E-Book, Deutsch, 209 Seiten, E-Book
Reihe: Haufe Fachbuch
Olberding Agiles Recruiting - inkl. Arbeitshilfen online
1. Auflage 2021
ISBN: 978-3-648-14292-9
Verlag: Haufe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Authentisch, kompetenzbasiert, im Team
E-Book, Deutsch, 209 Seiten, E-Book
Reihe: Haufe Fachbuch
ISBN: 978-3-648-14292-9
Verlag: Haufe
Format: EPUB
Kopierschutz: 6 - ePub Watermark
Jens Olberding ist Experte für agiles Personalmanagement und Recruiting. Als Berater liegen seine Schwerpunkte in der Begleitung von agilen Transformationen und der Entwicklung von agilen HR-Organisationen in mittelständischen Unternehmen. Als Coach für Führung und Transformation begleitet er Teams, Führungskräfte und Organisationen auf dem Weg zu mehr Agilität. Er ist Dozent für Eignungsdiagnostik und Personalauswahl und lehrt Methoden für kompetenzbasierte Auswahlprozesse.
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Vorwort
Alles agil? Jetzt auch im Recruiting?
Teil 1: Die Grundlagen für ein agiles Recruiting
- Die neue Haltung im Recruiting
- Was möchte eigentlich der Kandidat?
- Was ist ein Recruitingteam?
- Die Rolle von HR
Teil 2: Agiles Recruiting - wie Sie konkret vorgehen
- Handwerkszeug für einen guten Start
- Die Anforderungsanalyse
- Die Stellenanzeige
- Vorauswahl
- Das Vorstellungsgespräch
- Onboarding
Ausblick - Wie es weiter geht
Literaturverzeichnis
Stichwortverzeichnis
Autor & Illustrator
2 Die neue Haltung im Recruiting
Ein entscheidender Punkt im Recruiting ist die Haltung. Sie ist ausschlaggebend dafür, wie wir Bewerbern im Recruitingprozess begegnen. Vielen Unternehmen dürfte inzwischen klar sein, dass ein Bewerber kein Bittsteller ist, der sich händeringend auf der Suche nach Arbeit befindet.
Vorstellungsgespräche daher wertschätzend und auf Augenhöhe zu führen, liegt auf der Hand. Schließlich haben beide Parteien, Arbeitgeber und Bewerber, etwas zu bieten. Eine Erkenntnis, die zwar auch schon zu Zeiten eines Arbeitgebermarktes galt, aber angesichts des heutigen Bewerbermarkts umso plausibler ist.
Auch die zunehmende Komplexität unserer Arbeitswelt macht es notwendig, den Bewerber und den gesamten Menschen mit all seinen Fähigkeiten und Talenten kennenzulernen. Haltung und Menschenbild gehen an dieser Stelle Hand in Hand.
Menschenbild: Will der Mensch Ziele erreichen oder ist er faul?
Welchen Einfluss das Menschenbild in einer Organisation auf ihre Führung und auch auf ihren wirtschaftlichen Erfolg hat, zeigte uns Douglas McGregor bereits in den 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts. Mit seiner X-Y-Theorie untersuchte er zwei völlig unterschiedliche Menschenbilder. In Theorie X nimmt an, dass der Mensch von Natur aus faul ist und versucht, der Arbeit so gut es geht aus dem Weg zu gehen. Im Gegensatz dazu steht Theorie Y. Sie geht davon aus, dass der Mensch durchaus ehrgeizig ist und zur Erreichung sinnvoller Zielsetzungen auch freiwillig höhere Anstrengungen nicht scheut. (McGregor 1960)
Da Menschen, die sich den Zielen ihrer Unternehmung verpflichtet fühlen, auch zugunsten der Organisationsziele handeln, bevorzugte McGregor die Theorie Y. Mit dieser Arbeit legte er vielleicht den Grundstein für die heutige Suche nach dem Purpose und dem Why einer Unternehmung und ihrer Mitarbeiter. Dass sinnvolle Handlungen und Arbeitsinhalte zu einer höheren Motivation und Mitarbeiterzufriedenheit beitragen, wurde durch das Modell der X-Y-Theorie belegt. Inwieweit Arbeitsinhalte mit den persönlichen Wertvorstellungen und Lebenszielen harmonieren sollten, soll aber an anderer Stelle diskutiert werden.
Für die neue Haltung im Recruiting folgen wir dem Beleg McGregors, dass jeder Mensch willens ist, sein Bestes zu geben. Jeder Mensch, jeder Bewerber ist gut. Die Frage ist, gut wofür?
Im Rahmen des Auswahlprozesses gilt es gemeinsam herauszufinden, über welche Eignungsmerkmale der Kandidat verfügt und wie und wo sie am Besten im Unternehmen zum Einsatz kommen können. Das positive Menschenbild hat vermutlich den größten Einfluss auf die Analyse der nötigen Eignungsmerkmale und der Bewerberauswahl im Recruitingprozess. (Zaborowski 2019)
2.1 Hire for talent, train the skills
Hire for talent, train the skills. Ein schöner Satz, der so oder so ähnlich in der letzten Zeit häufiger zu lesen ist und große Zustimmung erfährt. Oftmals können wir diesen Satz auch in Verbindung mit dem Begriff Recruiting Mindset und der Forderung nach einer neuen Haltung im Recruiting lesen. (Rechsteiner 2019)
Agile Teams sind oftmals cross-funktional aufgestellt und bestehen aus generalisierten Spezialisten, den sogenannten T-shaped-People. Gemeint sind damit Fachkräfte, die mit ihren Skills breit aufgestellt sind – symbolisiert durch den waagerechten Balken im Buchstaben T – und zeitgleich über eine Fachexpertise in ihrem Spezialgebiet verfügen – durch die Senkrechte im Buchstaben T symbolisiert. (Trölenberg 2018)
Nur was genau verbirgt sich hinter dieser Aussage und wieso ist sie gerade heute so wichtig? Was verbirgt sich hinter T-shaped-People und in welchem Zusammenhang steht das mit den sich stets wandelnden Anforderungen einer VUCA-Welt? Diesen Fragen werden wir auf den nächsten Seiten nachgehen.
Was ist ein cross-funktionales Team? (Storz 2018)
Um den Begriff des cross-funktionalen Teams bestehen viele Mythen und falsche Assoziationen. Die größten falschen Annahmen möchten wir direkt klären und sie im Folgenden weiter erläutern.
- In einem cross-funktionalen Team können nicht alle Teammitglieder alles und es machen auch nicht alle Teammitglieder alles.
- Ein cross-funktionales Team besteht aus generalisierenden Spezialisten.
- In einem cross-funktionalen Team schauen wir nicht auf die Kompetenzen des Einzelnen, sondern auf die Gesamtkompetenz im Team.
Ein Team aus vier Spezialisten, die so hochgradig in ihrem Fachgebiet spezialisiert sind, dass sie sich im Team gar nicht mehr untereinander austauschen können, bilden zwar sicherlich ein cross-funktionales Team, vermutlich aber kein besonders gutes. Ein gutes cross-funktioneles Team besteht aus generalisierenden Spezialisten. Menschen, die über ihren eigenen Tellerrand hinausschauen und gemeinsam mit anderen Teammitgliedern Neues lernen. Im Laufe der Zeit ist ein solches Team in der Lage, immer besser zusammen zu arbeiten, sich in Funktionen auszutauschen, auszuhelfen und zu wachsen. Für das gemeinsame Lernen und Wachsen ist es hilfreich, wenn jedes Teammitglied über eine eigene Spezialisierung verfügt. Diese Spezialisierung bringt jedes Mitglied in das Team ein, um gemeinsam auf ein Ziel hin zu arbeiten. Das Team vereint dabei alle Kompetenzen, die es braucht, um das Ziel zu erreichen.
Im agilen Recruiting versuchen wir – mit dem Wissen um sich stets wandelnde Anforderungen –, die klassische Sicht mit einem erweiterten und zugleich kritischen Blick auf Anforderungen und Skills zu verbinden.
Der erweiterte und kritische Blick hinterfragt, welche Qualifikation sich tatsächlich hinter den Anforderungen einer Stelle verbergen. Dabei werden zukünftige Änderungen und Anpassungen, die z. B. durch die Digitalisierung, durch einen Wandel des Berufsbildes oder des Marktes getrieben werden, antizipiert und berücksichtigt. (Eger, Frickenschmidt 2016)
Im späteren Kapitel Anforderungsanalyse (Kapitel 7) betrachten wir verschiedene Methoden, mit denen es gelingt, das nötige Talent und die Skills zu definieren.
Zuvor ist es aber hilfreich, auf den Begriff der Eignung einzugehen. Die Abbildung 1 zur Eignungsdiagnostik beschreibt Eignung in Form von Eignungsmerkmalen, die in drei Kategorien unterschieden werden, Qualifikationsmerkmale, Kompetenzen und Potenziale.
Abb. 1: Drei Arten von Eignungsmerkmalen nach DIN 33430 (Ackerschott 2016)
Kategorie 1: Qualifikationsmerkmale. Sie leiten sich beispielsweise aus Ausbildung, Schulabschluss und Studium ab. Sie werden häufig als notwendige Voraussetzung gesehen, um eine bestimmte Stelle erfolgreich ausfüllen zu können. Im Anforderungsprofil wird dazu das Kriterium »erfolgreich abgeschlossene kaufmännische Ausbildung« formuliert. Als Erweiterung des Kriteriums kommt häufig noch die gute bis sehr gute Abschlussnote hinzu. Fraglich ist, ob und in wieweit diese Qualifikationsmerkmale tatsächlich etwas über eine Passung zwischen Kandidat und der zu besetzenden Stelle aussagen.
Bei einer erfolgreich absolvierten Ausbildung zum Industriekaufmann bei der IHK besteht zumindest bei den meisten Personalentscheidern ein einheitliches Verständnis darüber, welche fachlichen Fähigkeiten vermittelt wurden und was vom Bewerber erwartet werden kann. Die Abschlussnote der Berufsschule gibt zusätzlich Sicherheit hinsichtlich der Qualität der erlernten fachlichen Skills.
Geht es hingegen um einen Bachelorabschluss, so bestehen in der Regel mehr Zweifel hinsichtlich der Aussagekraft. Ein Bachelorabschluss ist zwar das Ergebnis einer akademischen Ausbildung. Doch hat sich seit der Umstellung auf Master und Bachelor eine enorme Vielfalt an und Spezialisierung von Studiengänge entwickelt. Die Spezialisierung kann förderlich sein, passgenaue Kandidaten für spezialisierte Stellen auszuwählen. Zeitgleich erschwert die Vielfalt den Vergleich der Abschlüsse miteinander. Hinzu kommen unterschiedliche Qualitätsansprüche der Hochschulen und die Differenzierung zwischen Universität, Hochschule, Dualer Hochschule und sonstiger, zumeist nicht akkreditierter Ausbildungsbetriebe.
Andere Qualifikationsmerkmale können z. B. der Besitz einer Fahrerlaubnis oder ein Gesundheitszeugnis sein. Für die Position eines Sales Managers mag es eine nötige Voraussetzung sein, einen PKW führen zu dürfen. Für Mitarbeiter in der Gastronomie oder Lebensmittelindustrie kann ein Gesundheitszeugnis die gesetzliche Voraussetzung sein, überhaupt in diesem Berufsfeld tätig zu werden.
Mittels einer Anforderungsanalyse sind Qualifikationsmerkmale vergleichsweise schnell erfasst. Es besteht bei allen Beteiligten eine gewisse Übung darin, fachliche Anforderungen zu listen und in Form eines Zeugnisses oder eines Zertifikates zu überprüfen. So scheint es zunächst naheliegend, als Anforderungen für die Stelle eines Marketingmanagers ein Studium im Bereich Marketing als...