Fontane / Böttcher | Unterm Birnbaum. Textausgabe mit Kommentar und Materialien | E-Book | sack.de
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E-Book, Deutsch, 189 Seiten

Reihe: Reclam XL – Text und Kontext

Fontane / Böttcher Unterm Birnbaum. Textausgabe mit Kommentar und Materialien

Reclam XL – Text und Kontext

E-Book, Deutsch, 189 Seiten

Reihe: Reclam XL – Text und Kontext

ISBN: 978-3-15-961759-6
Verlag: Reclam Verlag
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



In einem Dorf im Oderbruch begeht ein hochverschuldetes Ehepaar einen Raubmord, um den Gläubigern zu entkommen. In Fontanes spannender Kriminalnovelle schwanken die Dorfbewohner bei der Aufklärung des Verbrechens zwischen Aberglauben und Sensationslust. Eine psychologisch meisterhaft gestaltete Milieustudie.

Klassenlektüre und Textarbeit einfach gemacht: Die Reihe »Reclam XL – Text und Kontext« erfüllt alle Anforderungen an Schullektüre und Bedürfnisse des Deutschunterrichts:
* Schwierige Wörter werden am Fuß jeder Seite erklärt, ausführlichere Wort- und Sacherläuterungen stehen im Anhang.
* Ein Materialienteil mit Text- und Bilddokumenten erleichtert die Einordnung und Deutung des Werkes im Unterricht.
* Natürlich passen auch weiterhin alle Lektüreschlüssel, Erläuterungsbände und Interpretationen dazu!

E-Book mit Seitenzählung der gedruckten Ausgabe: Buch und E-Book können parallel benutzt werden.
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Weitere Infos & Material


Unterm Birnbaum. Roman

Anhang
1. Zur Textgestalt

2. Anmerkungen

3. Theodor Fontane: Leben – Zeit – Werk
3.1 Zeittafel
3.2 Über den Schriftsteller Theodor Fontane

4. Stoff
4.1 Ein unaufgeklärter Kriminalfall
4.2 Reale Vorbilder
4.3 Das Dorf im Oderbruch und seine Bewohner
4.4 Einstellung und Mentalität der Menschen im Oderbruch
4.5 Ein Kindheitserlebnis Fontanes
4.6 Dorfgeschichten
4.7 Spukgeschichten

5. Entstehungs- und Veröffentlichungsgeschichte, medienhistorischer Kontext

6. Zeitgenössische Wirkung und Rezeption
6.1 Unterm Birnbaum auf dem Buchmarkt
6.2 "Echter Realismus". Die Kunst des Erzählens als Kunst des Verschweigens
6.3 Realismus versus Naturalismus
6.4 Psychologie der Figuren

7. Zeit- und Raumgestaltung, Erzählweise
7.1 Detailgenaue und symbolische Wirklichkeitsdarstellung, Perspektiven
7.2 Die Komposition des Erzählanfangs

8. Detektivisches Lesen

9. Literaturhinweise, Hörspiel, Comic, Verfilmungen


I.
Vor dem in dem großen und reichen Oderbruchdorfe Tschechin um Michaeli 20 eröffneten Gasthaus und Materialwarengeschäft von Abel Hradscheck (so stand auf einem über der Tür angebrachten Schilde) wurden Säcke, vom Hausflur her, auf einen mit zwei magern Schimmeln bespannten Bauerwagen geladen. Einige von den Säcken waren nicht gut gebunden oder hatten kleine Löcher und Ritzen, und so sah man denn an dem, was herausfiel, dass es Rapssäcke waren. Auf der Straße neben dem Wagen aber stand Abel Hradscheck selbst und sagte zu dem eben vom Rad her auf die Deichsel steigenden Knecht: »Und nun vorwärts, Jakob, und grüße mir Ölmüller Quaas. Und sag ihm, bis Ende der Woche müsst’ ich das Öl haben, Leist in Wrietzen warte schon. Und wenn Quaas nicht da ist, so bestelle der Frau meinen Gruß und sei hübsch manierlich. Du weißt ja Bescheid. Und weißt auch, Kätzchen hält auf Komplimente.« Der als Jakob Angeredete nickte nur statt aller Antwort, setzte sich auf den vordersten Rapssack und trieb beide Schimmel mit einem schläfrigen »Hüh« an, wenn überhaupt von Antreiben die Rede sein konnte. Und nun klapperte der Wagen nach rechts hin den Fahrweg hinunter, erst auf das Bauer Orth’sche Gehöft samt seiner Windmühle (womit das Dorf nach der Frankfurter Seite hin abschloss) und dann auf die weiter draußen am Oderbruchdamm gelegene Ölmühle zu. Hradscheck sah dem Wagen nach, bis er verschwunden war, und trat nun erst in den Hausflur zurück. Dieser war breit und tief und teilte sich in zwei Hälften, die durch ein paar Holzsäulen und zwei dazwischen ausgespannte Hängematten voneinander getrennt waren. Nur in der Mitte hatte man einen Durchgang gelassen. An dem Vorflur lag nach rechts hin das Wohnzimmer, zu dem eine Stufe hinaufführte, nach links hin aber der Laden, in den man durch ein großes, fast die halbe Wand einnehmendes Schiebefenster hineinsehen konnte. Früher war hier die Verkaufsstelle gewesen, bis sich die zum Vornehmtun geneigte Frau Hradscheck das Herumtrampeln auf ihrem Flur verbeten und auf Durchbruch einer richtigen Ladentür, also von der Straße her, gedrungen hatte. Seitdem zeigte dieser Vorflur eine gewisse Herrschaftlichkeit, während der nach dem Garten hinausführende Hinterflur ganz dem Geschäft gehörte. Säcke, Zitronen- und Apfelsinenkisten standen hier an der einen Wand entlang, während an der andern übereinandergeschichtete Fässer lagen, Ölfässer, deren stattliche Reihe nur durch eine zum Keller hinunterführende Falltür unterbrochen war. Ein sorglich vorgelegter Keil hielt nach rechts und links hin die Fässer in Ordnung, so dass die untere Reihe durch den Druck der oben aufliegenden nicht ins Rollen kommen konnte. So war der Flur. Hradscheck selbst aber, der eben die schmale, zwischen den Kisten und Ölfässern frei gelassene Gasse passierte, schloss, halb ärgerlich, halb lachend, die trotz seines Verbotes mal wieder offen stehende Falltür und sagte: »Dieser Junge, der Ede. Wann wird er seine fünf Sinne beisammen haben!« Und damit trat er vom Flur her in den Garten. Hier war es schon herbstlich, nur noch Astern und Reseda blühten zwischen den Buchsbaumrabatten, und eine Hummel umsummte den Stamm eines alten Birnbaums, der mitten im Garten hart neben dem breiten Mittelsteige stand. Ein paar Möhrenbeete, die sich, samt einem schmalen mit Kartoffeln besetzten Ackerstreifen, an ebendieser Stelle durch eine Spargelanlage hinzogen, waren schon wieder umgegraben, eine frische Luft ging, und eine schwarzgelbe, der nebenan wohnenden Witwe Jeschke zugehörige Katze schlich, mutmaßlich auf der Sperlingssuche, durch die schon hoch in Samen stehenden Spargelbeete. Hradscheck aber hatte dessen nicht Acht. Er ging vielmehr rechnend und wägend zwischen den Rabatten hin und kam erst zu Betrachtung und Bewusstsein, als er, am Ende des Gartens angekommen, sich umsah und nun die Rückseite seines Hauses vor sich hatte. Da lag es, sauber und freundlich, links die sich von der Straße her bis in den Garten hinziehende Kegelbahn, rechts der Hof samt dem Küchenhaus, das er erst neuerdings an den Laden angebaut hatte. Der kaum vom Winde bewegte Rauch stieg sonnenbeschienen auf und gab ein Bild von Glück und Frieden. Und das alles war sein! Aber wie lange noch? Er sann ängstlich nach und fuhr aus seinem Sinnen erst auf, als er, ein paar Schritte von sich entfernt, eine große, durch ihre Schwere und Reife sich von selbst ablösende Malvasierbirne mit eigentümlich dumpfem Ton aufklatschen hörte. Denn sie war nicht auf den harten Mittelsteig, sondern auf eins der umgegrabenen Möhrenbeete gefallen. Hradscheck ging darauf zu, bückte sich und hatte die Birne kaum aufgehoben, als er sich von der Seite her angerufen hörte: »Dag, Hradscheck. Joa, et wahrd nu Tied. De Malvesieren kümmen all von sülwst.« Er wandte sich bei diesem Anruf und sah, dass seine Nachbarin, die Jeschke, deren kleines, etwas zurückgebautes Haus den Blick auf seinen Garten hatte, von drüben her über den Himbeerzaun kuckte. »Ja, Mutter Jeschke, ’s wird Zeit«, sagte Hradscheck. »Aber wer soll die Birnen abnehmen? Freilich, wenn Ihre Line hier wäre, die könnte helfen. Aber man hat ja keinen Menschen und muss alles selbst machen.« »Na, Se hebben joa doch den Jungen, den Ede.« »Ja, den hab ich. Aber der pflückt bloß für sich.« »Dat sall woll sien«, lachte die Alte. »Een in’t Töppken, een in’t Kröppken.« Und damit humpelte sie wieder nach ihrem Hause zurück, während auch Hradscheck wieder vom Garten her in den Flur trat. Hier sah er jetzt nachdenklich auf die Stelle, wo vor einer halben Stunde noch die Rapssäcke gestanden hatten, und in seinem Auge lag etwas, als wünsch’ er, sie stünden noch am selben Fleck oder es wären neue statt ihrer aus dem Boden gewachsen. Er zählte dann die Fässerreihe, rief, im Vorübergehen, einen kurzen Befehl in den Laden hinein und trat gleich danach in seine gegenüber gelegene Wohnstube. Diese machte neben ihrem wohnlichen zugleich einen eigentümlichen Eindruck, und zwar, weil alles in ihr um vieles besser und eleganter war, als sich’s für einen Krämer und Dorfmaterialisten schickte. Die zwei kleinen Sofas waren mit einem hellblauen Atlasstoff bezogen, und an dem Spiegelpfeiler stand ein schmaler Trumeau, weißlackiert und mit Goldleiste. Ja, das in einem Mahagonirahmen über dem kleinen Klavier hängende Bild (allem Anscheine nach ein Stich von Claude Lorrain) war ein Sonnenuntergang mit Tempeltrümmern und antiker Staffage, so dass man sich füglich fragen durfte, wie das alles hierher komme? Passend war eigentlich nur ein Stehpult mit einem Gitteraufsatz und einem Kuckloch darüber, mit Hilfe dessen man, über den Flur weg, auf das große Schiebefenster sehen konnte. Hradscheck legte die Birne vor sich hin und blätterte das Kontobuch durch, das aufgeschlagen auf dem Pulte lag. Um ihn her war alles still, und nur aus der halb offen stehenden Hinterstube vernahm er den Schlag einer Schwarzwälder Uhr. Es war fast, als ob das Ticktack ihn störe, wenigstens ging er auf die Tür zu, anscheinend um sie zu schließen; als er indes hineinsah, nahm er überrascht wahr, dass seine Frau in der Hinterstube saß, wie gewöhnlich schwarz, aber sorglich gekleidet, ganz wie jemand, der sich auf Figurmachen und Toilettendinge versteht. Sie flocht eifrig an einem Kranz, während ein zweiter, schon fertiger an einer Stuhllehne hing. »Du hier, Ursel! Und Kränze! Wer hat denn Geburtstag?« »Niemand. Es ist nicht Geburtstag. Es ist bloß Sterbetag, Sterbetag deiner Kinder. Aber du vergisst alles. Bloß dich nicht.« »Ach, Ursel, lass doch. Ich habe meinen Kopf voll Wunder. Du musst mir nicht Vorwürfe machen. Und dann die Kinder. Nun ja, sie sind tot, aber ich kann nicht trauern und klagen, dass sie’s sind. Umgekehrt, es ist ein Glück.« »Ich verstehe dich nicht.« »Und ist nur zu gut zu verstehn. Ich weiß nicht aus noch ein und habe Sorgen über Sorgen.« »Worüber? Weil du nichts Rechtes zu tun hast und nicht weißt, wie du den Tag hinbringen sollst. Hinbringen sag ich, denn ich will dich nicht kränken und von Zeit totschlagen sprechen. Aber sage selbst, wenn drüben die Weinstube voll ist, dann fehlt dir nichts. Ach, das verdammte Spiel, das ewige Knöcheln und Tempeln. Und wenn du noch glücklich spieltest! Ja, Hradscheck, das muss ich dir sagen, wenn du spielen willst, so spiele wenigstens glücklich. Aber ein Wirt, der nicht glücklich spielt, muss davonbleiben, sonst spielt er sich von Haus und Hof. Und dazu das Trinken, immer der schwere Ungar, bis in die Nacht hinein.« Er antwortete nicht, und erst nach einer Weile nahm er den Kranz, der über der Stuhllehne hing, und sagte: »Hübsch. Alles, was du machst, hat Schick. Ach, Ursel, ich wollte, du hättest bessere Tage.« Dabei trat er freundlich an sie heran und streichelte sie mit seiner weißen, fleischigen Hand. Sie...


Theodor Fontane (d. i. Henri Théodore F., 30.12.1819 Neuruppin – 20.9.1898 Berlin) arbeitete zunächst als Apothekergehilfe und unterrichtete nach seinem Staatsexamen Pharmazie in einem Berliner Krankenhaus, wandte sich dann aber der Schriftstellerei zu. 1850 fand er eine Anstellung im Presseapparat der preußischen Regierung, für den er mehrere Jahre in England tätig war. 1860 wurde er Zeitungsredakteur, zunächst Kriegsberichterstatter, dann für viele Jahre Theaterkritiker. Als Schriftsteller wurde er zuerst durch Balladen bekannt. Erst im Alter von fast 60 Jahren begann Fontane sein umfangreiches Romanwerk, das als Höhepunkt des realistischen Zeit- und Gesellschaftsromans gilt.


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