E-Book, Deutsch, Band 2, 256 Seiten
Reihe: Tigerherz
Dix Tigerherz
1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-7325-4056-3
Verlag: Baumhaus
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die Insel der Schatten
E-Book, Deutsch, Band 2, 256 Seiten
Reihe: Tigerherz
ISBN: 978-3-7325-4056-3
Verlag: Baumhaus
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Tigerherz wähnt sich am Ziel seiner Träume: Eisenkralle ist vertrieben, und endlich hat er es geschafft, auf der Insel der Bayangai aufgenommen zu werden. Hier soll er seine Ausbildung zum Schattenjäger beenden, um so eines Tages den Dschungel-Thron besteigen zu können. Doch das Training ist kräftezehrend, und die Prüfungen verlangen ihm alles ab.
Als dann auch noch Eisenkralle zurückkehrt und seine Freunde entführt, muss Tigerherz sich entscheiden. Bleibt er auf der Insel, wie es das Gesetz befiehlt, oder stellt er sich dem aussichtslosen Kampf, um seine Freunde zu retten? Tigerherz muss beweisen, dass er seinen Namen zurecht trägt ...
Fabian Erlinghäuser arbeitet als Animation Supervisor für das Trickfilmstudio Cartoon Saloon in Irland. Er hat über 14 Jahre Erfahrung als Animator und Illustrator und u.a. für so renommierte Kunden wie Disney und Warner Special Marketing animiert. Der Kinofilm Song of the sea, bei dem er die Regie-Assistenz führte, wurde für den Oscar nominiert. Fabian Erlinghäuser hat schon für zahlrieche Verlage illustriert, ist freischaffender Zeichner für das bei Egmont erscheinende Mickey Maus-Magazin und unterrichtet seit 2010 jährlich an der Animation School Hamburg.
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1
Der Eid
Es war sein großer Tag.
Raja war endlich am Ziel angelangt: Er hatte den letzten Wunsch seiner Mutter erfüllt und war auf der Insel der Bayangai als Schüler aufgenommen worden. Hier, in der Gemeinschaft der Schattenkrieger, sollte er seine Ausbildung zum Jäger beenden und so eines Tages in der Lage sein, das Erbe seines Vaters Eisfell anzutreten und König des Dschungels zu werden. Doch bis dahin war es noch ein weiter Weg.
Vorerst war Raja nur froh darüber, dass Eisenkralle vertrieben worden war. Nach dem dramatischen Kampf gegen den Tyrannen1 war vorerst wieder Frieden im Dschungel eingekehrt, und Raja hatte das Rätsel gelöst, das Senjata, der Anführer der Bayangai, ihm aufgegeben hatte. Der Schwarze Panther hatte ihn gefragt, welches Tier unter allen Kreaturen des Dschungels dem Großen Drachen das liebste sei. Und nachdem er viele Gefahren überwunden und zahlreiche Kämpfe überstanden hatte, war Raja die Antwort klar geworden: Es war dasjenige Tier, das nicht zuerst an sich selbst dachte, sondern bereit war, sein Leben für andere, für die Gemeinschaft einzusetzen.
So war es ihm schließlich doch noch gelungen, bei den Bayangai aufgenommen zu werden, deren Reich sich inmitten der Schwimmenden Felsen befand, ein Stück vor der Küste. Wer die Insel der Schatten aus der Ferne betrachtete, dem kam sie vor wie das riesige steinerne Haupt eines Tigers: Der Fels war nach vorn gewölbt wie eine Schnauze, und die Büsche und Bäume darauf bildeten Augen und Ohren. Und dort, wo bei einem Tiger das Maul war, klaffte der dunkle Eingang einer Höhle, deren Tropfsteine noch dazu wie riesige Reißzähne wirkten. Es war ein einschüchternder Anblick, und Raja erinnerte sich noch gut daran, wie mulmig ihm zumute gewesen war, als er die Insel das erste Mal gesehen hatte. Doch das lag schon einige Zeit zurück – nun war er glücklich und stolz, selbst zu den Bayangai zu gehören. Auch wenn er nur ein einfacher Pelajar war, wie die Schüler hier genannt wurden, und wenn er seine Freunde Luku, den vorlauten Koboldmaki, und Makan, den immer hungrigen Malaienbären, dafür hatte zurücklassen müssen. Noch nicht einmal der kleine Gecko Biru, der schon seinem Vater als Berater gedient hatte und Raja stets zur Seite stand, hatte ihn begleiten dürfen. Nur Raubkatzen, den gefährlichsten Jägern des Dschungels, wurde der Zutritt auf die Insel der Bayangai gewährt – und das war vermutlich auch besser so …
»Pelajare!«, tönte Senjatas Stimme über die Senke, in der sich die neuen Schüler versammelt hatten. Außer Raja waren auch der Nebelparder Titik, die Goldkatze Tanga sowie ein weiterer junger Tiger namens Kipas zur Ausbildung angenommen worden, der offenbar schon länger auf der Insel weilte, jedoch erst heute seinen Eid leistete. Rings um die Senke hatten sich die fortgeschrittenen Schüler und ihre Meister, die Kendare, versammelt. Neugierig beäugten sie die Neuen und lauschten, was Senjata, der Oberste Kendar, zu sagen hatte.
Der Schwarze Panther thronte auf einem hohen Felsen, von dem aus er streng jeden einzelnen Anwärter musterte. Nur seine Umrisse waren gegen den in orangerot getauchten Abendhimmel zu sehen – und seine gelbgrünen Augen, die geheimnisvoll funkelten, als er sagte: »In jedem Jahr nehmen die Bayangai vier neue Schüler zu sich, um sie in die Geheimnisse der Schattenjagd einzuweihen. Die Wahl ist auf euch gefallen. Ich hoffe, dass ihr diese große Ehre zu schätzen wisst und euch als würdig erweist. Denn nur wer bereit ist, über sich hinauszuwachsen, wird dadurch das Gesicht des Jägers erlangen und ein Schattenkrieger werden.«
Raja und die anderen beugten die Häupter und verneigten sich, wie man es ihnen beigebracht hatte. Gehorsam und Respekt waren von großer Bedeutung auf der Insel. Wer nicht bereit war, sich in Demut zu üben, würde nicht lange bleiben …
»Die Ausbildung«, fuhr der Schwarze Panther fort, »folgt den Wegen der Schatten, die unsere Gemeinschaft seit vielen Zeitaltern beschreitet. Manches davon wird euch vielleicht seltsam vorkommen, und ihr werdet vieles tun, dessen Sinn ihr nicht sofort versteht. Bisweilen werdet ihr an eure Grenzen stoßen, werdet das Gefühl haben, dass eure Kräfte euch verlassen – und dann wird sich zeigen, wer von euch der Herausforderung gewachsen ist.«
»Ich natürlich«, hörte Raja Kipas neben sich knurren. Die Ohren des Tigers, der nur wenig älter war als Raja, zuckten aufgeregt. Sein Rücken war durchgestreckt, sein Schwanz war nach oben gebogen – er schien es kaum erwarten zu können, mit der Ausbildung zu beginnen. »Wer denn sonst?«
»Vielleicht«, sprach Senjata weiter, »habt ihr bereits von der Legende der ›Sieben Höhlen der Bayangai‹ gehört. Nun, es gibt sie wirklich. Durch diese sieben Höhlen wird euch eure Ausbildung führen. Jede dieser Höhlen birgt ein Geheimnis, das es zu ergründen, und eine Prüfung, die es zu meistern gilt. Nur wer alle sieben Prüfungen besteht, wird den Titel eines Kendar erhalten und ein vollwertiges Mitglied unserer Gemeinschaft werden.«
»Und wenn man eine Prüfung nicht besteht?«
Eigentlich hatte Raja die Frage nur gedacht – als sich jedoch aller Augen auf ihn richteten, wurde ihm klar, dass er sie laut ausgesprochen hatte. Titik und Tanga nickten ihm zu, sie hatten sich wohl dieselbe Frage gestellt. Kipas jedoch bleckte die Zähne und sah Raja aus seinen bernsteinfarbenen Augen abschätzig an. »Hast du etwa Angst, Tigerherz?«, raunte er ihm zu.
Tigerherz …
Der Jägername, der Raja nach dem siegreichen Kampf gegen Eisenkralle verliehen worden war, klang ohnehin noch ziemlich ungewohnt in seinen Ohren. Noch mehr allerdings, wenn man ihn so spöttisch aussprach, wie Kipas es tat.
Raja wollte etwas erwidern, als Senjata erneut die Stimme erhob: »Wer bei einer Prüfung versagt«, erklärte er, wobei er nicht nur Raja, sondern auch die anderen Schüler durchdringend ansah, »wird sie so lange wiederholen, bis er sie besteht – oder bis sein Meister entscheidet, dass für ihn kein Platz ist auf der Insel der Schatten. Ich rate euch also, euch anzustrengen, habt ihr verstanden?«
Raja und die anderen nickten, Kipas scharrte zudem mit den Vorderpfoten wie ein Nashorn kurz vor dem Angriff.
»Ihr werdet euch diesen Herausforderungen jedoch nicht allein stellen«, fuhr Senjata fort. »Jeder von euch bekommt einen Kendar, einen Lehrer, zur Seite gestellt, der euch in die Geheimnisse der Bayangai einweihen wird.«
Raja merkte, wie sich sein Herzschlag beschleunigte.
Auf diesen Augenblick hatten sie alle gewartet – denn nun würden sie erfahren, wer ihre Lehrer sein würden. Natürlich hatten im Vorfeld Gerüchte die Runde gemacht, und einige der anderen Schüler hatten Geschichten erzählt, bei denen sich Rajas Nackenfell nur so gesträubt hatte; Geschichten über unerbittlich strenge Meister, die ihre Schüler oftmals tagelang üben ließen, ohne ihnen Futter oder Wasser zu geben, und noch Schlimmeres. Entsprechend gespannt waren die Neuen, auf wen die Wahl fallen würde – Raja hegte eine geheime Hoffnung.
Von seiner Mutter wusste er, dass Senjata einst in den Diensten seines Vaters gestanden hatte und Leibwächter am königlichen Hof von Astana gewesen war. Und da der Oberste Kendar derzeit keinen eigenen Schüler hatte, war es gut möglich, dass er sich persönlich um Raja kümmern würde.
So jedenfalls hoffte Raja.
Bis zu dem Moment, da die Namen genannt wurden …
Titik bekam Meister Abu zugeteilt, einen Nebelparder wie er selbst, der allerdings schon etwas in die Jahre gekommen war; sein gelbes, von schwarzen Flecken übersätes Fell war an einigen Stellen bereits silbergrau geworden, und er hinkte leicht. Aber er war ein erfahrener Jäger, und Titik war sichtlich froh darüber, ihm zugeteilt worden zu sein.
Die kesse Tanga war als Goldkatze kleiner als ein Parder und noch viel kleiner als ein Tiger, was sie jedoch nicht davon abzuhalten schien, eine Schattenkriegerin werden zu wollen; ihre Meisterin wurde Arit, ein Binturong. Arits Schwanz, mit dem sie auch greifen konnte, war fast genauso lang wie ihr von dunkelgrauem Fell bedeckter Körper, und im Klettern war sie beinahe so gut wie ein Affe; auch sie jagte meist bei Nacht, so würde sie für Tanga die denkbar beste Lehrerin sein.
»Um dich, Kipas«, wandte sich Senjata schließlich an den ungeduldigen jungen Tiger mit dem orangeroten, fast feuerfarbenen Fell, »wird sich jemand kümmern, der lange keinen Schüler mehr hatte. Er wird dir seine ganze Aufmerksamkeit und einen guten Teil seiner Zeit widmen, also erweise dich seiner als würdig.«
»Das werde ich, Oberster Kendar«, versicherte Kipas und senkte beflissen das Haupt, die Ohren eng an den Kopf gelegt. »Doch bitte sagt mir, um wen handelt es sich?«
»Ich selbst werde dein Kendar sein«, verkündete der Schwarze Panther rundheraus – zu Kipas‘ Verblüffung und zu Rajas Enttäuschung.
»Aber …«, stieß Raja hilflos hervor – doch die Worte blieben ihm im Hals stecken. Was hätte er auch sagen sollen? Er hatte schließlich kein Anrecht darauf, dass Senjata sein Lehrer wurde. Gewiss, der Panther hatte seine Eltern gekannt, und Raja war der Prinz des Dschungels – aber das schien keine Rolle zu spielen. Ebenso wenig, wie es bei Rajas Aufnahme in den Kreis der Bayangai eine Rolle gespielt hatte. Hier galten andere Regeln, das wurde Raja in diesem...




