Hartogh / Wickel | Musizieren im Alter | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 164 Seiten

Reihe: Studienbuch Musik

Hartogh / Wickel Musizieren im Alter

Arbeitsfelder und Methoden

E-Book, Deutsch, 164 Seiten

Reihe: Studienbuch Musik

ISBN: 978-3-7957-8653-3
Verlag: Schott
Format: EPUB
Kopierschutz: Wasserzeichen (»Systemvoraussetzungen)



Die Diskussion über den demografischen Wandel und seine Folgen haben das Thema Musizieren im Alter in das öffentliche Interesse gerückt. Das Buch bietet eine Bestandsaufnahme aktueller musikalischer und musikgeragogischer Aktivitäten für und mit Menschen im dritten und vierten Lebensalter. Es werden Methoden, Arbeitsfelder und Angebote aufgezeigt - vom Instrumentalunterricht im jungen Seniorenalter über die musikalische Gruppenarbeit im Altersheim bis hin zum Musizieren mit hochaltrigen und dementiell erkrankten Menschen. - Angesprochen sind Musiklehrer und Musikinteressierte aus den Bereichen Sozialpädagogik und Pflege.
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Weitere Infos & Material


Einleitung - 1 Ältere Menschen heute - 1.1 Demographische Tendenzen - 1.2 Alter als Bildungsherausforderung - 1.3 Musiker im Alter - 2 Musik im höheren Lebensalter - 2.1 Musik in jüngeren Lebensjahren als Ressource für das Alter - 2.2 Musik für Junge - Musik für Alte? - 2.3 Musikgeragogik und Musikpädagogik - 2.4 Musik und Musikalität - 2.5 Wirkungen von Musik - 2.6 Bedeutung von Musik für den älteren Menschen - 3 Prinzipien und Haltungen in der Musikgeragogik - 3.1 Forderung eines ganzheitlichen Menschenbildes - 3.2 Angemessenes Anforderungsniveau - 3.3 Biografie- und Lebensweltorientierung - 3.4 Kompetenzorientierung - 3.5 Dialogische Orientierung - 3.6 Validierende Orientierung - 3.7 Intergenerative Orientierung - 3.8 Kultursensible Orientierung - 4 Musik im Spannungsfeld von Gesundheit, Krankheit und Krisensituationen - 4.1 Musik und Gesundheit - 4.2 Musik und Demenz - 4.2.1 Das Krankheitsbild - 4.2.2 Emotionale Funktion der Musik bei Demenz - 4.2.3 Identitätsfunktion der Musik bei Demenz - 4.2.4 Entspannungsfunktion von Musik bei Demenz - 4.2.5 Soziale und pflegeentlastende Funktion der Musik bei Demenz - 4.2.6 Präventionsaspekte - 4.3 Musik in Lebens- und Alltagskrisen - 4.4 Musik in der Sterbebegleitung - 5 Institutionen - 5.1 Stationäre und teilstationäre Einrichtungen - 5.2 Mobile Angebote - 5.3 Stadtteiltreffs und Kirchengemeinden - 5.4 Seniorenorchester, -chöre, -ensembles und -bands - 5.5 Musikschulen - 5.6 Volkshochschulen - 5.7 Landesmusikakademien - 5.8 Seniorenakademien - 5.9 Hochschulen - 6 Musizieren in Alteneinrichtungen und Pflegeheimen - 6.1 Singen - 6.2 Liedtexte schreiben/Schreibwerkstatt - 6.3 Lieder begleiten - 6.4 Improvisieren und Verklanglichen - 6.5 Musikstücke mitspielen (Mitspielsätze) - 6.6 Musikhören - 6.7 Themenzentrierte Musikangebote - 6.8 Musiklehre und Musikgeschichte - 6.9 Selbstbau von Musikinstrumenten - 7 Musik und Bewegung - 7.1 Bewegung im Alter - 7.2 Musikeinsatz bei Prävention und Rehabilitation der Motorik - 7.3 Tänze. - 7.3.1 Tanzformen und Funktionen des Tanzes - 7.3.2 Methodische Überlegungen zum Tanzen - 7.4 Bewegungsimprovisationen und Bewegungslieder - 7.5 Biografische Gesichtspunkte - 8 Musikunterricht im Alter - 8.1 Musikbezogenes Lernen im Alter - 8.2 Musikalische Bildung im Alter - 8.3 Instrumental- und Gesangsunterricht - 8.3.1 Instrumentalunterricht - 8.3.2 Anforderungen an den Instrumentallehrer - 8.3.3 Gesangsunterricht - 8.3.4 Instrumental- und Gesangsgeragogik vs. Instrumental- und Gesangspädagogik - 8.3.5 Instrumentenwahl und Repertoire - Ausblick - Anhang - Wiesbadener Erklärung des Deutschen Musikrats - Literaturverzeichnis - Bildnachweis


1. Ältere Menschen heute
Alter und Altern sind vielschichtige Phänomene, die sich aus dem Blickwinkel wissenschaftlicher Disziplinen wie Biologie, Medizin, Psychologie, Soziologie oder Kulturwissenschaften unterschiedlich präsentieren. Mit Alter kann das kalendarische oder chronologische Lebensalter, aber auch eine gesellschaftliche Status- und Rollenzuschreibung gemeint sein. Auch in der Geschichte ist Alter je nach Epoche und Kulturkreis immer wieder einem Wandel unterlegen: Auf der einen Seite gibt es den weisen alten Menschen, dessen Wissen und Lebenserfahrung für den Fortbestand einer Kultur lebensnotwendig ist; auf der anderen Seite den abgeschobenen Alten, der als Empfänger sozialer und pflegerischer Leistungen eher überflüssig und lästig erscheint. So ging z. B. in der athenischen Demokratie der Ruhestand der Alten mit politischer Entmündigung, sozialer Verachtung, Armut und völliger Abhängigkeit von den Kindern einher (vgl. Herrmann-Otto 2004, S. 8). 1.1 Demographische Tendenzen
Altern und Alter sind derzeit gesellschaftliche Topthemen: Demographischer Wandel und Generationengerechtigkeit heißen die sozialpolitischen Schlagworte, die uns in vielen Lebensbereichen zum Um- und Neudenken auffordern. Schon heute leben mehr Menschen im Rentenalter als junge Leute unter 20 Jahren. Der Anteil der über 60-Jährigen im Jahr 2000 mit ca. 21 Prozent wächst im Jahr 2030 auf voraussichtlich ca. 35 Prozent. Aktueller Vorausberechnungen zufolge wird bis zur Mitte dieses Jahrhunderts die Bevölkerung ab 80 Jahren besonders stark von heute knapp vier Millionen auf rund zehn Millionen zunehmen. Gleichzeitig schrumpft die Gesamtbevölkerungszahl, und die Lebenszeit nimmt insgesamt zu. Eine Abnahme dieses langfristigen Trends ist nicht in Sicht, und Altersforscher prophezeien bereits für das Jahr 2060 eine durchschnittliche Lebenserwartung von 100 Jahren. Für viele Länder zeichnen sich radikale demographische Umschichtungen und daraus resultierende sozialpolitische Herausforderungen ab: So fehlen in China 25 Millionen Plätze in Altenheimen, und um die Mitte dieses Jahrhunderts wird es dort 400 Millionen Menschen über 60 Jahre geben, das wäre dann fast ein Viertel der gesamten Altenbevölkerung der Welt (vgl. Liang 2004, S. 92f.). Das steigende Lebensalter wird uns häufig als Horrormeldung verkauft, indem das Szenario einer vergreisten Gesellschaft entworfen wird, die von den wenigen Jungen nicht mehr getragen und versorgt werden kann. Erste Dispute über das Recht auf eine ordentliche medizinische Versorgung bis ins hohe Alter, etwas das Implantieren eines neuen Hüftgelenks, flammten vor einigen Jahren in Deutschland auf. Dabei wird kaum wahrgenommen, dass in dieser demographischen Entwicklung auch individuelle Chancen und gesellschaftliche Potenziale stecken, denen sich der vorliegende Band unter dem Aspekt der Musik widmet. Die zunehmende Zahl älterer Menschen ist vom Markt schon längst entdeckt worden. Firmen produzieren Kartenspiele im XXL-Format, bedienerfreundliche Handys mit großen Tasten, sprechende Waagen oder Dosenöffner mit optimierter Hebelkraft – seniorengerechte Produkte sind im Kommen, und der Bedarf an Produkten und Dienstleistungen längst noch nicht gedeckt. Auf die über 60-Jährigen fallen mittlerweile bereits ein Drittel der Konsumausgaben; die niedersächsische Landesregierung sah sich dadurch veranlasst, mit zahlreichen Partnern eine Initiative zu gründen, welche die Entwicklung und Vermarktung „generationengerechter Produkte“ vorantreiben soll (Niedersächsisches Ministerium für Soziales, Frauen, Familie und Gesundheit 2007). Wichtige Faktoren des demographischen Wandlungsprozesses sind eine zunehmende Verjüngung des Alters, frühe Entberuflichung, ein großer Anteil von Frauen, das Alleinleben (Singularisierung) vieler alter Menschen, eine ansteigende Hochaltrigkeit und eine immer stärkere Pluralisierung von Lebensstilen. Althergebrachte Rollenbilder werden aufgebrochen („Enttraditionalisierung“), und es entwickeln sich neue Lebensformen für Ältere. Henning Scherf, ehemaliger Bürgermeister von Bremen, hat es als Bewohner der wohl bekanntesten Senioren-WG Deutschlands mit seinem Slogan „Grau ist bunt“ publikumswirksam auf den Punkt gebracht. Pluralisierung geht allerdings auch mit einer Akkumulation der Ungleichheiten einher: Einer zum Teil hohen Altersarmut steht eine große Kaufkraft älterer Menschen gegenüber. Alle über 65-Jährigen in Deutschland haben zusammen genommen eine Kaufkraft von rund 293 Milliarden Euro im Jahr, pro Person entspricht dies einer Summe von knapp 20.000 Euro. Anbieter von Kulturreisen verzeichnen einen zunehmenden Kundenstamm der über 50-Jährigen. Für viele soll der verdiente Ruhestand nach dem Berufsleben nicht Stillstand bedeuten, sondern kulturelle Horizonterweiterung: Historische Bauten, Museen und Denkmäler deutscher Geschichte werden als Reiseziele von älteren Bürgern immer stärker favorisiert – ein Trend, auf den z. B. die Deutsche Stiftung Denkmalschutz mit zahlreichen Angeboten erfolgreich reagiert. Auch das durchschnittliche Alter der Besucher klassischer Konzerte nimmt ständig zu, allerdings ebenso bei Auftritten von Bands wie den Rolling Stones, die quasi mit ihren Fans alt werden. Die „jungen Alten“ tummeln sich mittlerweile in Lebensbereichen Jugendlicher und junger Erwachsener: In der Modewerbung posieren nackte ältere Frauen, in der Schweiz wurde 2007 erstmalig der Titel „Miss Altersheim“ verliehen, und in den Universitäten wächst die Zahl älterer Kommilitonen, die sich im Ruhestand für ein Seniorenstudium eingeschrieben haben. Die aktuelle Shell-Jugendstudie sieht hier schon erste Konfliktanzeichen, wenn alte Menschen zur Konkurrenz werden und vermehrt in Milieus auftauchen, die früher der Jugend vorbehalten waren (vgl. Picot & Willert 2007, S. 57). 1.2 Alter als Bildungsherausforderung
Wissenschaftler unterscheiden schon längst „junge“ Alte und „alte“ Alte bzw. Hochaltrige oder sprechen vom dritten und vierten Lebensalter, um die immer länger werdende nachberufliche Lebensphase, die mittlerweile in der Regel mehrere Jahrzehnte umfasst, differenzierter betrachten zu können. Sind die jungen Alten eine in der Regel gesunde und kapitalkräftige Konsumentengruppe, auf die sich der Markt vom Seniorenhandy bis zur Seniorenkulturreise einstellt, so rücken bei hochaltrigen Menschen stärker Betreuungs- und Pflegethemen in den Vordergrund. Dieses vierte Lebensalter beginnt ungefähr mit 80 bis 85 Jahren, ein Alter, in dem noch gut die Hälfte der Menschen lebt, die das Alter von 50 bis 60 Jahren erreicht hatten (vgl. Wurm & Tesch-Römer 2007, S. 3). Im Durchschnitt sind die über 60-Jährigen heute aufgrund von mehr Zeit und Geld sowie besserer Gesundheit wesentlich aktiver und unternehmenslustiger als früher – an die Ausgestaltung dieser Zeit und die Lebensqualität werden große Ansprüche gestellt. Kaffeefahrten werden immer stärker von Bildungsreisen verdrängt, die dem steigenden Bildungsniveau heutiger Senioren gerecht werden. Neben Aktivurlaub und Auslandsreisen gehören Inlandsreisen mit Gleichgesinnten – nicht Gleichaltrigen! – zu den meist gebuchten Urlaubsarrangements. Generationenübergreifende Bildungsthemen scheinen grundsätzlich ein zukunftsweisendes Mittel zu sein für das wechselseitige Verständnis und die Begegnung zwischen den Generationen, die vor dem Hintergrund sozialpolitischer Probleme wie Generationengerechtigkeit, steigende Kosten im Gesundheitswesen und Fragen der sozialen Sicherung umso dringlicher sind. Der Strukturwandel der Gesellschaft ist folglich als Bildungsherausforderung zu begreifen, denn durch die Verlängerung der nacherwerblichen Lebenszeit bleibt dem Menschen ein großer Spielraum für Bildung und Neuorientierung bzw. Intensivierung von Hobbys und kulturellen Interessen. Eine breite Bildung zählte die Enquete-Kommission Demographischer Wandel des Deutschen Bundestages im Jahr 1998 neben Fortschritten in Therapie und Rehabilitation zu den wichtigsten Voraussetzungen für ein gesundes Alter, denn Bildung hat einen salutogenetischen, also gesundheitsfördernden Effekt – so das Resultat einschlägiger Studien (vgl. Köster 2008, S. 34). Und ob des steigenden Bildungsniveaus werden künftige Seniorengenerationen Bildungsangebote stärker nachfragen. Dieser Trend wird nicht nur die jungen Alten betreffen, sondern gleichfalls die zunehmende Zahl hochaltriger Menschen, die in Alten- und Pflegeheimen leben. Denn psychische und physische Einbußen im hohen Alter müssen nicht zwangsläufig ein Ende von Bildungsinteressen bedeuten. Im Übrigen kann man zu Recht fragen, ob man mit 70 Jahren schon alt ist, wenn die durchschnittliche Lebenserwartung stetig steigt und bei einem Großteil der Bevölkerung bald 100 Jahre betragen wird. Und wer nach den jeweiligen gesellschaftlichen Kriterien alt ist, muss sich noch lange nicht alt fühlen. Ob sich jemand wohl fühlt, hängt nicht vorrangig von seiner objektiven Lebenssituation ab, sondern viel stärker von der...


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