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E-Book, Deutsch, 332 Seiten, eBook

Engartner Die Privatisierung der Deutschen Bahn

Über die Implementierung marktorientierter Verkehrspolitik

E-Book, Deutsch, 332 Seiten, eBook

ISBN: 978-3-531-90967-7
Verlag: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Format: PDF
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Das Buch analysiert den Prozess der Bahnprivatisierung in Deutschland und vergleicht diesen mit den britischen Entwicklungen. Damit liefert das Buch einen wichtigen und aktuellen Beitrag zur Debatte.

Dr. Tim Engartner arbeitet am Lehrstuhl für Wirtschaftswissenschaften und Didaktik der Wirtschaftslehre an der Universität Duisburg-Essen, Campus Essen.
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1;Danksagung;6
2;Inhaltsverzeichnis;8
3;Vorwort;12
4;1 Einleitung;16
4.1;1.1 Die Deutsche Bahn im Spannungsfeld von Staats- und Privateigentum;16
4.2;1.2 Horizontale und vertikale Fragmentierung des britischen Bahnwesens als Folge der Privatisierung von British Rail;24
4.3;1.3 Privatisierung als Selbstentmachtung des öffentlichen Sektors;27
4.4;1.4 Konzeption der Arbeit;30
5;2 Das neoliberale Paradigma als legitimatorischer Wegbereiter der Bahnreform;32
5.1;2.1 Grundzüge und Phasen einer systematisch entwickelten Makrostrategie;32
5.2;2.2 Die Preisgabe staatlicher Steuerung in der Verkehrspolitik;58
5.3;2.3 Kritik an einer Ökonomisierung ohne politische Normierung;61
5.4;2.4 Hinwendung zu einer marktorientierten Wirtschaftspolitik;75
6;3 Privatisierung und Liberalisierung – Strategien staatlicher Selbstentmachtung;80
6.1;3.1 Struktureller und institutioneller Wandel;80
6.2;3.2 Die Privatisierung von Infrastruktur- und Versorgungsleistungen;86
6.3;3.3 Deregulierung als zentrale Dimension von Liberalisierung;108
6.4;3.4 Das Bahnwesen als Objekt der Entstaatlichung;132
7;4 Stationen einer (kapital)marktorientierten Neuvermessung der Bahnpolitik;136
7.1;4.1 Die unzureichend geführte Reformdebatte als Ausgangspunkt der bahnpolitischen Fehlentwicklungen;136
7.2;4.2 Der Niedergang des Bahnwesens und dessen Ursachen im Kontext verkehrspolitischer Entwicklungstendenzen;146
7.3;4.3 Ziele, Erfolge und Versäumnisse: rechtliche und organisatorische Voraussetzungen zentraler Reformschritte;156
7.4;4.4 Sicht- und spürbare Erscheinungsbilder der Kapitalmarktorientierung;169
7.5;4.5 Komplex und bedeutsam – die eigentumsrechtliche Neuordnung der Schieneninfrastruktur;198
7.6;4.6 Unwiederbringliche Preisgabe staatlicher Schlüsselfunktionen – oder: eine kritische Würdigung der Reformschritte;219
8;5 Überhöhtes Vertrauen in den Wettbewerb: Privatisierung und Fragmentierung des britischen Bahnwesens;230
8.1;5.1 Schleichende Abkehr von der traditionellen Bahnpolitik und Fokussierung auf den Kapitalmarkt;230
8.2;5.2 Vom Börsen- zum Bettelgang: Privatisierung und De- facto- Renationalisierung des Infrastrukturbetreibers;249
8.3;5.3 Mangelhafter Service, gesunkene Qualitätsstandards, byzantinisches Geflecht von Verantwortlichkeiten und Rückbesinnung auf staatliche Aufgabenwahrnehmung;264
8.4;5.4 Lehren aus der gescheiterten Bahnprivatisierung in Großbritannien;271
9;6 Schlussbetrachtung;274
9.1;6.1 Die Preisgabe von Planungs- und Lenkungsmöglichkeiten;274
9.2;6.2 Vorbildliche Ausgestaltung des Schienensektors durch den Staat: die Schweizerischen Bundesbahnen;278
9.3;6.3 Negativfolgen der (Kapital-)Marktorientierung: Auszehrung des Schienenverkehrs im ländlichen Raum, Ausweitung bahnfremder Dienstleistungen und breit angelegte Liegenschaftsverkäufe;283
9.4;6.4 Der Verzicht auf (verkehrs)politische Steuerungselemente: ahistorisch, kurzsichtig und ( bislang) verfassungswidrig;290
10;Anhang;298
10.1;1 Ziele, Methoden und Bewertungskriterien staatlicher Aktivitäten;298
10.2;2 Chronologie der Bahnreform ;299
10.3;3 Die Zuständigkeiten im Bereich der Eisenbahnen nach dem ENeuOG vom 17. Dezember 1993;302
10.4;4 Organisationsstruktur der Deutschen Bahn AG;303
10.5;5 Leistungsdaten der Deutschen Bahn AG im Schienenverkehr von 1994 bis 2006;304
10.6;6 Betriebslänge der Bahntrassen (in Kilometern);305
10.7;7 Modal Split: Personenkilometer (in Prozent);305
11;Abkürzungsverzeichnis;306
12;Literatur- und Quellenverzeichnis;312

Das neoliberale Paradigma als legitimatorischer Wegbereiter der Bahnreform.- Privatisierung und Liberalisierung — Strategien staatlicher Selbstentmachtung.- Stationen einer (kapital)marktorientierten Neuvermessung der Bahnpolitik.- Überhöhtes Vertrauen in den Wettbewerb: Privatisierung und Fragmentierung des britischen Bahnwesens.- Schlussbetrachtung.


3 Privatisierung und Liberalisierung – Strategien staatlicher Selbstentmachtung (S. 79-80)

3.1 Struktureller und institutioneller Wandel

Die ökonomische Entwicklung in der Bundesrepublik nahm zu Beginn der 90er- Jahre einen ähnlichen Verlauf wie jene in Großbritannien mehr als ein Jahrzehnt zuvor: Das negative Leistungsbilanzsaldo bei einem sich verschärfenden Haushaltsdefizit, die im historischen Vergleich hohe Inflationsrate und die stetig steigenden Sozialausgaben erinnerten an das nach allgemeiner Lesart erstarrte Vereinigte Königreich vor der Amtsübernahme durch die Regierung Thatcher im Jahre 1979.

In dieser Situation gerieten zahlreiche Güter und Dienstleistungen, die aufgrund ihrer ökonomischen Besonderheiten und gesellschaftlichen Funktionen der Steuerung durch Angebot und Nachfrage entzogen waren, in den Bannstrahl staatlicher Wirtschaftstätigkeit. Zwar hatte es bereits im Zeitraum zwischen 1959 und 1965 partielle Privatisierungen bei Preussag, Volkswagen und der VEBA gegeben, aber erst im Zuge der politischen Wende 1982/83 galt die Krise der staatlichen Ordnungs-, Gestaltungs- und Wohlfahrtssicherungsfunktionen als ausgemacht.

Zur Ursache der Performanzkrise wurde die „mangelhafte Problemlösungskapazität nachfrageorientierter Wirtschaftspolitik" erklärt, was eine Erosion des keynesianischen Konsenses und damit eine Abkehr vom interventionistischen Wohlfahrtsstaat inklusive staatlicher Betätigung bedeutete. Die Implementierung von Markt- und Wettbewerbsmechanismen sollte neue Wachstumspotenziale erschließen und überdies als Preis- und Qualitätsregulativ fungieren. Fortan wurde die Reduzierung zentralstaatlicher Steuerungsansprüche aber nicht mehr ausschließlich als zentrales (theoretisches) Leitmotiv neoliberaler Politikkonzeptionen begriffen, sondern seit der Übernahme der Amtsgeschäfte zunächst von der konservativliberalen, später dann auch von der rot-grünen Regierungskoalition mit Beharrlichkeit praktiziert, sodass die Anzahl der staatlichen Beteiligungen auf Bundes ebene von 985 im Jahre 1982 auf den historischen Tiefstand von 109 zum Jahresende 2005 sank.

Spätestens mit dem durch den Beitritt der DDR sichtbar gewordenen Tertiarisierungsrückstand war die strukturelle Überlastung des Staates unverrückbar in das öffentliche Bewusstsein gedrungen. Die historische Sondersituation der Deutschen Vereinigung, die den wirtschaftlichen und sozialen Problemlösungsdruck offen zu Tage treten ließ, begünstigte das konzeptionell minutiös ausgearbeitete und in der Praxis mit Verve durchgefochtene Privatisierungsprogramm insofern, als der ehemals beträchtliche Widerstand innerhalb der Bevölkerung merklich schwand.

Der damalige Minister für Post und Telekommunikation, Christian Schwarz-Schilling, hatte in einem Interview mit Blick auf die von ihm geleitete Bundespost zu Beginn der 90er-Jahre verlauten lassen, dass es erklärtes Ziel der CDU/CSU-geführten Bundesregierung sei, „das Unternehmen (…) in Zukunft von den Einflüssen der Politik" zu befreien, „die Fesseln des öffentlichen Dienstrechts [zu] sprengen" und die für eine Privatisierung der Behörde erforderlichen (grund)gesetzlichen Voraussetzungen zu schaffen.

Nachdem die Bundespost mit dem zum 1. Juli 1989 umgesetzten Poststrukturgesetz („Postreform I") eine sektorale Neugliederung der Organisationsbereiche erfahren hatte, aber noch bevor 1994 die „Postreform II" – aus der Deutsche Post AG, Deutsche Telekom AG und Postbank AG hervorgingen – abgeschlossen war, wurde diese Argumentationslinie mit der Privatisierung und Deregulierung des deutschen Bahnwesens aufgegriffen. Als nicht minder bedeutend für die nachhaltige Veränderung der deutschen „regulativen Kultur"180 ist die wachsende Integrationstiefe der EU zu werten, ging doch eine zentrale Entscheidung „in Richtung mehr Marktwirtschaft"181 im Verkehrssektor mit dem Untätigkeitsurteil vom 22. Mai 1985 von europäischer Ebene aus.


Dr. Tim Engartner arbeitet am Lehrstuhl für Wirtschaftswissenschaften und Didaktik der Wirtschaftslehre an der Universität Duisburg-Essen, Campus Essen.


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