E-Book, Deutsch
McCaffrey Drachensinger
1. Auflage 2017
ISBN: 978-3-641-21009-0
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die Drachenreiter von Pern, Band 4 - Roman
E-Book, Deutsch
ISBN: 978-3-641-21009-0
Verlag: Heyne
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Auf dem Planeten Pern steht die Musik in hohem Ansehen. Die gebirgige Welt ist nur dünn besiedelt, und die Sänger und Musiker, die die schwere Prüfung der Gildenhalle bestehen, sind gern gesehene Gäste in den weit verstreuten Burgen. Menolly, die Tochter des Burgherren Yanus, hat ein höchst bemerkenswertes musikalisches Talent. Doch auf Pern ist Musik ausschließlich Männersache, und ihr Vater, der um seinen Ruf fürchtet, verbietet ihr das Musizieren. Doch Menollys außergewöhnliche Begabung ist längst entdeckt worden. Eines Tages wird sie von den Drachenreitern abgeholt, die sie zur Gildenhalle bringen, wo sie ihre Ausbildung erhalten soll. Auch hier stößt sie bei manchem Lehrer auf Widerstand, doch Robinton, der Meisterharfner von Pern, nimmt sich ihrer persönlich an, weil er davon überzeugt ist, das größte Musiktalent vor sich zu haben, das der Planet je hervorgebracht hat …
Anne McCaffrey wurde am 1. April 1926 in Cambridge, Massachusetts, geboren, und schloss 1947 ihr Slawistik-Studium am Radcliffe College ab. Danach studierte sie Gesang und Opernregie. In den Fünfzigerjahren veröffentlichte sie ihre ersten Science-Fiction-Kurzgeschichten, ab 1956 widmete sie sich hauptberuflich dem Schreiben. 1967 erschien die erste Story über die Drachenreiter von Pern, „Weyr Search“, und gewann den Hugo Award im darauffolgenden Jahr. Für ihre zweite Drachenreiter-Story „Dragonrider“ wurde sie 1969 mit dem Nebula Award ausgezeichnet. Anne McCaffrey war die erste Frau, die diese beiden Preise gewann, und kombinierte die beiden Geschichten später zu ihrem ersten Drachenreiter-Roman „Die Welt der Drachen“. 1970 wanderte sie nach Irland aus, wo sie Rennpferde züchtete. Bis zu ihrem Tod am 21. November 2011 im Alter von 85 Jahren setzte sie ihre große Drachenreiter-Saga fort, zuletzt zusammen mit ihrem Sohn Todd.
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2
Harfner, wohin führt der Weg,
Der von der Burg sich windet?
Sag, endet er im Hügelland?
Sag, schlängelt weiter er sein Band,
Bis die Abendsonne er findet?
Menolly schreckte kurz hoch, aufgescheucht von einem inneren Ruf, der nichts mit dem Sonnenaufgang auf dieser Seite von Pern zu tun hatte. Sie sah schwarze Nacht und Sterne durch das Fenster, spürte die Feuerechsen, die sich an sie schmiegten, und schlief dankbar wieder ein. Sie war so müde.
Als die Sonne die Außenfassade des Gebäudevierecks hochgekrochen war, schien sie direkt in Menollys Fenster, die nach Osten hin schauten. Nach und nach erfüllte Helligkeit den Raum, und das Licht und die Wärme weckten sie.
Sie lag da, immer noch schlaftrunken, und überlegte, wo sie war. Als es ihr wieder in den Sinn kam, wusste sie nicht so recht, was sie nun anfangen sollte. Hatte sie irgendeine allgemeine Weckzeit versäumt? Nein, Silvina hatte ausdrücklich betont, sie solle ausschlafen.
Als sie die Felldecke zurückschob, hörte sie von draußen einen vielstimmigen Chor. Der Rhythmus war ihr vertraut. Sie lächelte, als sie eine der langen Sagas erkannte, die sie den Kindern in der Burg damals eingebläut hatte. Die Lehrlinge mussten den schwierigen Takt auch immer wiederholen. Das beruhigte sie. Ihre Unterrichtsmethode war also nicht die schlechteste gewesen.
Als sie die Beine aus dem Bett schwang, biss sie die Zähne zusammen. Sie hatte Angst vor dem Moment, da ihre Sohlen den kalten, harten Steinboden berühren würden. Aber zu ihrem Staunen fühlten sich die Füße nur steif und überhaupt nicht mehr wund an. Menolly warf einen Blick aus dem Fenster. Die Sonne stand schon hoch am Himmel; offenbar hatte sie lange geschlafen. Dann lachte sie sich selbst aus. Und ob sie lange geschlafen hatte! Sie befand sich jetzt auf der anderen Hälfte von Pern; immerhin gab es zwischen dem Benden-Weyr und der Gildehalle eine Zeitverschiebung von sechs Stunden. Zum Glück waren die Echsen genauso erschöpft gewesen wie sie, sonst hätte das Hungergeschrei der Kleinen sie längst geweckt.
Sie streckte sich, schüttelte das Haar aus und humpelte vorsichtig zum Waschkrug. Nachdem sie sich mit Kleie geschrubbt hatte, zog sie sich an und bürstete gründlich ihr Haar.
Prinzessin begann ungeduldig zu schimpfen. Sie war wach. Und sehr hungrig. Rocky und Taucher unterstützten ihre Beschwerde.
Menolly musste versuchen, Nahrung für ihre Schar aufzutreiben – und das rasch. Es reichte schon, dass sie mit neun Echsen hier aufkreuzte. Wenn die Biester, durch leere Mägen gereizt, auch noch allerhand Unfug anstellten, war die Geduld der Bewohner sicher bald erschöpft.
Entschlossen öffnete Menolly die Tür. Vor ihr lag ein verlassener Gang. Der würzige Duft von Klah, frischem Brot und Bratengebrutzel erfüllte die Luft. Menolly beschloss, einfach ihrer Nase zu folgen.
Zu beiden Seiten des Korridors befanden sich Türen; die entlang der Außenfassade standen offen, um Sonne und Luft hereinzulassen. Sie stieg vom oberen Stockwerk zur breiten Eingangshalle hinunter. Jenseits des Treppenschachtes entdeckte sie drachenhohe Metalltüren mit einem seltsamen Schließmechanismus; an der Rückseite der Portale waren Kurbeln angebracht, die allem Anschein nach dazu dienten, schwere Riegel in Decke und Boden zu treiben. In der Halbkreis-Bucht hatte man nur Bolzen und dicke Querstangen benutzt, um die Burgtore zu sichern; dieser Mechanismus hier wirkte sicherer und ließ sich bestimmt leichter bedienen.
Zur Linken befand sich eine Flügeltür, die in den Großen Saal führte – vermutlich der Raum, aus dem sie nachts die Stimmen der Harfner vernommen hatte. Rechts sah sie den Speisesaal, beinahe ebenso lang wie der Große Saal, mit drei langgestreckten Tischen, die parallel zu den Fenstern standen. Ebenfalls zu ihrer Rechten, neben dem Treppenschacht, war ein offener Durchgang, der zu niedrigen Stufen führte. Dahinter lag – den herrlichen Düften nach zu schließen – das Küchengewölbe.
Die Feuerechsen kreischten vor Hunger, aber Menolly konnte nicht zulassen, dass der ganze Schwarm über die Küche herfiel und das Gesinde in Aufruhr brachte. Sie befahl den Tieren, sich auf den hohen Türleisten niederzulassen, die halb im Schatten lagen, und versprach, dass sie ihnen Futter bringen würde, wenn sie sich brav und leise verhielten. Prinzessin zeterte, bis die anderen nachgaben und gehorchten. Nur die glitzernden Facettenaugen verrieten, wo sie sich befanden. Dann nahm Prinzessin ihren Lieblingsplatz auf Menollys Schulter ein – den Kopf halb im dichten Haar ihrer Herrin vergraben, den Schwanz wie eine goldene Kette um ihren Hals geschlungen.
Menolly erreichte die Küche, und der Anblick der Mägde und Köche, die hin und her flitzten, um das Mittagsmahl zu bereiten, weckte flüchtige Erinnerungen an glücklichere Tage in der Halbkreis-Bucht. Aber hier kam ihr Silvina lächelnd entgegen, was Mavi, ihre eigene Mutter, nie getan hatte.
»Du bist wach? Und ausgeruht?« Silvina winkte gebieterisch einem plumpen Mann mit wirrem Gesichtsausdruck, der neben dem Herd kauerte. »Klah, Camo! Gieß einen Becher Klah für Menolly ein! Du musst halbverhungert sein, Kind. Was machen deine Füße?«
»Oh, sie schmerzen überhaupt nicht. Aber ich möchte niemanden stören ...«
»Stören? Was heißt da stören! Camo, gieß einen Becher Klah ein!«
»Ich komme auch nicht meinetwegen ...«
»Aber du musst etwas essen, Kind!«
»Bitte, es ist wegen der Echsen. Wenn ich vielleicht ein paar Reste oder Abfälle haben könnte ...«
Silvina presste eine Hand an den Mund. Sie schaute umher, als erwartete sie jeden Moment den Echsenschwarm in der Küche.
»Nein, ich habe ihnen befohlen, draußen zu warten«, beruhigte Menolly sie rasch. »Sie kommen nicht hier herein.«
»Du bist aber ein rücksichtsvolles Kind«, sagte Silvina so entschieden, dass Menolly ganz verwirrt war. Dann erst bemerkte sie, dass sie Mittelpunkt einer verstohlenen Neugier war. »Camo, Vorsicht! Gib her – komm!« Silvina streckte die Hand nach dem Becher aus, den der Mann mit übertriebener Sorgfalt trug. »Und nun hol die große blaue Schüssel aus dem Kühlraum! Die große blaue Schüssel, Camo, aus dem Kühlraum. Bring sie mir!« Silvina reichte Menolly den randvollen Becher, ohne einen Tropfen zu verschütten. »Im Kühlraum, Camo, die große blaue Schüssel.« Sie nahm den Mann an den Schultern und gab ihm einen sanften Schubs in die angegebene Richtung. »Abuna, du stehst gerade am Herd. Richte bitte eine Schale Weizenbrei her – mit viel Zucker! Die Kleine besteht ja nur aus Haut und Knochen.« Silvina lächelte Menolly zu. »Es wäre nicht sehr sinnvoll, die Tiere zu mästen und die Herrin hungern zu lassen. Ich habe ein paar Fleischbrocken für deine Echsen auf die Seite gelegt, als wir den Rostbraten vorbereiteten ...« Und Silvina deutete zum Hauptherd hin, wo große Fleischkeulen auf Spießen rotierten. »So, wo ist der günstigste Platz ...« Sie blickte unentschlossen umher, aber Menolly hatte bereits eine niedere Tür entdeckt, von der ein paar Stufen in eine Ecke des Innenhofes führten.
»Würde ich da draußen jemand stören?«
»Ganz und gar nicht. Du bist wirklich ein kluges Mädchen. Gut gemacht, Camo, vielen Dank.« Silvina tätschelte freundlich den Arm des halbblöden Knechtes, und er strahlte vor Freude, weil er den Auftrag richtig ausgeführt hatte. Silvina hielt die Schüssel Menolly entgegen. »Ist das genug? Ich habe noch mehr draußen ...«
»Oh, fast zuviel, Silvina!«
»Camo, das hier ist Menolly. Trag ihr die Schüssel nach. Sie kann nicht ihr Frühstück und das Futter für die Echsen schleppen. Das hier ist Menolly, Camo, trag ihr die Schüssel nach! Geh ruhig los, Liebes, er macht das recht geschickt ...«
Silvina wandte sich ab und fauchte zwei Küchenmägde an, lieber Rüben zu schneiden, anstatt andere Leute anzugaffen. Menolly war sich des Aufsehens bewusst, das sie erregte, und verlegen ging sie auf die Stufen zu, ihren Klah-Becher in einer, den Weizenbrei in der anderen Hand. Camo schlurfte hinter ihr drein. Prinzessin, die sich in ihrem Haar verkrochen hatte, reckte nun den Hals, weil sie das rohe Fleisch roch, das Camo in der Schüssel trug.
»Schön, schön«, mauschelte der Mann, als er die Feuerechse entdeckte. »Schöner kleiner Drachen?« Er tippte Menolly auf die Schulter. »Schöner kleiner Drachen?« Er wartete so angespannt auf ihre Antwort, dass er um ein Haar über die Stufen gestolpert wäre.
»Ja, sie ist wie ein kleiner Drachen, und sie ist schön«, pflichtete Menolly ihm lächelnd bei. »Sie heißt Prinzessin.«
»Heißt Prinzessin.« Camo war wie gebannt. »Heißt Prinzessin. Schöner kleiner Drachen.« Strahlend verkündete er sein neues Wissen.
Menolly legte den Finger auf den Mund. Sie wollte Silvinas Mägde weder ablenken noch beunruhigen. Draußen angelangt, stellte sie ihren Becher und die Schale ab und griff nach dem Fleisch.
»Schöner kleiner Drachen Prinzessin«, murmelte Camo und merkte nicht, dass sie an der Schüssel zerrte.
»Geh du jetzt wieder zu Silvina! Geh zu Silvina!«
Camo blieb stehen, wo er war. Sein schwerer Kopf pendelte hin und her, und der feuchte schlaffe Mund war zu einer seligen Grimasse verzogen. Menollys Worte drangen überhaupt nicht bis zu ihm durch.
Prinzessin kreischte jetzt gebieterisch, und Menolly packte eine Handvoll Fleischbrocken, um sie zu beruhigen. Aber ihr Geschrei hatte die anderen auf den Plan gerufen. Sie kamen...




