigender Gedanke. Und doch war Alan fast erleichtert, als endlich der breite Strand vor ihm auftauchte und Carl diesmal nicht zu sehen war. Auch sonst war weit und breit kein Mensch in Sicht. Der Strand von La Jolla lag einsam und verlassen da. Er erstreckte sich zu beiden Seiten. Links waren weit entfernt die Lichter von San Diego zu sehen. Ansonsten war es dunkel. Selbst der Himmel war heute sternenlos. Bisher hatte Alan bewusst nicht hinunter zum Pazifik...



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