Heidbrink / Hirsch | Staat ohne Verantwortung? | E-Book | sack.de
E-Book

E-Book, Deutsch, 500 Seiten

Heidbrink / Hirsch Staat ohne Verantwortung?

Zum Wandel der Aufgaben von Staat und Politik

E-Book, Deutsch, 500 Seiten

ISBN: 978-3-593-40289-5
Verlag: Campus
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark



Angesichts aktueller Probleme wie Reform des Arbeitsmarktes, Umbau der Wohlfahrtsgesellschaft und Privatisierung öffentlicher Einrichtungen gibt der Staat erhebliche Teile seiner Verantwortung an soziale Akteure und Organisationen, den Dritten Sektor, sowie an Verbände und Unternehmen ab. Die Autoren des Bandes (u. a. Wolfgang Kersting, Hermann Lübbe, Renate Mayntz, Julian Nida-Rümelin, Gunnar Folke Schuppert und Robert Spaemann) untersuchen, welche Auswirkungen der Rückzug des Staates aus der Erfüllungsverantwortung auf seine Steuerungsfähigkeit hat.
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Weitere Infos & Material


Inhalt
Vorwort
Ludger Heidbrink und Alfred Hirsch9
Einleitung
Der Staat der Verantwortungsgesellschaft
Ludger Heidbrink und Alfred Hirsch11
1. Voraussetzungen und Grundlagen politischer Verantwortung
Grenzen der Verantwortung
Robert Spaemann 37
Politische Verantwortung
Julian Nida-Rümelin 55
Sicherheit, Freiheit, Gerechtigkeit - zur Verantwortlichkeit des Staates
in der neueren Staatszieldiskussion
Wolfgang Kersting 87
Die säkulare Verantwortung der Politik
Volker Gerhardt119
Gesichter der Politik - Verantwortung zwischen rechtlicher, politischer
und ethischer Orientierung
Werner Stegmaier 143
2. Die Entstehung des Staates aus der Verantwortung
Wahre Demokratie - Marx, politische Subjektivitäten und
anarchische Meta-Politik
Simon Critchley 167
Staat und Politik aus Verantwortung
Pascal Delhom193
Verantwortung und Ungeschicklichkeit: Herkunft und Herstellung
des Staates aus den sozialen Ansprüchen
Michel Vanni217
Unbedingte Verantwortung - Politik nach Derrida
Tobias Nikolaus Klass231
3. Staatliche Verantwortung in der globalisierten Welt
Die Handlungsfähigkeit des Nationalstaats in Zeiten
der Globalisierung
Renate Mayntz267
Ist politische Folgenverantwortung unter Globalisierungsbedingungen möglich? Die Arbeitslosigkeit als Beispiel
Helmut Klages283
Globalisierung rechtlicher Verantwortung? Verantwortungsattribution
bei Kollektivsubjekten in normen- und handlungstheoretischer
Perspektive
Werner Krawietz 309
Zur Neubestimmung von Gerechtigkeit in einer globalisierten Welt
Nancy Fraser343
4. Verantwortung im Kontext staatlicher Institutionen
Die Politik vervollkommnet die Ethik? Begründungs- und Realisierungsprobleme einer Ethik institutionellen Handelns
Christoph Hubig 375
Verantwortung für Institutionen - zu einer ›Ethik der Regeln‹
Karl-Heinz Ladeur 391
Die Konstruktion von politischer Verantwortung zwischen Staat und Zivilgesellschaft
Richard Münch415
Nachhaltige Politik - Systematisierungshilfen für die Begründungsprobleme der "Verantwortung"
Emanuel Richter 443
Staatstypen, Leitbilder und Politische Kultur: Das Beispiel des Gewährleistungsstaates
Gunnar Folke Schuppert467
Autorinnen und Autoren497


Leseprobe:

Der Wandel der Staatlichkeit steht außer Frage. "Die Epoche der Staatlichkeit", so schreibt Carl Schmitt schon 1963, "geht jetzt zu Ende". Der "Staat als Modell der politischen Einheit" habe ausgedient, seiner Aufgabe als lenkender und leitender "Souverän" vermag er nicht mehr nachzukommen, da an seine Stelle die liberale Massengesellschaft getreten ist, die in demokratischer Eigenregie über die Aufgaben der Politik entscheide. Nach Ernst Forsthoff lebt der klassische Staat als politisches Entscheidungszentrum in der modernen Industriegesellschaft nur noch in der "Erinnerung" fort, weil er durch Bürokratie und Verwaltung, durch soziale Versorgungsapparate und funktionale Großstrukturen abgelöst worden ist. Aus der Sicht von Niklas Luhmann liegt der Sinn des Staatsbegriffs allein noch darin, eine "Selbstbeschreibungsformel des politischen Systems" zur Verfügung zu stellen, dessen Einheit realiter nicht mehr existiert, sondern durch kommunikative Prozesse hergestellt werden muss, in denen der Staat als bloße "Form" der politischen Selbstorganisation in Erscheinung tritt.
Seit dem Eintritt in das Zeitalter der Globalisierung ist deshalb nicht nur von der Auflösung des Staates die Rede, der seine Verfügungsgewalt an die einzelnen gesellschaftlichen Teilsysteme abgegeben hat, die sich nach wirtschaftlichen und rechtlichen, nach kulturellen und wissenschaftlichen, nach konfessionellen und ästhetischen Gesichtspunkten selbst organisieren. Es ist auch seit geraumer Zeit vom Niedergang der Nationalstaaten die Rede, die durch die politischen und ökonomischen Vernetzungen ihre zentrale Rolle als Gesetzgeber und Identitätsstifter, als Steuerungsinstanz und Zugehörigkeitskollektiv eingebüßt haben. Der Souveränitätsverlust des Staates resultiert nicht nur aus der Ausdifferenzierung des politischen Systems und der gleichzeitigen Vergesellschaftung des Politischen, sondern auch aus der Krise des demokratischen Liberalismus, der nicht mehr in der Lage ist, den Bürgern eines Landes lohnenswerte Lebensziele und effektive Mittel der Mitbestimmung zur Verfügung zu stellen.
Man muss dieser Krisendiagnose des entmachteten Staates nicht zustimmen, zumal zahlreiche Gründe gegen ihre Triftigkeit sprechen. Es dürfte jedoch kein Zweifel daran bestehen, dass sich der Staat mit seinen politischen Institutionen in einem grundlegenden Wandlungsprozess befindet, der die Neubestimmung der gesellschaftlichen Aufgaben von Staat und Politik erforderlich macht. Die Notwendigkeit dieser Neubestimmung hat ihren Grund vor allem darin, dass der liberale Staat der Neuzeit im Lauf seiner Entwicklung an Grenzen gestoßen ist, die auf geradezu paradoxe Weise der fortschreitenden Erweiterung seines Einflussbereichs zu verdanken sind. Die Evolution des neuzeitlichen Staates ist dadurch gekennzeichnet, dass immer weitere Zuständigkeiten und Lebensbereiche der staatlichen Einflussnahme unterworfen wurden, während seine hoheitliche Verfügungsgewalt im gleichen Maß zurückgenommen und der anwachsenden gesellschaftlichen Selbstorganisation angepasst wurde. Der Weg vom Polizeistaat über den Rechtsstaat und Sozialstaat zum modernen Steuerungsstaat lässt sich als Weg der sukzessiven Erweiterung staatlicher Zuständigkeiten beschreiben, der die Übertragung staatlicher Aufgaben an gesellschaftliche Akteure, nichtstaatliche Organisationen und private Kräfte gegenübersteht.


Ludger Heidbrink, PD Dr. phil., ist Leiter der Forschungsgruppe »Kulturen der Verantwortung « am KWI Essen. Alfred Hirsch, PD Dr. phil., ist dort Forschungsgruppenkoordinator.


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