Buch, Deutsch, 360 Seiten, Format (B × H): 135 mm x 209 mm, Gewicht: 502 g
Roland Freisler - Mörder im Dienste Hitlers
Buch, Deutsch, 360 Seiten, Format (B × H): 135 mm x 209 mm, Gewicht: 502 g
ISBN: 978-3-939816-84-3
Verlag: Nomen Verlag
Der Volksgerichtshof gehört zu den düstersten Kapiteln der deutschen Rechtsgeschichte. Kein nationalsozialistisches Gericht fällte mehr Todesurteile. Helmut Ortner beschreibt anhand zahlreicher erstmals veröffentlichter Dokumente und Gerichtsakten die Entstehung, Entwicklung und Urteilspraxis dieses NS-Tribunals, das nur eine Funktion hatte: die Liquidierung jeglicher Opposition gegen das Hitler-Regime, darunter die Attentäter des 20. Juli 1944 und die Mitglieder der Widerstandsgruppe Weiße Rose. Im Mittelpunkt des Buches steht einer der fanatischsten NS-Richter: der Volksgerichtshofpräsident Roland Freisler. Das Buch erzählt seine Karriere, sein Wirken, seinen Tod. Es ist die Geschichte eines gnadenlosen Blutrichters in einer gnadenlosen Zeit.
Zielgruppe
Besonders an Justiz, Recht, Politik, Gesellschaft und Ideologien Interessierte
Autoren/Hrsg.
Weitere Infos & Material
Vorwort
Die Gegenwart der Vergangenheit 11
Prolog
Ein Todesurteil – oder: Die zweite Karriere des Roland Freisler 17
Erstes Kapitel
Der Festakt 33
Zweites Kapitel
Der Rechtsanwalt aus Kassel 49
Drittes Kapitel
Ein Volk, ein Reich, ein Führer – und eine Justiz 67
Viertes Kapitel
Der Staatssekretär und Publizist 89
Fünftes Kapitel
Gegen Verräter und Volksschädlinge 113
Sechstes Kapitel
Der politische Soldat 143
Siebtes Kapitel
Im Namen des Volkes 173
Achtes Kapitel
Der 20. Juli 231
Neuntes Kapitel
Das Ende 259
Zehntes Kapitel
Keine Stunde null 287
Lebenslauf Roland Freisler 319
Anhang
Quellenverzeichnis und Anmerkungen 323
Dokumente 333
Abkürzungen 336
Literatur 337
Urteile des Volksgerichtshofs 340
Die VGH-Juristen 343
Namensregister 3
Die Gegenwart der Vergangenheit
Im Mittelpunkt dieses Buches steht – exemplarisch – eine besonders menschenverachtende NS-Institution, die es ohne die willfährige Unterstützung und Mitwirkung von Juristen nicht gegeben hätte – der Volksgerichtshof. … Doch trotz umfangreicher Geschichtsschreibung über Entstehung, Struktur, Funktion und Alltag des Volksgerichtshofs gibt es bislang nur wenig Literatur über Leben und Wirken Roland Freislers. Mit seinem Namen war die wohl grausamste Ära des Terror-Tribunals verknüpft.
Freisler, 1942 bis 1945 VGH-Präsident, doch bereits 1934 unermüdlicher Vordenker für ein nationalsozialistisches Recht – seine Karriere, sein Einfluss, sein Tod werden in diesem Buch nachgezeichnet. Wie wird aus einem jungen Gymnasiasten aus kleinbürgerlich-konservativem Milieu ein gnadenloser Todesrichter? Wie entwickelte sich seine fanatische Gedankenwelt, woran orientierten sich seine rigorosen Rechtsauffassungen? …
Gerade die Person Freislers wurde in der Vergangenheit zum dämonischen Unmenschen der deutschen NS-Justiz schlechthin stilisiert, häufig mit der Absicht, dadurch die Untaten von Tausenden seiner braunen Richterkollegen zu relativieren. Tatsache ist: Freisler war kein Dämon in roter Robe, nein, er war nur ein besonders konsequenter Vollstrecker nationalsozialistischer Rechtsauffassung.
Aus diesem Grunde habe ich es vorgezogen, von der Person Freislers zu den Strukturen des NS-Rechts vorzudringen beziehungsweise zu beschreiben, wie beides miteinander korrespondierte. Die Lebensgeschichte Roland Freislers wird im Kontext seiner Zeit geschildert – illustriert durch eine Vielzahl von Dokumenten –, zumal sich ja seine Rolle keineswegs nur auf die des Präsidenten des Volksgerichtshofs beschränkte. Freisler als Rechtsanwalt, Staatsbeamter, Publizist und nationalsozialistischer Richter, der, ohne jeglichen Opportunismus, das Gesetz nicht einmal beugte, sondern allenfalls im Sinne des Nazi-Regimes interpretierte und gnadenlos anwendete. Wer als Angeklagter vor ihm stand, hatte – vor allem in den letzten Kriegsjahren – den Tod zu erwarten. Dieses Buch handelt deshalb auch von den Opfern, ihren Lebensgeschichten, ihren Schicksalen. Ein umfangreiches Kapitel dokumentiert ihre Todesurteile. Urteile als stumme Zeugen einer gnadenlosen Justiz. ...
Tatsache ist: Deutsche Richter haben zwischen 1933 und 1945 mit opportunistischer – bisweilen fanatischer – Kaltblütigkeit die Weimarer Verfassung zu einem Fetzen Papier gemacht und formal geltendes Recht mit organisierter Brutalität bedenkenlos angewandt.
Keiner war dazu gezwungen worden. Nein, sie handelten aus eigenem Entschluss. Sie waren die juristischen Handlanger und Vollstrecker des NS-Staates. Nur wenige von ihnen leben noch unter uns. In hohem Alter, gut versorgt mit ebenso hohen Pensionen aus der Staatskasse. Die meisten noch immer davon überzeugt, damals nur ihre Pflicht getan zu haben. Roland Freisler war keineswegs ein Dämon, der aus der Hölle aufstieg, sondern er kam aus der Mitte des deutschen Volkes. Seine Karriere war eine deutsche Karriere. Er war ein erbarmungsloser Vertreter einer erbarmungslosen Justiz. Ein konsequenter Komplize eines mörderischen Systems. …
Wenn das Buch nun – nach Übersetzungen in zahlreiche Sprachen – in einer weiteren Neuauflage vorliegt, dann zeigt dies, dass das Interesse der nachfolgenden Generation, wissen zu wollen, wie es geschah – ungebrochen ist. Dazu tragen TV-Dokumentationen wie die MDR-Produktion über Freisler unter dem Titel "Hitlers williger Vollstrecker" bei, die mit großer Resonanz im Programm verschiedener ARD-Anstalten gesendet wurde.
Ein Buch gegen das Vergessen soll es sein. Denn: Nicht das Vergessen, sondern die Erinnerung macht uns frei.
Frankfurt am Main, August 2014
Helmut Ortner