E-Book, Deutsch, Band 2425, 64 Seiten
Reihe: John Sinclair
Marques John Sinclair 2425
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-7517-6897-9
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Blutfest der Aibon-Monster
E-Book, Deutsch, Band 2425, 64 Seiten
Reihe: John Sinclair
ISBN: 978-3-7517-6897-9
Verlag: Bastei Lübbe
Format: EPUB
Kopierschutz: 0 - No protection
Auf dem Hof des alten Landguts kamen die fünf Männer zusammen. Ihr alle drei Jahre stattfindendes Treffen war Teil eines Rituals, das sie regelmäßig durchführen mussten.
Auf der Rückseite des über zweihundert Jahre alten Hauses befand sich eine Tür und hinter ihr eine Treppe, deren steinerne Stufen sie hinabschritten. Sie erreichten einen düsteren Kellerraum, wo ein etwa dreißig Jahre alter Mann an die Wand gekettet war. Hilflos und wimmernd sah er mit an, wie die fünf Männer ihre Kleidung ablegten und sich dann mehr und mehr verwandelten. Fünf hässliche fettleibige Geschöpfe mit dunkelgrüner, von Pusteln und Krampfadern überzogener Haut kamen zum Vorschein.
In der Mitte des Raums stand ein massiver runder Holztisch, auf dem bereits Teller standen und Messer, Macheten, Spieße, Dolche und Äxte bereitlagen. Das Blutfest der Aibon-Monster konnte beginnen ...
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Blutfest der
Aibon-Monster von Rafael Marques Markus Gensler tat das, was er liebte, in der Region, die er seine Heimat nannte. So oder ähnlich beschrieb er seinen Freunden und Bekannten gerne seinen Job als Förster. Dass ihm der Wunsch, sich um die Wälder der Mecklenburger Seenplatte zu kümmern, quasi von seinem Vater in die Wiege gelegt worden war, ließ er nicht gelten. Immerhin hatten seine Eltern ihm die Wahl gelassen und ihn sogar gebeten, nach einer höheren Position im öffentlichen Dienst zu streben. Doch er sehnte sich nach einer Tä?tigkeit, bei der er direkt mit der Natur in Kontakt war. Und so hatte er sich eben – wie schon sein Vater – beim Forstamt Wredenhagen zum leitenden Förster des Reviers Röbel hochgearbeitet. Normalerweise genoss er seine spätabendlichen Spaziergänge, die ihn von seinem mitten im Wald gelegenen Haus in das von Buchen und Tannen dominierte Glienholz führten, ein leicht erhöht in der ansonsten flachen Landschaft liegendes Naturschutzgebiet. Diesmal aber war alles anders, und er wusste nicht einmal, woran es lag. Sicher nicht nur am kühlen Wind, der über den auch bei Wanderern beliebten Weg strich. Es lag wohl an einem Gefühl, das ihn schon seit einigen Minuten gepackt hatte. Jemand beobachtete ihn ... Der Wald war natürlich nicht vollkommen düster. Markus bewegte sich durch eine sternenklare Nacht, in der sich das Licht des Halbmondes seinen Weg durch das Geäst des teils schon sehr alten Baumbestandes bahnte. So war er auch in der Lage, die Wurzeln rechtzeitig zu sehen, die auf diesem Trampelpfad überall aus dem Boden ragten. Und er nahm auch gewisse Bewegungen aus größerer Entfernung wahr. Er wusste, dass er sich auf seine geschärften Sinne verlassen konnte. Seit dem Tod seines Vaters lebte er allein in dem jahrhundertealten Haus im Wald, lauschte den ganzen Tag dem Gesang der Natur und sah sich selbst als Teil der Umwelt, die von ihm gehegt und gepflegt wurde. Er kannte beinahe jeden Baum, besonders die älteren Exemplare, ebenso die beim Wild besonders beliebten Zonen, in denen er in der Nacht manchmal einen Hochsitz bezog, um die Tiere in ihrer natürlichen Umgebung zu beobachten. Manchmal glaubte er auch in dieser Nacht, aus den Augenwinkeln Schatten zu beobachten. Allerdings zeigten diese nicht das typische Verhaltensmuster von Rehen oder Wildschweinen. Bemerkten ihn die Tiere, erstarrten sie normalerweise oder ergriffen die Flucht. Doch jetzt gewann er immer mehr den Eindruck, von den Schatten verfolgt zu werden. Ganz auszuschließen war das nicht, immerhin gab es im Bereich des Müritz-Nationalparks und überhaupt in der Mecklenburgischen Seenplatte mehrere registrierte Wolfsrudel. Dass sie ihn jedoch als Jagdobjekt ausgesucht hatten, schloss er aus. Bisher waren keine Übergriffe auf Menschen bekannt geworden, schon eher auf Nutzvieh wie Schafe und Ziegen. Trotzdem trug er zu seiner eigenen Sicherheit stets ein Repetiergewehr bei sich, wenn er in der Nacht auf Patrouille ging. Es gab niemanden, den er angesichts seines Verdachts um Hilfe hätte bitten können, ohne sich lächerlich zu machen. Seine drei Mitarbeiter schliefen tief und fest, Jochen, sein einziger und seit der gemeinsamen Schulzeit bester Freund, weilte gerade auf den Malediven, und zu Hause erwartete ihn lediglich seine Katze Mia. Die wichtigste Frau in meinem Leben – so betitelte er sie oft, angesichts dessen, dass er mit seinen 39 Jahren immer noch Junggeselle war. Nun ja, hin und wieder traf er sich schon mit einer richtigen Frau, einer Kollegin ... Markus fuhr sich mit der linken Hand durchs Haar. Unglaublich, was ihm so alles durch den Kopf ging, wenn er die innere Ruhe verlor. Dabei versuchte er, seine Gedanken zu ordnen, um sich voll und ganz auf seine Umgebung zu konzentrieren. Gerade bewegte er sich um eine kaum wahrnehmbare Anhöhe, die zu einer kleinen Lichtung mit einem schönen Blick über den Gliensee und große Teile des Waldes führte. Als ein Knacken an den wuchtigen Stämmen der über achtzig Jahre alten Buchen entlanghallte, verharrte er abrupt auf der Stelle. Für jedes Geräusch gab es eine Erklärung, nichts geschah ohne Grund. Auch dieser Laut musste von etwas oder jemandem verursacht worden sein. Von einem Tier, wenn es denn eines war, das nun ebenfalls auf der Stelle verharrte, während Markus sein Gewehr mit beiden Händen fest umklammert hielt. Sekunden tropften dahin, ohne dass etwas geschah. Der Wind rauschte durch die Äste, woraufhin die alten Blätter, die den Boden bedeckten, raschelnd in die Höhe wirbeln. Eine Eule ließ ihren markanten Ruf erklingen, ansonsten vernahm er lediglich das Pochen seines eigenen Herzens. So wie in dieser Nacht hatte er sich in seinem ganzen Leben noch nie gefühlt. Nicht wie ein Jäger, sondern als Gejagter. Aber das war verrückt. Anscheinend ging seine Fantasie mit ihm durch. Psychotische Killer, die Menschen verfolgten, gab es doch nur in Filmen und TV-Serien. Für das, was er gerade erlebte, musste es eine andere, simple Erklärung geben. Statt weiter den Blick durch den von lichtem Unterholz und jungen Bäumen dominierten Wald schweifen zu lassen, machte er sich auf den Weg zum See. In unmittelbarer Nähe des Gewässers wurde das Gelände deutlich sumpfiger, nur wenige schmale Pfade waren trockenen Fußes zu bewältigen. Sollte sich wirklich jemand an seine Fersen geheftet haben, würde es ihm dort deutlich schwerer fallen, sich vor ihm zu verbergen. Dass er überhaupt einen derartigen Plan fasste, statt kehrtzumachen und nach Hause zurückzukehren, sagte bereits viel aus. Er kannte sich selbst und war sich deshalb bewusst, dass er niemand war, der sich Dinge einbildete, die nicht existierten. Gut, er betrachtete sich selbst als Kind der Natur, aber er glaubte nicht an Geister, Gespenster und was manche Esoteriker noch alles mit finsteren Wäldern verbanden. Es lauerten keine Kobolde im Unterholz oder Zwerge in ausgehöhlten Stämmen. Wenn außer ihm jemand in der Dunkelheit im Wald auftauchte und sich an seine Fersen heftete, musste es sich um eine sehr weltliche Gestalt handeln. All diese Gedanken brachen schlagartig ab, als ein leises Knurren durch den Wald hallte. Mit der Waffe im Anschlag fuhr er herum und bemerkte nun, dass er tatsächlich nicht mehr allein war. Fünf menschengroße, wenn auch ungewöhnlich massige Schatten formten zwischen den Stämmen der Buchen einen Halbkreis. Sie standen etwa dreißig bis vierzig Meter von ihm entfernt und verharrten ebenso wie er auf der Stelle. Belauerten sie ihn? Warteten sie darauf, dass er die Initiative ergriff? Markus hätte jetzt die Gelegenheit gehabt, die Fremden anzusprechen, doch das kam ihm sinnlos vor. Diese Fremden wollten mit ihm kein Gespräch führen. Sie waren erschienen, um ihn zu töten. Fünf Jäger, die sich ihrer Sache nun sehr sicher waren und sich so offen zeigten, weil sie glaubten, ihre potenzielle Beute würde ihnen nun nicht mehr entkommen. Seine Kiefer mahlten aufeinander, während er die Mündung seines Gewehrs auf die mittlere der fünf Gestalten richtete. Dachte sie, er hätte nicht den Mut, auf sie zu schießen? Mit Sicherheit sahen sie, was er zu tun bereit war, dennoch reagierte sie nicht. Schließlich tat er etwas, das er sich vor wenigen Minuten niemals zugetraut hätte – er drückte ab! Überlaut hallte das Schussecho an den Stämmen der Bäume entlang, während im Bereich der Mündung ein gleißender Blitz entstand und das Projektil den Lauf verließ. Zu seinem Schrecken stellte er fest, dass das Geschoss nicht wie von ihm erhofft in einen der Stämme fuhr. Stattdessen traf es eine der Gestalten, die ohne einen Laut des Schmerzes nach hinten kippte. Während Markus' Herz beinahe stehen blieb, reagierten die anderen Schatten auch jetzt nicht. Sie standen einfach nur da, still, emotionslos, ohne auf den Tod ihres Kameraden zu reagieren. Und er? War er jetzt ein Mörder? Obwohl es nie seine Absicht gewesen war, jemanden zu töten, sagte ihm sein Instinkt, dass es um Leben und Tod ging. Deshalb zögerte er auch nicht länger und zog den Verschluss zurück, um die leere Patronenhülse hinauszurepetieren und eine neue in den Lauf zu führen. Als er erneut auf die Schatten anlegen wollte, erstarrte er in der Bewegung. Die Gestalt, von der er ausging, sie versehentlich getroffen zu haben, richtete sich mit zeitlupenartigen Bewegungen auf, bis sie wieder ihre ursprüngliche Position einnahm. Was, verdammt noch mal, war dieses Geschöpf? Ein Mensch sicher nicht, immerhin war niemand in der Lage, einen derartigen Treffer einfach wegzustecken. Schon gar nicht bei einem solchen Kaliber. »Ich knall euch alle ab!«, brach es plötzlich aus Markus hervor. »Glaubt ja nicht, dass ihr mir Angst machen könnt!« In den linken und größten der fünf Schatten kam plötzlich Bewegung. Während Markus den Lauf des Gewehrs zur Seite schwenkte und kurz darauf ein weiteres Geschoss abfeuerte, raste etwas in seine Richtung, das für einen winzigen Moment das Mondlicht reflektierte. Nur Sekundenbruchteile später drang eine dünne, gut einen...