E-Book, Deutsch, 284 Seiten
Müller Führungskraft!
1. Auflage 2024
ISBN: 978-3-7693-3167-7
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Die Essenz aus 20 Jahren Führungskraft
E-Book, Deutsch, 284 Seiten
ISBN: 978-3-7693-3167-7
Verlag: BoD - Books on Demand
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Das Must Have für Führungskräfte im 21. Jahrhundert. Fundierte, tiefgreifende Einsichten, augenöffnende wissenschaftliche Erkenntnisse aus den verschiedensten Bereichen, konkrete Regeln und Hinweise, angefüllt mit Anekdoten und Erfahrungen für angehende und etablierte Führungskräfte. Das Fundament für eine langanhaltende, erfolgreiche Führungskarriere und zugleich ein Booster für alle Führungskräftetrainings, die Sie je besuchen werden. Zugleich eingängig und mitreißend. Erfahrungen und Tipps von FBI-Unterhändlern, CEOs und Führungskräftetrainern, die komprimierten Aha!-Effekte von Tausenden von Führungskräften aus 20 Jahren. Ein Nachschlagewerk für Führung, das verblüfft und die unwahrscheinlichsten Wissensgebiete verknüpft, für eine gelassene Führungskarriere.
Mario Müller studierte erst Computer, dann Philosophie, dann Gehirne. Er praktizierte und unterrichtete Improvisation 15 Jahre lang zwischen Chicago und Taipeh und brachte immer mehr Führungskräften die Techniken der Angewandten Improvisation bei. Mario ist Regisseur für Theater und Film im deutschsprachigen Raum, sein Theaterstück über unsere Zukunft mit künstlicher Intelligenz, das drei Jahre vor GPT-3 erschien, ist preisgekrönt. Seine Liebe für Hunde und Katzen wird heftig erwidert. Er lebt in Konstanz am Bodensee. Führungskraft! ist seine achte Publikation.
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Puzzlestück eins: Warum?
Frage: Warum brauchen Menschen überhaupt Führungskräfte? Antwort: Weil Menschen Schweißdrüsen haben. Ich rate jetzt einfach mal und vermute, dass Ihnen diese Antwort nicht auf der Zunge lag. Wie hängt das miteinander zusammen? Es gibt auf der Erde nur zwei Tierarten, die schwitzen können: Menschen und Pferde. Alle anderen Tiere haben entweder gar keine Schweißdrüsen oder viel weniger als die rund vier Millionen, die Menschen besitzen. Nur Pferde und Menschen können so viel schwitzen, dass es relevant zur Kühlung des Körpers beiträgt. Muskeln erzeugen bei Aktivität sehr viel Abwärme. Andere Tiere, die nur über Tracheen oder Lungen Wärme abtransportieren können, würden bei längerer Hochleistung ihrer Muskulatur überhitzen und einen Kreislaufkollaps erleiden. Praktisch alle Landraubtiere müssen ihre Beute überraschen oder binnen eines kurzen Sprints zur Strecke bringen. Lediglich in arktischer Kälte können Jagden länger andauern. Menschen sind die einzigen Jäger, die über die Verdunstungskälte ihrer knapp zwei Quadratmeter Haut so viel Wärme ableiten können, dass ihre Muskulatur über Stunden hinweg schwer arbeiten kann. Menschen sind die einzigen Primaten, die ein Pferd im Marathon besiegen könnten. Menschen sind Treibjäger. Menschen sind auch die einzigen Primaten mit einer Schulterphysiognomie, die das Werfen von Speeren erlaubt. Und das hat der Homo Erectus bereits vor dreihundert Jahrtausenden ausgiebig getan: aus jungen Bäumen, deren Jahresringe dank der Eiszeiten eng beieinander lagen und die deshalb sehr hart waren, schnitzten sich unsere Vorfahren Wurfspeere, deren Form modernen Berechnungen zufolge ideal waren: der vier bis fünf Zentimeter dicke Schwerpunkt lag ein Drittel hinter der Spitze. Die Spitze saß am Rand des Speeres, weil das Mark des Baumes in der Mitte zu weich wäre. Falls Sie selbst mal in die Verlegenheit kommen sollten, Beute schlagen zu müssen. Umriss eines Schöninger Speers, ca. 315.000 Jahre alt Mit diesen Speeren veranstalteten unsere Vorfahren Treib- und Drückjagden. Bei einer Drückjagd werden die Beutetiere auf ein Ziel zu gedrückt, zum Beispiel auf einen Morast, eine Sackgasse, einen Engpass oder eine Falle zu. Menschen waren indes keine Aasfresser. Das fand man1 heraus, indem man prähistorische Abfallgruben untersuchte. Wären Menschen die Nutznießer anderer Räuber gewesen, hätten sie das essen müssen, was diese ihnen überlassen. Dann wären die Gruben gefüllt mit dem, was tierische Jäger fangen: alte, verwundete, kranke oder junge Tiere. Die Beutetiere der Menschen waren aber überwiegend starke Tiere im besten Alter – also Tiere, die sich ein Jäger aussuchen würde, der frei wählen kann. Menschen sind also Treibjäger und können Speere werfen. Fein, aber wie beantwortet das die Frage, warum Menschen Führungskräfte haben? Jene Tiere, die unsere Vorfahren vor 1,6 Millionen Jahren, als sie schon kein Fell mehr hatten2, erbeuteten, waren vielfach zu groß und stark, um von einem Menschen ohne erhebliche Lebensgefahr gestellt werden zu können. Gesunde wilde Pferde, Mammuts und Stirnwaffenträger wie Hirsche würde selbst ein verzweifelter Löwe nicht allein angreifen, weil er das mit dem Leben oder mit seiner Fähigkeit, jemals wieder zu jagen bezahlen würde. Menschen haben routinemäßig Tiere gejagt und erlegt, die sie nur im Verband überwältigen konnten: Menschen sind Rudeltiere. Für eine organisierte Jagd müssen Tiere eine feste Gruppe bilden und sich über Kommunikation koordinieren3 – und sie müssen die Beute fair aufteilen. Das sind mehrere Gründe, warum entgegen dem Volksmund Menschen eben keine Herdentiere sind, sondern Rudeltiere. Es gab außerdem prähistorisch gesehen – und insbesondere verglichen mit heute – eine verschwindend geringe Anzahl Menschen. Vor 40.000 Jahren gab es auf dem gesamten europäischen Kontinent wohl nur 1.500 Menschen4. Davon waren die meisten kleine Sippen von ein bis sechs Dutzend Menschen. Überlebensfähige Populationen (von ungefähr 150 Mitgliedern und mehr) gab es in ganz Europa offenbar nur fünf. Wir sehen gleich, was das für uns heute bedeutet. Immerhin war der Homo Sapiens schon angekommen5. Mehrere Tausend Jahrtausende lang lebten Menschen in verstreuten, kleinen Rudeln und Sippen, die wie heutige Wolfsrudel im Wesentlichen aus einer oder wenigen Familienverbünden bestanden. Heute leben in Europa etwa 17.000 Wölfe, also gut zehnmal so viele wie damals Menschen6. Wäre unser Zeitstrahl von heute bis zum Beginn unserer Zeitrechnung zehn Zentimeter lang, dann wäre die Zeit, die Menschen in verstreuten Rudeln lebten, mehrere Fußballfelder lang. In einzelnen Familien gibt es naturgemäß die Eltern und die Kinder. Die Eltern erziehen, füttern, pflegen und führen die Kleinen, bis diese auf eigenen Beinen stehen und selbst eine Familie gründen können. Manchmal bleiben sie, wenn sie das tun, oft ziehen sie weiter. Wenn sich nun mehrere Familien verbinden – um gemeinsam mehr sammeln zu können und um mehrere starke Individuen für die Jagd auf größere Tiere aufbieten zu können; um sich gemeinsam besser vor Räubern zu schützen und um mit Kleidung und Gebäuden Witterung und Jahreszeiten etwas entgegensetzen zu haben – dann gibt es immer „die Alten“, „die Erwachsenen“ und „die Jungen“: Die Selbstverständlichkeit, den eigenen Eltern zu folgen, wird ausgedehnt darauf, auf diejenigen zu hören, die sich bewährt haben. Sobald die Sippe größer wird, kann man als Individuum nicht mehr alle gleichzeitig im Auge behalten. Weil die Individuen miteinander auch in Konkurrenz stehen, was Ressourcen und potenzielle Partner angeht, kommt eine neue Dynamik ins Spiel, die in Kernfamilien noch selbstverständlich ist: Vertrauen. Und mit der Notwendigkeit, sich gegenseitig zu vertrauen, kommen Konzepte wie Ehre, Ansehen, Status sowie das inoffizielle und offizielle Gestalten und Manifestieren dieser Werte ins Spiel. Eine offizielle Gestaltung von Status wäre zum Beispiel ein Initiationsritus, mit dem ein Mädchen zur Frau oder ein Junge zum Mann erklärt wird oder dieser Status durch eine Art Prüfung verdient wird; Formen von Taufe, bei der ein Mensch in die Sippe aufgenommen wird; eine Eheschließung oder später auch die Übergabe von Ämtern oder die Überantwortung von Land in Verbindung mit der Herrschaft über die Leute, die dort leben. Eine inoffizielle Gestaltung von Status war schon immer der Tratsch, heute der Flurfunk oder das Gespräch in der Umkleidekabine: Ein Austausch über die Handlungen anderer, aufgrund dessen die Betroffenen (zumeist ohne ihr Wissen) im Status und damit im Vertrauen heraufoder herabgesetzt werden. Diese Form des Informationshandels ist essenziell und bildet ein Fundament des Vertrauens zwischen denjenigen, die diese Informationen handeln und erhalten. In der Ära des Homeoffice haben wir gelernt, dass Gruppen, die hierfür keine (wenigstens virtuellen) Räume haben, an Bindung verlieren und zerfallen. Menschen kooperieren also schon seit Zehntausenden von Generationen. Sie helfen sich gegenseitig und die Erfahrenen lehren und hüten die Jungen. Menschen erwerben sich aufgrund ihres Verhaltens einen Ruf, der über Verantwortung und Ressourcen entscheidet. Konzepte wie Würde, Ehre, Ansehen, das Gesicht, Ruf, Reputation, Status, Ämter, Standing, Swag, Rang, Meriten, Weihen, Respekt gehen allesamt zurück auf eine Tradition, die unsere Zeitrechnung um ein Hundertfaches übertreffen. In nur 15.000 Jahren wurden Wölfe zu den Hunden domestiziert, die wir heute haben und die uns zu lesen gelernt haben. Es ist keine verwegene Vermutung, dass uns in der zwanzigfachen Zeit diese sozialen Konzepte in Fleisch und Blut übergegangen sind und dass sie daher eine der wenigen kulturellen Elemente sind, die wir wirklich auf der ganzen Welt in leicht verschiedenen Formen vorfinden. Menschen sind Rudel-Treibjäger, die sich koordinieren, voneinander lernen und vertrauen müssen. Je mehr die Population anwuchs, desto öfters mussten wir Menschen vertrauen, die wir gar nicht kennen. So haben wir uns unser erstes Puzzleteil, Menschen sind Rudeltiere, verdient. Kommen wir nach einem kurzen Einschub mit Anekdoten und Beispielen zu Puzzleteil zwei: Vertrauen. 1 Variability in bone assemblage formation from Hadza hunting, scavenging, and carcass processing, Henry T. Bunn, 1988 2 The naked Truth, Nina Jablonski, Scientific American, 2/2010 3 A multidimensional framework for studying social predation strategies; Stephen D. J. Lang & Damien R. Farine 4 Population dynamics...